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Fundraising im Non-Profit-Sektor
ISBN 978-3-8349-1747-8
Vorwort
Inhaltsverzeichnis
1 Spenden akquirieren
I. Grundlagen
2 Marktforschung
2.1 Marktforschung als Instrument der Unternehmenssteuerung
2.2 Marktforschung sozial-ökonomisch einsetzen
2.3 Marktforschung ganzheitlich einsetzen
2.4 Erkenntnisziele verbinden, Marktforschungsmodule nutzen
2.5 Erkenntnisziele erweitern, Kastendenken überwinden, Verknüpfungen beachten
2.6 Primäre Marktforschung oder Rückgriff auf bestehende Informationen?
2.6.1 Grundlagenstudien
2.6.2 Desk Research
2.7 Klein, detailliert, aber nicht repräsentativ – oder darf es etwas mehr sein?
2.7.1 Qualitative und quantitative Forschung
2.7.2 Instrumente der qualitativen Forschung
2.7.3 Instrumente der quantitativen Forschung
2.7.4 Kontexteffekte
2.7.5 Repräsentativität
2.8 Frageninhalte
2.9 Fazit
Weiterführende Literatur
3 Trends und Fakten zur aktuellen Entwicklung der Spendenwerbung
3.1 Die Spendenwerbung neu erfinden?
3.1.1 Die Seelen berühren, die Herzen gewinnen
3.1.2 Charity Business – die Trivialisierung der Spendenwerbung
3.1.3 Parteiliche Spendenwerbung
3.1.4 Mit dem Blick in die Zukunft zurück zu den Wurzeln
3.2 Wirtschaftlichkeit, Komplexität und Datenverarbeitung
3.2.1 Wachsende Komplexität mit neuester Technologie beherrschbar
3.2.2 Budgetoptimierung schafft Ressourcen für Neuspendergewinnung
3.2.3 Renaissance der Kampagne
3.2.4 Regionalisierung – All Business is local
3.3 Fazit
Weiterführende Literatur
II. Den Spender kennen und verstehen
4 Dem Spender auf den Zahn gefühlt
4.1 Die Anfänge
4.2 Die Modularisierung – der „Kundenmonitor“
4.3 Korrekte Interpretation des Spendenmonitors
4.4 Anwendungsmöglichkeiten des Deutschen Spendenmonitors
4.4.1 Externes Benchmarking I
4.4.2 Externes Benchmarking II
4.4.3 Grundsätzliches zur Arbeit mit dem Spendenmonitor
4.5 Learnings aus dem Deutschen Spendenmonitor – Beispiele
4.6 Fazit und Ausblick
5 Segmentierungsansätze aus der Marktforschung
5.1 Marktsegmentierung – Verknüpfung mit vielen Aufgaben des Marketings
5.2 Segmentierung
5.3 Unterschiedliche Segmentierungskriterien
5.4 Anforderungen an eine Segmentierung
5.5 Statistische Verfahren als Werkzeug zur Identifizierung homogener Segmente
5.5.1 Die Clusteranalyse als strukturentdeckendes Segmentierungsverfahren
5.5.2 Alternativen zur klassischen Variante
5.6 „Kompromisslösungen“ mit Cluster-Ensemble-Methoden
5.7 Weitere Klassifikationsverfahren für Segmentierungen
5.8 Interpretation der gefundenen Segmente und Umsetzung der Ergebnisse
5.9 Fazit
Weiterführende Literatur
6 Spender-Profile nach Werteorientierungen mit dem Semiometrie-Modell
6.1 Identifikation der richtigen Spender-Zielgruppe
6.2 Fokus Bestandsoder Neuspender?
6.3 Wertemessung mit dem Semiometrie-Modell
6.4 Semiometrie-Analyse am Beispiel Greenpeace
6.5 Passende Media-Umfelder für
Neuspendergewinnung
6.6 Fazit
Weiterführende Literatur
7 Freiwilligensurvey
7.1 Ursprünge des Freiwilligensurveys
7.2 Ein neues Verständnis des „freiwilligen Engagements“
7.3 Von der „Krise des Ehrenamtes“ zur Förderung des freiwilligen Engagements
7.4 Wege aus dem Individualisierungsdilemma
7.5 Niederschwellige öffentliche Infrastruktur oder individuelle Steuererleichterungen?
7.6 Neue Aspekte im dritten Freiwilligensurvey 2009
7.7 Fazit
7.8 Methodischer Anhang
Weiterführende Literatur
8 Marktanalyse im Non-Profit-Bereich auf Basis der Sekundärforschung
8.1 Sekundärforschung
8.1.1 Was leistet Sekundärforschung?
8.1.2 Barrieren und Grenzen der Sekundärforschung
8.2 Arbeitsschritte einer Recherche
8.3 Sekundärforschung im Non-Profit-Bereich
8.4 Fallbeispiel Alsterdorf
8.4.1 Zentrale Fragestellungen der Analyse
8.4.2 Planung
8.4.3 Durchführung
8.4.4 Ergebnisse
8.5 Leitfaden zur Projektvorbereitung für soziale Organisationen
8.6 Fazit
Weiterführende Literatur
III. Methoden der Spendergewinnung
9 Face-to-Face-Fundraising
9.1 Was ist Face-to-Face-Fundraising?
9.2 Die Agenturen und ihre Kampagnenmodelle
9.2.1 Modell „Ferienwohnung“
9.2.2 Modell „Tischfußball“
9.3 Die Kampagne – ein paar gute Ratschläge
9.3.1 Straße oder Türschwelle?
9.4 Was kostet es?
9.5 Fazit
Weiterführende Literatur
10 Zielgruppe Jugend
10.1 „Erlebte Geschichte“
10.2 Bedeutungswandel der Kriegsgräberstätten
10.3 Angebote für junge Menschen
10.3.1 Workcamps
10.3.2 Jugendbegegnungs- und Bildungsstätten (JBS)
10.3.3 Jugendarbeitskreise
10.4 Bezüge zum Spendenmarketing
10.5 Fazit
11 Bei Anruf Spende
11.1 Warum Telefon-Fundraising?
11.1.1 Vor- und Nachteile von Telefon-Fundraising
11.1.2 Einsatzmöglichkeiten des Telefons
11.2 Einsatzbeispiele
11.2.1 Kündigerrückgewinnung
11.2.2 Dankanrufe
11.2.3 Gewinnung von regelmäßigen Dauerspendern
11.2.4 Sonderspenden für Projekte
11.2.5 Erhöhung der dauerhaften Unterstützung/Upgrade
11.2.6 Checkliste
11.3 Vorbereitung und Organisation einer Telefon-Fundraising-Aktion
11.3.1 Wer führt die Telefonate?
11.3.2 Agentur – passende Partner
11.3.3 Schulung und Briefing
11.3.4 Selektion der Zielgruppe und Datenlieferung
11.3.5 Gesprächsanlass
11.3.6 Gesprächsleitfaden
11.3.7 Stolpersteine
11.4 Das Telefonat
11.4.1 Regeln für das Telefonat
11.4.2 Reklamationen
11.4.3 Qualitätskontrolle
11.5 Die Folgeaktivitäten
11.6 Auswertung der Fundraising-Aktion
11.7 Abschlussgespräch mit der Agentur
11.8 Fazit
12 Mailings
12.1 Zielsetzung
12.2 Mailingkonzeption
12.3 Einsatz der eigenen Spender für ein Spendenmailing – Hauslistenmailing
12.4 Selektionen
12.5 Werbecodevergabe
12.6 Datenexport für Dienstleister (Laserprint, Lettershop)
12.7 Gewinnung neuer Spender – Fremdlistenmailing
12.7.1 Break-Even-Point
12.7.2 Investitionsschema
12.8 Adressauswahl und Mailingkonzeption
12.8.1 Adressauswahl
12.9 Controlling
12.9.1 Mailingstatistik
12.9.2 Haltbarkeitsanalyse
12.10 Trends
13 Revolution im Spendenmarkt
13.1 Wie wichtig ist das Internet für den Spendenmarkt?
13.2 Was ist das Neue an der Internetökonomie?
13.3 Was bedeutet die Entwicklung für den Spendenmarkt?
13.3.1 Eine größere Bandbreite an Organisationen und Initiativen wird bespendbar
13.3.2 Senkung der hohen Fundraising-Kosten
13.3.3 Aus Spendern werden Mitgestalter
13.3.4 Mehr Stakeholder bekommen eine Stimme und die Transparenz siegt
13.3.5 Das Spendenvolumen wird vergrößert
13.4 Fazit
Weiterführende Literatur
14 Charity Golf
14.1 Die Entwicklung des Golfsports
14.2 Die Zielgruppe
14.3 Die ideale Kulisse
14.4 Ziele für ein Charity-Turnier
14.5 Einnahmen aus dem Turnier
14.5.1 Startgebühren (Teilnahmegebühren) der Spieler
14.5.2 Spenden der Teilnehmer
14.5.3 Sponsoring von Unternehmen
14.6 Die Kosten im Blick behalten
14.6.1 Übliche Ausgaben
14.6.2 Beteiligung von Sponsoren
14.6.3 Gewinne
14.7 Fazit
15 Corporate Social Responsibility (CSR)
15.1 Corporate Social Responsibility (CSR) – eine Definition
15.2 Unternehmen als gesellschaftliche Akteure
15.3 Mit Corporate Social Responsibility den globalisierten Markt gestalten
15.4 CSR als Markt für Non-Profit-Organisationen
15.5 Professionalisierung von Non-Profit-Organisationen
15.6 Best Practise – NABU und Volkswagen
15.7 Fazit
Weiterführende Literatur
IV. Optimierung der Ansprache durch Marktforschung
16 Analyse, Management und Controlling von Kommunikationsmaßnahmen
16.1 Ausgangssituation
16.2 Herausforderung
16.3 Umsetzung des einheitlichen Wirkungsmaßes zu einem transparenten Controllingund Empfehlungssystem für Werbeausgaben
16.4 Eignung als Empfehlungssystem und Risiken der mechanistischen Betrachtung
16.5 Fazit
Weiterführende Literatur
17 Werbewirkung vorhersagen
17.1 Funktion und Arbeitsweise von Pre-Tests
17.1.1 Kurzer historischer Abriss
17.1.2 Pre-Tests heute – aktueller Stand und Varianten
17.2 Pre-Tests für NPOs
17.3 Checkliste
17.4 Fazit
Weiterführende Literatur
18 Erfolgskontrolle bei Corporate Publishing im Non-Profit-Sektor
18.1 Was versteht man unter Corporate Publishing (CP)?
18.2 Trends im Corporate Publishing
18.3 Non-Profit-Organisationen (NPOs) und CP
18.4 Wirkungsforschung
18.4.1 Theoretische Grundlagen
18.4.2 Ziele des CP
18.4.3 Instrumente der Erfolgskontrolle im Überblick
18.5 Die Leserbefragung als Instrument der Erfolgskontrolle
18.5.1 Methodisches
18.5.1.1 Die nicht-interviewergeführte Befragung
18.5.1.2 Interviewergeführte Befragung
18.5.2 Inhaltliches
18.5.3 Exkurs
18.6 Fazit
Weiterführende Literatur
19 Ist Servicequalität auch für NonProfit-Organisationen relevant?
19.1 Was ist Servicequalität?
19.2 Mystery Research als Messinstrument für Servicequalität
19.2.1 Was ist bei der Durchführung eines Mystery Projekts zu beachten?
19.2.2 Wer führt die Tests durch?
19.2.3 Wie werden die Tests durchgeführt?
19.2.4 Was ist bei der Realisierung zu beachten?
19.2.5 Welche Ergebnisse liefern die Tests?
19.3 Von der Messung zur Umsetzung
19.3.1 Implementierung in der Fläche
19.3.2 Wo liegt der Mehrwert einer Mystery Analyse im Vergleich zu einer Befragung von Spendern und Förderern?
19.4 Fazit
20 Die optimale Spende
20.1 Die Integration der Spender bei der Gestaltung von Spendenbeiträgen
20.2 Die Bedeutung des Spendennutzens
20.3 Marktforschungsbasierte Ansätze zur Messung des Spendennutzens
20.3.1 Qualitative Untersuchungen (Fokusgruppen)
20.3.2 Quantitative Kundenbefragungen potenzieller Spender
20.4 Ergebnisbeispiele bei quantitativen Kundenbefragungen potenzieller Spender
20.4.1 Wichtigkeiten
20.4.2 Nutzensegmentierung
20.4.3 Präferenzanteile
20.4.4 Strategieprofile und Szenarien
20.5 Fazit
Weiterführende Literatur
V. Image und Strategie
21 Erfolgreiches Fundraising steht auf drei Säulen
21.1 Ein klares Markenbewusstsein schärft das Selbstverständnis
21.2 Die Zielgruppe im Visier
21.2.1 Zielgruppenanalyse
21.2.2 Kommunikation mit den Zielgruppen
21.3 Marke und Projekt müssen passen
21.4 Fazit
Weiterführende Literatur
22 Kampagnenplanung
22.1 Ziele definieren
22.2 Zielgruppen definieren
22.3 Das Drehbuch für die Kampagne entwickeln
22.4 Den Plan abarbeiten, dokumentieren und evaluieren
22.5 Evaluation
22.6 Fazit
Weiterführende Literatur
23 Marktforschung und Web 2.0
23.1 Historische Quantensprünge?
23.2 Änderungen durch das Web
23.3 Neue Herausforderungen für die Forschung
23.4 Social-Media-Strategie
23.5 Die veränderte Rolle von öffentlich verfügbaren Daten
23.6 Neue digitale Angebote der Marktforschung
23.6.1 Webmonitoring
23.6.2 Marktforschungscommunities
23.6.3 Messungen von Onlineverhalten und Onlinemotivationen
23.7 Tradigital – die Integration von Alt und Neu
Weiterführende Literatur
24 NPOs im Social Web
24.1 Die Kommunikationswelt im Wandel
24.2 Potenziale von Social Media für Stakeholder-kommunikation und Fundraising
24.3 Status quo des Social-Media-Einsatzes von Non-Profit-Organisationen
24.3.1 Interaktion und Dialog spielen eine untergeordnete Rolle
24.3.2 Online-Fundraising ist kaum ein Thema
24.3.3 Alte Kommunikation in neuen Kanälen
24.4 Entwicklungspotenziale – ein Blick auf die internationalen Aktivitäten von NPOs
24.5 Herausforderungen für die Zukunft
Weiterführende Literatur
25 Webmonitoring
25.1 Das Internet im Fundraising-Mix – als NPO selbst aktiv werden
25.2 Webmonitoring das Internet als Informationsquelle nutzen
25.2.1 Was ist Webmonitoring?
25.2.2 Was bringt ein Webmonitoring?
25.2.2.1 Kommunikation und Public Relations
25.2.2.2 Marketing und Fundraising
25.2.3 Durchführung des Webmonitorings
25.2.3.1 Manuelle Recherche durch den Einsatz von eigenen Mitarbeiterkapazitäten
25.2.3.2 Automatisierte Recherche mittels einer Software oder Suchplattform
25.2.4 Ergebnisbeispiele einer Webmonitoring-Lösung
25.3 Fazit
Weiterführende Literatur
26 Tue Gutes und rede darüber
26.1 Wissen, wo die Reise hingeht
26.1.1 Leitbild
26.1.2 Corporate Design
26.2 Mehr als ein Fahrplan
26.3 Was eignet sich? Möglichkeiten der PR
Den richtigen Partner finden
26.5 Schätze heben mit Konzept
26.5.1 Mehrwert für beide Seiten
26.5.2 Mit Schirm, Charme und Melone
26.6 Das tägliche Brot
26.6.1 Wissen, wie Redaktionen ticken
26.6.2 Weg mit der Gießkanne
26.6.3 Pressemitteilungen schreiben, aber richtig!
26.7 Mit Sahnehäubchen
26.8 Fazit
Weiterführende Literatur
VI. Ausblick
27 Kontrollinstanz im Spendenwesen
27.1 Formen von Kontrolle im Spendenwesen
27.1.1 Kontrolle – für wen, wie und durch wen?
27.1.2 Staatliche Kontrolle
27.1.3 Selbstkontrolle
27.2 Privatrechtliche Kontrollformen im Spendenwesen
27.2.1 Spendenauskunftsstellen („Watchdogs“)
27.2.2 Das DZI Spenden-Siegel und andere Prüfzeichen
27.3 Wettbewerbe
27.4 Fazit
Weiterführende Literatur
28 Den Wandel auf ein festes Fundament stellen
28.1 Curriculare Entwicklungen im Fundraising
28.2 Desiderate des Non-Profit-Managements
28.2.1 Planung und Zielsetzung
28.2.2 Kohärente Konzeptionen
28.2.3 Defizite im Marketingcontrolling
28.3 Neuere Entwicklungen des Fundraisings in Deutschland
28.3.1 Board Education
28.3.2 Fundraising und Markenbildung
28.3.3 Qualitätsmanagement im Fundraising
28.4 Fazit
Anhang
Stichwortverzeichnis
Autorenverzeichnis
Die Herausgeber

Автор: Bär M.   Borcherding J.   Keller B.  

Теги: marketing  

ISBN: 978-3-8349-1747-8

Год: 2010

Текст
                    
Monika Bär / Jan Borcherding / Bernhard Keller Fundraising im Non-Profit-Sektor

Monika Bär / Jan Borcherding Bernhard Keller Fundraising im Non-Profit-Sektor Marktbearbeitung von Ansprache bis Zuwendung
Bibliografische Information der Deutschen Nationalbibliothek Die Deutsche Nationalbibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbibliografie; detaillierte bibliografische Daten sind im Internet über <http://dnb.d-nb.de> abrufbar. 1. Auflage 2010 Alle Rechte vorbehalten © Gabler Verlag | Springer Fachmedien Wiesbaden GmbH 2010 Lektorat: Manuela Eckstein Gabler Verlag ist eine Marke von Springer Fachmedien. Springer Fachmedien ist Teil der Fachverlagsgruppe Springer Science+Business Media. www.gabler.de Das Werk einschließlich aller seiner Teile ist urheberrechtlich geschützt. Jede Verwertung außerhalb der engen Grenzen des Urheberrechtsgesetzes ist ohne Zustimmung des Verlags unzulässig und strafbar. Das gilt insbesondere für Vervielfältigungen, Übersetzungen, Mikroverfilmungen und die Einspeicherung und Verarbeitung in elektronischen Systemen. Die Wiedergabe von Gebrauchsnamen, Handelsnamen, Warenbezeichnungen usw. in diesem Werk berechtigt auch ohne besondere Kennzeichnung nicht zu der Annahme, dass solche Namen im Sinne der Warenzeichen- und Markenschutz-Gesetzgebung als frei zu betrachten wären und daher von jedermann benutzt werden dürften. Umschlaggestaltung: KünkelLopka Medienentwicklung, Heidelberg Gedruckt auf säurefreiem und chlorfrei gebleichtem Papier Printed in Germany ISBN 978-3-8349-1747-8
 Inhaltsverzeichnis 5 Vorwort Der dritte Sektor ist seit vielen Jahren Kunde bei uns. Viele soziale Organisationen werden von uns mit den unterschiedlichsten marktforscherischen Ansätzen unterstützt. Die meisten dieser Studien finden „im Verborgenen“, in der in der Marktforschung üblichen Diskretion einer Kundenbeziehung statt – nur unser Spendenmonitor wird in kleinsten Teilen veröffentlicht. Bei unserer Zusammenarbeit mit den Non-Profit-Organisationen haben wir feststellt, dass noch längst nicht alle Möglichkeiten der Marktforschung bekannt sind. Besonders wurde dies im Zusammenhang mit dem Deutschen Spendenmonitor deutlich. Aus diesem Grunde haben wir Workshops für unsere Kunden veranstaltet. Anfang 2009 entstand in unserem Team die Idee, die Erfahrungen unseres Hauses mit seinem umfangreichen Instrumentarium in einem Buch zu bündeln und in komprimierter, übersichtlicher Form in den Markt zu tragen. Wichtig war es uns, auch die Erfahrungen der gemeinnützigen Organisationen (Marktseite) zu berücksichtigen. Es freut uns deshalb sehr, dass viele unserer Kunden unserer Bitte gefolgt sind und ihre Erfahrung auf Papier gebracht haben. Doch nicht nur die gemeinnützigen Organisationen sind im vorliegenden Buch mit Praxisbeiträgen vertreten, sondern auch Experten aus Agenturen und Institutionen. In den Beiträgen wird anschaulich aufgezeigt, an welchen Stellen Fehler und Fallen lauern und mit welchen Mitteln beispielsweise Abläufe optimiert werden können. Alles in allem ist ein Buch entstanden, in dem sichtbar wird, dass die Autoren aus ihrem Arbeitsleben berichten. Es wird der Enthusiasmus erkennbar, der nichts mit einem Dienst nach Vorschrift zu tun hat, sondern mit echtem Engagement. Wie bei allen Büchern mit vielen Autoren gehen einige auf dem Weg des Schreibens verloren. Im Sommer war dies vereinzelt der Fall und deshalb noch kein Problem, aber im Herbst haben uns die Absagen in ihrer Kurzfristigkeit doch zu schaffen gemacht. Aus diesem Grund freuen wir uns, Autoren gefunden zu haben, die ohne Aufhebens und sehr verständnisvoll eingesprungen sind. Ihnen gilt unser besonderer Dank. Die Stärke des vorliegenden Buches sehen wir in der Breite der Erfahrungen, in der Leidenschaftlichkeit der Plädoyers und in der Offenheit der Autorinnen und Autoren, zu ihren Erfahrungen und Überzeugungen zu stehen. In diesem Sinne danken wir allen Verfassern, dass sie die Mühe des Schreibens nicht gescheut haben, auch wenn sie zuweilen beruflich sehr eingespannt waren. Wir danken den Mitstreiterinnen, Fürsprecherinnen und Begleiterinnen im Gabler Verlag unter Leitung von Frau Eckstein für die Bereitschaft, das Herausgeberrisiko mit uns zu tragen. Es ist schließlich nicht nur ein wirtschaftliches, sondern auch ein intellektuelles, denn auch der Verlag bürgt mit seinem Namen für Qualität.
6 Vorwort Autorinnen und Autoren sind die personalisierte conditio sine qua non – ohne sie ist ein Herausgeberbuch undenkbar. Im Hintergrund bleiben die vielen Geister, ohne die ein solches Buch nicht in der gebotenen Geschwindigkeit handwerklich erstellt werden könnte. Deshalb danken wir Frau Jessica Milbredt, die mit unerschütterlicher Ruhe die Organisation nie aus dem Blick verlor und die Layoutprobleme mit ihren unerschöpflichen OfficeKenntnissen zur Bagatelle werden ließ. Wir wünschen Ihnen eine aufschlussreiche und anregende Lektüre und fordern Sie im Namen aller Beteiligten zur direkten Diskussion mit den Autorinnen und Autoren auf. Die E-Mail-Adressen hierfür finden Sie im Autorenverzeichnis. Bielefeld, im Mai 2010 Die Herausgeber Monika Bär Jan Borcherding Bernhard Keller
 Inhaltsverzeichnis 7 Inhaltsverzeichnis Vorwort vonȱMonikaȱBär,ȱJanȱBorcherdingȱundȱBernhardȱKeller...................................................................... 5 1. Spenden akquirieren: Was kann dieses Buch beitragen? vonȱJanȱBorcherdingȱundȱBernhardȱKeller ....................................................................... 11 I. Grundlagen 2. ȱ Marktforschung: Basis für Marketing, Kommunikation und Vertrieb vonȱBerhardȱKeller ............................................................................................................ 17 3. ȱ Trends und Fakten zur aktuellen Entwicklung der Spendenwerbung vonȱPeterȱSchmitz ............................................................................................................. 32 II. Den Spender kennen und verstehen 4. ȱ Dem Spender auf den Zahn gefühlt vonȱJanȱBorcherding ......................................................................................................... 49 5. ȱ Segmentierungsansätze aus der Marktforschung vonȱStefanȱTuschl ............................................................................................................. 63 6. Spender-Profile nach Werteorientierungen mit dem Semiometrie-Modell von André Petras ........................................................................................................... 78 7. Freiwilligensurvey: Ein umfragegestütztes Informationssystem für die Bürgergesellschaft von Thomas Gensicke ....................................................................................................... 88 ȱ 8.   Marktanalyse im Non-Profit-Bereich auf Basis der Sekundärforschung vonȱNicolaȱBoyerȱundȱSiljaȬMariaȱWiedeking ............................................................... 104
8 Inhaltsverzeichnis III. Methoden der Spendergewinnung 9. ȱ Face-to-Face-Fundraising: Warum es alle tun, aber niemand darüber spricht vonȱAntjeȱWelp ............................................................................................................... 117 10. ȱ Zielgruppe Jugend: Systematische Bildungsarbeit in divergierenden Gesellschaften vonȱHansȬDieterȱHeine .................................................................................................. 128 11. ȱ Bei Anruf Spende vonȱBarbaraȱDrust .......................................................................................................... 135 12. ȱ Mailings vonȱHansȬJosefȱHönig ..................................................................................................... 149 13. ȱ Revolution im Spendenmarkt: Prinzipien des Online-Fundraisings vonȱJoanaȱBreidenbach .................................................................................................... 163 14. ȱ Charity Golf: Spenderbindung und Spenderfindung vonȱAndreasȱSchiemenz.................................................................................................. 172 15. Corporate Social Responsibility (CSR): Ein Markt für Non-Profit-Organisationen? vonȱCorneliaȱBlömer ....................................................................................................... 182 ȱ IV. Optimierung der Ansprache durch Marktforschung 16. ȱ Analyse, Management und Controlling von Kommunikationsmaßnahmen vonȱHenningȱRossa ........................................................................................................ 195 17. ȱ Werbewirkung vorhersagen vonȱHansȱMumme .......................................................................................................... 208 18. ȱ Erfolgskontrolle bei Corporate Publishing im Non-Profit-Sektor vonȱWalterȱFreese ........................................................................................................... 218 19. ȱ Ist Servicequalität auch für Non-Profit-Organisationen relevant? vonȱMaikȱStücken ........................................................................................................... 234 20. ȱ Die optimale Spende vonȱAndreasȱPohle .......................................................................................................... 244
Inhaltsverzeichnis 9 V. Image und Strategie 21. ȱ Erfolgreiches Fundraising steht auf drei Säulen vonȱKatharinaȱSievert ..................................................................................................... 257 22. ȱ Kampagnenplanung vonȱAndreasȱDinkelmeyer .............................................................................................. 264 23. ȱ Marktforschung und Web 2.0 vonȱDirkȱSteffen.............................................................................................................. 271 24. ȱ NPOs im Social Web: Status quo und Entwicklungspotenziale vonȱKatrinȱKiefer ............................................................................................................ 283 25. ȱ Webmonitoring: Internetinhalte erfassen und gezielt nutzen vonȱChristineȱGerbracht ................................................................................................. 297 26. Tue Gutes und rede darüber: PR kann mehr vonȱChristinaȱMüllerȱundȱLisaȱSchmees ........................................................................ 310 VI. Ausblick 27. ȱ Kontrollinstanz im Spendenwesen: Vom Sinn der Qualitätsüberwachung vonȱBurkhardȱWilke........................................................................................................ 329 28. Den Wandel auf ein festes Fundament stellen: Plädoyer für eine umfassende Marktforschung vonȱThomasȱKreuzer ....................................................................................................... 342 ȱ  Stichwortverzeichnis ..................................................................................................................... 349  Autorenverzeichnis ....................................................................................................................... 353 Die Herausgeber ............................................................................................................................ 361   

 Spenden akquirieren: Was kann dieses Buch beitragen? 1 11 Spenden akquirieren: Was kann dieses Buch beitragen? JanȱBorcherdingȱundȱBernhardȱKellerȱ Seit nunmehr 15 Jahren werden jährlich elementare Zahlen im Rahmen des Deutschen Spendenmonitors veröffentlicht, die von der Öffentlichkeit aufmerksam und interessiert beachtet werden. Wie viele Deutsche haben im vergangenen Jahr gespendet? Wie hoch war die Pro-Kopf-Spende? Wie groß war der Spendenkuchen insgesamt? Und zu welchen Zwecken spenden die Menschen in Deutschland eigentlich? Diese Zahlen sind frei verfügbar und jedermann zugänglich. Auf vielen Internetseiten werden sie aufgegriffen, Radio Vatikan verbreitet sie, und die Zeitungen schreiben in der Regel zwei bis drei Wochen lang darüber. Die Zahlen sind ein Spiegel, aus dem die sozialen Organisationen die Ergebnisse ihrer Marktaktivitäten ablesen können. Kommunikation, Marketing, Vertrieb sind Akteure, die zuweilen aus einer Hand, zuweilen getrennt voneinander mit unterschiedlichen Instrumenten in den Markt hinein agieren, die Menschen dort adressieren. Dem Betrachter bietet sich ein sehr vielfältiges Bild, denn neben das traditionelle Sammeln mit der Büchse ist die direkte Ansprache mit der Bitte um eine unterstützende Mitgliedschaft getreten, die Konzentration auf jährliche Vorweihnachtsbriefe (mit anschließender Zuwendungsbescheinigung im Januar) konkurriert immer öfter mit zwischenzeitlichen Aktionen unterschiedlicher Themen, und alle diese Mailingaktivitäten stehen in Konkurrenz zu beziehungsweise werden begleitet von Telefonwerbung und Internetplattformen, über die Spender gesucht werden. Wie funktioniert das alles, wo sind die Grenzen und was gilt es zu beachten? In diesem Buch berichten Praktiker und teilen uns ihre Erfahrungen mit. Die Marktforschung kann alle Prozesse in und aus einer sozialen Organisation unterstützen. Für jede Aktivität im Markt gibt es ein passendes Marktforschungskonzept – entweder im Vorfeld, um eine Konzeption auf Akzeptanz und Optimierung zu testen, als Begleitung von Aktivitäten wie ein Werbetracking oder im Nachhinein als Echo auf eine Aktivität. Marktforschungsstudien liefern somit Informationen für die Unternehmenssteuerung – auch für die Steuerung einer sozialen Organisation. Die Marktforschung liefert Zahlen für das Controlling von Vertriebs- und Kommunikationsaktivitäten, für Servicequalität, ja sogar für die optimale Gestaltung eines Fördererbeitrags. Aber die Marktforschung wird als Hilfsinstrument viel zu wenig eingesetzt – das ist ein Ergebnis des Plädoyers von Thomas Kreuzer, der als Leiter der Fundraising Akademie die Defizite der Branche genau kennt. Aus diesem Grund wollten wir die Erfahrung aus der Marktgestaltung, aus Marketing, Kommunikation und Vertrieb einerseits und aus der Marktforschung andererseits miteinander verknüpfen und haben Autoren aus diesen Bereichen gebeten, ihre Erfahrungen einzubringen – was sie auch mit teilweise entwaffnender Ehrlichkeit und großer Offenheit getan haben.
12 Jan Borcherding und Bernhard Keller Aus den Erfahrungen und Vorschlägen heraus haben wir die Beiträge nach folgenden inhaltlichen Kriterien geordnet: Zunächst werden die Grundlagen des Fundraisings vorgestellt. Bernhard Keller skizziert die vielfältigen Einsatzbereiche der Marktforschung, er zeigt Themen und Analysen auf, betont die Wichtigkeit der Vernetzung von Instrumenten und Ergebnissen und weist auf die Fallstricke hin, die nur Experten kennen und in ihren Auswirkungen einschätzen können. Peter Schmitz gibt eine Einführung in die gegenwärtige Entwicklung des Marktes. Er schreibt mit viel Verve wider den bombastischen Rahmen von Entertainment-Kongressen. Sein Anliegen: zurück zu den Wurzeln – was nicht mit Betteln auf der Straße zu verwechseln ist. Im zweiten Teil steht das immer noch mysteriöse Wesen „Spender“ im Vordergrund. Jan Borcherding stellt den Deutschen Spendenmonitor als eine der Grundlagenstudien des Marktes vor. Stefan Tuschl beschreibt auf statistisch-methodisch sehr anspruchsvolle Weise „Segmentierungsansätze“, mit denen der Spendermarkt strategisch strukturiert werden kann. André Petras stellt mit der Semiometrie, die bereits von mehreren Organisationen eingesetzt wird, einen Segmentierungsansatz auf psychografischer Ebene vor. Thomas Gensicke beleuchtet den großen Kontext ehrenamtlichen Engagements. Er stellt den Freiwilligensurvey der Bundesregierung vor, der mit hohem demoskopischem Aufwand das gesamte Spektrum ehrenamtlicher Tätigkeiten der Menschen in Deutschland skizziert – und in 2010 bereits zum zweiten Mal durchgeführt wird. Teil II schließt mit dem Beitrag von Nicola Boyer und Silja-Maria Wiedeking aus dem Business Intelligence. Sie beschreiben einen besonderen Bereich der Marktforschung: Desk Research. Mit dieser Vorgehensweise werden weit verstreute Informationen zusammengetragen, auf Glaubwürdigkeit geprüft und zu einer Analyse verdichtet. Es folgt ein Sprung in die praktische Arbeit. Im dritten Teil stehen die „Methoden der Spendergewinnung“ im Blickpunkt. Antje Welp stellt mit umfassendem Erfahrungswissen und auch historischen Rückblicken die klassische Methode der Spendensammlung auf der Straße vor. Face-to-Face ist nicht nur eine der ältesten Methoden, Menschen zu befragen, wie wir das aus der Marktforschung kennen, es ist auch eine immer noch sehr lebendige Methode, Menschen auf der Straße als Unterstützer zu gewinnen. Wie das zu bewerkstelligen ist, zeigt die Autorin vor dem Hintergrund ihrer Oxfam-Aktivitäten. Greenpeace ist ebenfalls jedermann ein Begriff, nicht aber die Probleme des Telefon-Fundraisings. Barbara Drust stellt dar, wie eine Telefon-Fundraising-Agentur professionell geführt und kontrolliert werden muss, damit die Marke Greenpeace keinen Schaden erleidet. Es klappt, wenn auch mit vielen Mühen, denn Outbound Callcenter arbeiten zuweilen mit Methoden, die nicht immer dem Image einer sozialen Organisation zuträglich sind. Hans-Josef Hönig lüftet seinen mehr als 25-jährigen Erfahrungsschatz, um die optimale Gestaltung und Durchführung eines Mailings mit neuesten betriebswirtschaftlichen Direct-MailingKenntnissen zusammenzuführen.
Spenden akquirieren: Was kann dieses Buch beitragen? 13 Hans-Dieter Heine führt den Leser zu einer Zielgruppe, die vielfach als Zukunftspotenzial betrachtet, aber oftmals noch nicht angesprochen wird: Jugendliche und junge Erwachsene. Der Autor skizziert, wie der Volksbund Kriegsgräberfürsorge junge Menschen adressiert und für die Ziele der Organisation zu gewinnen versucht. Ebenfalls sehr engagiert ist der Beitrag von Joana Breidenbach, Gründerin von betterplace.org. Vorgestellt wird die von ihr mitentwickelte Internet-Plattform und ihre Möglichkeiten. Andreas Schiemenz begeistert uns mit einer ganz anderen Idee des Fundraisings: Abseits von der Masse gewinnt er Großspender mit Charity-Golfturnieren. Sein Artikel gibt Einblick in die Organistion und Möglichkeiten solcher Events. Abschließend bringt Cornelia Blömer noch eine andere Zielgruppe ins Blickfeld: Unternehmen. Mit viel Erfahrung und direkt aus der NABU-Praxis berichtet sie über Chancen, aber auch über Risiken von Kooperationen mit Unternehmen. Es gibt nichts, was nicht zu optimieren wäre: Der vierte Teil, „Optimierung der Ansprache durch Marktforschung“, enthält Methoden und Ansätze zu eben genau diesem Zweck. Henning Rossa gibt einen umfassenden Überblick über die Kontaktpunktanalyse – ein ganzheitlicher Ansatz für die Auswahl von Kommunikationsmitteln. Hans Mumme konzentriert sich auf das Testen von Konzepten und Mailings, während Walter Freese aus seinem Spezialgebiet, dem Corporate Publishing, über Spenderzeitschriften berichtet. Eine Visitenkarte jeder Organisation ist die Spenderhotline bzw. die Spenderberatung. Maik Stücken stellt mit Mystery Calling eine Methode vor, mit der die Qualität von Outbound-Aktivitäten nicht nur getestet, sondern auch gezielt verbessert werden kann. Vielfach auf Überweisungsträgern oder Formularen gesehen: vorgeschlagene Förderbeiträge. Kann man diese auch optimieren beziehungsweise den Spender dadurch beeinflussen? Ja, man kann. Andreas Pohle liefert hierzu die Evaluationsmethodik. Ist der Spender nun optimal gewonnen, so muss man sich auch darauf konzentrieren, dass er bleibt und positiv über die Organisation spricht. Und auch neue Spender können nicht ausschließlich über gezielte Ansprache zur Organisation kommen – vielmehr ist ein positives Image wichtig für die Spender, die sich selber eine Organisation suchen. Im fünften Teil beschreibt Katharina Sievert von der Fundraising Factory die „Drei Säulen des Fundraisings“. Auf diesen aufgebaut und optimal umgesetzt sollte erfolgreiches Fundraising gelingen. Andreas Dinkelmeyer von IFAW führt mit grundlegenden Gedanken in den Aufbau von Kampagnen ein, unvergessen sind hier sicherlich einige der durchaus provozierenden Kampagnen seines Hauses. Was wird von diesen Kampagnen in der Welt diskutiert? Dirk Steffen geleitet uns in die Online-Welt. Er gibt einen Überblick über die Methoden der Online-Marktforschung und einen Ausblick auf „Tradigital – die Integration von Alt und Neu“. Kathrin Kiefer widmet sich in ihrem Beitrag den Potenzialen von Social Media für Kommunikation und Fundraising und analysiert den Social-Media-Einsatz sozialer Organisationen. Christine Gerbracht beschreibt, wie über „Webmonitoring“ zielgerichtet die Informationsvielfalt des Internet aufbereitet und für Image- und Strategiegestaltung genutzt werden kann. Christina Müller und Lisa Schmees geben Einblick in die die Erfolgs-
14 Jan Borcherding und Bernhard Keller faktoren für PR und Öffentlichkeitsarbeit. Nicht nur Kommunikation, auch Kooperation und Sponsoring bieten Mehrwert – für viele Seiten. Zum Schluss schreibt Burkhard Wilke über den Sinn der Qualitätsüberwachung im Spendenmarkt und die Rolle eines Spendensiegels. Als Leiter des DZI kennt er wie kein zweiter auch die unseriösen Machenschaften im Spendenmarkt. Und Thomas Kreuzer, Leiter der Fundraising-Akademie, überprüft anhand der Entwicklungen im Markt die Anforderungen an zukünftiges Gestalten. Sein Schluss: Die Professionalisierung der Branche geht weiter. Dieses Buch soll dem Leser einerseits ausgewählte Methoden des Fundraisings vorstellen, andererseits auch die Instrumente der Marktforschung für soziale Organisationen nahe bringen. Marketing, Marktforschung, Kommunikation und „Vertrieb“, also die direkte Umsetzung in Spendensammeln, stehen im Fokus. Alle diese Themen sind enger miteinander verbunden, als der Laie denken mag. Sei es bei der Adress-Selektion, den Überlegungen zu Zielgruppen, den einfachen Marketingfragestellungen sowie auch bei der Arbeit an einem Image – die Probleme sind ähnlich, die Methoden vergleichbar und – das ist eine der wichtigsten Botschaften des Buches – sie bedingen einander, sind miteinander verwoben und nur gemeinsam durchschlagend und nachhaltig erfolgreich.
 Spenden akquirieren: Was kann dieses Buch beitragen? I. Grundlagenȱ 15

 Marktforschung: Basis für Marketing, Kommunikation und Vertrieb 2 17 Marktforschung: Basis für Marketing, Kommunikation und Vertrieb BernhardȱKellerȱ Non-Profit-Organisationen durchleben einen stürmischen Wandel, der intern wie extern angestoßen und weitergetrieben wird. Zeichen hierfür sind die zunehmende Professionalisierung der Mitarbeiter und Führungskräfte, das Verständnis der Organisation als Marke wie auch die zunehmende Verlagerung von Aktivitäten ins Internet, die unter dem Stichwort Multikanalmanagement auch eine Veränderung des Informations- und Kommunikations-, aber auch des Spendenverhaltens beinhaltet. Einfluss haben natürlich auch die Einführung und die Auswirkungen der Total Quality Excellence-Prozesse sowie die Auswirkungen der gegenwärtigen Wirtschaftskrise, in deren Zuge nicht nur eine geringere Zahl an Spendern zu erwarten ist1, sondern in der Fundraiser und Organisationen, also Vertrieb wie auch Marketing und Kommunikation, mit neuen Ideen und Methoden in der Öffentlichkeit agieren müssen – müssen, um Aufmerksamkeit zu erlangen und diese auch in Spenden umsetzen zu können. Für die Aktivitäten im Markt stellt die Marktforschungsbranche die notwendigen Instrumente zur Verfügung. Die Non-Profit-Organisationen können auf Erfahrungen aus der Konsumwelt zurückgreifen – auch wenn vordergründig der Aspekt des „Verkaufens“ immer noch abgelehnt wird. Vielleicht sind die Marktforscher in diesem Punkt direkter oder weniger sentimental: Für sie unterscheiden sich die Analysen zum Imageaufbau, um überhaupt oder mit weniger Aufwand Spenden einwerben zu können, von einer Unternehmenspositionierung nur in der Wortwahl. Auch der Prozess des Spendenwerbens verläuft analog den psychologischen Prozessen des Verkaufens. Damit steht der Adaption der Marktforschungsansätze aus anderen Branchen nichts im Wege. 2.1 Marktforschung als Instrument der Unternehmenssteuerung Marktforschung ist weder das heimliche Auge noch der „Big Brother“ des 21. Jahrhunderts. Marktforschung ist Handwerkszeug zur Erreichung von Organisationszielen. Sie liefert Informationen zur Ausgestaltung und damit Steuerung für:   1 Siehe dazu die neuesten Ergebnisse aus dem Deutschen Spendenmonitor im Beitrag von Jan Borcherding.
18 Bernhard Keller ႑Kostenkontrolle ႑Marketing und Werbung ႑Vertrieb ႑Kommunikation und Public Relations ႑Personalentwicklung Marktforschungsaktivitäten dienen der Vorbereitung (Erwerb und Analyse von Erkenntnissen) von Maßnahmen wie auch der Kontrolle, ob und wie diese Maßnahmen wirken bzw. optimiert werden können. Die Ergebnisse der Marktforschung können als Kennziffern für eine Balanced Scorecard verdichtet werden und dienen auf diese Weise als Entscheidungshilfen für das Management. 2.2 Marktforschung sozial-ökonomisch einsetzen Marktforschung wird zur Generierung von Ideen, zur Ausleuchtung eines Sachverhaltes, zur Klärung eines Problems, zur Annahme oder Ablehnung einer Hypothese und manchmal auch zur nachträglichen Legitimation einer bereits getroffenen Entscheidung eingesetzt. Wird Marktforschung in verschiedenen Abteilungen einer Organisation oder in einer Abteilung zu verschiedenen Zwecken, zeitgleich oder nacheinander, aber unverbunden miteinander, eingesetzt, stellt sich die Frage nach Synergieeffekten. Nicht allein, um Kosten zu sparen, sondern auch, um das kostbarste Gut der Marktforschung, den Befragten, nicht unnötig zu belästigen. Dieses auf den ersten Blick merkwürdig klingende Argument entpuppt sich auf den zweiten als ernsthafte Herausforderung. Folgende Gründe sind anzuführen: ႑Prime Time für Telefonbefragungen (immer noch der größte Teil aller Studien) ist in der Regel der Zeitraum zwischen 16.00 und 20.00 Uhr – da ist die Wahrscheinlichkeit, dass ein Querschnitt der Bevölkerung zu Hause anzutreffen ist, am größten. Denn eine Grundbedingung bevölkerungsrepräsentativer Forschung ist, dass alle Mitglieder der Grundgesamtheit die gleiche Auswahlchance haben müssen. Die Praxis zeigt, dass die Menschen in diesem Zeitraum am besten zu erreichen sind. ႑Call-Center mit Outbound-Verkaufstätigkeiten nutzen sehr oft das positive Image der Marktforschung, um bei den Menschen Gehör zu finden. „Cold calling“, vorgenommen ohne Zustimmung der Betroffenen, ist gesetzlich zwar nicht zulässig, wird aber sehr oft unter dem Deckmantel einer Marktforschung eingesetzt, um die Abwehrhaltung der Angerufenen zu unterlaufen. Diese Vorgehensweise hat dazu geführt, dass auch die Antwortbereitschaft der Bevölkerung für Marktforschung zurückgegangen ist. Es müssen also immer mehr Menschen (in der gleichen Zeit: zwischen 16.00 und 20.00 Uhr) angerufen werden, um eine vorgegebene Fallzahl zu erreichen.
Marktforschung: Basis für Marketing, Kommunikation und Vertrieb 19 ႑Immer mehr Menschen verzichten auf einen Festnetzanschluss. Aus diesem Grund wird die Zahl zu Hause erreichbarer Personen stetig geringer. Ein Ausweichen auf mobile Anschlüsse ist bei bevölkerungsrepräsentativen Befragungen nicht möglich, weil die Anzahl und die Telefonnummern mobiler Anschlüsse in einem geografisch festgelegten Raum nicht frei zugänglich sind. Mobile Anschlüsse können nur unter nicht vertretbaren Kosten frei von einem Computer generiert werden. Zudem ist anzuführen, dass die Besitzer mobiler Telefongeräte nicht in Deutschland ansässig sein müssen – weil sie in Urlaub oder auf Geschäftsreise sind oder in einem anderen Land bzw. einer anderen Zeitzone leben. Ein Anruf als Weiterleitung ginge zu Lasten des Angerufenen, was immer Ärger verursacht. Möglicherweise kommmt der Anruf auch zu nachtschlafender Zeit. Aus all diesen Gründen werden Handynummern höchstens bei Spenderbefragungen, also bei Menschen, deren Nummern bekannt sind und die ihr Einverständnis gegeben haben, auch für Marktforschungszwecke angerufen werden zu können, eingesetzt. ႑Für Onlinebefragungen gibt es kein komplettes Verzeichnis von E-Mail-Adressen für Repräsentativbefragungen. Online lassen sich höchstens vorgegebene Adressen oder Teilnehmer eines Panels rekrutieren und befragen – was in der Regel das Informationsbedürfnis der Organisationen erfüllt, solange es sich nicht um die Gruppe der älteren und weniger Internet-affinen Menschen handelt, die allerdings eine Hauptgruppe an Spendern darstellt. ႑Schriftliche Befragungen erzielen selten einen befriedigend ausreichenden Rücklauf. Die Rücksendequote ist geringer als bei telefonischen Befragungen und muss aufgrund des Alters der meisten Spender, die ohnehin am besten telefonisch zu erreichen sind, ganz speziell auf deren Bedürfnisse konzipiert werden. Aus allen diesen Gründen pflegt ein verantwortungsbewusster Marktforscher eine ökonomisch vorausschauende Beziehung zu seiner Arbeitseinkommensquelle: dem Befragten. Es gibt noch einen anderen, eher profanen Grund: In der Regel geben Befragte Auskunft, weil sie altruistisch eingestellt sind und helfen wollen. Diese Hilfe sollte nicht durch unnötige Fragen missbraucht werden – auch wenn eine soziale Organisation dafür bezahlt. Sie bezahlt schließlich nicht den Befragten. Mögliche Optimierungen in den Abläufen auf Organisationsseite, hervorgerufen durch die Anregungen von Spenderseite, geschehen primär zum Wohle der Organisation. Sie will den Spender nämlich nicht verlieren, sie will sogar neue gewinnen. Hat der Spender auch etwas davon, umso besser. 2.3 Marktforschung ganzheitlich einsetzen Wird Marktforschung zu verschiedenen Zwecken, zeitgleich oder nacheinander, aber unverbunden miteinander, eingesetzt, stellt sich die Frage nach den Synergieeffekten nicht nur aus den angeführten sozial-ökonomischen Gründen, sondern auch, um Erkenntnisse miteinander zu vernetzen und aufeinander zu beziehen. Marktforschung kann modular aufgebaut werden, sodass Ergebnisse nicht isoliert nebeneinander stehen, sondern über
20 Bernhard Keller Verknüpfungen tiefere „Innenansichten“ erzielen. Ein Beispiel: Die Kommunikationswirkungsanalyse sollte immer mit einer Spenderbindungsanalyse verknüpft werden. Das Ergebnis der Kommunikationsanalyse bei Spendern jeglicher Organisation könnte lauten, dass eine geschaltete Werbeanzeige sehr gut erinnert und auch dem Absender richtig zugeschrieben wird. Sie könnte sogar motivieren und die Einstellung zur werbenden Organisation positiv beeinflussen. Die Frage ist nur, ob dies auch bei allen erreichbaren Personen gelingen kann. Also nicht nur bei den eigenen Spendern, sondern auch bei den Spendern der „Wettbewerber“, die aufgrund der Anzeige ihr finanzielles Engagement bei der konkurrierenden Organisation überdenken und umleiten, das heißt bei den „wechselbereiten“ Spendern der fremden Organisation. Erst mit einer zusätzlichen Wirkungsanalyse, die auch die Spenderbindung einbezieht, weiß eine werbetreibenden Organisation, ob sie nur die eigenen Spender erreicht, also Haltemarketing betreibt, oder ob sie auch fremde Spender anspricht und damit Gewinnungsmarketing betreibt. Diese Möglichkeit der Verbindung zweier Ziele in einer Marktforschungsstudie oder der notwendigen Anreicherung einer Befragung durch zusätzliche inhaltlichen Module, die auf den ersten Blick ungewöhnlich ist oder aufgrund der Unkenntnis des organisationsinternen „Marktforschers“ nicht nachgefragt wird, schafft deutlichen Mehrwert. 2.4 Erkenntnisziele verbinden, Marktforschungsmodule nutzen Alles, was unter ethisch erlaubten Gesichtspunkten beobachtbar oder abfragbar ist, kann auch zum Inhalt einer Marktforschungsstudie gemacht werden. Eine Auswahl an Inhalten zeigt Abbildung 1. Die einzelnen Module können thematisch zu einer generellen Forschungsrichtung zusammengefasst werden, zum Beispiel innerhalb der Kommunikationsforschung. Dort geht es um die einzelnen Bausteine der Kommunikationswirkung. In diesem Falle könnten Kontaktpunktanalyse, Werbewirkungsmessung, Zielgruppensegmentierung und Spenderbindung kombiniert werden, um festzuhalten, welche Kontaktpunkte überhaupt eine Rolle spielen und welchen Einfluss sie auf welche Zielgruppe haben. Über die Werbewirkung können Durchsetzungskraft und Absenderanbindung, Involvement und Motivationsleistung analysiert werden. Eine Zielgruppenanalyse bestimmt die soziodemografische oder auch die psychografische Merkmalsgestaltung gesuchter oder die Merkmalspassung bestehender Zielgruppen. Die Bindungsanalyse schließlich zeigt auf, ob Kontaktpunktausrichtung und Werbewirkung nur bei eigenen Spendern (Haltemarketing) oder auch bei fremden Spendern (Gewinnungsmarketing) Erfolg haben.
Marktforschung: Basis für Marketing, Kommunikation und Vertrieb Abbildung 1 2.5 21 Module und Inhalte einer Marktforschung Erkenntnisziele erweitern, Kastendenken überwinden, Verknüpfungen beachten Die Kommunikationsoptimierung klassischer Art ist auf die Werbemedien beschränkt und wird nach dem zeitlichen Ablauf gestaltet: 1. vor dem Kampagnenstart 2. Kampagne läuft 3. nach Kampagnenende a. Pre-Test(ing) und Nullmessung b. Tracking (oder Einmalmessung) mit der Wirkungsanalyse c. Folgemessung zur Effizienzüberprüfung Leider spielt der wichtigste Teil in der Abfolge, das Testen der Vorlagen, bevor sie als Kampagne gestartet werden, für die sozialen Organisationen oftmals keine oder nur eine untergeordnete Rolle. Dabei gilt durchaus der Analogieschluss aus der Erziehungswelt:
22 Bernhard Keller Was Hänschen nicht erbringt, kann Hans auch nicht bewerkstelligen. Aus diesem Grund geht Hans Mumme sehr intensiv auf die Vorgehensweisen in der Pre-Test-Forschung ein. Auch dort gilt, dass jeder Pre-Test nicht nur genau die Zielgruppe der Kommunikationsmaßnahme (Spender, potenzielle Spender, Meinungsmacher, Politikentscheider) adressieren sollte, sondern auch die Wirkung auf deren Haltung zur sendenden Organisation mit einbeziehen muss. Über Werbewirkungsforschung als Effizienzkontrolle ist viel geschrieben worden.2 Inzwischen nutzen auch kleinere Organisationen die Möglichkeiten, ihre Wirkung im Markt zu prüfen. Allerdings ist das Zusammenspiel von Kommunikationswirkung einerseits und Marktstärke andererseits selten tiefgehend untersucht, denn mit der Werbewirkungsuntersuchung bleibt die Kommunikationsanalyse häufig nur an der Oberfläche. Die zentrale Frage lautet, ob sich Kommunikationsstärke in den Köpfen der Menschen (Markenstärke) auch in der Marktstärke, vulgo Spendengeldern oder politisch-finanzielle Entscheidungen zugunsten der Organisation (Mittelzuwendungen aus Finanzhaushalten) widerspiegelt. Abbildung 2 Marken- und Marktstärke   2 Siehe auch den Beitrag von Braun, U./Holeczek, M. (2005), S. 435-445.
Marktforschung: Basis für Marketing, Kommunikation und Vertrieb 23 Möglicherweise kommuniziert eine Organisation sehr intensiv und wird entsprechend wahrgenommen, aber ein adäquater Rückfluss an Unterstützung bleibt aus. Die Frage stellt sich, ob alle Kontaktpunkte und damit Kommunikationswirkungspunkte in den Lebenswelten der Menschen erkannt, gekannt, analysiert und ihrer Bedeutung nach priorisiert werden. Fast immer schließt eine Wirkungsanalyse Kontaktpunkte aus, die bei näherer Betrachtung eine bedeutende Rolle spielen oder spielen könnten: Mund-zu-MundPropaganda, Blogkommentare, die Art der persönlichen Ansprache auf der Straße, auch das Spendensiegel des Deutschen Zentralinstituts für soziale Fragen (DZI). Spendenquittungen oder die Spenderzeitung wirken ebenso wie die vielen Flyer und Handzettel, wie die Anrufe aus dem Telefonmarketing und die Ansprache in der Fußgängerzone. Abbildung 3 Kontaktpunktanalyse Daneben gibt es eine Reihe von Anlässen, die eher selten wahrgenommen werden: das Gespräch auf einer Party, die Begegnung in einer Kirche, das Bußgeld, die Suche im Internet oder das Finden auf Websites wie bei DZI oder betterplace.de oder in Blogs.3 Die Kenntnis und Analyse aller Kontaktpunkte ermöglicht die Abschätzung der Bedeutung einzelner Kontaktpunkte und damit auch eine Priorisierung, welche Aufmerksamkeit eine   3 Siehe zum Beispiel: http://blog.clever-spenden.de/?p=76.
24 Bernhard Keller Organisation dem Kontaktpunkt widmen muss und inwieweit sie dort gestaltend eingreifen sollte oder muss. Henning Rossa greift in seinem Beitrag die Möglichkeiten und Grenzen einer Kontaktpunktanalyse detailliert auf. 2.6 Primäre Marktforschung oder Rückgriff auf bestehende Informationen? Nicht jede Marktforschung erfordert eine eigene Studie. Zuweilen reichen die Mittel der Sekundärforschung aus, um Licht in das (unbekannte) Dunkel zu bringen. Sekundärforschung bedeutet zum einen die Nutzung bestehender Primärforschungsergebnisse, wie sie am häufigsten in Grundlagenstudien zu finden sind. Zum anderen schließt die Sekundärforschung das sogenannte Desk Research ein. Hier werden die Informationen aus vielen bereits existierenden Quellen zusammengetragen, zu denen auch die Ergebnisse aus der Primärforschung gehören – insofern ist Desk Research der weitere Begriff. 2.6.1 Grundlagenstudien Vielerorts bestehen Grundlagenstudien zu Themen oder Zielgruppen aus allen Bereichen. Möglicherweise reicht es für einen ersten Überblick aus, die Zahlen der Grundlagenstudien im Markt zu nutzen. Durch Querverbindungen, wie zum Beispiel zum Sparverhalten, können bereits erste Hypothesen zum Spendenverhalten definiert und beantwortet werden („Wo weniger gespart wird, gibt es auch weniger Spender“). Für Finanzverhalten, für Onlinenutzung, für demografische Zielgruppen oder für das ehrenamtliche Engagement in Deutschland beispielsweise stehen ausführliche Untersuchungen zur Verfügung: So können Informationen zu den Sparanstrengungen der Deutschen beim Deutschen Sparkassen- und Giroverband4 oder beim Verband der privaten Bausparkassen e. V.5 eingeholt werden. Auch die Focus-Kompilation „Der Markt der Finanzanlagen“6 zeigt die Vermögenssituation der Bundesbürger auf. Online-Penetrationen zur Bestimmung, in welchen Regionen Deutschlands welche Penetrationsmaße bestehen und welche soziodemografischen Gruppen besonders online- und online-nutzungsaffin sind, liefert der (N)ONLINER-Atlas, eine Studie der Initiative D 21, die mittlerweile im neunten Jahr7 erscheint.   Vermögensbarometer 2009 und Vorjahre: Zugriff unter http://www.dsgv.de/_download_gallery/Publikationen/Vermoegensbarometer_final.pdf. 4 5 Sparklima: Zugriff unter http://www.bausparkassen.de/index.php?id=54. Zugriff unter http://www.medialine.de/deutsch/marktinformationen/marktanalysen/finanzanlagen.html. 6 7 Zugriff unter http://www.nonliner-atlas.de.
Marktforschung: Basis für Marketing, Kommunikation und Vertrieb 25 Beispielhaft für Zielgruppenstudien ist die mittlerweile 15. Shell Jugendstudie8, „Pragmatische Generation unter Druck“, in der auch Inhalte zum Wertebewusstsein und zum sozialen Engagement zu finden sind. Zum ehrenamtlichen Engagement liegt ein umfassendes Werk des Bundesministeriums für Familie, Senioren, Frauen und Jugend vor.9 Thomas Gensicke, der die Studie auf Seiten von TNS-Infratest betreut hat, stellt einige Inhalte in seinem Beitrag vor. 2.6.2 Desk Research Neben der (Zweit-)Nutzung bereits erhobener Daten liefert die Marktforschung auch Erkenntnisse aus detaillierten Recherchen zu einem Thema. Informationen über die hygienischen Zustände und Lebensbedingungen in afrikanischen Ländern gehören ebenso dazu wie Kennziffern zur Subsistenzwirtschaft in asiatischen Gemeinschaften. Unabdingbar ist, die Ressourcen zu kennen, aus denen verlässliche Informationen generiert werden sollen. Google-Suchaufträge mögen auf den ersten Blick verführerisch einfach erscheinen, aber eine professionelle Suche nutzt auch kostenpflichtige Datenbanken, kennt auch die weniger offensichtlichen Quellen und vor allem die Schwachstellen in der Nutzung publizierten Materials. Eine detaillierte Beschreibung professioneller Desk Research-Arbeit geben Nicola Boyer und Silja-Maria Wiedeking in diesem Buch. 2.7 Klein, detailliert, aber nicht repräsentativ – oder darf es etwas mehr sein? 2.7.1 Qualitative und quantitative Forschung In der Marktforschungsbranche wird die qualitative Marktforschung zuweilen belächelt, weil sie scheinbar schnell und unkompliziert, also ohne komplexe Designs und umfangreiche Fallzahlen auskommt. Dabei ist die „qualitative Marktforschung: ein Nibelungenschatz: den es zu heben gilt“.10 Der qualitativen Marktforschung geht es wie ihrem Untersuchungsgegenstand: Die Ergebnisse liegen im Verborgenen, sie müssen gesucht und ans Licht gebracht werden. Sie leistet deutlich mehr, als ihrer Bedeutung entspricht. Und: In vielen Fällen gäbe es keine quantitative Forschung, wenn die qualitative die Grundlagen nicht bereitgestellt hätte.   8 Hurrelmann, K./Albert, M. (2006). Zugriff unter http://www.bmfsfj.de/bmfsfj/generator/RedaktionBMFSFJ/Engagementpolitik/PdfAnlagen/freiwilligen-survey-langfassung,property=pdf,bereich=bmfsfj,sprache=de,rwb=true.pdf. 9 Dieses Aperçu verdanke ich dem Kollegen Thomas Kühn: Kühn, T. (2005), Zugriff unter http://nbnresolving.de/urn:nbn:de:0114-fqs050356. 10
26 Bernhard Keller In einer quantitativen Studie erlaubt die Masse an Befragten den Marktforschern, diese Zahlen durch die Mühlen der Statistiksoftware zu drehen und zu ziehen, bis auch kleinste Zellen stärker durchleuchtet sind als ein Gepäckstück auf dem JFK-Airport. Auf diese Weise lassen sich Hypothesen nach allen Richtungen testen und verwerfen oder annehmen. Oft wird dabei übersehen, dass auf unbekanntem Terrain die qualitative Marktforschung erst die Themen ans Tageslicht fördert, die anschließend in einer quantitativen Studie auf Relevanz getestet werden. Entsprechend wird qualitative Forschung dort eingesetzt, wo der Umfang des Themas nicht bekannt ist oder wo analysiert werden muss, mit welchen umgangssprachlichen Begriffen Spender technische Termini bezeichnen. Ein „Zuwendungsbescheid“ ist einem Spender unbekannt, die „Spendenquittung“ als notwendiger Teil der Steuererklärung durchaus gebräuchlich. In der Welt der Produktkonzept- und der Kommunikationsmitteltests werden mit qualitativ ausgerichteten Verfahren Alternativen optimiert und priorisiert. Qualitative Verfahren werden ebenfalls dort verwendet, wo Emotionen aufgespürt, Sensibilitäten berücksichtigt und das Denken in Szenarien hohes Abstraktions- und Vorstellungsvermögen erfordert. Im Gegensatz dazu werden quantitative Verfahren dort eingesetzt, wo Repräsentativität im strengen statistischen Sinne (Zufallsauswahl) und als Spiegel der soziodemografischen Struktur einer Grundgesamtheit (Segmentproportionalität) gefordert sind, um über statistische Ableitungen handlungsdeterminierende Schlüsse ziehen zu können. 2.7.2 Instrumente der qualitativen Forschung Die qualitative Forschung umfasst mehr als zwei Dutzend verschiedene Techniken, aus denen, richtig eingesetzt, eine ganze Reihe neuer Erkenntnismöglichkeiten resultieren.11 Bislang dominieren noch Einzelinterviews (explorative, fokussierte wie auch Tiefeninterviews) ebenso wie Gruppendiskussionen (auch Fokusgruppen genannt), die, je nach Ausbildung der Forscher, kognitionspsychologische, tiefenpsychologische, phänomenologische oder kontextbetonte Ansätze verfolgen12 – ohne hier einen Anspruch auf Vollständigkeit erheben zu wollen. Es empfiehlt sich also, sich mit den Vor- und Nachteilen, den Grenzen und Möglichkeiten der Methoden und den Kenntnissen der Forscher genau auseinanderzusetzen. Die Interviews werden mit einer geringen Zahl an Individuen anhand eines Leitfadens geführt. Der Interviewer agiert eher als ein Stichwortgeber, der sein Gegenüber über eine Stichwortliste durch ein Terrain führt, dessen Gegebenheiten der Befragte selbst bestimmt. Der Interviewer stellt sicher, dass irgendwann in dem Gespräch alle relevanten Punkte berührt wurden – aber es ist der Befragte, der den Ablauf bestimmt. Der Interviewer übernimmt die Führung an den Punkten, an denen er detailliertere Informationen braucht oder über seine Fragetechnik tiefer in den Diskussionsgegenstand eintauchen will. Inhaltlich   11 Hartmut Scheffler im Interview für media spectrum, siehe: Schüür-Langkau, A. (2009). 12 Dazu auch Kühn, T. aaO.
Marktforschung: Basis für Marketing, Kommunikation und Vertrieb 27 geht es um Begründungen von Aussagen und Sachverhalten, die sich möglicherweise erst im Laufe des Gesprächs herauskristallisieren. Bei sensiblen Themen bleibt es dem Gesprächspartner überlassen, sich langsam dem Thema zu nähern und mit seinen Worten den Inhalten Ausdruck zu verleihen. „In diesem Sinne gestattet es das Tiefeninterview, nach Dingen zu fragen, die man gar nicht fragen kann, weil sie der Marktforscher zum Zeitpunkt der Fragestellung noch gar nicht kennt“.13 Gruppendiskussionen oder besser Gruppenzusammenkünfte reichen von Super Groups mit hochkreativen Charakteren14 bis zu einfachen Gruppendiskussionen15. Super Groups arbeiten in sehr lockeren Runden bis zu zwei Tage an Themen, die in der Regel mit allen Ausdrucksmitteln (Collagengestaltung, Filmen, Pantomime, Identitätswechsel) nach Ideen und Umsetzungen suchen. Bei Gruppendiskussionen dagegen werden acht bis zehn Menschen an einen Tisch eingeladen, um dort unter der Moderation eines Externen in einer eineinhalb- bis zweistündigen Sitzung ihre Erfahrungen, Meinungen, Stimmungen und auch Ahnungen zu einem Thema einzubringen. Der Moderator „steuert“ die Diskussion über eine Stichwortliste, die als Input in die Runde Diskussionspunkte anspricht, die von den Teilnehmern weiterentwickelt, abgelehnt, begründet, mit Kommentaren versehen werden. Emotionalität und Spontaneität der Beteiligten prägen die Sitzung, deren endgültiges Ergebnis selten vorhergesehen werden kann. 2.7.3 Instrumente der quantitativen Forschung Die Instrumente der quantitativen Marktforschung umfassen das schriftliche, das telefonische und das direkte persönlich-mündliche Interview. Beim schriftlichen Interview füllt der Befragte einen Fragebogen selbstständig aus, beim persönlich-mündlichen Interview stellt ein Interviewer die Fragen, kann aber bei komplexeren Fragen (zum Beispiel Matrixtechnik) den Papierbogen bzw. den auf einem Laptop / PDA (Personal Digital Assistant auch Handheld) aufgerufenen Fragebogen an den Befragten zum Selbstausfüllen weiterreichen. Telefonische Interviews werden in Deutschland immer noch mit einem Interviewer als Stimulusgeber durchgeführt, obwohl es technisch bereits möglich ist, komplett sprachautomatengestützt Interviews führen zu lassen. Online-Interviews stellen insofern eine neue und gleichberechtigte Frageform dar. Der Papier- oder Computerbogen wird zwar nur in die Onlinewelt transferiert und dort einem Befragten zur Verfügung gestellt, der Befragte kann aber nach Lust und Laune die Beantwortung vornehmen. Programmierroutinen können je nach Beantwortung von Fragen die nachfolgenden Fragen (aus)steuern, sodass mit den gleichen Wenn-dann-Beziehungen gearbeitet werden kann wie in der Offlinewelt.   13 Salcher, E.F. (1995), S. 28. 14 Gehling, R. (2008). 15 Siehe dazu stellvertretend: Dammer, I./Szymkowiak, F. (1998).
28 Bernhard Keller Wenn-dann-Beziehungen herrschen vor, sobald Fragen nur dann aufgerufen werden, wenn definierte Antwortkategorien in Vorfragen erfüllt sind. So kann die Bejahung der Antwortkategorie „Bewahrung der Umwelt“ bei der Frage nach dem Spendenzweck Nachfragen zum Umweltschutz erbringen, die bei einer Verneinung der Frage ausgeblieben wären. Es können auch Antworten aus mehreren Vorfragen kombiniert werden, um nur denjenigen, die diese Vorfragen im Sinne des Auftraggebers beantwortet haben, eine Nachfolgefrage vorzulegen. Nur mit der Programmierbarkeit von Fragebögen sind solche technisch aufwändigen Systeme möglich. Sie liefern aber den unschätzbaren Vorteil, jeden Fragebogen auf die individuellen Merkmale einer Zielgruppe auch kleinster Größe abstellen zu können und die Auswahl an Fragen erst ad hoc im Interview, also gesteuert durch die Wahl der Antwort, vorzunehmen. Das schafft kein Papierfragebogen. Die Vor- und Nachteile der quantitativen Befragungsmethoden sind in der Literatur ausführlich beschrieben. Aus der Praxis bleibt festzuhalten, dass standardisierte Face-to-FaceBefragungen sehr kostenintensiv sind, da aufwändig geschulte und kontrollierte Interviewer Menschen aufsuchen müssen. Sie finden entsprechend vor allem dort Anwendung, wo Vorlagen gezeigt oder lange Interviews geführt werden müssen. Neben den Kosten für die Führung und Kontrolle der Mitarbeiter sind die möglichen Einflusseffekte aus der Interviewsituation zu sehen: Zwei Menschen unterschiedlicher Herkunft wirken mit allen ihren Signalen aufeinander ein, die Situation (Hausflur als Ort der Befragung oder Wohnzimmer) und Tageszeit (morgens, Essenszeit mittags oder abends) und die Konkurrenz der dann stattfindenden übrigen Tätigkeiten, die mögliche Anwesenheit Dritter (soziale Kontrolle), alle diese Faktoren stellen Kontexteffekte dar, mit deren Einfluss jederzeit zu rechnen ist. Demgegenüber ist die telefonische Befragung fast frei von Effekten – nur die Stimme, die Formulierung der Fragen und die Uhrzeit des Anrufes wirken. Allerdings lassen sich keine Vorlagen zeigen, und in der Regel können nur Interviews von kurzer Dauer geführt werden. Allerdings lassen sich telefonische Interviews gut mit Fragen per Fax oder E-Mail ergänzen, wenn der Befragte zusätzliche Zeit zur Beschaffung von Informationen braucht. Durch die zeitgleiche Verwendung einer Website, auf die der Befragte gelotst werden kann, können auch Vorlagen gezeigt werden. Schriftliche Befragungen müssen hochgradig selbsterklärend sein, denn es können keine Verständnisfragen beantwortet werden. Der Fragebogen muss sehr übersichtlich und damit einfach und aufgrund der vorherrschenden Klientel sozialer Organisationen, den älteren Menschen, auch in größerer Schrift gedruckt werden. Es ist nicht steuerbar, in welcher Reihenfolge die Fragen beantwortet werden, sodass die Möglichkeit aufeinander aufbauender Fragen, bei denen die Antwort der Vorfrage nicht bekannt sein darf oder umgekehrt gar Voraussetzung ist, nicht genutzt werden kann. Wenn-dann-Beziehungen sind nur in geringem Umfang möglich. Es ist nur zu vermuten, dass auch die angeschriebene Person den Fragebogen ausfüllt, und es ist nicht auszuschließen, dass Dritte Einfluss nehmen – und sei es nur, weil sie beim Ausfüllen zuschauen. Theoretisch sind größere Umfänge als bei telefonischen Befragungen möglich, allerdings zeigt die Praxis, dass umfangreichere Fragebögen nur bei amtlichen Absendern auch in höherem Maße beantwortet
Marktforschung: Basis für Marketing, Kommunikation und Vertrieb 29 werden. Denn die Rücklaufquote bei schriftlichen Befragungen ist minimal, sie bewegt sich in der Regel unter 15 Prozent. Abhilfe schafft nur eine zweite oder dritte Zusendung, was realiter einen Spagat zwischen Erinnerung einerseits und Belästigung andererseits bedeutet. Abhilfe könnte eine eingedruckte fortlaufende Nummer schaffen, aber nicht jeder Adressat glaubt der Zusicherung, dass Datenschutzvorschriften nicht verletzt werden und die Nummer nur dazu dient, unnötige Erinnerungen zu vermeiden. Onlinebefragungen werden mit zunehmender Internetnutzung auch der älteren Menschen interessant, weil sie die telefonisch oder face-to-face genutzte programmierbare Vorgehensweise ins Internet überträgt und dort auch das Vorlegen von Bildern ermöglicht. Dort beantwortet der Befragte den Fragebogen, wann er will. Onlinebefragungen sind relativ schnell, aber nicht unbedingt kostengünstiger zu erstellen, denn auch Onliner müssen (außer bei Befragungen von „Passanten“ auf Websites) gesucht und rekrutiert werden oder sind in einem Panel zu pflegen. 2.7.4 Kontexteffekte Allen Befragungsformen ist gemeinsam, dass, wenngleich auch von der Befragungsform abhängig, unterschiedliche Kontexteffekte die Ergebnisse beeinflussen können. Kontexteffekte resultieren aus der Interviewsituation (halbdunkler Mietskasernen-Hausflur im regennassen November oder heller Sonnenschein im Wohnzimmer eines Bungalows), aus der verbalen wie nonverbalen Kommunikation beider Parteien (Kleidung, Dialekt, Auftreten bis hin zu Düften), aus der Absenderkennung eines Fragebogens (Sozialamt, Universität, Marktforschungsinstitut) und aus dem Fragebogen (z. B. Kann der Befragte alle Fragen vorher einsehen oder können Fragen voneinander abgetrennt oder miteinander verbunden werden, ohne dass dem Befragten die Reihenfolge ersichtlich ist? Welche Interpretationen lassen die Antwortkategorien zu?). Zu den möglichen Fehlern im Beziehungsgeflecht „Fragebogen – Befragter und Interviewer – Befragungssituation“ wurde in der Kognitionspsychologie ausgiebig geforscht.16 2.7.5 Repräsentativität In den letzten Jahren hat sich eingebürgert, eine Studie bereits dann als repräsentativ zu werten, wenn das Vorkommen von einzelnen Segmentzellen proportional zu den entsprechenden Zellen in der Grundgesamtheit ausfällt: Nehmen die weiblichen Befragten älter als 70 Jahre und in Städten lebend sechs Prozent der Grundgesamtheit ein, so müssen sie auch in der Stichprobe sechs Prozent aufweisen. Ein Sample, das auf diese Weise die maßgeblichen Zellen der Grundgesamtheit abbildet, wird als strukturrepräsentativ bezeichnet. Dabei wird oft unterschlagen, auf welchem Weg diese Repräsentativität erreicht wird.   Siehe stellvertretend: Strack, F. (1994); Bradburn, N./Sudman, S./Wansink, B. (2004); Kirchhoff, S./Kuhnt, S./Lipp, P./Schlawin, S. (2003); Faulbaum, F./Prüfer, P./Rexroth, M. (2009). 16
30 Bernhard Keller Muss nämlich in einer Studie von der Stichprobe auf die Grundgesamtheit verallgemeinert werden, dann muss bei der Stichprobenbildung ein Zufallsverfahren gewählt worden sein. Repräsentativität liegt nämlich nur dann vor, wenn jedes Element der Grundgesamtheit die gleiche Chance hatte, per Zufallsverfahren kontaktiert zu werden. Wird diese Annahme verletzt, dann kann im strengen statistischen Sinne keine Hochrechnung der Ergebnisse auf die Grundgesamtheit vorgenommen werden. Quotierte Verfahren weichen davon ab, weil sie eben nicht auf einem Zufallsverfahren beruhen. Gleichgültig, auf welchem Wege die Ergebnisse gewonnen werden, in der Regel werden die Rohdaten nach den Proportionen in der Grundgesamtheit gewichtet. Handwerklich saubere Stichproben kommen dabei mit sehr geringen Gewichtungsfaktoren aus, wobei es sich zuweilen nicht vermeiden lässt, „spitze“, also selten zu findende Zielgruppen, mit einem höheren Gewicht zu versehen. Problematisch bei hohen Gewichten ist die Tatsache, dass alle Informationen, die mit den zu gewichtenden Zelleninformationen verbunden sind, entsprechend mit gewichtet werden.17 2.8 Frageninhalte Fragen sollte man alles können, auf das es auch Antworten gibt? Nein, denn erstens sollte man einen Menschen nur die Dinge fragen, die für die eigene Arbeit relevant sind. Marktforscher appellieren an die soziale Hilfsbereitschaft, Auskunft zu geben – noch dazu unentgeltlich. Zweitens suchen Menschen bei Fragen, die sie nicht verstehen, nach dem Sinn und interpretieren einen solchen aufgrund der Angaben, die Marktforscher ihnen geben – sei es als Absender auf einem schriftlichen Fragebogen oder als Untersuchungszweck, sei es in Form der Antwortvorgaben oder der Umwelt, in der sie sich befinden. Bei einem Absender „landwirtschaftliche Hochschule“ oder dem Untersuchungszweck „Gemüseakzeptanz“ wird die Frage nach „Kohl“ wohl eindeutig mit Gemüse assoziiert, in einer Frage nach verdienten politischen Führungskräften der Republik wird zumindest von den älteren Menschen der Politiker Dr. Helmut Kohl genannt – weil die Befragten aus dem Umfeld der Frage auf den Inhalt schließen. Eine Frage wie „Wie oft geben Sie Geld an Bedürftige?“ wird unterschiedlich interpretiert, wenn im Bogen A die Antwortkategorien von einmal pro Woche über mehrmals pro Woche, einmal am Tag bis zu mehrmals am Tag reichen, im Bogen B dagegen von einmal im Jahr bis zu einmal im Monat. Im ersteren Fall werden auch kleinere Beträge an Straßenbettler einbezogen, im letzteren eher größere Beträge rapportiert. In der Fassung des Fragebogens B würden kleinere Beträge an Straßenbettler nicht mehr auftauchen – ein signifikantes Verhalten damit nicht mehr erfasst. Alle Fragen, zu denen Menschen eine Erinnerungsleistung erbringen müssen, sollten auf einen eng begrenzten überschaubaren Zeitraum oder auf die letzte Tat fokussiert werden.   17 Zu Gewichtungen siehe Gäbler, S./Hoffmeyer-Zlodnick, J. H.P./Krebs, D. (Hrsg.) (1994).
Marktforschung: Basis für Marketing, Kommunikation und Vertrieb 31 Der Grund ist recht einfach: Erinnerungen verblassen, es gibt Gedächtnislücken, Fehlattribuierungen und Verzerrungen, in deren Folge Vorgänge erinnert werden, die sich so nicht abgespielt haben müssen, was in der Forschung eindeutig nachgewiesen wurde.18 2.9 Fazit Marktforschung ist ganz offensichtlich zu Recht ein Feld, auf dem zumindest eine Seite – das durchführende Institut – ihr Handwerkszeug beherrschen muss. Die andere Seite – der Auftraggeber – sollte die Fachkompetenz anerkennen. Klärung bringt ein jederzeit organisierbarer Pre-Test oder eine Splitversion im wöchentlichen Busverfahren. Die vielen Fallen und Fehlerquellen in der Konzeptionsphase und während der Feldarbeit zeigen, dass Marktforschung von Experten gemacht werden muss. Marktforschung bringt dort die besten Ergebnisse, wo die Forscher in die Ziele der Organisationen und Fundraiser eingeweiht sind. Denn nur, wenn auch der Forscher weiß, zu welchen Zwecken Zahlen benötigt werden, kann er die dafür geeignete Methode und Fallzahl, die benötigten Fragen und ihre Beziehung zueinander auswählen. Natürlich auch unter den Restriktionen schrumpfender Budgets. Weiterführende Literatur Bradburn, N./Sudman, S. /Wansink, B. (2004): Asking questions – The definitive guide to questionnaire design - for market research, political polls, and social and health questionnaires, San Francisco. Braun, U. / Holeczek, M. (2005): Effizienzkontrolle – Welchen Beitrag leisten Posttesting und Werbetracking?, in: Duttenhöfer, S. / Keller, B. / Braun, U. / Rossa, H. (Hrsg.): Handbuch Kommunikation, Frankfurt, S. 435-445. Dammer, I. / Szymkowiak, F. (1998): Die Gruppendiskussion in der Marktforschung, Wiesbaden. Faulbaum, F./Prüfer, P./Rexroth, M. (2009): Was ist eine gute Frage?, Wiesbaden. Gäbler, S./Hoffmeyer-Zlodnick, J. H.P./Krebs, D. (1994) (Hrsg.): Gewichtung in der Umfragepraxis, Opladen. Gehling, R. (2008): The power of co-creation – How the changing role of consumers impacts market research, in: ESOMAR Congress 2008 Frontiers. Hurrelmann, K.; Albert, M. (2006) (Hrsg.): Jugend 2006. 15. Shell-Jugendstudie: Pragmatische Generation unter Druck, Frankfurt. Kirchhoff, S. /Kuhnt, S. /Lipp, P. /Schlawin, S. (2003): Der Fragebogen, Stuttgart. Kotre, J. (1996): Weisse Handschuhe, Wie das Gedächtnis Lebensgeschichten schreibt, München. Kühn, T. (2005): Qualitative Forschung: ein Nibelungenschatz, den es zu heben gilt, in: FQS, Forum Qualitative Sozialforschung /Forum: Qualitative Social Research, 6 (3), Art. 5. Salcher, E.F. (1995): Psychologische Marktforschung, Berlin. Schacter, D. L (2001): Aussetzer, Wie wir vergessen und uns erinnern, Bergisch Gladbach. Schüür-Langkau, A. (2009): TNS Infratest. Marktforschung vor großen Herausforderungen, in: media spectrum Sonderheft, 1. Strack, F. (1994): Zur Psychologie der standardisierten Befragung, Berlin/Heidelberg.   18 Siehe dazu die leicht zu lesenden Ausführungen bei: Schacter, D. L (2001); Kotre, J. (1996).
 32 3 Peter Schmitz Trends und Fakten zur aktuellen Entwicklung der Spendenwerbung PeterȱSchmitzȱ „Das wäre ja eine Gelddruckmaschine, wenn eure Idee funktioniert!“, sagte mir kürzlich der Abteilungsleiter Fundraising und Kommunikation eines wichtigen Hilfswerks. Ein anderer Gesprächspartner in leitender Position sagte: „Die Adressauswahl entscheidet doch zu mehr als 50 Prozent über den Erfolg unseres Mailings.“ Beide Sätze fügen sich wie Puzzlesteine in das Bild eines Trends: Den technischen Fragen der Ergebnismaximierung wird deutlich mehr Aufmerksamkeit gewidmet als der Not, dem Missstand, dem gemeinnützigen Anliegen einer Organisation und somit also dem Auslöser der Spendenwerbung. Anders gesagt: Form, Verpackung und Versandweg werden wichtiger als das „Produkt“, also dessen Daseinsgrund, eine Not oder einen Missstand zu mildern oder gar zu beseitigen. Wie weit der Daseinsgrund, der gemeinnützige Zweck einer Organisation, bisweilen in den Hintergrund gerät, entlarvt das Wort der „Spenden sammelnden Organisation“. Mittel und Zweck werden nicht lediglich verwechselt. Sie werden vertauscht. Und damit wären wir beim CharityȱBusiness. Wie können ihrem gemeinnützigen Zweck verpflichtete Spendenwerber unterscheidbar bleiben vom CharityȱBusiness, das erst in zweiter Linie dem Anliegen nützt? Läuft der dritte Sektor mittelfristig Gefahr, das öffentliche Vertrauen, seine Glaubwürdigkeit zu verspielen? Am Rande sei hier zur weiteren Verbreitung unter den Spendenwerbern ein Standardwerk empfohlen, das mit Bezug auf Markenentwicklung und -führung „Die Gewinnung des öffentlichen Vertrauens“ als Haupttitel ausweist.1 Der Autor, Hans Domzilaff, stellt mit bemerkenswerter Konsequenz die Qualität des Produkts in das Zentrum aller Überlegungen. Sollten wir Spendenwerber unseren Gedanken-Kompass für unsere Werbekonzepte auch auf unser Produkt einnorden? Apropos Kompass: Zusammen mit einer Schatzkarte, einer Ansichtskarte, die Goldmünzen auf Goldfolie zeigte, und einer Augenklappe warb ein dickes Werbepaket für die Teilnahme am diesjährigen Internationalȱ Fundraisingȱ Congress. Die Utensilien wurden als Grundstock zur Verkleidung für die Piraten-Themengalaparty angedient. Der Kompass sollte helfen, den Weg aufs Tanzparkett zu finden. Der Werbebrief wird noch lange mahnend auf meinem Schreibtisch liegen. Das Leben eines Spendenwerbers ist komplizierter geworden. Die Auswahl an Instrumenten hat zugenommen, die Analysemöglichkeiten werden differenzierter. Fast wöchentlich   1 Domizlaff H. (1992).
Trends und Fakten zur aktuellen Entwicklung der Spendenwerbung 33 wird „eine neue Sau durchs Dorf gejagt“. Mit dem wachsenden Druck, immer noch effizienter um Spenden zu werben, wächst die Notwendigkeit, auf dem Laufenden zu bleiben. Gefangen im Hamsterrad des Rechtfertigungsdrucks: Warum sind die Kosten so hoch, warum die Ergebnisse so schlecht, warum sind wir nicht im Fernsehen? Vorstände und Aufsichtsgremien stellen bisweilen mehr Fragen als sie an Köpfen zählen. Liegt das Heil der Spendenwerber darin, sich wieder auf das Wesentliche zu besinnen, sich nicht jedem Tempo unterzuordnen? Worum geht es eigentlich? Jedenfalls nicht um Spenden sammeln als Selbstzweck. Liegt am Ende nicht doch die Kraft in der Ruhe? Die Entwicklungen der letzten 15 Jahre bergen Chancen und Risiken für die Spendenwerbung. Einige von ihnen werden nachstehend näher betrachtet. Wer dabei die definitive Lösung erwartet, kann hier aufhören weiter zu lesen. Wer angeregt werden möchte, in eine Diskussion um die Zukunft der Spendenwerbung einzusteigen, könnte den einen oder anderen Gedanken finden, den er oder sie weiter bedenken möchte: Willkommen! 3.1 Die Spendenwerbung neu erfinden? Sekundenstille. Der Applaus setzt platzregenartig ein mit ersten Klatschern wie schweren Tropfen, dann schwillt er zu einem Trommelwirbel an. Einzelne Zuhörer erheben sich. Einige haben gerötete Wangen, manche feuchte Augen. Mit ihrem Applaus bedanken sich die Zuhörer bei einem Herrn in seinen frühen Siebzigern, der allein auf der Bühne steht. Ein Englishman aus dem Bilderbuch. Seine Zuhörer waren rund 800 Fachleute der Spendenwerbung aus aller Welt. Guy Stringer, der große alte Mann der weltweiten Fundraising-Gilde, verabschiedete in den Neunzigerjahren in „seinen“ Schlussplena die Teilnehmer des alljährlichen Internationalen Fundraising Workshops im niederländischen Noordwijkerhout. Mit wenigen, klaren Worten fesselte der erfahrene ehemalige OXFAM Chef seine Zuhörer. Die Verzweiflung einer ugandischen Mutter, die ihrem unterernährten Säugling nicht helfen kann, brachte er geradezu körperlich spürbar rüber. Stringer bannte seine Zuhörer damit, wie er die einfache Hilfe in letzter Minute beschrieb. Um mit dem nächsten Satz die Versammelten zusammen zu schweißen: Vorbeugen wäre noch viel einfacher gewesen. Es fehle nur Geld. Mit einem Betrag, der weniger als eine Schachtel Zigaretten kostet, könne ein Menschenleben gerettet werden. Zum Finale malte er die Freude und Dankbarkeit der Frau aus, deren Kind vor dem Hungertod gerettet wurde. Und – so Guy Stringers Botschaft – jeder der Versammelten ermögliche durch seine Arbeit als Fundraiser solche Hilfe hundert-, tausend-, ja zehntausendfach. Emotional bereichert, stolz und hoch motiviert reisten die Teilnehmer Freitagnachmittag nach Hause, um ab Montag für ein noch erfolgreicheres Spendenwerben – und das haben sie gelernt: für eine bessere Welt – zu arbeiten. Diese Abschlussplena kamen einer Segnung und Aussendung gleich. Guy Stringer ist am 4. Juli 2009 im Alter von 88 Jahren verstorben.
34 Peter Schmitz In den jüngeren Jahren glichen die Kongressfinale eher denen eines Rockkonzertes: Zwei Präsentatoren – statt Band – betören eloquent und witzig ihr Publikum mit den „Greatest Hits of Fundraising“, dramaturgisch flankiert von Soundeffekten, Lichtshow und Pyrotechnik. Ob das Feuerwerk der Sinnesreize auch die Sinnlichkeit ausstrahlt, die Anwesenden berührt, darf bezweifelt werden. Die Botschaft wird übertönt statt herausgehoben. Die Entwicklung der Schlussplena beim bedeutendsten internationalen Branchentreff der Spendenwerber erscheint symptomatisch für die Entwicklung der Spendenwerbung: Sie muss nicht neu erfunden werden. Allerdings muss ihre Botschaft vom Getöse der Effekte befreit werden, die Menschen wieder unmittelbar erreichen können. Sinkende Reaktionsquoten auf Spendenwerbebriefe, steigende Kosten für jeden gewonnenen Neuspender sind zu einem großen Teil der Entemotionalisierung geschuldet sowie der damit verbundenen Intellektualisierung der Spendenwerbung einschließlich ihres Ausweichens ins Spektakel – um überhaupt die Aufmerksamkeit der angesprochenen Menschen auf sich zu ziehen. Die Spendenwerbung muss nicht neu erfunden werden. Immer mehr Spendenwerber besinnen sich zurück auf die Grundprinzipien erfolgreicher Spendenwerbung. 3.1.1 Die Seelen berühren, die Herzen gewinnen Zuallererst gilt es, Klartext zu reden und zu schreiben: „Tritt fest auf, mach's Maul auf, hör bald auf", wusste schon Martin Luther. Menschen werden gequält, vom Tode bedroht. Ihre soziale Existenzgrundlage wird aufgelöst, ihre Würde angegriffen. Auf ihre Lebensumwelt – Luft, Wasser, Boden, Pflanzen – werden Anschläge verübt. Die Not legitimiert die Bitte um eine Spende. Sie muss klar benannt werden. Die Not löst Hilfsbereitschaft aus, indem ihre Beschreibung die Seelen berührt und die Herzen gewinnt. Helfen wollen ist eine Reaktion des Mitfühlens und -leidens. In der Praxis dagegen werden beispielsweise Textpassagen eines Spendenwerbebriefes, die geeignet sind, Mitgefühl und Mitleid zu erregen, von den Verantwortlichen gestrichen oder zumindest relativierend „entschärft“. Zur Begründung verweisen sie zumeist auf das Deutsche Zentralinstitut für soziale Fragen (DZI). Das DZI fordert nämlich für die Vergabe des Spendensiegels unter anderem: „Die Wort- und Bildwerbung ist wahr, eindeutig und sachlich gehalten.ȱWerbung, die geeignet ist, den Spender in seiner unabhängigen, sachbezogenen Entscheidung zu behindern, wird unterlassen.ȱ Darüber hinaus hat die Darstellung von Not und Elend die Würde der Betroffenen zu wahren.“2 Unausgesprochen wendet sich die Formulierung gegen eine Spendenwerbung, die auch Gefühle anspricht. „Sachlich gehaltene Werbung“ zu betreiben ist – als färbte man einen Schimmel schwarz – eine Selbsttäuschung. Ein Text zur Sachinformation ist keine Werbung, sondern eher im journalistischen Sinne ein Nachrichtentext. Fragen drängen sich auf: Warum wird eine „sachbezogene“ Spendenentscheidung gefordert? Kann eine Spendenentscheidung über-   2 Deutsches Zentralinstitut für soziale Fragen (2006), S. 4.
Trends und Fakten zur aktuellen Entwicklung der Spendenwerbung 35 haupt „sachbezogen“ sein? Trauer und Mitgefühl um und für Menschen in Katastrophengebieten, Wut über Folterungen, Empörung über fahrlässigen Umgang mit Atommüll: Menschen leben und handeln emotional. Anscheinend wird unterstellt, eine „sachbezogene Werbung“ ermögliche eine „unabhängige, sachbezogene“ Spendenentscheidung. Trifft diese These zu, dann ginge es weniger um die Ansprache von Gefühlen als vielmehr um den Manipulationsverdacht, dem jedwede Werbung ausgesetzt ist. Die Forderung nach Sachlichkeit entspringt dem positivistischen Missverständnis, Sachlichkeit sei ein Bollwerk gegen unlautere Beeinflussung. Dabei ist jede Auswahl sachlich korrekter Informationen bewusst oder unbewusst absichtsvoll arrangiert, verfolgt ein Kommunikationsziel und ist somit manipulativ. Die Spendenwerbung muss ihr Verhältnis zur Kommunikationsebene der Gefühle entkrampfen. Jede Margarine wird emotional mit einer Bilderwelt, die Wohlbefinden verspricht, beworben. Politische Parteien werben mit Angst und Hoffnung. Aber der Aufruf zur Solidarität, das Anprangern eines Missstands, der Appell zur Soforthilfe muss „sachlich gehalten“ sein. Absurd. Für Soziologen wäre ein interessantes Forschungsfeld zu untersuchen, wem diese verordnete Zügelung der Gefühle nutzen, was sie bewirken soll. Über diesen pragmatischen, vielleicht oberflächlichen Impuls hinaus ist es auch kommunikationstheoretisch abwegig, der Spendenwerbung strikte Sachlichkeit aufzuerlegen: Jedwede Kommunikation ist untrennbar mit Gefühlen verbunden. Paul Watzlawicks erste beiden metakommunikativen Axiome „Manȱ kannȱ nichtȱ nichtȱ kommunizieren.“3 und „Jedeȱ Kommunikationȱ hatȱ einenȱ InhaltsȬȱ undȱ einenȱ Beziehungsaspekt,ȱ derart,ȱ daßȱ letztererȱ denȱ ersterenȱ bestimmtȱ undȱ daherȱ eineȱ Metakommunikationȱ ist“4 weisen deutlich in die Richtung, die Friedemann Schulz von Thun in seinem „Kommunikationsquadrat“ 5 aufgenommen und weiterentwickelt hat: Kommunikation ist eine vielschichtige Interaktion, in der Gefühle eine bedeutsame Rolle spielen. Nun haben sowohl Watzlawick als auch Schulz von Thun ihre Kommunikationstheorien aus einem psychotherapeutischen Hintergrund heraus entwickelt. Sie hatten die unmittelbare Interaktion zweier oder einer Gruppe von Personen vor Augen. Es ist heute unbestritten, dass ihre zentralen Prinzipien ebenso auf geschriebene Worte und medial vermittelte Bilder anzuwenden sind. Auch sie werden beim Leser und Betrachter auf verschiedenen Ebenen wahrgenommen und gedeutet. Fazit: Das Sachlichkeitsdiktum ist kommunikationstheoretisch hinsichtlich seines Zieles kontraproduktiv, weil das Ausblenden von Gefühlen zu einer kommunikativen Unausgewogenheit führt, die den Rezipienten in seiner individuellen Konstruktion der Wirklichkeit irritiert und somit eine ihm angemessene Spendenentscheidung, erschwert statt erleichtert.6   3 Watzlawick P., Beavin J. H./Jackson D. D. (1990). 4 aaO, S. 56. 5 Schulz von Thun F. (1981), S. 25ff. 6 Vgl. zum Beispiel: Watzlawick P. (2005). Watzlawick P. (1985).
36 3.1.2 Peter Schmitz Charity Business – die Trivialisierung der Spendenwerbung Die seriösen Spendenorganisationen und das DZI müssen die Diskussion um die Gefühle in der Spendenwerbung intensiv weiterführen. Denn (mindestens) zwei der mit dem Spendensiegel verbundenen Ziele stehen in diesem Zusammenhang und sollten möglichst gemeinsam und mit Nachdruck weiter verfolgt werden: Erstens, der Trivialisierung der Spendenwerbung entgegenwirken. Geradezu obszön tritt das CharityȱBusiness auf: Prall mit themenfremden Werbegeschenken gefüllte Sendungen, in deren Prospekten Not leidende Menschen rücksichtslos prostituiert werden, um die Mitmenschlichkeit der Adressaten schamlos auszubeuten. Verschickt 12 bis 18 Mal pro Jahr, zumeist von Organisationen US-amerikanischer Herkunft, die hierzulande ein kleines Büro installiert haben und deren Projekte nach Art und Umfang im Vagen bleiben. Eine an Nötigung grenzende Überredung dominiert das Anliegen: Wer das „Geschenk“ behält, fühlt sich zu spenden verpflichtet, egal wofür. Die Absender solcher Werbepakete streben das DZI Spenden-Siegel gar nicht an. Zweitens muss das Spendensiegel in der Öffentlichkeit noch bekannter werden. Erst wenn sein Fehlen für den Absender das Spendenergebnis in einem wirtschaftlich bedrohlichen Umfang schmälert, ist dem CharityȱBusiness ein wirksamer Riegel vorgeschoben. Derzeit gleicht das Spendensiegel den Nachteil der verordneten „sachlich gehaltenen“ Spenderansprache nicht aus. Das CharityȱBusiness gewinnt daraus einen Wettbewerbsvorteil. Wie könnte es ansonsten so gedeihen wie in den letzten Jahren? Dem DZI ist uneingeschränkt einzuräumen, der Trivialisierung der Spendenwerbung durch das Charity Business entgegenwirken zu wollen. Eine gute Rahmenbedingung, um scheinbar unumstößliche Grundsätze auf den Prüfstand einer Vor- und Nachteilsanalyse zu stellen. 3.1.3 Parteiliche Spendenwerbung: Für das Anliegen mobilisieren Mit dem von Ken Burnett Mitte der Neunzigerjahre aufgerufenen RelationshipȱFundraising7 wurde eine dauerhafte Beziehung zwischen Spendern und einer Organisation angestrebt. Der Dialog sollte den mit dem Herzen engagierten Spender über inhaltliche Information als finanziellen Unterstützer eines spezifischen Anliegens binden. Gerechtigkeit anstreben, Leben schützen, Menschenwürde erhalten – das sind Werte, denen sich seriöse Organisationen und deren Fundraiser verpflichtet fühlen. Das gilt für den Naturschutz ebenso wie für soziale Aufgaben, für Entwicklungshilfe wie für Kultur oder den Katastropheneinsatz.   7 Burnett K. (1996).
Trends und Fakten zur aktuellen Entwicklung der Spendenwerbung 37 Für diese Werte offensiv einzutreten, ist seit jeher das Leitmotiv der gemeinwohlorientierten Spendenwerbung. Und damit ist notwendigerweise Parteilichkeit verbunden: Parteinahme für das Bedrohte, Geschundene, Ausgebeutete. Mit der Parteilichkeit ist immer auch Emotionalität verbunden. Parteilichkeit und Emotionalität sind wie zwei Seiten einer Medaille: Parteilichkeit ohne Gefühle führt zu seelenlosen, mechanischen Aktionen. Gefühle ohne Parteilichkeit entschwinden bindungslos ins Universum der Beliebigkeit. Erfolgreiche Spendenwerbung kann auf Emotionen und die Ansprache von Emotionen nicht verzichten. 3.1.4 Mit dem Blick in die Zukunft zurück zu den Wurzeln Spendenwerbung hat seine Wurzeln im bürgerschaftlichen, häufig christlichen Engagement, nicht im Marketing. Auf der Grundlage eines am Gemeinwohl orientierten Wertesystems muss ein guter Spendenwerber sich zuallererst mit seinem Anliegen identifizieren. Darüber hinaus zeichnen ihn Wirklichkeitssinn und Fantasie aus, Mut und Einsatzfreude sowie Verstand und Gefühl. Daraus wächst Überzeugungsstärke. Das gilt für die Leitungsebene sowie die operative Ebene, für den Planer und Manager wie für den Fundraiser am Informationsstand, am Telefon oder als Texter eines Spendenaufrufes. Die Grundstruktur bleibt unverändert: Es gibt eine Not, es gibt einen Helfer, ein Dritter wird gebeten, die Hilfe finanziell zu ermöglichen. Dem Spender wird gedankt, im Idealfall verbunden mit einem Bericht darüber, wie sein Geld geholfen hat. Die Dimension hat sich verändert: Die in einem individuellen Gespräch vorgetragene Spendenbitte gibt es heute nur noch ausnahmsweise, so bei Großspenden oder Vermächtnissen. Im Regelfall wird sie heute mit den Möglichkeiten des Direktmarketing vorgetragen: per Spendenbrief oder Telefonaktion. Die erfolgreiche Bitte um eine Spende folgt nach wie vor der Dramaturgie eines Gesprächs, die für das Direktmarketing zum AIDA8-Konzept abstrahiert wurde: Aufmerksamkeit gewinnen, Interesse erzeugen, den Wunsch wecken, das Problem gelöst zu wissen, und ein Handeln anbieten, das zur Lösung beiträgt. Die Entwicklungen der letzten Jahre haben vieles bewegt: Neue technische Möglichkeiten der differenzierteren Spenderansprache wurden eingeführt, ausgebaut und müssen beherrscht werden. Das Spendenwerben „von Mensch zu Mensch“ erlebt einen Boom. Die Informationsstände auf der Straße werden hauptsächlich durch zu wenig einsetzbares Personal begrenzt. Das Telefon-Fundraising profitiert von den stark gesunkenen Telefongebühren und Wählprogrammen, die den optimalen Personaleinsatz steuern. Der Klassiker, der Spendenwerbebrief, bietet neue Optionen der höchstmöglichen Individualisierung. Das Internet mit seinen multimedialen Möglichkeiten steht erst am Beginn seiner Nutzung für die Spendenwerbung.   8 AIDA = Attention, Interest, Desire, Action.
38 Peter Schmitz Die Spendenwerbung wird in Zukunft dadurch komplexer, dass die genannten Elemente miteinander verknüpft werden. Zudem stimmen immer mehr Organisationen die Maßnahmen der nach außen gerichteten Kommunikation – zum Beispiel Spendenwerbung, Presse- und Öffentlichkeitsarbeit – zeitlich und inhaltlich aufeinander ab. 3.2 Wirtschaftlichkeit, Komplexität und Datenverarbeitung Jede Organisation fordert Wirtschaftlichkeit von ihrer Spendenwerbung. Ein möglichst hoher Anteil der eingehenden Spenden soll für die operative Arbeit, die konkreten Projekte der betreffenden Organisation verwendet werden. Viele Organisationen mit DZI Spenden-Siegel wollen ihre Verwaltungskosten – von denen die Werbungskosten ein Teil sind – insgesamt im „angemessenen“ Rahmen und somit unter 20 Prozent halten, keinesfalls aber über 35 Prozent9 ansteigen lassen. Dabei sind die Kosten pro Spende in den letzten Jahren stetig gestiegen. Die Responsequoten der Spendenwerbebriefe sinken. Einen Neuspender zu gewinnen kostet heute zwischen 90 und 150 Euro. Diese Schwankung ist bedingt durch die Bekanntheit und das Aufgabenfeld der werbenden Organisation. Hilfe für Kinder oder den Tierschutz ist hierzulande günstiger einzuwerben als beispielsweise Spenden für kulturelle Anliegen oder für die Resozialisierung von Straftätern. Effizienz ist die stete Forderung an die Spendenwerber. Seit einigen Jahren haben sie entdeckt, dass die höchste Effizienz darin liegt, die Hausliste zu bearbeiten, also Adressen von Personen, die mindestens einmal, besser noch zweimal gespendet haben. Dazu wird die Hausliste nach Kriterien des Spendenverhaltens differenziert: ႑Spendenhöhe, -frequenz und -dauer: Großspender, Mehrfachspender, Dauerspender, Erst-/Letztspende vor x Monaten ႑Spender-Nettowert: Spendensumme abzüglich der Kommunikationskosten ႑Auslöser der Erstspende: Werbebrief, Stand-, Haustürwerbung, Zeitungsbeilage, Veranstaltung, Internet ႑bevorzugte Konkretionen im jeweiligen Themenfeld Die Merkmale des Spendenverhaltens werden bisweilen noch regional differenziert. Es wird beispielsweise für eine regional bekannte Einrichtung – ein Krankenhaus, eine Kin-   9 Deutsches Zentralinstitut für soziale Fragen (2006, S 3.:„… Der vom DZI als maximal vertretbar erachtete Anteil beträgt 35%. Einen darüber liegenden Prozentsatz wertet das DZI als nichtȱvertretbar. Unterhalb der Höchstgrenze verwendet das DZI in den von ihm veröffentlichten Auskünften folgende Einstufungen: unter 10% ‚niedrig’, 10% bis unter 20% ‚angemessen’, 20% bis 35% ‚vertretbar’.“
Trends und Fakten zur aktuellen Entwicklung der Spendenwerbung 39 dertafel, ein Hospiz – geworben oder zu einer Veranstaltung – zum Beispiel für Großspender, potenzielle Erblasser oder Fördermitglieder – eingeladen. 3.2.1 Wachsende Komplexität mit neuester Technologie beherrschbar Business Performance Management ist die neue Zauberformel auch für die Spendenwerbung: Neben den auf Zeitverlauf und aktuellen Stand bezogenen Prozessen wie Analyse und Berichterstattung, sollen auch zukunftsbezogene Prozesse wie Planung und Prognosen aus den verfügbaren Daten integriert abgeleitet werden. Die wachsende Komplexität verlangt nach technologisch hoch entwickelten multifunktionalen Instrumenten. Die jüngste Generation10 kann analysieren, selektieren und – in Kombination mit externen Datenbanken – die Fremdlistenauswahl für die Neuspendergewinnung unterstützen. Dabei ist eine intuitive, komfortable Handhabung verbunden mit – auch bei großen Datenmengen – hoher Geschwindigkeit und sowohl numerischer als auch grafischer Ergebnisdarstellung. Ergebnisanalysen können kumuliert oder differenziert nach Zeiträumen dargestellt und dabei wieder nach verschiedenen Werbearten – Direct Mail, Infostand, Telefon – getrennt ausgewiesen werden. So wird die kurz-, mittel- und langfristige Effizienz verschiedener Maßnahmen vergleichbar. Diese neuen Analyseinstrumente ermöglichen beispielsweise eine individuelle Hauslistensegmentierung: So müssen die Segmente nach Spendenhöhe nicht mehr nach starr vorgegebenen Betragsgrenzen festgelegt werden. Vielmehr können die Betragsgrenzen der spezifischen Verteilung in der Hausliste einer Organisation entsprechend sinnvoll gesetzt und zudem während der Analyse variiert werden. Ein Hauslistenmailing kann nach Budgetvorgaben geplant und optimiert werden: Soll beispielsweise ein Segment von 10.000 Spendern angeschrieben werden, die zuletzt vor 18 Monaten und höchstens 400 Euro gespendet haben, so lässt sich mit wenigen Einstellungen diese Adressliste punktgenau selektieren. 3.2.2 Budgetoptimierung schafft Ressourcen für Neuspendergewinnung In vielen Organisationen lässt sich auf diese Weise der Mitteleinsatz um bis zu 15 Prozent optimieren. Diese freien Ressourcen können die gestiegenen Kosten der Neuspendergewinnung zumindest teilweise kompensieren. Denn wegen steigender Kosten muss ein wachsender Teil des Budgets in einen stetigen Zugang von neuen Spendern investiert   Zum Beispiel: Fundraise Analyser Zugriff unter www.social-concept.de/fundraiseplus/analyser.html. 10
40 Peter Schmitz werden. Ohne das kontinuierliche Gewinnen von Neuspendern – mindestens in dem Umfang des jährlichen Spenderverlustes – ist der Niedergang einer Organisation programmiert. Für die Neuspendergewinnung sind zwei strategische Trends zu beobachten: ႑kostengünstiges Massenmarketing ႑kostenintensives Qualitätsmarketing Die Variante Massenmarketing erfolgt über gedruckte Spendenaufrufe. Bei der Auswahl ist zu bedenken, dass der Erstspender möglichst mit voller Adresse kenntlich oder zumindest recherchierbar sein muss. Die zweite, dritte oder vierte Spende eines Neuspenders führt in die Wirtschaftlichkeit. So steht den Kostenvorteilen von Beilagen in Zeitungen und Zeitschriften der Nachteil unkalkulierbarer Streuverluste gegenüber; auch kann die Kommunikation mit den aktiven Spendern gestört werden – schließlich lassen sich auf diesem Wege aktive Spender nicht ausschließen. Darüber hinaus ist es bei vielen eingehenden Spenden aufwändig, die Spender zu identifizieren. Die Überweisungsträger sind entweder unvollständig ausgefüllt oder die wichtigen Adressinformationen werden bankseitig mit administrativen Codes überschrieben. Nachhaltig Erfolg versprechender ist der teilpersonalisierte Spendenwerbebrief „Postwurfspezial“. Die qualitative Spendenwerbung ist gekennzeichnet durch mindestens eines der folgenden Merkmale: ႑hoher Personaleinsatz ႑responsesteigernder Zusatzimpulse ႑datengestützte Zielgruppenauswahl Die Spendenwerbung von „Mensch zu Mensch“ an einem Informationsstand, an der Haustür oder per Telefon ist kostenintensiv, aber responsestark. Ein weiterer Vorteil ist, dass engagierte Mitarbeiter die Angesprochenen mit Argumenten und Emphase überzeugen können. Jedoch ist die Anzahl neu zu gewinnender Spender begrenzt durch den Mangel an qualifizierten Mitarbeitern. Ihr Erfolg ist zudem abhängig von der Reputation und der Bekanntheit der werbenden Organisation. Das aktive Telefon-Fundraising erscheint vielen Organisationen für die Neuspenderwerbung ungeeignet. Die Responsequoten auf den klassischen Spendenwerbebrief können auf sehr vielfältige Weise mit Zusatzimpulsen verstärkt werden. Bekannt sind Tests, in denen Werbebriefe mit Telefon oder E-Mail kombiniert werden: Adressaten des Werbebriefes erhalten vorab einen kurzen persönlichen Telefonanruf, in dem auf den in den kommenden ein bis zwei Tagen eintreffenden Brief hingewiesen wird; oder sie werden – soweit möglich – per EMail auf den Brief aufmerksam gemacht. Diese zunächst schlicht anmutenden Kombinationen erzeugen eine hohe Komplexität in den Abläufen, die sorgfältig zu planen sind und eine hohe Termintreue von den beteiligten Agenturen fordert, aber auch von den Organisationen bezüglich der Freigabe der Werbemittel. Selbstverständlich müssen auch die
Trends und Fakten zur aktuellen Entwicklung der Spendenwerbung 41 Bestimmungen des Datenschutzes und anderer Gesetze, wie des Telekommunikationsgesetzes, eingehalten werden. Bereits bei der Anlage eines solchen durch Anruf oder E-Mail unterstützten Spendenaufrufes ist seine Auswertung und Wiederholbarkeit zu bedenken. Erste Tests von CBA11Kampagnen zeigten interessante Ergebnisse12. Die Datenmenge erlaubt ermutigende Zuversicht, aber noch keine Euphorie. Die Auswahl von Fremdlisten regt die Fantasie der Marketingleute nicht nur in der Spendenwerbung an. Die Grundfrage lautet zumeist: „Wie bekomme ich Adressen, hinter denen ich Menschen vermuten darf, die meinen Spendern so ähnlich sind, dass sie mit überdurchschnittlicher Wahrscheinlichkeit ebenfalls spenden?“ Dabei können die vorstehend erwähnten neuen Analyse-, Selektions- und Prognoseinstrumente unterstützen. So lassen sich die Adressen der Hausliste mit bestem Spendenverhalten nach Merkmalen zusammenfassen wie Ortsgröße, Gebiete mit konfessionellen Majoritäten, Haushaltsgröße und -nettoeinkommen usw. und durch den Abgleich mit externen mikrogeografischen Daten Haushalte mit ähnlichen Merkmalen finden. Neben diesem eher sozio-demografischen Vorgehen gibt es milieu-, einstellungs- und konsumorientierte Kriterien für die Fremdlistenauswahl.13 Der Deutsche Spendenmonitor14 bietet den teilnehmenden Organisationen auf der Basis von rund 4.000 persönlich geführten Interviews eine Potenzialanalyse. Sie zeigt, nach drei Kategegorien – Nielsengebiet, Ortsgrößen und Altersklassen – die ermittelten Spenderpotenziale und ihre Ausschöpfung. Übersehen wird bei der Analyse der Hausliste jedoch zumeist, dass ihre Zusammensetzung nicht zwingend die ideale Zielgruppe darstellt, sondern durch die bereits eingesetzten Adresslisten verzerrt ist, aus denen die Spender gewonnen wurden. Somit droht der Zirkelschluss einer selfȬfulfillingȱprophecy.ȱDas Mittel der Wahl ist, eine Auswahl verschiedener Listen einzusetzen. Denn der Stein der Weisen zum Beantworten der Frage, „Wo bekomme ich sicher neue Spender her?“, wird weiter gesucht. Bisweilen wird in Vorträgen auf Kongressen und in Seminaren verkündet, dass die „richtige Liste“ der entscheidende Erfolgsfaktor für die Neuspendergewinnung sei. Kann es sein, dass dieser Anschein daher rührt, dass es vielen Spendenaufrufen durch die verordnete Nüchternheit an Überzeugungskraft mangelt?   11 Franz Orth führte für dieses Verfahren den Begriff „Call Boosted Appeals“ ein. 12 Siehe http://www.social-concept.de/listbroking/Call%20Boosted%20Addresses_01.swf. 13 Zum Beispiel: die Semiometrie von TNS Infratest oder die Sinus Milieus. 14 Zum Beispiel: TNS Infratest (2008), Kommentierung Teil 2 Image.
42 3.2.3 Peter Schmitz Renaissance der Kampagne Kampagnenarbeit ist keine neue Erfindung. Aber die hoch entwickelte Technik erlaubt heute eine komplexere Vernetzung verschiedener Kommunikationsinstrumente. Sie gehen über den Kampagnen-Klassiker „Plakat und Freianzeigen kombiniert mit Werbebrief“ hinaus. Die steigenden Kosten der Neuspendergewinnung führen immer wieder auf Schnäppchenjagd. So rufen beispielsweise konjunkturell bedingte Preisabschläge bei einigen klassischen Werbeträgern wie Fernsehen oder Hörfunk neue Kombinationen auf den Plan: Reichweitenstarkes Schalten eines TV-Spots kombiniert mit einem auf den Spot bezogenen Werbebrief. Das Besondere: Der Werbebrief wird nach Spendergruppen variiert ausgesandt. Skalenvorteile der Produktion werden genutzt und eine differenzierte Ansprache der Adressaten ermöglicht – Großspender werden anders um eine Spende gebeten als die jüngsten Erstspender oder solche Adressaten. Auch hier ist Planbarkeit unverzichtbar. Bisweilen wird es leider versäumt, vor den technischen Voraussetzungen die kommunikativen Hausaufgaben zu erledigen. Ein CorporateȱDesign haben die allermeisten Organisationen bereits entwickelt. Die Wiedererkennbarkeit über die verschiedenen Kommunikationsinstrumente vom Internet über das Spendermagazin und den Jahresbericht bis hin zur Freianzeige ist zumindest visuell gewährleistet. Den Weg des umfassenderen Konzepts einer CorporateȱIdentity sind nur wenige bis zum Ziel gefolgt. Ein bekanntes Defizit ist, dass vielen Organisationen eine klare Kernbotschaft – das MissionȱStatement – fehlt. Ein deutliches Markenprofil mit einer unverwechselbaren Position im Spendenmarkt ist ohne eine solche Kernbotschaft nicht zu entwickeln. Ein klar konturiertes Markenprofil ist jedoch die Voraussetzung für erfolgreiche Kampagnen. 3.2.4 Regionalisierung – All Business is local Immer mehr regionale Tageszeitungen und lokale Hörfunksender werben um Spenden. Hierin spiegelt sich auch ein Stück deutscher Mediengeschichte: Der private Hörfunk in Deutschland begann Mitte der Achtzigerjahre mit ersten Stationen und wurde von den lokalen Tageszeitungen als Konkurrenz betrachtet. Für Fundraiser eine günstige Konstellation. Beide Seiten – Zeitungen und Hörfunk – wollten sich, vielmehr noch ihre Leser und Hörerinnen, schmücken mit den Spendenergebnissen und mit dem, was Gutes getan werden konnte mit dem Geld. Schafften doch die jeweiligen Redaktionen damit Anlässe, den Sender wieder einzuschalten oder die nächste Zeitung zu kaufen. Allȱ businessȱ isȱ local – Geschäfte werden vor Ort gemacht. Und diese Geschäfte ließen sich verbessern, wenn die Redaktionen bei der Dramaturgie der Berichterstattung unmittelbar die Regie übernehmen. Heutzutage haben immer mehr Regionalmedien ihre eigene Spendenaktion – beim Hamburger Abendblatt heißt sie „von Mensch zu Mensch“ und bei Radio NRW „Lichtblicke“. Auch heute werden noch etablierte Organisationen begünstigt. Allerdings finden sie sich in einer anderen Rolle wieder: Sie sind nicht mehr Akteur, sondern Zuwendungsempfänger.
Trends und Fakten zur aktuellen Entwicklung der Spendenwerbung 43 Einige große Organisationen mit bundesweit zentralem Fundraising und gleichzeitig starken regionalen Strukturen reagieren auf diese Entwicklung und testen derzeit die regionale Ansprache ihrer Spender per DirectȱMail. Dabei sind zwei Varianten im Test: ႑Das Regionalmailing bewirbt eine Maßnahme, an deren gesellschaftlichem Nutzen die Menschen in einem bestimmbaren Umkreis besonders teilhaben und die ihnen daher bekannt ist, wie zum Beispiel ein Hospiz oder ein Naturschutzgebiet. ႑Das regionalisierte Mailing wirbt um Spenden für nahezu flächendeckende gemein- nützige Leistungen. Dabei werden diese Leistungen regionalspezifisch qualitativ und/oder quantitativ hervorgehoben. Hier kann beispielsweise der Einsatz Ehrenamtlicher im Rettungsdienst mit regionalem Bezug betont werden oder die Anzahl der Betreuungsplätze, die eine Kinderhilfsorganisation unterhält. Die Regionalisierung wird somit als weiteres Element eingesetzt, den persönlichen Bezug des Adressaten zum Spendenzweck herzustellen. Die Organisationen erwarten nicht nur von den Adressaten der Hausliste, sondern von denen der eingesetzten Fremdlisten eine erhöhte Responsequote. Dabei werden wieder die Skalenvorteile einer auflagenstarken Produktion verbunden mit einer identifikationsstarken Ansprache. Während die Regionalmailings zentral entwickelt und versendet werden können und damit die Standards bezüglich Text, Gestaltung und Produktionsqualität gewährleistet sind, sind die Varianten des regionalisierten Mailings zentral nicht mehr zu handhaben: Recherche, Abstimmungen, Freigaben würden die personellen Möglichkeiten übersteigen. Hier helfen wieder die gewachsenen kommunikationstechnischen Möglichkeiten, die Regionalisierung umzusetzen, also wieder zurück zu den Anfängen der Spendenwerbung. Schnelle Datenübertragung per Internet und Mailingbaukasten sind hier die Schlüsselelemente: Ein Mailing wird zentral entwickelt. Dabei werden im Anschreiben wie im Faltblatt dezentral zu füllende Felder offen gehalten. So kann im Briefbogen beispielsweise der Absender regionalisiert werden. Im Faltblatt können regional spezifische Hinweise gegeben werden. Zudem können die dezentralen Stellen „eigene“ Adressen hochladen. Das Mailingkonzept lässt sich zur Kampagne erweitern, indem zentral entwickelte Kleinanzeigenmotive inhaltlich regionalisiert werden. Insgesamt „wächst“ auf der organisationseigenen Plattform die Auflage, auch die Anzahl der Varianten nimmt zu. Die verschiedenen Softwarelösungen für Mailingbaukästen bieten frei definierbare, also auch streng hiercharchisierte Freigabeinstanzen ebenso an wie eine sofortige Kostenkalkulation für jede zentrale Variante. Produktionstechnisch können alle Teilaufträge zentralisiert werden. Das Regionalisierungskonzept verbindet einen bundesweit wieder erkennbaren gestalterischen Auftritt mit regionalisierten Inhalten, die den (potenziellen) Spendern geografisch naheliegen, inhaltlich überschaubar und somit vertrauensbildend sind. Es wird interessant sein zu beobachten, wie weit die regionalisierte Ansprache die Spendenquote anhebt. Ob die Empfänger eines regionalisierten Mailings die Fachkompetenz
44 Peter Schmitz einer Organisation für ihr jeweiliges Anliegen höher bewerten als die Nachrichtenkompetenz der regionalen Medien, wird schwer sein zu ergründen. Jedenfalls können die Organisationen regional als reichweitenstarke Akteure der Spendenwerbung auftreten. 3.3 Fazit Trend: Themen der Spendenwerbung Die großen Themen der Spendenwerbung – Gerechtigkeit anstreben, Leben schützen, Menschenwürde erhalten – sind so aktuell und wichtig wie von dem Tag an, an dem jemand erstmals einen anderen um Unterstützung bat. Missbrauch der Themen bis hin zum vorsätzlichen Betrug an mitfühlenden bzw. solidarisch handelnden Menschen hat es vermutlich immer gegeben, jedoch regional weniger verbreitet und mit geringerem Volumen als aktuell. Der gegenwärtige rechtliche Rahmen begünstigt das Florieren eines Charityȱ Business, dessen Finanzgebaren – insbesondere hinsichtlich der Mittelverwendung – zumeist undurchsichtig ist. Trend: Umsetzung der Inhalte Die sprachliche Ästhetik der Spendenwerbung verarmt unter der Fiktion einer „unabhängigen und sachbezogenen“ Spenderentscheidung mit dem daraus folgenden Sachlichkeitsdiktum des DZI. Dramaturgie- und somit spannungsarme Texte mit der Nüchternheit einer Verlautbarung des Statistischen Bundesamts lassen den Empfänger gähnen und das Mailing in den Papierkorb wandern. Nutznießer ist das CharityȱBusiness,ȱdessen Protagonisten allein schon wegen der – sinnvollen – Verwaltungs- und somit Werbekostenbegrenzung kein Interesse am DZI Spenden-Siegel haben. Sie nutzen unbehelligt das dramaturgische Spektrum der deutschen Sprache, in manchen Fällen bis zur emotionalen Ausbeutung der Adressaten. DZI, Organisationen und gegebenenfalls Agenturen müssen dringend zu einer Balance finden zwischen zensurähnlichen Auflagen und der begründeten Sorge emotionaler Ausbeutung der Spender durch die Instrumente der Spendenwerbung. Dies gilt gleichermaßen für Text, Bild, Grafik und nicht zuletzt für die Incentives. Trend: Wirtschaftlichkeit, Komplexität und Datenverarbeitung Das Arbeitsfeld Spendenwerbung wird anspruchsvoller. Leistungsfähigere Computer, intelligentere Software und ein in den letzten Jahren deutlich gewachsener Datenschatz eröffnen ein hohes Effizienzpotenzial und ermöglichen sehr komplexe Kampagnenstrukturen. Das intelligente Nutzen dieser Möglichkeiten liegt mit ihrer anschwellenden Fülle im Weglassen, in der bewussten Auswahl. Also in der analytischen Kompetenz des Spendenwerbers, die vom Kosten-Nutzen-Verhältnis auf einer bestimmten Zeitachse geleitet sein sollte. Eine Gefahr der gewachsenen Möglichkeiten besteht darin, aus vorweg befürchtetem Rechtfertigungsdruck gegenüber Dritten heraus, die Maßnahmen der Spendenwerbung möglichst total abzusichern. Die damit verbundenen Kosten, beispielsweise beim Anwenden von Scoringverfahren, werden durch den Zuwachs an Spendeneingängen
Trends und Fakten zur aktuellen Entwicklung der Spendenwerbung 45 nicht immer erreicht. Eine weitere Gefahr besteht in der totalen Technisierung der Spendenwerbung. Es wird bisweilen behauptet, dass beispielsweise die „richtige“ Wahl der Fremdliste entscheidender für den Erfolg eines brieflichen Spendenaufrufs sei als das Anschreiben mit der beigefügten Projektinformation. Technisierung neigt dazu, die konzeptionelle Arbeit an der Botschaft und ihrer kreativen Umsetzung in Text und Form zu überlagern. Hiervor sei gewarnt. Trend: Die Renaissance der Kampagne Derzeit wird mehr davon gesprochen, als tatsächlich umgesetzt: Die FundraisingKampagne. Damit ist eine zeitlich befristete, aus mehreren Instrumenten zusammengestellte Kommunikationsmaßnahme gemeint, deren Komponenten in ihrem Auftritt (Botschaft, Gestaltung, Tonalität) und in ihrem raum-zeitlichen Einsatz konzertiert veröffentlicht werden. Zugenommen hat in den letzten Jahren der Einsatz verschiedener Instrumente: Plakate, Hörfunk- und Fernsehwerbung sowie Anzeigen und Direktmarketingmaßnahmen. Ebenso wie die Öffentlichkeitsarbeit werden diese Instrumente zwar zeitnah zueinander, oft aber kommunikativ nebeneinander eingesetzt. Es fehlen die gemeinsame Botschaft und Tonalität. Die wieder erkennbare Gestaltung beschränkt sich zumeist auf das Logo. So können diese Instrumente ihr kommunikatives Potenzial bezüglich ihrer Reichweite und Eindringlichkeit nicht entfalten. Es mag allgemeines Wissen sein, dass eine Kampagne mehr bewirken kann und muss als die Summe ihrer Instrumente. Umgesetzt wird dieses Wissen jedoch nur in Ausnahmefällen. Das hat zwei Gründe: Erstens – eine gute Nachricht – sind die Mitarbeiter einer gemeinnützigen Organisation in ihrer Mehrheit zutiefst inhaltlich engagiert. In ihrem Engagement haben sie bisweilen ein unterschiedliches Bild vom zentralen Auftrag, vom operativen Weg, ihn zu erfüllen und davon, welche Rückwirkungen auf die Organisation folgen, wenn sie sich dem Erfüllen ihres Auftrags annähert. Zweitens: Mission und Vision sind Leerstellen und somit beliebig und individuell zu füllen. Entweder sind sie gar nicht formuliert oder so komplex und gestelzt, dass sie nicht verständlich oder beliebig interpretierbar sind. Mission und Vision müssen verstärkt als kommunikatives Führungsinstrument und Ausgangspunkt einer Markenkommunikation handhabbar gemacht werden. Nicht zuletzt haben auch die Mitarbeiter einen Anspruch auf klare MissionȱandȱVisionȱStatements. Geben sie doch den Impuls für eine gemeinsame Ausrichtung des hohen Engagements, damit es Früchte trägt. Und damit zurück auf Los: Die gemeinnützigen Organisationen müssen sich für eine erfolgreiche Spendenwerbung auf ihre Authentizität besinnen. Die großen Themen der Spendenwerbung – Gerechtigkeit anstreben, Leben schützen, Menschenwürde erhalten – sind so aktuell und wichtig wie seit ihrem Beginn.
46 Peter Schmitz Weiterführende Literatur Burnett K. (1996): Friends for Life - Relationship Fundraising in Practice, London. Deutsches Zentralinstitut für soziale Fragen (DZI) (2006): Spendensiegel: Zeichen für Vertrauen für gemeinnützige, überregional Spenden sammelnde Organisationen Leitlinien und Ausführungsbestimmungen, Berlin, 6., überarbeitete Fassung (Faltblatt), S. 4. Deutsches Zentralinstitut für soziale Fragen (DZI) (2006): Werbe- und Verwaltungsausgaben Spenden sammelnder Organisationen, (Faltblatt, Stand Juni 2006), S 3. Domizlaff H. (1992): Die Gewinnung des öffentlichen Vertrauens – Ein Lehrbuch der Markentechnik., Hamburg. Fundraise Analyser, Zugriff unter www.social-concept.de/fundraise-plus/analyser.html. Schulz von Thun F. (1981): Miteinander reden 1 – Störungen und Klärungen. Allgemeine Psychologie der Kommunikation, Reinbek. Watzlawick P./Beavin J. H./Jackson D. D. (1990): Menschliche Kommunikation - Formen, Störungen, Paradoxien, 8. Auflage, Bern. Watzlawick P. (2005): Wie wirklich ist die Wirklichkeit? Wahn, Täuschung, Verstehen, 4. Auflage, München/Zürich. Watzlawick P. (1985): Die erfundene Wirklichkeit. Wie wissen wir, was wir zu wissen glauben?, München/Zürich. http://www.social-concept.de/listbroking/Call%20Boosted%20Addresses_01.swf. die Semiometrie von TNS Infratest oder die Sinus Milieus, Zugriff unter http://www.tnsinfratest.com/marketing_tools/Semiometrie.asp, http://www.sociovision.de/loesungen.html. TNS Infratest (2008): Deutscher Spendenmonitor. 
 Trends und Fakten zur aktuellen Entwicklung der Spendenwerbung II. DenȱSpenderȱkennenȱ undȱverstehenȱ  47

 Dem Spender auf den Zahn gefühlt 4 49 Dem Spender auf den Zahn gefühlt JanȱBorcherdingȱ Seit 15 Jahren erhebt TNS Infratest – bis 2004 noch unter der Firmierung Emnid – den Deutschen Spendenmonitor im Auftrag einer relativ stabile Gruppe von gemeinnützigen Organisationen. An die Öffentlichkeit kommt regelmäßig – jeden Dezember ist es wieder so weit – eine Art „Fieberthermometer“ des deutschen Spendenmarktes, nämlich die Spenderquote sowie die durchschnittliche Spendenhöhe und daraus resultierend eine vielzitierte Zahl, der „Spendenkuchen“. Hieraus entsteht der Eindruck in Öffentlichkeit und Medien, dass sich der Spendenmonitor schwerpunktmäßig um diese Zahlen dreht und ansonsten wenige bis gar keine weiteren Informationen erhebt. Doch dieser Eindruck trügt: Der Spendenmonitor ist nur am Rande ein Instrument zur Beobachtung des reinen Marktes. Nur drei von mittlerweile ca. 70 (!) Fragen werden an die Öffentlichkeit gebracht und dienen der Erfassung dieser medienwirksamen Fragestellung. Im Rahmen des gesamten Spendenmonitors dienen diese Fragestellungen weniger zur wissenschaftlichen Ergründung der Spenderquote, sondern vielmehr zur Identifikation von Menschen, die sagen „ja, ich habe gespendet“ und „ich bin ein Spender von x EUR“. Im vorliegenden Beitrag wird der Spendenmonitor und seine Geschichte näher vorgestellt und ein Ausblick gegeben, was mit den Daten geschieht oder geschehen kann. 4.1 Die Anfänge In den ersten Jahren war der Spendenmonitor in erster Linie ein Instrument zur Messung des Images der beteiligten Organisationen. Von Anfang an wurden, um die Ergebnisse beurteilen zu können, die klassischen Spenderfragen gestellt: Wurde gespendet, für welche Zwecke wurde gespendet und wie viel wurde gespendet? Im weiteren Verlauf wurde erhoben – und das war die eigentliche Intention des Monitors, für welche Organisationen der Bundesbürger hypothetisch spenden würde, wenn er denn 500 Euro zur Verfügung hätte, ob er auch für diese Organisationen tatsächlich gespendet hat und, in besonderem Maße interessant, wie das Image dieser Organisationen bei den Befragten ist. Abschließend bekamen die Personen, die für die Organisationen gespendet haben, die Möglichkeit, jede Organisation einzeln zu kritisieren. Das Novum des Spendenmonitors war das „offene Benchmarking“. Jede Organisation konnte und kann die Imageprofile aller anderen Organisationen sehen, jede Organisation kann sehen, was an anderen Organisationen kritisiert wird und sich so entsprechend auch an ihren „Konkurrenten“ orientieren oder abwarten, welche Auswirkungen die Neuerungen der Konkurrenten haben. Soweit bekannt, gab es in den ganzen 15 Jahren niemals Häme oder Kritik an diesem Modell – vielmehr schätzen alle Beteiligten die Offenheit und stellen sich dieser Herausforderung.
50 Jan Borcherding Nach nur drei Jahren entschied sich das damalige Team, den Spendenmonitor zu erweitern: Die Jahresthemen wurden eingeführt. Jahresthemen sind in den ersten Jahren Themen gewesen, die von Emnid in Diskussion mit dem Büro für Soziale Kommunikation, Peter Schmitz, erstellt und den Organisationen während der Angebotsphase vorgestellt wurden. So dienten diese Konzepte teilweise dem Aufgreifen von aktuellen Trends – wie etwa die Themen „Katastrophenhilfe“ oder „Internet“ – teilweise aber auch der Vorstellung und der Einführung von Marktforschungsinstrumenten – wie etwa der Semiometrie oder dem Conversion-Model – in den sozialen Markt. Diese „Grundlagenstudien“ ermöglichten es Organisationen, die Modelle auch in Exklusivstudien einzusetzen und so einen Vergleichsmaßstab zu haben. Die Wurzeln des heutigen Spendenmonitors waren damit gelegt, und so wurde die Studie mehr als zehn Jahre durchgeführt. Abbildung 1 4.2 15 Jahre DSM und Jahresthemen Die Modularisierung – der „Kundenmonitor“ Viele Jahre hat sich am Fragenprogramm kaum etwas geändert, was auch wichtig ist: Um die Zeitreihen stabil zu erhalten, wurden nur kosmetische Änderungen durchgeführt, sodass die Werte von 1995 bis heute vergleichbar sind. Dennoch zeichnete sich 2006 ab, dass der Spendenmonitor „angestaubt“ und überarbeitungsbedürftig war. Es gab mehrere Anlässe für einen Umbau des Monitors. Zum einen übernahm ein neuer Projektleiter den Spendenmonitor, und zum anderen verlangten mehr und mehr Kunden eine Überarbeitung des Konzeptes und eine stärkere Marketing- und Kommunikationsorientierung.
Dem Spender auf den Zahn gefühlt 51 Zunächst wurden die Kunden nach Bielefeld eingeladen, um einem Workshop beizuwohnen. In der eigentlichen Planung sollte dieser Workshop der Auseinandersetzung mit den Daten und Ergebnissen dienen. Bereits auf diesem ersten Workshop drehten sich die Diskussionen mehr um die Inhalte und die Anwendung des Spendenmonitors. So wurde umdisponiert und die Grundlagen für eine Erweiterung des Spendenmonitors durch eine Umstrukturierung wurden gelegt. Der Beschluss für eine Fokusgruppe zur Erweiterung der Fragestellungen wurde gefasst und so fanden sich einige Wochen nach dem Workshop zwei Fokusgruppen in Frankfurt am Main zusammen, um Ergänzungen und Schwachstellen des bestehenden Fragebogens auszuloten und Fragestellungen für neue Module zu finden. Die Fokusgruppen zeigten, dass die Imageprofile unvollständig waren und wenigstens eines der bestehenden Items – „politisch rechts oder politisch links“ – eher wenig in Zusammenhang mit gemeinnützigen Organisationen gewertet wird und vermutlich eher im Bereich Stereotypen anzuordnen ist, aber nicht im Bereich faktischer Urteile. Ein anderes Item war in der Theorie schon länger umstritten – „ist traditionell vs. ist modern“ – da sich mittlerweile die Auffassung durchgesetzt hatte, dass diese beiden Begriffe sich nicht ausschließen müssen, ja sich sogar ergänzen können. In der Fokusgruppe wurde dieses noch einmal deutlich bestätigt. Das Item wurde daher im Nachgang getrennt, während das politische Item aus dem Fragenkatalog gestrichen wurde. Hinzugekommen sind zudem ein „Nachhaltigkeitsaspekt“ sowie ein „Transparenz“-Item. Nach der Fokusgruppe begann die Umsetzung. In einem zweiten Workshop wurde der „neue Spendenmonitor“ vorgestellt: Die alten Fragen wurden beibehalten, um die neuen Erkenntnisse ergänzt, und der Spendenmonitor wurde modular. Statt den alten zwei Bestandteilen „Spendenmonitor“ und „Jahresthema“, die jeweils unabhängig voneinander erwerbbar waren, gab es nun vier Module – „Classics“, „Image“ (zusammen im Wesentlichen der „alte“ Spendenmonitor), das Modul „Der Spender“ und das „Jahresthema“. Letzteres ist nicht zu verwechseln mit dem alten Jahresthema, da deutlich umfangreicher und – das war ein weiteres Novum – nicht mehr im kleinen Kreis ausdiskutiert und dann angeboten, sondern in einem Workshop mit den anwesenden Beziehern entwickelt, mit Fragen und Inhalten gefüllt und dann dem gesamten Bezieherkreis vorgestellt. Somit wurden aus den Beziehern auch Gestalter. Komplett neu ist im Spendenmonitor im Jahr 2007 das Modul mit dem plakativen Namen „Der Spender“ konzipiert worden. Dieses Modul ist als eine Reaktion auf die von den Organisationen gestellte Anforderung zu verstehen, warum sich ein Mensch für sie entscheidet. In diesem Modul verfolgt der Interviewer gemeinsam mit dem Spender den Weg der letzten Spende nach. Begonnen wird bei der Identifikation der zeitlich letzten Spende, im Anschluss daran geht es vom Zeitpunkt über den Anlass bis hin zur Nachbetreuung nach der Spende. Abgefragt wird zudem, wie sich der Spender informiert hat, auf welchem Wege er gespendet hat und warum er sich ausgerechnet in diesem Moment für diese Spende entschied. Teilweise einerseits überraschend, andererseits auch wiederum bemerkenswert stabil, sind die Ergebnisse aus diesen Fragestellungen, sodass sich über die Jahre ein „Verhaltensprofil“ des typischen Spenders ergeben wird. Anschließend gibt es noch einen kurzen Abriss zu Bekanntheit und Wirkung des Spendensiegels.
52 Abbildung 2 Jan Borcherding Das Modulsystem des Spendenmonitors Aber auch die Nichtspender werden in diesem Modul „Der Spender“ befragt. Sie werden nach ihrem Nichtspendenverhalten gefragt. Es werden die Gründe für das Nichtspenden erhoben, und zudem wird ermittelt, welche Organisation denn in Frage käme, wenn sie denn doch einmal spenden würden. Ein wenig überraschend für das Projektteam war, dass diese Fragen als kleiner Nebeneffekt noch eine ganz andere Information liefern: nämlich eine Messgröße von Menschen, die offen sagen, dass sie kein Geld für Spenden übrig haben, sich also Spenden gar nicht leisten können oder wollen. Gerade in der nach 2007 beginnenden Wirtschaftskrise zeigt sich deutlich, dass diese Gruppe in der Tat der wirtschaftlichen Situation folgt, während die Gruppe der Spender sich relativ unbeeindruckt von solchen Rahmenbedingungen zeigt. 4.3 Korrekte Interpretation des Spendenmonitors Um die zielführende Anwendung des Spendenmonitors zu verdeutlichen, sind zunächst einige Grundlagen der Statistik und der Markt- und Meinungsforschung anzusprechen. Immer wieder wurde und wird versucht, Ergebnisse des Spendenmonitors mit den Ergebnissen anderer Studien zu vergleichen. Dass dieses nicht ohne Weiteres möglich ist, ist den
Dem Spender auf den Zahn gefühlt 53 Akteuren hinter den Studien, von welchem Institut sie nun auch stammen, klar. Es ist jedoch der Öffentlichkeit nicht immer einfach zu vermitteln. Grundsätzlich ist Marktforschung nicht gleich Marktforschung. Es gibt mehrere Erhebungsmethoden, also telefonisch, persönlich, schriftlich oder online. Es gibt in der Regel bei professionell durchgeführter Forschung auch kein „Gut“ oder „Schlecht“, kein „Richtig“ oder „Falsch“. Die Realität liegt irgendwo zwischen den vielen gemessenen Ergebnissen. Befragungsergebnisse simulieren eine Wirklichkeit, und die Vergleichbarkeit und die Qualität der Interpretation hängen von vielerlei Dingen ab. Regel Nr. 1: Man kann nur Äpfel mit Äpfeln und Birnen mit Birnen vergleichen. Für die Interpretation von Marktforschungsdaten ist es immer wichtig zu wissen, wie diese erhoben worden sind. War es eine Online-Erhebung? Eine Face-to-Face-Erhebung? Eine Telefonstudie? Oder ein Selbstausfüller, der einer Zeitschrift beigelegen hat? Jede dieser Methoden hat ihre Vor- und ihre Nachteile, und jede dieser Methoden hat ihren Stellenwert. Aber es ist schwierig, wenn nicht sogar unmöglich, ihre Ergebnisse untereinander zu vergleichen. Das Antwortverhalten am Telefon ist anders als das in der persönlichen Befragungssituation mit dem Interviewer im eigenen Wohnzimmer oder in einem Café und wieder anders als das im Selbstausfüller einer Zeitschrift oder einer Onlinestudie. Und da es keine mathematisch berechenbaren Erkenntnisse gibt, auf welche Weise sich die Ergebnisse unterscheiden, kann man sie auch nicht umrechnen, etwa nach der Art, „die Ergebnisse einer Onlinestudie muss man mal 0,75 nehmen, damit sie einer Telefonstudie entsprechen“. Solche Herangehensweisen sind mit gebührender Skepsis zu prüfen. Es ist also grundsätzlich sinnvoll, wenn Studienergebnisse über lange Sicht verglichen werden sollen, kontinuierlich eine identische Befragungsmethode zu verwenden. Nur dann sind Trends absehbar, nur dann funktioniert ein „Frühwarnsystem“ oder eine Erfolgsmessung. Ein Methodenwechsel kann bei Organisation A den Ruf oder die Bekanntheit um zehn Prozentpunkte nach oben katapultieren, während der Wert bei Organisation B um fünf Prozent sinkt und bei Organisation C (zufällig?) auf einem identischen Wert verbleibt. Der Spendenmonitor ist grundsätzlich im Zeitverlauf vergleichbar, da seit 15 Jahren die Face-to-Face-Methode gewählt wird. Regel Nr. 2: Den Frageninhalt überprüfen. „Stelle eine Frage, und Du bekommst eine Antwort (und sei sie auch noch so unsinnig).“ So lautet eine Standardregel der Marktforschung. Neben einer identischen Befragungsmethode ist es daher wichtig, dass die Fragenformulierungen identisch sind, will man Befragungsergebnisse vergleichen. Kleine Nuancen, ja selbst Änderungen in der Reihenfolge von Fragen, können – müssen aber nicht zwingend – erhebliche Auswirkungen auf die Ergebnisse haben. Änderungen von Skalierungen oder Einheiten in den Antwortvorgaben können eine neue Wertigkeit hervorbringen, und der Wechsel von offenen Fragen
54 Jan Borcherding auf vorgegebene Antwortkategorien hat vor allem einen Kanalisierungseffekt: Der Befragte wird in seinem Fokus eingeschränkt, was durchaus sinnvoll sein kann, aber für die Vergleichbarkeit einer offenen mit einer geschlossenen Frage Gift ist. Es ist daher sinnvoll, sich ein Fragenset zusammenzustellen, das im Laufe verschiedener Befragungen stabil bleibt. Etwa die Fragen nach dem Image oder nach der Bekanntheit: Nur wenn sie dauerhaft gleich formuliert bleiben, kann man diese auch tatsächlich vergleichen und über lange Sicht interpretieren. In verschiedenen Studien identisch eingesetzt führen sie zu vergleichbaren Selektionen und vergleichbaren Ergebnissen. Auch hier ist das Team, das den Deutschen Spendenmonitor bearbeitet, sehr konservativ vorgegangen und hat oftmals auch den Fragenkatalog gegen Änderungswünsche von außen wie auch aus dem eigenen Hause verteidigt: Alle Fragen im Classic-Modul und die meisten Fragen im Imagemodul sind unverändert seit 1995 und somit 1:1 vergleichbar mit den jeweiligen Vorjahresergebnissen. Regel Nr. 3: Die Zielgruppe prüfen. Hierzu sind Abhandlungen von Hunderten von Seiten möglich. In wenige Sätze gefasst: Verglichen werden können nur Antworten von identisch zusammengesetzten Grundgesamtheiten. Eine Befragung von Menschen im Alter von 12 bis 65 Jahren kann man nicht sinnvollerweise mit einer Befragung von 14 bis 99 Jahren vergleichen. Die Überschneidung ist zwar groß, der Unterschied dennoch gravierend, denn zum einen sind bei den 12- bis 65-Jährigen zwei weitere junge Jahrgänge hinzugekommen, die potenziell eher weniger bis überhaupt nicht spenden, zum anderen wird bei dieser Zielgruppenselektion die Gruppe der wichtigsten Spender – der über 65-Jährigen – ausgeblendet. Somit kann man das Gesamtergebnis beider Gruppen nicht vergleichen. Sinnvoll und möglich sind hingegen Vergleiche zwischen etwa 14- bis 19-Jährigen und 60+Jährigen – wenn man eben die Unterschiede zwischen diesen Gruppen herausfinden will. Regel Nr. 4: Die Stichprobengröße prüfen. Eine Befragung mit wenigen Befragten ist ungenauer als eine Befragung mit vielen Befragten, so die Faustregel. Wo aber fängt „ungenau“ an, wo wird die Studie wirtschaftlich unvernünftig (weil zu groß)? 4.000 Befragte wie beim Deutschen Spendenmonitor sind im Vergleich zu anderen Studien relativ viel. Die meisten Befragungen in der Marktforschung bewegen sich in einem Sektor zwischen 500 und 1.000 Interviews. Die Sonntagsfrage in den Zeitungen basiert regelmäßig auf ca. 1.000 Befragten. Die Schwankungsbreite – ein zentrales Qualitätskriterium – verringert sich zwischen 1.000 und 4.000 Befragten nur noch sehr wenig, während sie unterhalb von 500 Interviews rapide ansteigt. Nun könnte man sagen, der Spendenmonitor muss doch gar keine 4.000 Befragten haben. Zum einen ist es jedoch dem Befragten nicht zuzumuten, für die Vielzahl an zu beurteilenden Organisationen ein Imageprofil von elf Items zu beantworten – dieses wären bei ca.
Dem Spender auf den Zahn gefühlt 55 25 bis 30 Teilnehmern dann bis zu 330 Image-Items. Wie in Bernhard Kellers Beitrag zu lesen ist: Die „goldene Gans“, der Befragte, muss schonend behandelt werden. Aus diesem Grund werden nur maximal zehn zufällig ausgewählte Organisationen mit Profilen je Befragtem abgefragt. Zum anderen ermöglicht diese Fülle an Befragten sehr detaillierte Analysen bis hinunter zu Bundesländern, den größeren Landeskirchen, nach Geschlecht oder Altersgruppen. Auch können in vielen Fragen wichtige Teilzielgruppen, vornehmlich die Spender, betrachtet werden. Bei einer Quote von durchschnittlich 40 Prozent Spendern bleiben hier nur ca. 1.600 Befragte übrig. Wichtig ist jedoch zu beachten, dass man auch in den Subzielgruppen nicht zu wenig Fälle auswertet: Sind es im Spendenmonitor ca. 1.000 Personen im Alter zwischen 14 und 29 Jahren, so kann man diese – da sie statistisch schon relativ genaue Ergebnisse liefern – nicht mit den ca. 125 Befragten zwischen 14 und 29 Jahren aus einer 500-Personen-Studie vergleichen. Die Schwankungsbreitentabelle liefert hier eine Ungenauigkeit von mehr als zehn Prozentpunkten! Wenn diese vier nicht immer einfachen Grundregeln beachtet und auch Zweiflern und Kritikern vermittelt werden, dann ist viel Diskussion aus der Präsentation von Marktforschungsergebnissen genommen. Darüber hinaus werden Unterschiede zwischen verschiedenen Studien um ein Vielfaches verständlicher und werden nicht sofort als Erhebungsfehler angesehen. 4.4 Anwendungsmöglichkeiten des Deutschen Spendenmonitors Der Besteller eines kompletten „Deutschen Spendenmonitors“ erhält in der Regel Ende Dezember einen vollständigen Satz Tabellen – ca. 1.500 Tabellenseiten – und dazu mehr als 200 PowerPoint-Grafiken sowie umfassende Kommentierungen. Eine erschlagende Datenflut, die leider auch dazu führen kann, den „Wald vor lauter Bäumen“ nicht zu sehen. Im Folgenden wird nun auf einige Anwendungen eingegangen – die Darstellung ist sicherlich nicht erschöpfend, soll aber einige Anhaltspunkte liefern, an welcher Stelle mit der Datenarbeit begonnen werden könnte. 4.4.1 Externes Benchmarking I: Was steckt in den klassischen Spendenfragen? Die Fragestellungen des klassischen Spendenmonitors liefern den Organisationen in erster Linie ein externes Benchmark. Es ist zunächst einmal unnötig, der Organisation eine exakte Zahl zu liefern, wie viel Euro die Bevölkerung, hochgerechnet aus 4.000 Befragten, für die Organisation selbst gespendet hat, denn diese Information liegt der Organisation selbst in viel genauerer Zahl vor. Die Organisation weiß allerdings nicht, wie sich der Spendenmarkt insgesamt verhält. Berichtet werden die Zahlen der großen Organisationen, das
56 Jan Borcherding große Umfeld der vielen Tausend kleinen Tierschutz-, Sport-, und Freizeitvereine oder -initiativen wird nicht erfasst. Und hier setzt der Spendenmonitor an: Er erfasst, wie viele der Bundesbürger überhaupt gespendet haben – egal, wohin – und wie viel diese Spender gegeben haben. Aus diesen beiden Zahlen lässt sich eine Schätzung vornehmen, wie viel Geld in Deutschland für Spenden ausgegeben wurde. Diese Schätzung muss ungenau sein, da die meisten Befragten nicht alle Dinge im Kopf haben können, für die sie gespendet haben. Es lässt sich aber ein Trend ablesen. Jedes Jahr mit der gleichen Methodik erhoben, ergibt sich ein Verlauf, der abschätzen lässt, ob der Spendenmarkt leicht gewachsen oder stark gewachsen, leicht geschrumpft oder stark geschrumpft ist (siehe auch Regeln 1 bis 4 zu identischer Methodik). Die Organisation hat hierdurch neben den Zahlen, die sie von Wettbewerbern mehr oder weniger zufällig erfährt, eine zweite Information. Mehrere Szenarien sind denkbar: Bei Organisation A gehen die Spenden zurück, bei B und C bleiben sie stabil. Man würde also vermuten, Organisation A hat allein etwas falsch gemacht – man könnte sich also an B und C orientieren und deren Methoden kopieren. Nun kommt der Spendenmonitor ins Spiel: Im gleichen Zeitraum ist der Spendenmarkt stark gewachsen. Haben Organisation B und C wirklich alles besser gemacht als A? Vermutlich nicht. Oder: Die Spenden von A stagnieren, die von B schrumpfen, die von C wachsen minimal. An wem orientiert man sich? Vermutlich an C, aber: Sagt die Benchmarkstudie, dass der Spendenmarkt im gleichen Zeitraum geschrumpft ist, weiß A schon einmal, dass man selber möglicherweise nicht alles falsch macht und man vielleicht bei C nur nach einer Kleinigkeit schauen muss, was dieser „besser“ oder „anders“ macht. Wächst der Spendenmarkt hingegen in diesem Zeitraum sehr stark, so ist offenbar auch das Konzept von C nicht das Gelbe vom Ei, da auch C nicht adäquat von der Marktentwicklung profitieren kann. Viele weitere dieser Szenarien sind denkbar. Wichtig ist, immer das gesamte Wissen über den Markt in derlei Interpretationen einzubringen. Sowohl die Informationen über Wettbewerber als auch die Informationen über die eigene Spendenentwicklung sind im Zusammenhang mit den Gesamtmarktdaten des Deutschen Spendenmonitors schon ausreichend für einen langen Strategieworkshop. 4.4.2 Externes Benchmarking II: Wie arbeitet man mit den Imagefragen? Zunächst ist im Zusammenhang mit Imagefragen zu prüfen, wer denn die relevanten Wettbewerber sind. Entweder vergleicht man sich mit einzelnen dieser Wettbewerber, oder man rechnet einen Durchschnitt über die relevanten Wettbewerber aus. Abweichungen in diesem Bereich sind genau zu hinterfragen und zu analysieren, denn: Hinter ihnen können sich Gründe für Erfolg und Mißerfolg verbergen. Insbesondere die Items, die sich direkt oder indirekt um die richtige Verwendung des Geldes drehen, sind mit Argusaugen zu beachten. Minimale Unterschiede in diesem Bereich können über Spende oder Nichtspende entscheiden.
Dem Spender auf den Zahn gefühlt 57 Bekanntheit und Unterstützungswürdigkeit sind zwei weitere Punkte, auf die Augenmerk gelegt werden sollte: Die Bekanntheit wird zwar gemeinhin überschätzt, gibt aber einen Anhaltspunkt für die Marktchancen. Eine hohe Bekanntheit des Namens nützt jedoch niemandem etwas, wenn die Personen keine Inhalte anbringen können oder die Organisation nicht für unterstützungswürdig halten. Zudem ist die Bekanntheit als solche hoch anfällig für das sogenannte „Involvement“ der Personen. Sind die Menschen gerade bei einem ganz anderen Thema, wie das in der Wirtschaftskrise etwa der Fall ist, oder aber überhaupt nicht in das Thema „Spenden für den Zweck xy“ involviert, weil sie sich im Berichtszeitraum mit anderen Spendenzwecken auseinandergesetzt haben, so ist klar, dass sie in der Befragungssituation nicht alle Namen parat haben. Im angelsächsischen Raum wird daher häufig zwischen Bekanntheit und Vertrautheit unterschieden, die Begriffe für diese Fragen sind „awareness“ und „familiarity“, und aus diesen beiden Begriffen wird schon der Unterschied zur deutschen Nutzung der Fragen deutlich: Wie abrufbar, wie „aware“ sind die Namen im Gehirn der Befragten und wie vertraut, wie „familiar“ fühlen sie sich mit den Namen (skaliert von „kenne ich nur dem Namen nach“ bis hin zu „bin ich sehr vertraut“). Eine Differenzierung in diese beiden Fragen wäre sicherlich auch für den Spendenmonitor wünschenswert und sollte in den nächsten Jahren überprüft werden. Abbildung 3 Potenzialanalyse nach Bundesländern Factsheets Image Nach Regionen: Bekanntheit und Potenzialausschöpfung 2. Potential-Ausschöpfung nach Regionen Nielsen I Nielsen II 76 19 2 Nielsen IIIa Nielsen IIIb 10 Nielsen VI 21 80 77 23 7 75 22 4 0 80 24 5 West D 73 22 4 Ost D 72 10 0 Nielsen VII 78 27 8 Nielsen IV 74 26 9 Nielsen Va + Vb 82 27 9 20 Bekanntheit 40 60 Potentielle Unterstützung 80 Unterstützung 100
58 Jan Borcherding Dennoch sind Bekanntheit und Unterstützungswürdigkeit wichtige Indikatoren für die Akzeptanz einer Organisation. Zusammen mit den tatsächlichen Spendern ergibt sich hier eine Potenzialanalyse, die, im Zeitverlauf betrachtet, auch Erfolge und Misserfolge aufzeigen kann, die aus den reinen Spendenzahlen nicht zwingend ersichtlich sind. Ist die Unterstützungswürdigkeit beispielsweise stark gestiegen, während die tatsächlichen im Haus angekommenen Spenden stagnieren, so wird offenbar entweder die gestiegene Zustimmung nur in kleinere Spenden umgesetzt oder aber es schaffen nicht ausreichend Menschen den Sprung von der hypothetischen zur tatsächlichen Unterstützung. Umgekehrt gilt dieses natürlich genauso. Internes Benchmarking – wie arbeitet man mit den Soziogruppen? Auch die Betrachtung interner Unterschiede auf Organisationsebene lohnt. Immerhin liefert der Spendenmonitor eine Vielzahl von soziodemografischen Teilgruppen bereits mit, und Sonderauswertungen zu verschiedensten Gruppen können vorgenommen werden. Mit den bereits als Standard gelieferten Zahlen ist es möglich, Unterschiede zwischen Altersgruppen hinsichtlich des Images der Organisation, Unterschiede bei Einkommensklassen bezüglich der Bekanntheit oder auch Unterschiede der hypothethischen Unterstützungswürdigkeit bei Klein- respektive Großspendern herauszuarbeiten. Da die ausgelieferten Tabellen nur einen Bruchteil der Auswertungsmöglichkeiten darstellen, sind beispielsweise Auswertungen für spezielle Zielgruppen jederzeit erstellbar. Möchte die Organisation etwa den kompletten Tabellenband für Katholiken, Landeskirchen oder Männer über 40 Jahren mit einem Einkommen oberhalb 2.000 EUR ausgewertet haben, so kann dieses in relativ kurzer Zeit in Tabellenform zur Verfügung gestellt werden – immer vorausgesetzt, in der Spezialzielgruppe sind genügend Fälle vorhanden. Dieses ist insbesondere dann sinnvoll, wenn die Organisation an einem Punkt angelangt ist, wo man sich auf eine zu akquirierende Zielgruppe geeinigt hat und man diese genauer kennen lernen möchte. Andere Organisationen wiederum haben bereits aufgrund des Arbeitsschwerpunktes oder ihrer Historie einen Zielgruppenschwerpunkt und möchten eine Betrachtung nur aus Sicht dieser Gruppe. 4.4.3 Grundsätzliches zur Arbeit mit dem Spendenmonitor Ohne interne Informationen der Organisation geht es nicht. Der Spendenmonitor kann an Ergebnissen nur das liefern, was auch über Fragen erhoben wurde. Aber die Ergebnisse liefern Anhaltspunkte, wo zu suchen ist, und, wenn man Hypothesen hat, an welchen Interna andere Entwicklungen liegen könnten, gegebenenfalls auch Beweise für diese Vermutungen. Der Spendenmonitor gibt Anhaltspunkte und Informationen, wie der Spender „tickt“ und wie seine ganz persönliche momentane Stimmung ist. Er gibt des Weiteren Informationen und Einblicke, die über den Eingang der Spende auf dem Spendenkonto hinausgehen. Diese Informationen zu komplettieren und zu interpretieren – und sie dann noch in Handlungsempfehlungen umzusetzen – ist häufig nur mit internen Informationen der Organisationen möglich. Für die Marktforscher rätselhafte Ergebnisse
Dem Spender auf den Zahn gefühlt 59 führen in so mancher Diskussion mit dem Kunden dazu, dass diesem plötzlich etwas einfällt, im Sinne von „glauben Sie, es könnte daran liegen?“, und schon fügt sich das Puzzle zu einem großen Ganzen zusammen. Apropos Puzzle: Eine weitere Eigenheit des Spendenmonitors sind seine Zusatzfragen. Dieses sind einzelne Fragen, die mit den Fragen des Spendenmonitors verknüpft werden und nur dem jeweiligen Auftraggeber exklusiv zugänglich sind. Diese Fragen sind eine der ursprünglichen Ideen des Spendenmonitors gewesen – ermöglichen sie doch, „nur“ eine Exklusivfrage zu erwerben und dennoch die Spezialaufbrüche, etwa nach Spendern, Spendenhöhe und -zweck zu erhalten. Aber auch hier sind weitere Auswertungsmöglichkeiten denkbar. Wie wäre es zum Beispiel, die Zusatzfrage einmal auszuwerten für alle Personen, die der Organisation ein positives Image zugeschrieben haben? Oder aber eine Auswertung für genau die Gegengruppe – nämlich diejenigen, die der Organisation gerade gar nichts abgewinnen können? Auch hier gilt: Alles, was methodisch vertretbar ist, ist möglich. 4.5 Learnings aus dem Deutschen Spendenmonitor – Beispiele Der Blick zurück auf 15 Jahre Spendenmonitor zeigt viele Facetten des deutschen Spenders: Zunächst ist einmal festzuhalten, dass sich der Spender überraschenderweise einer soziodemografischen Beschreibung widersetzt. In verschiedenen Jahren wurde von Projektteams bei TNS versucht, Typologien des Spenders zu erstellen. Fazit aus all diesen Versuchen ist, dass es auf der Datenebene keine stabile soziodemografische Beschreibung gibt, die es ermöglicht, aufgrund rein demografischer Daten zu entscheiden, ob eine Person ein Spender ist oder nicht. Sicherlich gibt es Tendenzen: Der überwiegende Teil der Spender ist entweder älter als 60 Jahre oder in leitender Position tätig oder verfügt über ein sicheres, tendenziell höheres Einkommen. Tendenziell sind Spender eher weiblich, sind eher im Westen der Republik beheimatet und leben eher in einem Mehrpersonenhaushalt. Aber keines dieser Kriterien taugt hinreichend zur Beschreibung des „perfekten“ Spenders. Durch die Vielfalt der Spenderdemografie ist jedoch gesichert, dass auch in Wirtschaftskrisen wie der aktuellen oder in Zeiten unsicherer Zukunft eine stabile Basis von etwa 40 Prozent der Bevölkerung zu den Spendern gezählt werden kann. Vornehmlich sind dieses Menschen, die sich hinsichtlich ihrer finanziellen Zukunft weniger Sorgen machen müssen, da ihr Einkommen gesichert ist (Stichwort: Rente) oder aber tendenziell weniger gefährdet ist als das der Durchschnittsbevölkerung. Dazu kommen etwa zehn Prozent der Bevölkerung, die etwa bei Katastrophen, singulären Ereignissen oder ganz besonders emotionalen Spendenaufrufen nicht „nein“ sagen und dann ebenfalls – tendenziell eher kleinere Beträge – spenden.
60 Jan Borcherding Weiterhin weisen die Daten darauf hin, dass es einen Punkt im Leben eines Menschen gibt, an dem er zu einem kontinuierlichen Spender wird. Entgegen der Befürchtungen „die Zielgruppe wird immer älter“, hat sich das errechnete Durchschnittsalter der Spender in den 15 Jahren Spendenmonitor kaum verändert, sodass anzunehmen ist, dass zwar insgesamt die Gruppe der Älteren immer größer wird, aber dennoch jüngere Spender „nachwachsen“. Abbildung 4 Altersgruppen der Spender Zuwachs bei den 20 bis 29-Jährigen und 30 bis 49-Jährigen Rückgang der Spenderquote bei den 14 bis 19-Jährigen 14-19 12 15 13 18 20-29 26 23 24 29 26 30-49 36 36 37 50-64 41 47 45 46 55 46 65+ 52 Basis: Bevölkerung ab 14 Jahren 2008 2007 2006 2005 2004 40 60 61 58 62 62 Angaben in Prozent Apropos „jüngere Spender“: Einem allgemeinen gesellschaftlichen Trend gegenüber zeigt sich das Spendenverhalten bemerkenswert stabil, nämlich der Nutzung des Internets und der Verlagerung von immer mehr Lebensbereichen in dieses hinein. Der Spendenmarkt scheint noch relativ wenig von diesem Trend betroffen zu sein, auch wenn die Organisationen mehr und mehr in diesem Bereich investieren und teilweise mittlerweile sogar eigene Stellen für das Spendenmarketing in diesem Bereich ausgeschrieben werden. Zeigte die Wiederholungsmessung im Jahr 2006 sieben Jahre nach der ersten Messung im Jahr 1999 zwar beeindruckende Zuwächse des Anteils der Onlinespender von mehreren hundert Prozent, so muss man sich jedoch klar machen, dass diese Zuwächse auf einem sehr niedrigen Level stattfinden und vermutlich erst die nächsten Messungen vorzeigbare Basiszahlen in diese Richtung ergeben werden. Gemessen an Trends, wie sie im Banking oder Shopping stattfinden, ist hier jedoch noch viel „Luft nach oben“ vorhanden. Als Informationskanal dagegen ist das Internet mittlerweile ein bedeutendes Medium. Hier sind auch die vielen Blogs und allgemeinen Informationsseiten zu nennen, die mehr oder weniger objektiv über Spendenorganisationen berichten.
Dem Spender auf den Zahn gefühlt 61 Schaut man auf die Ergebnisse jenseits soziodemografischer Daten, so fällt auf: Emotionale Gründe für das Spenden gibt es viele, der Spendenmonitor zeigt jedoch vor allem eines: Spenden bloß um des Spendens willen ist bei Weitem nicht so verbreitet, wie angenommen – der Anteil dieser Personen sinkt sogar stetig seit einigen Jahren. Vielmehr hinterfragt ein Großteil der Spender, ob denn seine Spende nachhaltige Wirkung hat, ob die Spende Menschen zur Selbsthilfe anleitet und, ein ebenso wichtiges Thema, ob nicht zu viel Geld für die Verwaltung aufgewendet wird. Hohe Verwaltungskosten sind ein weiteres Thema, das den Spendenorganisationen immer wieder vorgeworfen wird. Die Einschätzung der Bundesbürger geht dahin, dass fast ein Drittel der Spendengelder für die Verwaltung aufgewendet wird, so das Jahresthema 2007. Laut unseren Fokusgruppen gibt es hier in weiten Teilen der Bevölkerung wenig Verständnis für die Bedeutung von beispielsweise Büroräumen, Werbekosten sowie Reiseund Transportkosten – ein weit verbreiteter Glaube ist auch, dass die Arbeit der Organisationen ausschließlich ehrenamtlich gemacht wird oder gemacht werden sollte. Abbildung 5 Motive der Spender Einstellung zum Spenden Spender / Nichtspender Es ist wichtig, dass man durch Spenden seinen guten Willen zeigt 52 Total Spender Nichtspender 62 45 78 Spenden ist nur sinnvoll, wenn polit. und wirtsch. Ursachen bekämpft werden 75 73 Durch Spenden kann schnell und unbürokratisch geholfen werden 76 73 Nur solche Spenden sind sinnvoll, die die Menschen zur Selbsthilfe anleiten Ein bekanntes, unabhängiges Siegel könnte helfen, sorgfältige Organisationen zu kennzeichnen Bei großen Katastrophen bin ich eher bereit zu Spenden als bei dauerhaften Problemen Quelle: Deutscher Spendenmonitor (2007) 80 68 Zu hohe Anteile der Spendengelder werden für die Verwaltung aufgewendet 80 79 75 63 86 70 58 67 64 83 73 Angaben in Prozent So ist es wenig verwunderlich, dass der Bundesbürger auch eine deutlich geringere Zahl nennt, wie viel Prozent der Spendengelder für Verwaltungskosten ausgegeben werden sollten: Ganze 14 Prozent werden zugestanden. Der Nichtspender nutzt diese Frage deut-
62 Jan Borcherding lich zur Rationalisierung seiner Nichtspende – die Thematik „Verwaltungskosten“ wird in der Ansprache solcher Personen immer wieder ein Thema sein. Die Transparenz der Verwaltungskosten oder der Mittelverwendung ist ebenfalls ein Brennpunkt: Die meisten Spender wie auch die meisten Nichtspender wünschen maximale Transparenz. Transparenz wird jedoch anders definiert als vorstellbar wäre: Es geht den Menschen nicht darum, tatsächlich Einblick in jede Zahl zu bekommen oder jede Quittung einsehen zu können. Die meisten Menschen möchten das Gefühl vermittelt bekommen, dass eine Organisation keine Geheimnisse hat, dass sie alle Informationen bekommen könnten, wenn sie es nur wollen. Allerdings wird ein Großteil der Spender wie auch der Nichtspender diese Informationen vermutlich nicht abfragen – alleine das Gefühl der Verfügbarkeit reicht offensichtlich schon aus. 4.6 Fazit und Ausblick: Wie geht es weiter mit dem Deutschen Spendenmonitor? Der Deutsche Spendenmonitor erhebt nicht den Anspruch eine allumfassende „Spendenberichterstattung“ für Deutschland darzustellen. Vielmehr ist die Studie als Benchmarking- und Informationsstudie insbesondere im Imagebereich, aber auch als Möglichkeit zur Einschaltung exklusiver Fragen an eine große Stichprobe angelegt. Um den Anforderungen auch weiterhin zu genügen, ist eine weitere Modularisierung angedacht: Voraussichtlich im Jahr 2010 wird der Spendenmonitor über das Jahr aufgeteilt. Die klassischen Module „Classics“ und „Image“ bleiben aus den genannten Gründen der Kontinuität an ihrem angestammten Platz im September/Oktober. Das Modul „Der Spender“ rückt in den Februar / März, um bewusst in der Zeit nach Weihnachten und vor Ostern Genaueres über die Motivation der Spender zu erfahren. Das Jahresthema wird im Frühsommer erhoben, nachdem es auf einem Workshop im Februar/März festgelegt wurde. Neu hinzukommen wird der Planung nach ein „Jungspendermonitor“ zur Beleuchtung der jungen Menschen, die gerade dabei sind, eine „Spenderidentität“ zu entwickeln. Aber auch am klassischen Fragenprogramm werden Änderungen stattfinden: Fragen werden ausgetauscht, modernisiert und durch zusätzliche Fragen ergänzt. Alles in allem wird der Spendenmonitor in den nächsten vier bis fünf Jahren einigen weiteren grundlegenden Veränderungen unterworfen sein. Methodische Veränderungen, Veränderungen im Spendermarkt und in der Marktforschung machen dieses notwendig. Auch die Anforderungen der Spendenorganisationen an schlanke, modulare Lösungen bei maximaler Flexibilität wollen berücksichtigt werden und, last but not least, wird es Anforderungen an die Nutzbarkeit der Daten – Stichwort „eigene Berechnung von Zielgruppen“ – geben.
 Segmentierungsansätze aus der Marktforschung 5 63 Segmentierungsansätze aus der Marktforschung StefanȱTuschlȱ “Market segmentation involves viewing a heterogeneous market as a number of smaller homogeneous markets, in response to different preferences, attributable to the desires of consumers for more precise satisfactions of their varying wants". (Wendell Smith, “Product differentiation and market segmentation as alternative marketing strategies”, Journal of Marketing, Vol.21, July 1956) 5.1 Marktsegmentierung – Verknüpfung mit vielen Aufgaben des Marketings Segmentierung erfüllt im Marketing die Aufgabe, eine heterogene Gesamtheit, bei sozialen Themen üblicherweise die Gesellschaft (also Personen, im klassischen Marketing vor allem Konsumenten), in mehrere homogene Segmente aufzuteilen. Die Homogenität der Segmente ist dabei üblicherweise an Interessen, Wünschen, Bedürfnissen, Einstellungen, Verhaltensweisen oder Motiven orientiert. Im sozialen Marketing will man mit Kampagnen bestimmte Zielgruppen erreichen, das heißt zu veränderten Denk- und Verhaltensweisen animieren. Deshalb ist es wie im „traditionellen“ Marketing besonders wichtig, genaue Kenntnisse der Zielgruppen (sozial, demografisch, psychosozial) zu haben. Dadurch können diese Kampagnen optimal zielgruppenspezifisch ausgerichtet werden und sich an den Bedürfnissen und Werten der ausgewählten Segmente orientieren. Unkenntnis der anzusprechenden Zielgruppen hat zum Beispiel zur Folge, dass die Medien zur Verbreitung der neuen Informationen schlecht gewählt werden oder die falschen Maßnahmen ergriffen werden, um ein Umdenken in den entsprechenden Segmenten zu erreichen. Der Vorteil einer Marktsegmentierung besteht darin, dass sich die Organisation in ihren Marketingaktivitäten nicht mehr an allen Personen ausrichten muss, sondern direkt diejenigen Segmente ansprechen kann, die es für sich zum Beispiel anhand der homogenen Werte- oder Bedürfnisstruktur als stärkstes Potenzial für ihre Aktivitäten identifiziert hat. Ein erfolgreiches Segmentierungsprojekt ist dabei immer mit verschiedenen Marketingaufgaben und -zielsetzungen vernetzt (siehe Abbildung 1).
64 Abbildung 1 5.2 Stefan Tuschl Marktsegmentierung – vernetzt mit vielen Aufgaben des Marketings Segmentierung: Kunst oder Wissenschaft? Segmentierung wird oft als Wissenschaft für sich angesehen, da man normalerweise – bevor man an seiner zielgruppenspezifischen Marketingstrategie arbeiten kann – anspruchsvolle statistische Verfahren einsetzen muss, um Gruppen zu identifizieren, die innerhalb einer Gesamtheit von Personen hinsichtlich verschiedener Dimensionen möglichst homogen sind. Der Begriff „Wissenschaft“ wird in diesem Zusammenhang durchaus kontrovers diskutiert, da es für Segmentierungen viele verschiedene methodische Ansätze gibt, die auch zu unterschiedlichen Ergebnissen, das heißt Gruppierungen, gelangen. Aber auch dieselben Methoden, von verschiedenen Personen angewendet, können zu unterschiedlichen Ergebnissen und Schlussfolgerungen führen. Neben der Segmentierung von Personen ist auch die Segmentierung von Marken, Bedürfnissen oder Motivationen in der Marktforschungspraxis üblich. Da dieser Beitrag die Marktsegmentierung und damit die Segmentierung von Personen zum Thema hat, beschränken sich die folgenden Ausführungen auf diesen Aspekt. Die Begriffe Objekte und Personen werden deshalb im Folgenden auch synonym verwendet. 5.3 Unterschiedliche Segmentierungskriterien Es gibt die verschiedensten statistischen Techniken, um Segmentierungen durchzuführen. Allen gemeinsam ist, dass sie zur Bestimmung der Homogenität der einzelnen Gruppen und zur Gruppenbildung selbst bestimmte Kriterien heranziehen, die sogenannten aktiven (Segmentierungs-)Variablen. Üblicherweise erhebt man diese Variablen in Marktfor-
Segmentierungsansätze aus der Marktforschung 65 schungsbefragungen. Die Informationskriterien, die für eine Segmentierung Verwendung finden und als aktive Variablen im Segmentierungsprozess dienen können, sind: ႑DemografischeȱVariablen, also im Wesentlichen geografische und sozioökonomische Variablen, wie zum Beispiel Alter, Geschlecht, soziale Schicht, Lebensphase, Bundesland, Stadt, Region oder Wohnortgröße. ႑PsychografischeȱVariablen:ȱEinstellungen bzw. Meinungen zu bestimmten Themen (zum Beispiel HIV, Rauchen, Ernährung, Politik) oder Bedürfnisse. Dazu zählen des Weiteren auch Merkmale, die bei Verbrauchern in Verbindung mit bestimmten Produkten auftreten, also Imageeindrücke oder subjektive Wahrnehmungen, die sie gegenüber bestimmten Marken oder Produkten haben. ႑VerhaltensbasierteȱVariablen, wozu man zum Beispiel Preisverhalten und -empfinden zählt (zum Beispiel Preissensitivität gegenüber Bioprodukten), Mediennutzung (zum Beispiel Art und Zahl der Printmedien, Nutzungsintensität), aber auch die Verwendung von Produkten (zum Beispiel Fair-Trade-Produkte, gesundheitsförderliche Medikamente, Wahl bestimmter Marken) oder etwa spezielle aktionsbezogene Variablen wie das Spendenverhalten. Bei der Wahl der Segmentierungskriterien gilt es zu beachten, dass die Kriterien und das Segmentierungsziel eng zusammenhängen: Der Zweck der Segmentierung bestimmt den Schwerpunkt der zu wählenden Kriterien (siehe Abbildung 2). Abbildung 2 Die Ziele bestimmen den Schwerpunkt der Segmentierungskriterien Kriterien Psychografisch Verhaltensorientiert Soziodemografisch Strategisch, z.B. Markenstrategie Ziele Taktisch, z.B. Produkt- und Dienstentwicklung Operational, z.B. Marketingkampagnen Schwerpunkt Eine zu starke Vermischung verschiedener Dimensionen im Rahmen der Kriterienauswahl für die Segmentierung ist nicht zu empfehlen, da dadurch die angestrebte Segmentlösung verwässert wird. Die gebildeten Segmente können so nicht klar charakterisiert und „greifbar“ gemacht werden.
66 Stefan Tuschl Da die aktiven Variablen als Homogenitätsmaß im Segmentierungsprozess herangezogen werden, bilden diese im Vergleich zwischen den Gruppen auch die prägendsten Charakterzüge der Segmente. Für eine detaillierte Beschreibung, ein tieferes Verständnis der gefundenen Gruppen und nicht zuletzt für eine gezielte Marketingansprache, müssen aber noch weitere Variablen herangezogen werden: die so genannten passiven Variablen, die gemeinsam mit den aktiven Variablen mittels Marktforschung erhoben werden (siehe Abbildung 3). Abbildung 3 5.4 Informationsdimensionen einer Segmentierung Anforderungen an eine Segmentierung Um eine Marktsegmentierung zu einer brauchbaren Segmentierung zu entwickeln, gibt es einige Richtlinien, denen eine Segmentierung genügen sollte, damit die identifizierten Zielgruppen später auch operationalisierbar sind, also von einer Organisation mit ihren Marketingaktivitäten erreicht und angesprochen werden können. Dies sind im Wesentlichen folgende Punkte: ႑Identifizierbarkeit: Die gewählten Segmentierungskriterien sollten eine Abgrenzung und Identifizierung mit vorhandenen Marktforschungsmethoden erlauben.ȱ ႑Relevanz:ȱDie Kriterien sollen Segmente identifizieren helfen, deren Ansprache auch lohnt. Die gefundenen Segmente sollen realistische und für die Marketingaktivitäten einer Organisation attraktive Zielgruppen sein. ႑Erreichbarkeit:ȱDie ausgewählten Segmentierungskriterien sollten eine gezielte Kom- munikations- und Distributionspolitik der gewählten Segmente ermöglichen und damit die Segmente erreichbar für die diversen Marketingaktivitäten machen.
Segmentierungsansätze aus der Marktforschung 67 ႑Stabilität:ȱDie Segmentierungskriterien sollten eine gewisse zeitliche Stabilität aufwei- sen, sodass ein längerfristiger Einsatz der Marketinginstrumente möglich und sinnvoll ist. ႑Reagibilität:ȱDie Segmente müssen unterschiedlich genug sein und auf unterschiedliche Ausprägungen des Marketing-Mix auch verschieden reagieren, da eine Aufteilung in Gruppen ansonsten keinen Vorteil bringen würde. ႑Umsetzbarkeit:ȱDie entwickelte Marktsegmentierung muss mit Marketingkonzepten bedient werden können. Effiziente Marketingkonzepte ziehen die Marktsegmente an, Probleme entstehen, wenn die Segmentierung zu differenziert ist und schwer umsetzbar erscheint. 5.5 Statistische Verfahren als Werkzeug zur Identifizierung homogener Segmente Die multivariate Statistik liefert für die Marktsegmentierung verschiedene „Werkzeuge“, um homogene Gruppen zu identifizieren. Am häufigsten findet dafür die Methode der Clusteranalyse ihre Anwendung, einem strukturentdeckenden Verfahren. Daneben gibt es für die Durchführung einer Segmentierung noch weitere Klassifikationsverfahren, die die Zugehörigkeit zu einer bestehenden Gruppe/einem Segment bestmöglich durch weitere Variablen zu erklären versuchen (zum Beispiel Diskriminanzanalyse oder Entscheidungsbäume). 5.5.1 Die Clusteranalyse als strukturentdeckendes Segmentierungsverfahren Hinter dem Begriff „Clusteranalyse“ stehen verschiedene Klassifikationsverfahren mit der Zielsetzung, Personen bzw. allgemein Objekte zu Gruppen zusammenzufassen. Zur Bestimmung homogener Gruppen verwenden die verschiedenen Clusterverfahren Ähnlichkeits- bzw. Distanzmaße. Das heißt aufgrund der ermittelten Ähnlichkeiten (oder Distanzen) zwischen Objekten entstehen durch Clusterung innerhalb einer Gruppe weitgehend übereinstimmende Eigenschaftsstrukturen. Hierarchische und partitionierende Clusteranalysen ႑Grundlagenȱ Die verschiedenen Cluster-Algorithmen lassen sich in partitionierende und hierarchische Verfahren einteilen. Beim hierarchisch-agglomerativenȱ Vorgehen fasst man Objekte aus einer Gesamtheit schrittweise zu Gruppen zusammen. Die hierarchisch-divisive Methode teilt umgekehrt eine Gesamtheit von Objekten nacheinander in Gruppen auf. Bei beiden Prozeduren wird bei der Gruppenbildung so vorgegangen, dass diese hinsichtlich der gewählten aktiven Variablen innerhalb möglichst homogen und untereinander möglichst
68 Stefan Tuschl heterogen sind. Die hierarchisch-divisiven Verfahren werden in der Praxis allerdings nicht besonders oft angewendet, da sie im Vergleich zu agglomerativen Verfahren wesentlich rechenzeitaufwändiger sind und man selbst mit den heutigen Rechnerkapazitäten schnell an praktische Grenzen stoßen würde. Für die hierarchisch-agglomerativen Vorgehensweise existieren verschiedene Fusionierungsalgorithmen, die festlegen, wie in jedem Schritt des Fusionierungsprozesses die Distanzen zwischen Elementen und/oder Clustern ermittelt werden. Diese neu ermittelten Distanzen werden benötigt, um im nächsten Schritt zu bestimmen, welche Elemente (oder Gruppen) zusammengelegt werden. Die am häufigsten eingesetzten Algorithmen sind hierfür das Single-Linkage-Verfahren, das Complete-Linkage-Verfahren, das AverageLinkage-Verfahren sowie die Methode nach Ward. Abbildung 4 Unterschiedliche Fusionierungsalgorithmen Single-Linkage: Neue Distanz = Geringste Distanz zwischen zwei Objekten aus zwei Clustern, zusammengefasst werden die Objekte/Cluster mit der geringsten Distanz. Complete Linkage: Neue Distanz = Average Linkage: Neue Distanz = Durchschnittliche Distanz zwischen allen Objekten aus zwei Clustern, zusammengefasst werden die Objekte/Cluster mit der geringsten Distanz. Centroid/Median Linkage: Weighted Average Linkage Ward-Verfahren: Neue Distanz = Gewichtete durchschnittliche Distanz zwischen allen Objekten aus zwei Clustern, zusammengefasst werden die Objekte/Cluster mit der geringsten Distanz. Größte Distanz zwischen zwei Objekten aus zwei Clustern, zusammengefasst werden die Objekte/Cluster mit der geringsten Distanz. Neue Distanz = Distanz zwischen den Segmentdurchschnitten/-medianen aus zwei Clustern, zusammengefasst werden die Objekte/Cluster mit der geringsten Distanz. zusammengefasst werden die Objekte/ Cluster, die einen minimalen Anstieg der Varianz innerhalb der Cluster (nach der Fusion) zur Folge haben. Je nach gewähltem Algorithmus resultieren unterschiedliche Clusterstrukturen, die es hinsichtlich Größe, Trennschärfe, aber auch hinsichtlich inhaltlicher Charakteristika zu bewerten gilt, falls man alternativ mehrere agglomerative Algorithmen zur Clusterbestimmung einsetzen möchte. Bei Anwendung eines partitionierenden Verfahrens muss die gewünschte Anzahl an Clustern vor Beginn der Segmentierungsprozedur angegeben werden. Ausgehend von dieser Clusterzahl wird eine Vorab-Einteilung (Start-Partition) der Objekte in Gruppen vorgenommen. Danach werden einzelne Objekte solange umsortiert, bis ein bestimmtes Zielkriterium sein Optimum erreicht hat. Das bekannteste partitionierende Verfahren ist die kȬ means-Clusteranalyse.
Segmentierungsansätze aus der Marktforschung 69 Der Algorithmus einer einfachen k-means-Clusteranalyse zur Ermittlung von k-Gruppen lässt sich in den folgenden Berechnungsschritten darstellen: 1. Start:ȱ(Zufällige) Auswahl bzw. Bestimmung von k-Clusterzentren. 2. Zuordnung:ȱJedes Objekt wird dem ihm am nächsten liegenden Clusterzentrum zugeordnet. Die Entfernung wird mithilfe eines Distanzmaßes, der sogenannten Euklidischen Distanz, bestimmt. 3. Update:ȱEs werden für jedes Cluster die Clusterzentrum neu berechnet. 4. Wiederholung:ȱFalls sich nun die Zuordnung der Objekte ändert, weiter mit Schritt 2, ansonsten Abbruch. Die Zuordnung eines Objektes zu einem Cluster ist bei diesem Verfahren also nicht final, sondern kann im Lauf des Verfahrens modifiziert werden. Für die Auswahl der Startzentren gibt es verschiedene Ansätze, oft werden hier einfach per Zufall Objekte aus der Gesamtheit ausgewählt und deren Werte auf den aktiven Variablen als „Startzentren“ definiert. Für die Durchführung einer k-means-Clusterung gibt es Software-Pakete, die in einem Schritt eine „Bandbreite“ von Clusterzahlen durchrechnen sowie unterschiedliche Szenarien für Startwerte ausprobieren können. Der klassische k-means-Algorithmus durchläuft den Clusterungsprozess (zufällige Festlegung von Startwerten, Umsortierung der Objekte bis Erreichen des Zielkriteriums) nur ein einziges Mal. Wenn man nun diesen Prozess mit einer anderen Startpartition nochmals durchführt, kann es passieren, dass man eine andere, manchmal nur leicht, unter Umständen aber auch deutlich unterschiedliche Clusterlösung erhält. Um sicherzustellen, dass eine gefundene Lösung auch wirklich eine stabile Segmentierung repräsentiert, ist es zu empfehlen, mehrere Durchläufe mit unterschiedlichen Startpartitionen zu veranlassen. Erhält man über diese Wiederholung hinweg größtenteils wieder dieselbe Gruppierung der Objekte, kann die gefundene Lösung als optimal und stabil betrachtet werden. Kriterien wie etwas Reproduzierbarkeitsmaße helfen dabei, stabile Lösungen zu identifizieren. Vor- und Nachteile der Verfahren Vergleicht man die hierarchischen und partitionierenden Verfahren, so zeichnen sich die letzteren durch eine größere Variabilität und Flexibilität aus, da jedes Objekt von Cluster zu Cluster zur Optimierung einer homogeneren Struktur mehr oder weniger beliebig verschoben werden kann. Bei den agglomerativ-hierarchischen Verfahren lässt sich dagegen ein einmal fusioniertes Clustergefüge nicht wieder aufspalten, man befindet sich sozusagen in einer „Einbahnstraße“. Für die Segmentierung von Personen, insbesondere bei einer größeren Stichprobengröße (1.000 und mehr Befragte), sind partitionierende Clustermethoden deutlich performanter und liefern außerdem erfahrungsgemäß greifbarere, trennschärfere Gruppen. Hierarchische Verfahren stellen bei großen Datenmengen wegen der aufwändigen paarweisen Distanzbildung und schrittweisen Berechnung höhere Anforderungen an die Rechenleistung von Computern. Ergebnisse von partitionierenden Verfahren können von der Wahl der
70 Stefan Tuschl Startgruppierung beeinflusst werden, sodass unter Umständen nur lokale Optima hinsichtlich der Gruppenbildung erreicht werden können. Bei der Anwendung von partitionierenden Verfahren ist es deshalb zu empfehlen, unterschiedliche Startpartitionen zu wählen, und damit zu erreichen, dass die Reihenfolge der Cluster sowie die Reihenfolge der Objekte in einem Cluster variiert werden kann. Die Frage der Clusterzahl Im Clusterungsprozess selbst werden mehrere Lösungen mit unterschiedlichen Clusteranzahlen erzeugt und hinsichtlich Interpretierbarkeit und statistischer Gütekriterien, wie zum Beispiel Reproduzierbarkeit oder Trennschärfe, betrachtet. Unter den möglichen Lösungen wird schließlich die für den Segmentierungszweck optimale und am besten umsetzbare Gruppierung gewählt. Hinsichtlich der Clusterzahl gibt es bei den hierarchischen und partitionierenden Verfahren allerdings kein ultimatives Optimalitätskriterium. Für die Festlegung der Clusterzahl braucht man eher eine Mischung aus Bauchgefühl und Intuition, gestützt durch verschiedene statistische Kennzahlen und Gütekriterien. Bei partitionierenden Verfahren muss man bereits eine bestimmte Anzahl von Gruppen vorgeben, denen die Objekte gemäß dem verwendeten Distanzmaß zugeordnet werden. Normalerweise variiert man die Anzahl an Clustern in einer bestimmten Bandbreite und erhält verschiedene Lösungen, die anhand verschiedener Gütekriterien, wie zum Beispiel der Trennschärfe der Cluster, aber vor allem auch unter inhaltlichen Gesichtspunkten bewertet werden und aus denen die „passendste“ Lösung bestimmt wird. 5.5.2 Alternativen zur klassischen Variante: Latent-Class- und Two-Step-Clusteranalysen Dem Modell der Latent-Class-Analyse liegt die Annahme zugrunde, dass Personen verschiedenen (nicht beobachtbaren) latenten Klassen (Segmenten) angehören. Innerhalb einer solchen Klasse besitzen die Personen hinsichtlich bestimmter Variablen (bei der Clusteranalyse hinsichtlich der aktiven Segmentierungsvariablen) die gleiche Wahrscheinlichkeitsverteilung. Ziel der Latent-Class-Clusteranalyse ist die Schätzung der Zugehörigkeitswahrscheinlichkeiten der betrachteten Personen zu einer (vorgegebenen) Anzahl an latenten Segmenten. Diese Schätzung erfolgt durch einen iterativen Maximierungsalgorithmus. Im Unterschied zur klassischen Clusteranalyse können hier als Ergebnis für jede Person Schätzungen der Zugehörigkeitswahrscheinlichkeiten zu jedem Segment angegeben werden. Zugeordnet wird die betreffende Person dann dem Segment mit der höchsten Zugehörigkeitswahrscheinlichkeit. Für die Latent-Class-Cluster-Anlyse gibt es außerdem Gütekriterien, mit denen man die „beste“ Anzahl an latenten Segmenten identifizieren kann. Die Two-Step-Clusteranalyse ist vor allem für große Datenmengen geeignet. Der Algorithmus umfasst zwei Stufen: Auf der ersten Stufe, dem sogenannten Pre-Clustering, werden die Objekte des Datensatzes über eine Baumstruktur in Untercluster eingeteilt (Cluster-Feature-Tree). Die Struktur des Baumes, anhand derer die Objekte zu Pre-Cluster zu-
Segmentierungsansätze aus der Marktforschung 71 sammengefasst werden, erlaubt dabei maximal 512 Untergruppen. Im zweiten Schritt werden die über den Cluster-Feature-Tree definierten Pre-Cluster mit einem hierarchischagglomerativen Clusteralgorithmus zusammengefasst. Die Sub-Cluster werden dabei wie „neue“ Objekte behandelt, sodass in dieser Stufe eigentlich Cluster „geclustert“ werden. Durch diese Vorgehensweise wird die eigentliche hierarchische Clusterung mit einer reduzierten Datenmenge gerechnet, was zu einer deutlichen schnelleren Rechenzeit führt. Der Two-Step-Algorithmus ist im Statistikprogramm SPSS implementiert und erlaubt anhand berechneter Gütemaße bei Bedarf auch die Bestimmung der optimalen Clusterzahl. Zu beachten ist beim Two-Step-Algorithmus, dass er anfällig gegenüber der Reihenfolge der Beobachtungen im Datensatz ist. Je nach Anordnung der Fälle können so unterschiedliche Lösungen resultieren, sodass – wie beim k-means-Algorithmus auch – für diese Methode eine mehrmalige Wiederholung der Clusterung und Vergleich der Ergebnisse hinsichtlich Reproduzierbarkeit empfohlen wird. Durch die mehr oder minder „grobe“ Vor-Clusterung von Fällen im ersten Schritt ist es außerdem denkbar, dass Objekte mit denselben Ausprägungen in den aktiven Variablen unterschiedlichen Segmenten zugewiesen werden (Segmentierungsinkonsistenzen). Beide Verfahren liefern, anders als die klassischen Verfahren, Anhaltspunkte für eine „optimale“ Clusterzahl. Dies sind allerdings reine statistische Hilfskennziffern, die die (unter anderem inhaltliche) Beurteilung der Segmente durch den Forscher nicht ersetzen können. 5.6 „Kompromisslösungen“ mit Cluster-Ensemble-Methoden Oft ist es nicht einfach, eine Clusterlösung als die optimale zu identifizieren. Eventuell hat man sogar die verschiedensten Techniken ausprobiert und keine davon hat ein zufriedenstellendes Ergebnis erreicht. Hier können sogenannte Ensemble-Methoden helfen: Sie entwickeln eine „Konsens“-Lösung, die mittels geeigneter Algorithmen aus einer Vielzahl unterschiedlicher Clusterlösungen (basierend auf derselben Datenquelle) gebildet werden. Die unterschiedlichen Clusterlösungen können sich hinsichtlich des gewählten Clusterungs- bzw. Fusionierungsalgorithmus, der aktiven Variablen sowie hinsichtlich der Clusteranzahl unterscheiden. Die Ensemble-Methode konzentriert sich nicht auf die Originaldaten, sondern ist auf die verschiedenen Clusterlösungen fokussiert und untersucht die Zuordnung der Fälle zu den Clustern in diesen Lösungen. Ziel der Ensemble-Methode ist es, basierend auf allen als Input verwendeten Clusterlösungen, die für alle Fälle „repräsentativste“ Konsens-Lösung abzuleiten. Vorteile der Ensemble-Methoden, die in der Literatur diskutiert werden: ႑Robustheit gegenüber suboptimalen Clusterlösungen, die als Input verwendet werden ႑Verbesserung der Klassifikationsgenauigkeit und -güte ႑Erhöhung der Qualität der Cluster(-lösung) ႑Erfassen auch ungewöhnlicher Muster in den Daten
72 Stefan Tuschl Die grundsätzliche Vorgehensweise bei der Ensemble-Methode kann für die Clusteranalyse wie in Abbildung 5 dargestellt werden: Abbildung 5 Methode der Cluster-Ensembles1 Wie Abbildung 5 zeigt, besteht der Analyseprozess aus einer Phase der Generation von Basislösungen sowie aus einer Phase der anschließenden Integration der Clusterlösungen in eine Konsenslösung. Für die Generation von Lösungen können – wie schon erwähnt – verschiedene Clusteralgorithmen und aktive Variablen verwendet werden, da die Ensemble-Methodik nicht auf den Rohdaten, sondern nur auf den unterschiedlichen Klassifikationen der Objekte aufsetzt. Für die Wahl der Integration der Lösungen gibt es verschiedene Algorithmen, zum Beispiel Clustering on Clusters (Methode der Hypergraphen von Strehl/Gholsh), Bagging, Aggregation durch Bootstrapping, agentenbasierte Cluster Ensembles, Prototyp-Reduktion oder Prototyp-Extraktion, kernel-basiertes Ensemble Clustering. Bislang ist allerdings nur die Methode des Clustering on Clusters in ein kommerzielles Softwarepaket implementiert.   1 In Anlehnung an Greene, D./Cunningham, P. (2006).
Segmentierungsansätze aus der Marktforschung 5.7 73 Weitere Klassifikationsverfahren für Segmentierungen Für Segmentierungsprojekte können hinsichtlich der Methodik auch Verfahren Anwendung finden, die sich in Bezug auf die Konzeption von der „klassischen“ Clusteranalyse unterscheiden. Entdeckt die Clusteranalyse Gruppen aus vorhandenen Strukturen in den erhobenen Daten, so versuchen Verfahren wie Diskriminanzanalyse, logistische Regression oder Baumanalysen (Tree-Analysen, Entscheidungsbäume) anhand von Prädiktoren (erklärenden Variablen) eine abhängige Variable zu erklären, die als Kategorien- bzw. Gruppierungsvariable vorliegt, wie zum Beispiel Alterskategorien, Kaufinteresse in Kategorien oder eine mittels Clusteranalyse gebildete Segmentvariable. Abbildung 6 Weitere Klassifikationsverfahren Der Diskriminanzanalyse liegt ein lineares Modell ähnlich der Regressionsanalyse zugrunde. Durch ihren Einsatz lässt sich herausfinden, ႑ob die in der abhängigen Variable vorliegende Gruppierung optimal ist oder ob sie verbessert werden kann, ႑welche Variablen für die Erklärung der Gruppen(-unterschiede) besonders geeignet sind (Trennschärfe), ႑in welche Gruppe ein neues Objekt, das noch keine Gruppenzugehörigkeit aufweist, aufgrund seiner Merkmalsausprägungen einsortiert werden kann. Ähnlich ist die Vorgehensweise in der logistischen Regression. Im einfachen (binomialen) Modell wird lediglich die Zugehörigkeit zu zwei Gruppen (dichotome abhängige Variable)
74 Stefan Tuschl erklärt, wobei die logistische Regression mit Zugehörigkeitswahrscheinlichkeiten zu einer Gruppe arbeitet, die auf einem sogenannten Logit-Modell basieren: Hier nimmt man einen nichtlinearen Zusammenhang zwischen der dichotomen, abhängigen Variablen und der unabhängigen Variablen an. Bei der logistischen Regression werden dann auch anstelle der üblichen Regressionskoeffizienten die sogenannten Odds und Odds Ratios betrachtet. Man kann „Odds“ mit „Chancen“ und „Odds Ratio“ mit „relative Chancen“ übersetzen. „Odds“ entsprechen dem Verhältnis vom Eintritt eines Ereignisses zu seiner Gegenwahrscheinlichkeit. Die geschätzten „Odds Ratios“ der Prädiktoren werden zur Bestimmung ihres Einflusses auf die Gruppenzugehörigkeit herangezogen. Außerdem kann man – analog zur Diskriminanzanalyse – die tatsächliche Gruppenzughörigkeit mit der durch die logistische Regression ermittelten, prognostiziertem Gruppenzugehörigkeit vergleichen und anhand der Trefferquoten auf ihre Modellgüte schließen. Wird das Zwei-Gruppenzum Mehr-Gruppen-Modell erweitert, spricht man von einem multinomialen Ansatz. Bei Tree-Analysen dienen die Prädiktoren dazu, die bestehende Gruppenstrukutur in der erklärenden Variablen weiter in Untergruppen aufzubrechen, die sich durch eine extreme Verteilung hinsichtlich der abhängigen Variablen auszeichnen sollen. Idealerweise sollte in einer Untergruppe dann nur ein Typ/eine Ausprägung der Gruppierungsvariable vorherrschen. Mit den gerade erläuterten Klassifikationsverfahren können vielfältige Fragestellungen beantwortet werden, wie zum Beispiel: Welche Personenmerkmale wie Alter, Einkommen usw. bestimmen das Spendeverhalten für karitative Zwecke? Welche Einstellungs- und Personenmerkmale sind ausschlaggebend dafür, ob man grüne Umweltpolitik befürwortet oder nicht? Mit welchen Merkmalen lassen sich Lifestyle-Segmente am besten voneinander unterscheiden? Aufbauend auf eine Clusteranalyse können diese alternativen Klassifikationsmethoden eingesetzt werden, die Trennschärfe der verwendeten Segmentierungsvariablen zu validieren. Häufig dienen sie aber dazu, Klassifikationsregeln abzuleiten, mit deren Hilfe man neue – noch nicht klassifizierte – Personen den ermittelten Segmenten zuordnen kann. Dies kommt vor allem in darauffolgenden Marktforschungsuntersuchungen zu weiterführenden Themen, die hinsichtlich der identifizierten Segmente analysiert werden sollen, zur Anwendung. Für das Aufstellen von Klassifikationsregeln sollten grundsätzliche mehrere Klassifikationsverfahren verwendet werden, wobei die Regel dann basierend auf der Methode ermittelt werden sollte, die die beste Prognosegüte liefert, am besten überprüft durch den Einsatz eines „Split-Half“-Tests. Hier wird der Datensatz in zwei Hälften geteilt, die eine Hälfte wird verwendet, um die Klassifikationsregel zu ermitteln, die zweite nur, um die Prognosegüte des Modells zu testen. Diese konservative Vorgehensweise verhindert, dass die Regel zu sehr an den Eigenschaften der gerade verwendeten Daten ausgerichtet ist und die Prognosegüte zu optimistisch ausfällt.
Segmentierungsansätze aus der Marktforschung 5.8 75 Interpretation der gefundenen Segmente und Umsetzung der Ergebnisse Zur Interpretation der Ergebnisse einer Segmentierung werden optimalerweise Profile für jedes Segment aus allen für die Segmentierung verwendeten aktiven, aber auch ausgewählten passiven Variablen erstellt. Dies dient dazu, ein besseres, tiefgreifendes Verständnis für die trennenden Merkmale zwischen den einzelnen Segmenten zu erhalten sowie die Charakterzüge der jeweiligen Gruppe im Detail besser zu verstehen und nachvollziehen zu können. Schließlich sollen die Segmente später identifizierbar und mit Marketinginstrumenten ansprechbar sein. Abbildung 7 Erstellung von „Steckbriefen“ für die Segmente Nachdem eine Organisation mittels Profilierung und Segmentbewertung die für sich interessanten Segmente in der Gesellschaft identifiziert hat, muss sie eine Entscheidung darüber treffen, wie diese in Zukunft angesprochen und bearbeitet werden sollen. Dazu können die folgenden Bewertungskriterien herangezogen werden bzw. weitere Analysen hinsichtlich dieser Aspekte angestellt werden: ႑Größe des Segments. ႑Zugang zum Segment (Ansprachemöglichkeiten). ႑Eignung und Relevanz des Segments für die geplanten Aktivitäten.
76 Stefan Tuschl ႑Potenzial für eine mögliche Einflussnahme im Segment durch Kampagnen. ႑Zukünftige Entwicklungschancen der Segmente. ႑Zielsetzung und Ressourcen der Organisation. Nach Entscheidung über die Bearbeitung oder Nichtbearbeitung der einzelnen Segmente hat die Organisation die Wahl zwischen den folgenden Marktbearbeitungsstrategien: ႑Undifferenziertes Marketing (Bearbeitung des Gesamtmarktes mit einer Strategie), falls auf die Segmentierung keine Rücksicht genommen wird. ႑Differenziertes Marketing (Bearbeitung von mehreren Segmenten mit verschiedenen Strategien). ႑Konzentriertes Marketing (Bearbeitung eines Segements) oder ႑One-to-One-Marketing (individuelle Strategien). 5.9 Fazit Die verschiedenen, für Segmentierungen anwendbaren Verfahren der Statistik liefern unterschiedliche Lösungen, die es erst einmal zu verstehen, zu bewerten und zu vergleichen gilt. Ein „bestes“ Verfahren gibt es in diesem Zusammenhang nicht. Die mögliche Auswahl der Verfahren wird unter anderem auch durch die Wahl der aktiven Variablen und der Zielsetzung der Segmentierung bestimmt. Auch die Methode der ClusterEnsembles ist kein Allheilmittel bei der Bestimmung des optimalen Clusterverfahrens. Letztendlich ist auch diese Methode nur eine statistische Technik, die zwar aus einer Vielzahl von möglichen Lösungen eine Kompromisslösung generiert, diese Lösung aber nicht hinsichtlich ihrer Sinnhaftigkeit und Operationalisierungsmöglichkeit bewerten kann. So muss man auch diese Konsenslösung hinsichtlich dieser Aspekte und weiterer inhaltlicher Kriterien begutachten. Aus diesen Gründen erfordert jede Segmentierung beim Forscher eine gesunde Mischung aus Kunst und Wissenschaft. „Wissenschaft“ ist nötig, da die statistischen Verfahren im Segmentierungsprozess dazu dienen, trennscharfe, in sich homogene Gruppen zu identifizieren. „Kunst“ ist wichtig, da dem Forscher die essenzielle Rolle zukommt, die verschiedenen Segmentierungslösungen, die statistische Verfahren liefern können, im Detail zu verstehen, zu evaluieren und zu priorisieren. Detaillierte Segmentprofilierungen können ihn hier zwar unterstützen, allerdings braucht es dazu auch immer „Kunst“ in Form von Intuition und Erfahrung. Also das „Bauchgefühl“ des Forschers, welche Lösung für eine Organisation mit ihren Zielsetzungen besser „passt“ als eine andere. Nur so kann die ausgewählte Segmentierung einer Organisation wertvolle Hinweise auf interessante (Kunden-)Gruppen und deren Bearbeitung geben.
Segmentierungsansätze aus der Marktforschung 77 Weiterführende Literatur Agogino, A./Tumer, K. (2006): Efficient Agent-Based Cluster Ensembles, in: Proceedings of the Fifth International Joint Conference on Autonomous Agents and Multi-Agent Systems, ACM, New York, S. 1079 - 1086. Backhaus, K./Erichson, B./Plinke, W./Weiber, R. (2008): Multivariate Analysemethoden: Eine anwendungsorientierte Einführung, 12., vollständig überarbeitete Auflage, Berlin. Bühl, A./Zöfel, P. (2004): SPSS 12 - Einführung in die moderne Datenanalyse unter Windows, 9. überarbeitete und erweiterte Auflage, München. Fahrmeir, L./Hamerle, A./Tutz, G. (1996): Multivariate Statistische Verfahren, 2. überarbeitete und erweiterte Auflage, München. Freter, H./Diller, H./Köhler, R. (2008): Markt- und Kundensegmentierung: Kundenorientierte Markterfassung und -bearbeitung, 2. vollständig neu bearbeitete und erweiterte Auflage, Stuttgart. Greene, D./Cunningham, P. (2006): Efficient Ensemble Methods For Document Clustering, Technical Report, Trinity College Dublin, Computer Science Department, 2006. Kotler, P./Bliemel, F. (2001): Marketing-Managment, 10. Auflage, Stuttgart. Oerthel, F./Tuschl, S. (1995): Statistische Datenanalyse mit dem Programmpaket SAS, München. Smith, W. (1956): “Product differentiation and market segmentation as alternative marketing strategies”, Journal of Marketing, Vol.21, S.3-8. Tuschl, S. (2007): Auf der Suche nach dem Einen - Zielgruppenansprache durch Marktsegmentierung, in: Research & Results 1/2007, S. 40-42. Tuschl, S. (2009): Segmentierungsmöglichkeiten in der Marktforschung, in: Duttenhöfer, S./Keller, B./Vomhoff, S. (Hrsg.), Handbuch Zielgruppenmanagement, Frankfurt am Main. 
 78 André Petras 6 Spender-Profile nach Werteorientierungen mit dem Semiometrie-Modell AndréȱPetrasȱ Non-Profit-Marketing hat in den letzten Jahren an Bedeutung gewonnen. Immer mehr Organisationen drängen auf den Spendenmarkt und versuchen, sich ein Stück vom „Spendenkuchen“ zu sichern. Gleichzeitig entwickeln sich öffentliche Mittel vielfach rückläufig. Vor diesem Hintergrund ist ein Trend zu einer immer höheren Professionalisierung im Fundraising zu beobachten. Die Mittelbeschaffung rückt zunehmend in den Fokus eines immer stärker umkämpften Spendenmarkts. 6.1 Identifikation der richtigen Spender-Zielgruppe Eine zentrale Problemstellung des Fundraisings ist die trennscharfe Abgrenzung, Charakterisierung und möglichst effiziente Kommunikationsansprache relevanter SpenderZielgruppen. Erfolgreiche Fundraising-Kampagnen zeichnen sich meist dadurch aus, dass sowohl die inhaltlichen Botschaften als auch die gewählten Kommunikationswege in optimaler Weise auf die anvisierte Zielgruppe abgestimmt sind. Um dieses Ziel zu erreichen, müssen im Vorfeld allerdings einige grundlegende Fragen systematisch analysiert und beantwortet werden: ႑Was ist das Ziel der Fundraising-Kampagne? Was soll konkret erreicht werden? ႑Welche Zielgruppe soll dabei angesprochen werden? Wie kann diese Zielgruppe abgegrenzt werden? ႑Welche verhaltensrelevanten Wertehaltungen und Grundüberzeugungen charakterisieren die Zielgruppe? Wie „ticken" die potenziellen Empfänger der FundraisingBotschaften? ႑Mit welchen Botschaften können diese Personen überhaupt erreicht werden? Welche Sprache, welche Tonalität, welche Lebenswelten müssen angesprochen werden? ႑Wo können diese Personen erreicht werden? Was sind geeignete Werbeträger, die auch in die Wertewelt der Zielgruppe passen? ႑Wie können psychografische Spenderprofile bei der Adress-Selektion für Mailings eingesetzt werden?
Spender-Profile nach Werteorientierungen mit dem Semiometrie-Modell 79 Erst wenn alle diese Fragen systematisch beantwortet und die einzelnen Maßnahmen entsprechend aufeinander abgestimmt werden, sind die Voraussetzungen für eine erfolgreiche Fundraising-Kampagne gegeben. Im Folgenden wird am Beispiel der Organisation Greenpeace exemplarisch gezeigt, wie diese Fragestellungen systematisch mithilfe des Semiometrie-Modells™ von TNS Infratest analysiert und beantwortet werden können. 6.2 Fokus Bestands- oder Neuspender? Die inhaltliche und operative Ausrichtung konkreter Fundraising-Kampagnen hängt in hohem Maße davon ab, ob das Kampagnenziel eher auf eine stärkere Bindung von Bestandsspendern ausgerichtet ist (=Haltemarketing) oder ob die Kampagne im Kern potenzielle Neuspender (= Gewinnungsmarketing) ansprechen soll. Die Fokussierung auf eine der beiden Stoßrichtungen ist deshalb besonders wichtig, da nicht grundsätzlich davon ausgegangen werden kann, dass Bestandsspender und potenzielle Neuspender in ihrer Charakteristik identische Zielgruppen sind. Gerade auf der Ebene der verhaltensrelevanten Wertehaltungen werden häufig Unterschiede deutlich, die auf Basis rein soziodemografischer Merkmale nicht erkennbar sind. Mithilfe des Semiometrie-Modells können die spezifischen psychografischen Profile von Zielgruppen allerdings sehr differenziert gemessen und miteinander verglichen werden. 6.3 Wertemessung mit dem Semiometrie-Modell Das Semiometrie-Modell basiert auf dem Ansatz, Wörter als Indikatoren zur Messung grundlegender Wertehaltungen zu verwenden. Konkret kommen 210 Begriffe zum Einsatz, die im Rahmen umfangreicher Vorstudien bezüglich ihrer Eignung zur Wertemessung validiert wurden. Mithilfe spezieller multivariater Analysetechniken werden die Begriffsbewertungen auf Basis der 4.300 Fälle des bevölkerungsrepräsentativen Semiometrie-Panels zu den beiden zentralen Werte-Dimensionen „Sozialität – Individualität“ und „Pflicht – Lebensfreude“ verdichtet. Anhand dieser Achsen wird das semiometrische „Basismapping“ mit den 210 Begriffen aufgespannt. Weitere Analysen liefern zudem 14 grundlegende Wertefelder, die sowohl eine sinnvolle Informationsverdichtung als auch eine nützliche Interpretationshilfe bieten. Die relative Über- oder Unterbewertung der Begriffe durch die Personen innerhalb einer Zielgruppe (zum Beispiel: „Bestandsspender Greenpeace") ergibt das spezifische Werteprofil der Zielgruppe im Vergleich zu einer festgelegten Referenzgruppe (in der Regel die Restbevölkerung). Man ermittelt also, was die Mitglieder einer Zielgruppe außer ihrer Gruppenzugehörigkeit noch miteinander verbindet – und wie sich diese Gruppe von anderen Populationen unterscheidet.1   1 Weitere Informationen zum Semiometrie-Modell unter www.tns-infratest.com.
80 6.4 André Petras Semiometrie-Analyse am Beispiel Greenpeace Abbildung 1 zeigt das semiometrische Mapping der Greenpeace-Bestandsspender. Die zugrunde liegenden Daten wurden im Oktober 2006 im bevölkerungsrepräsentativen Semiometrie-Panel erhoben. Die Abgrenzung von Bestandsspendern und potenziellen Neuspendern erfolgte dabei anhand der folgenden Fragestellungen unter Vorlage einer Liste mit den 60 größten Spendenorganisationen in Deutschland. Abbildung 1 Semiometrie-Analyse für Greenpeace Potenzielle Neuspender Stellen Sie sich vor, Sie könnten es sich leisten, 500 Euro zu spenden. Welchen gemeinnützigen Organisationen würden Sie dann auf jeden Fall eine Spende zukommen lassen? Bitte nehmen Sie für die Beantwortung dieser Frage die beiliegende Listeȱ von gemeinnützigen Organisationen zur Hand – bitte wenden und Vorder- und Rückseite beachten – und tragen Sie die Codes der Organisationen, denen Sie eine Spende zukommen lassen würden, in die dafür vorgesehenen Kästchen ein. Bestandsspender Welche der folgenden Organisationen haben Sie innerhalb der letzten zwölf Monate mit Ihrer Spende unterstützt? Bitte nehmen Sie für die Beantwortung dieser Frage wieder dieȱ beiliegendeȱListe von gemeinnützigen Organisationen zur Hand – bitte wenden und Vorderund Rückseite beachten – und tragen Sie die Codes der Organisationen, die Sie mit einer Spende unterstützt haben, in die dafür vorgesehenen Kästchen ein.
Spender-Profile nach Werteorientierungen mit dem Semiometrie-Modell 81 Die überbewerteten Wörter sind insbesondere im unteren rechten Bereich des semiometrischen Werteraums angesiedelt, also zwischen den Achsen „Individualität“ und „Lebensfreude“. Begriffe wie „Baum“, „Ozean“ oder „Strom“ (Fluss) zeigen nicht nur einen deutlichen Bezug zur Natur, sondern weisen zudem auf eine idealistisch verträumte Werteorientierung hin. Typisch für Personen mit dieser Grundhaltung sind Wunsch und Streben nach einer besseren Welt als positivistischer Gegenentwurf zur wahrgenommenen Realität. Die kulturelle Grundhaltung deutet zudem auf eine anspruchsvolle, intellektuelle Zielgruppe hin, für die Selbstreflexion, Verantwortung und Nachhaltigkeit im Handeln wichtige Lebensaspekte darstellen. Eher schwach ausgeprägt, aber dennoch erkennbar ist zudem eine Erlebnisorientierung, die sich hier in der Überbewertung der Begriffe „Gewitter“ und „Feuer“ widerspiegelt. Beide Begriffe können metaphorisch als Indikatoren für Dynamik, Aufbruch und Veränderung interpretiert werden. Zielgruppen mit dieser Grundhaltung sind extrovertiert, abenteuerlustig und offen für neue Erfahrungen. Aber kann nun aus der Betrachtung der Greenpeace-Bestandsspender auch automatisch davon ausgegangen werden, dass potenzielle Neuspender, also die Zielgruppe für das Gewinnungsmarketing, zwangsläufig die gleichen Wertehaltungen aufweisen wie die aktuellen Spender? Gerade im Spendenbereich ist die Situation vielfach so, dass Organisationen einen beachtlichen Bestand an regelmäßigen Spendern aufweisen, die oftmals über Jahre hinweg, regelmäßig kleinere oder größere Beträge an die Organisation einzahlen. Diese regelmäßigen Spender sind für die Organisationen sicherlich eine sehr wichtige Zielgruppe, die es zu pflegen und immer wieder aufs Neue an die Organisation zu binden gilt. Aber besteht nicht die Gefahr, dass die Bestandsspender im Laufe der Zeit und mit dem Durchschreiten verschiedener Lebensphasen ihre Wertecharakteristik verändern und sich damit in ihrer Charakteristik sukzessive von potenziellen Neuspendern entfernen? Auf der Individualebene sind dies sicherlich eher langfristig angelegte Prozesse, die sich, wenn überhaupt, dann meist erst im Laufe vieler Jahre vollziehen. Letztlich führen derartige Prozesse aber bei einer aggregierten Zielgruppenbetrachtung dazu, dass sich die aktiven Bestandsspender bei vielen Spendenorganisationen zum Teil deutlich von den potenziell erreichbaren Neuspendern unterscheiden. Das folgende Mapping zeigt daher das semiometrische Werteprofil der potenziellen Greenpeace-Neuspender (siehe Abbildung 2). Im Vergleich zu den Bestandsspendern fällt insbesondere die deutlich stärkere Ausprägung des Wertfeldes „erlebnisorientiert“ auf. Es handelt sich also um eine wesentlich dynamischere Zielgruppe, mit einem ausgeprägten Aktivitätsdrang auf der Suche nach intensiven Lebenserfahrungen. Überbewertete Begriffe wie „Abenteuer“, „wild“ oder „Herausforderung“ spiegeln diese Grundorientierung anschaulich wider. Der Vergleich zu den aktiven Bestandsspendern zeigt zudem, dass es sich bei der Zielgruppe für das Greenpeace-Gewinnungsmarketing um eine deutlich jüngere Zielgruppe handelt.
82 André Petras Abbildung 2 Semiometrisches Werteprofil der potenziellen Greenpeace-Neuspender Greenpeace Potenzielle Spender [=Gewinnungsmarketing] familiär verträumt materiell religiös kulturell pflichtbewusst traditionsverbunden Penetration: 16%; n=490 Fälle Basis: Bevölkerung 14+ Jahre (3.000 Fälle) erlebnisorientiert familiär sozial religiös materiell verträumt lustorientiert erlebnisorientiert kulturell rational kritisch dominant kämpferisch pflichtbewusst traditionsverbunden ---+ +++ + Semiometrie - Abbildung 3 Greenpeace – Vergleich Potenzielle Spender und Bestandsspender --
Spender-Profile nach Werteorientierungen mit dem Semiometrie-Modell 83 Zwar ist für beide Zielgruppen die für Idealismus und Naturverbundenheit stehende verträumte Grundhaltung charakterisierend, aber bei den potenziellen Neuspendern kommt eben zudem noch eine sehr ausgeprägte Erlebnisorientierung dazu. Sie befinden sich zudem oftmals noch in einer früheren Lebensphase, zeigen aber persönliche Reife, Engagement und soziales Verantwortungsgefühl, was sich in ihrer grundsätzlichen Affinität zu Greenpeace widerspiegelt. Genau diese Lebensphase und diese spezifische Zielgruppe ist daher im Falle Greenpeace für die Neuspendergewinnung besonders interessant. Denn genau dies sind die Personen, die bereits heute die notwendige Offenheit für Greenpeace aufweisen. Hier gilt es nun im Rahmen des Fundraisings, die eigene Marke entsprechend klar, ansprechend und unverwechselbar zu positionieren. Dazu ist es sehr wichtig, in der kommunikativen Ansprache die richtige Tonalität passend zur Zielgruppe zu treffen. Nur wenn das gelingt, wenn die potenziellen Neuspender also in ihrer eigenen Sprache und entsprechend ihrer spezifischen, aktuellen Werteorientierung erreicht werden, nur dann kann eine Kampagne mit dem Ziel „Neuspendergewinnung“ letztlich auch erfolgreich sein. Die vorangegangenen Analysen haben gezeigt, dass es für den Erfolg zielgruppenorientierter Fundraising-Strategien entscheidend darauf ankommt, die anvisierte Spendergruppe entsprechend ihrer spezifischen psychografischen Charakteristik adäquat anzusprechen. Dazu ist es besonders wichtig, die angestrebten Kampagnenziele im Vorfeld genau abzustecken. Insbesondere muss geklärt werden, ob die Kampagne im Kern eher auf die Bindung von Bestandsspendern (Haltemarketing) oder die Ansprache potenzieller NeuSpender (Gewinnungsmarketing) fokussieren soll. Das vorangegangene Beispiel hat gezeigt, dass hinter diesen beiden grundsätzlichen strategischen Stoßrichtungen durchaus unterschiedliche Zielgruppen stehen können. 6.5 Passende Media-Umfelder für Neuspendergewinnung Zur Realisierung einer zielgruppengenauen Fundraising-Strategie ist neben der Identifikation und detaillierten Charakterisierung der relevanten Adressaten sowie der adäquaten inhaltlichen Ausgestaltung der verwendeten Kommunikationsmittel natürlich auch die zielgruppengenaue Media-Selektion von entscheidender Bedeutung. Denn nur wenn sämtliche Einzelkomponenten einer Kommunikationskampagne synergetisch auf das Profil der relevanten Zielgruppe ausgerichtet werden, sind die Voraussetzungen für einen optimalen Kampagnenerfolg gegeben. Aber wie lassen sich am Beispiel Greenpeace aus den bisherigen Erkenntnissen passende Media-Umfelder für eine zielgruppengenaue Ansprache potenzieller Neuspender finden? Auch hier können entsprechende Empfehlungen für sämtliche Mediengattungen über das Semiometrie-System abgeleitet werden. Im Rahmen der semiometrischen Media-Analyse wird dabei untersucht, welche Media-Zielgruppen einen vergleichbaren Wertehintergrund
84 André Petras wie die zu bewerbende Markenzielgruppe aufweisen. Zudem können auch soziodemografische oder andere Kontrollvariablen zur weiteren Schärfung der Selektion hinzugezogen werden. Im Folgenden wird die semiometrische Media-Analyse exemplarisch für das Medium Online dargestellt. Im Rahmen der jährlichen Semiometrie-Basisbefragung wird unter anderem regelmäßig die Nutzung der 70 reichweitenstärksten Onlineportale abgefragt. Auf Basis dieser Abfrage kann dann für jede Website das semiometrische Profil der regelmäßigen Nutzer erstellt werden. Abbildung 4 Online-Ranking für Greenpeace (TOP 10) Abbildung 4 verdeutlicht, dass zum Beispiel die Website freenet.de ein ausgesprochen geeignetes Werbeumfeld für die Ansprache potenzieller Greenpeace-Neuspender darstellt. Wie die Zielgruppe, so weisen auch die regelmäßigen Nutzer von freenet.de eine ausgeprägt erlebnisorientierte sowie verträumte Grundorientierung auf. Gleichzeitig werden typisch traditionelle Werteorientierungen von beiden Zielgruppen eher abgelehnt. Beide Zielgruppen teilen zudem auch einen überdurchschnittlichen Anteil 14- bis 49-Jähriger sowie höher gebildeter Personen. Weitere passende Onlineumfelder wären zum Beispiel auch web.de, wetter-online.de, dasoertliche.de oder sueddeutsche.de. Eine besondere Herausforderung stellt die Übertragung von Zielgruppenprofilen aus der Marktforschung in das Direktmarketing dar. In der Marktforschung hat man es nämlich meist mit vergleichsweise überschaubaren Repräsentativstichproben zu tun, innerhalb derer die für das jeweilige Vermarktungsthema relevanten Informationen anhand von
Spender-Profile nach Werteorientierungen mit dem Semiometrie-Modell 85 Befragungen erhoben werden können. Im Gegensatz dazu arbeitet das Direktmarketing überwiegend mit sehr großen Adress-Datenbeständen, wobei für die einzelnen meist nur ein fest vorgegebenes Set an Informationen verfügbar ist. Eine spezifische Abfrage der für die Steuerung von Direktmarketingmaßnahmen idealerweise benötigten Informationen ist dabei in der Regel schon allein aufgrund des Umfangs der Adressdaten-Bestände nicht möglich. Im Direktmarketing wird daher vielfach mit Prognosemodellen gearbeitet, die in der Praxis auch häufig als Modellings oder Scorecards bezeichnet werden. Als Datenbasis für die Erstellung eines Prognosemodells dient dabei in der Regel ein Auszug des Gesamtadressbestandes, für den sowohl die zu erklärenden (abhängigen) als auch die erklärenden (unabhängigen) Merkmale vorliegen. Die Aufgabe des Modells besteht dann darin, die individuellen Ausprägungen der unabhängigen Variable möglichst präzise über entsprechend intelligente Verknüpfungen der erklärenden Variablen abzubilden. Ist das Modell erst einmal kalibriert, so kann anschließend mittels der unabhängigen Variablen für den gesamten Adressbestand ein Prognosewert bezüglich der abhängigen Variablen abgeleitet werden. Dieser grundsätzlichen Vorgehensweise haben sich auch TNS Infratest und der Direktmarketinganbieter AZ Direct (Bertelsmann) bedient, als sie im Jahr 2001 die 14 semiometrischen Wertefelder über Scoringmodelle aus dem repräsentativen SemiometriePanel (Bevölkerung 14+ Jahre) in die 60 Millionen Personenadressen umfassende Direktmarketingdatenbank von AZ Direct projizierten und damit eine in dieser Form einzigartige Schnittstelle zwischen Marktforschung und Direktmarketing entwickelten. Eine zentrale Anwendungsform ist dabei die Adress-Selektion für Mailings (SemioSelect) auf Basis eines semiometrischen Zielgruppenprofilings. Ausgangspunkt für eine semiometrische Adress-Selektion ist immer eine semiometrische Zielgruppenanalyse, in deren Rahmen das spezifische psychografische Profil der anvisierten Kommunikationszielgruppe ermittelt wird. Selbstverständlich werden dabei neben der Semiometrie auch weitere Informationen (wie zum Beispiel die Soziodemografie) mit berücksichtigt. Im nächsten Schritt können dann auf Basis dieses Zielgruppenprofils unmittelbar passende Adressen aus der AZ Direktmarketingdatenbank selektiert werden. Dazu werden die Adressen im ersten Schritt entsprechend ihrer Passgenauigkeit zum Zielgruppenprofil gerankt und anschließend von oben abselektiert. Wird dann im Rahmen des zu versendenden Mailings die inhaltliche Gestaltung auch noch gleichermaßen optimal auf die Charakteristik der anzusprechenden Zielgruppe ausgerichtet, dann sind im Prinzip beste Voraussetzungen für eine Erfolg versprechende Kampagne mit einer entsprechend hohen Responsewahrscheinlichkeit gegeben.
86 Abbildung 5 6.6 André Petras Adress-Selektion mittels semiometrischer Spenderprofile Fazit Die hier am Beispiel von Greenpeace vorgestellte Diskrepanz in den Zielgruppenstrukturen von Halte- und Gewinnungsmarketing ist gerade im Fundraisingbereich keinesfalls ein selten anzutreffendes Phänomen. Gerade aufgrund der vielfach relativ langfristigen Spender-/NPO-Beziehungen sind die potenziellen Neuspender häufig jünger und weisen darüber hinaus oftmals (allerdings nicht zwangsläufig!) eine deutlich hedonistischer und individualistischer geprägte psychografische Charakteristik auf. Im Rahmen dieses Beitrages konnte natürlich nur ein kurzer Überblick über die Einsatzmöglichkeiten und Vorgehensweisen von semiometrischen Zielgruppenanalysen gegeben werden. Die Ausführungen verdeutlichen aber, dass Fundraising-Kampagnen nur dann erfolgreich sind, wenn sämtliche Einzelmaßnahmen mit den Grundwertehaltungen der Zielgruppe im Einklang stehen. Dazu ist es notwendig, die Wertehaltungen der anvisierten Zielgruppe im Vorfeld genau zu ergründen. Direkte Abfragen greifen hier zu kurz, da sie stark rationalisieren, die Befragten überfordern und das Problem der Diskrepanz von Selbst- und Fremdeinschätzung nicht lösen können. Viele der im Markt befindlichen psychografischen Zielgruppenmodelle basieren überwiegend auf sogenannten Typologien und sind methodisch bedingt
Spender-Profile nach Werteorientierungen mit dem Semiometrie-Modell 87 relativ unscharf, da Personen bereits auf der Individualebene in Schubladen gesteckt werden (hoher Informationsverlust). Das indirekte Befragungsmodell der Semiometrie (210 Begriffe als Indikatoren zur Wertemessung) liefert dagegen objektivierte und vielfach validierte Ergebnisse in hinreichender Tiefe. Semiometrie verbindet zudem in besonderer Weise die grundlegende Charakterisierung von Fundraising-Zielgruppen mit konkreten Umsetzungsempfehlungen für das operative Marketing (Mediaplanung, Sponsoring, Testimonials, Adressen für das Direktmarketing). Weiterführende Literatur Gierl, H. (1996): Werte und Wertorientierungen, in: derselbe, Marketing, Stuttgart, S. 322Ȭ393. Petras, A./Vazrik, B. (2007): Wie die Marke zur Zielgruppe kommt,ȱWiesbaden. Petras, A./Griese, U. (1999): Markenführung mit dem semiometrischen Ansatz, in: Planung & Analyse, 4, 62-65. Petras, A./Samland, W. (2001): Soziodemografie und Psychographie: Der ganzheitliche Blick auf die Zielgruppe, in: Planung & Analyse, 4, 22-27. Steiner, J.-F./Ludovic, L./Piron, M. (2003): La Sémiométrie, Dunod, Paris.
 88 7 Thomas Gensicke Freiwilligensurvey: Ein umfragegestütztes Informationssystem für die Bürgergesellschaft ThomasȱGensickeȱ Die Bereitschaft der Bürgerinnen und Bürger, sich freiwillig zu engagieren, ist eine wichtige Ressource und ein wichtiges Qualitätsmerkmal der modernen Bürger- und Zivilgesellschaft. Vereine und Organisationen, aber auch öffentliche Einrichtungen und Institutionen stellen diesem Bürgerengagement eine öffentliche Infrastruktur zur Verfügung und profitieren von der Bereitschaft vieler Menschen, anderen Menschen Zeit zur Verfügung zu stellen. Ist jedoch diese bürgerschaftliche Bereitschaft eine feste Konstante, mit der die Öffentlichkeit und die Organisationen rechnen können? Ändern sich derzeit Umfang und Hintergründe des Bürgerengagements? Lässt der moderne Zeitstress in Beruf, Familienleben und Freizeit überhaupt noch Raum für freiwilliges Engagement in der Infrastruktur der Zivilgesellschaft? Von Politikern und Funktionären hört man heute nicht selten die Meinung, dass die Engagementbereitschaft, vor allem in der jüngeren Bevölkerung immer weiter zurückginge. Im Zusammenhang mit der Zuwanderung und dem demografischen Wandel führt das zu einer düsteren Prognose: Immer mehr hilfsbedürftigen älteren Menschen sowie wenig integrierten Migranten stehen immer weniger engagierte Bürger gegenüber. Eine gestresste und schrumpfende Mittelschicht kümmert sich immer weniger um soziale und gesellschaftliche Aufgaben. Der vorliegende Beitrag soll zeigen, wie auf der Grundlage des Freiwilligensurveys (Ehrenamt, Freiwilligenarbeit, bürgerschaftliches Engagement) die Einseitigkeit der Debatte um eine „Krise des Ehrenamts“ überwunden werden kann, wie sich die aktuelle Situation des Bürgerengagements in Deutschland empirisch darstellt und welche Zukunftspotenziale es hat. 7.1 Ursprünge des Freiwilligensurveys Die BürgerȬȱundȱ Zivilgesellschaft rückte in Deutschland seit den Neunzigerjahren verstärkt im Blick der Öffentlichkeit, aber erst seit 1999 besitzen wir in Form des Freiwilligensurveys (Ehrenamt, Freiwilligenarbeit und bürgerschaftliches Engagement) detaillierte, verallgeȬ meinerbare und belastbare Informationen zu diesem Thema. Der Freiwilligensurvey ist ein öffentliches Informationssystem, das bundes- und landesweite sowie regionale Informati-
Freiwilligensurvey: Ein umfragegestütztes Informationssystem für die Bürgergesellschaft 89 onen über die verschiedenen Formen des freiwilligen Engagements1 von Bürgerinnen und Bürgern in Deutschland zur Verfügung stellt. Umfang, Qualität und Leistungen des Engagements werden ebenso erfasst wie Bedürfnisse engagierter Bürgerinnen und Bürger nach öffentlicher Unterstützung und Verbesserung der Rahmenbedingungen des Engagements. Basis dieses Informationssystems sind repräsentative, telefonisch durchgeführte BevölkeȬ rungsbefragungen, 1999 und 2004 bei jeweils ca. 15.000 zufällig ausgewählten Befragten. Im Jahr 2009 sind innerhalb der Hauptstichprobe des Freiwilligensurveys ca. 20.000 Menschen befragt worden. Den ersten Anstoß für einen „Ehrenamtssurvey“, wie er zunächst hieß, gab eine große Anfrage der Bundestagsfraktionen der CDU/CSU und der FDP an die Bundesregierung aus dem Jahre 1996, die folgendermaßen beantwortet wurde: „Die Recherchen im Rahmen der Beantwortung der Großen Anfrage ergaben, dass systematische, alle Bereiche der ehrenamtlichen Tätigkeit und das ganze soziale Spektrum der ehrenamtlichen Tätigkeit abdeckende Untersuchungen derzeit nicht vorliegen.“2 Das war ein deutliches Signal für die Notwendigkeit eines Freiwilligensurveys. Es erfolgte eine öffentliche Ausschreibung, die der Projektverbund „Freiwilligensurvey“3 für sich entscheiden konnte. Mit der Wiederauflage des Surveys im Jahr 2004 begann in Deutschland die repräsentativeȱ Dauerbeobachtung der Bürger- und Zivilgesellschaft. Beide repräsentativen Bevölkerungsbefragungen wurden durch TNS Infratest Sozialforschung durchgeführt, das im Jahre 2009 auch den dritten Freiwilligensurvey erhoben hat. 7.2 Ein neues Verständnis des „freiwilligen Engagements“ Grundlage des Freiwilligensurvey ist ein erweiterter Engagementbegriff, der über die Vorstellung des herkömmlichen „Ehrenamtes“ hinausgeht. Dieser Begriff berücksichtigt, dass das Feld des freiwilligen Engagements äußerst vielfältig und in den letzten Jahrzehnten unübersichtlicher geworden ist: Sportliches und kulturelles Engagement wird ebenso erfasst wie verantwortliche Tätigkeiten in Kindergarten und Schule, im Umwelt- und Na-   Der allgemeine „Querschnittsbegriff“ des Freiwilligensurveys ist das „freiwillige Engagement“, vor allem um einen einheitlichen wissenschaftlichen Sprachgebrauch zu gewährleisten. Immerhin stufen sich im Survey auch die meisten Engagierten als Freiwillige ein. Auch die internationale Anschlussfähigkeit dieses Begriffes ist wichtig (vgl. das englische „Volunteering“). Der Begriff „bürgerschaftliches Engagement“ wird vor allem in der Politik verwendet, um den Gemeinwohlbezug des Bürgerengagements zu betonen. In der unmittelbaren Alltagspraxis scheint jedoch weiterhin der Begriff des „Ehrenamtes“ bzw. der „ehrenamtlichen Tätigkeit“ zu dominieren. 1 2 Vgl. Bundesministerium für Familie, Senioren, Frauen und Jugend (1996). Der Projektverbund hieß ursprünglich „Projektverbund Ehrenamt“ und benannte sich im Laufe der Projektarbeit parallel zur Umbenennung des „Ehrenamtssurveys“ in „Projektverbund Freiwilligensurvey” um. Ihm gehörten das Institut ISAB Köln an, das IES Hannover, das Forschungsinstitut für öffentliche Verwaltung Speyer sowie – federführend – TNS Infratest Sozialforschung an. 3
90 Thomas Gensicke turschutz, bei der Vertretung von politischen und beruflichen Interessen. Weiterhin geht es um Engagement für soziale und gesundheitliche Belange, im kirchlich-religiösen Bereich, im Umfeld von Kriminalitäts- und Justizangelegenheiten bis hin zur Freiwilligen Feuerwehr, den Rettungsdiensten sowie um örtliches Bürgerengagement (siehe Abbildung 1). Außerdem werden neben den klassischen Organisationsformen und Institutionen Verein, Verband, Partei, Gewerkschaft und Kirche auch lockere Strukturen einbezogen wie Gruppen, Initiativen und Projekte sowie das Engagement in öffentlichen Einrichtungen. Abbildung 1 Bereichszuordnung freiwilliger Tätigkeiten (2004)4 Wenn Menschen wie in herkömmlichen Befragungen unmittelbar auf „unentgeltliches Ehrenamt“ oder auch auf „unbezahlte Arbeit“ angesprochen werden, wie zum Beispiel im SOEP (Sozioökonomisches Panel), denken sie zuerst an sozialeȱHilfenȱoder politischesȱEngaȬ gement. Dieses populäre Verständnis ist jedoch eine Verengung dessen, was eine moderne Bürger- und Zivilgesellschaft ausmacht. Wie der Survey zeigen konnte, erfolgt die bürgerschaftliche Mitgestaltung der Gesellschaft und die freiwillige Investition von Zeit und Energie in größerem Umfang in den vielen Sport-, Kultur- und Geselligkeitsvereinen sowie in anderen Zusammenhängen, ohne dass damit ein (im strengen Sinne) politischer und sozialer Anspruch verbunden wäre. Der Freiwilligensurvey stuft (ohne die besondere Bedeutung des sozialen und politischen Engagements zu verkennen) den vorpolitischenȱȱ ȱ   4 Quelle: Freiwilligensurveys 1999 und 2004.
Freiwilligensurvey: Ein umfragegestütztes Informationssystem für die Bürgergesellschaft 91 Raum sowie Tätigkeitsformen, die nicht primär auf die Unterstützung benachteiligter „Klienten“ ausgerichtet sind, sogar als „Rückgrat“ der Zivilgesellschaft ein5. Ohne eine mit der unmittelbaren Lebenswelt vieler Menschen in den Städten und vor allem auf dem Lande eng verbundene Struktur fehlte der Zivilgesellschaft in Deutschland ihre flächendeckende und sozialstrukturellȱ breitȱ gestreute Präsenz. Auf diese Weise werden große Teile der Bevölkerung in die Zivilgesellschaft einbezogen, können Freiwillige je nach Motivation und Umfeld „mit ihren Aufgaben wachsen“. Hier wird zumeist im Kleinen und unspektakulär Verantwortung übernommen und Mitgestaltung geübt. Es entwickelt sich sozialeȱIntegration der verschiedensten Bevölkerungsgruppen; von Jüngeren und Älteren, von Männern und Frauen, von einfachen und gehobenen sozialen Schichten, von Einheimischen und von Zugewanderten. Unmittelbar politische Motivation spielt zwar auch eine Rolle, steht aber hinter einem gesellschaftlichen Gestaltungsanspruch allgemeiner Art zurück6 (siehe Abbildung 2). Mit dem Bedeutungsverlust der Parteipolitik und der zunehmenden Distanz vieler Menschen gegenüber großen Organisationen und Institutionen wird diese flächendeckende Verankerung der Zivilgesellschaft in der Lebenswelt der Menschen und deren gesellschaftliche Integrationsfunktion immer wichtiger.7 Abbildung 2 Gründe für das freiwillige Engagement8 Alle Freiwilligen (Angaben in %)   5 Vgl. Gensicke, Olk (2009). Ebenso wie ein erweiterter Engagementbegriff ist somit auch ein erweiterter Politikbegriff nötig, um diesen Gestaltungsanspruch der Bürgerinnen und Bürger angemessen zu würdigen. 6 7 Vgl. Gensicke, T./Geiss, S. (2006). 8 Quelle: Freiwilligensurveys 1999 und 2004.
92 7.3 Thomas Gensicke Von der „Krise des Ehrenamtes“ zur Förderung des freiwilligen Engagements Ein wichtiger Erfolg des Freiwilligensurveys bestand darin, dass sich in Deutschland aufgrund der nunmehr gesicherten und ansehnlichen Zahlen9 (siehe Abbildung 3) zum Umfang des freiwilligen Engagements der Tenor der öffentlichen Debatte über die Zivilgesellschaft veränderte. Mit der Zeit wurde weniger über eine „Krise des Ehrenamts“ geredet und eine positive Diskussionslinie eröffnet, der es vor allem um die VerbesserungȱderȱRahȬ menbedingungen für freiwilliges Engagement ging. Die Tatsache, dass der Freiwilligensurvey Deutschland sowohl eine lebendige Zivilgesellschaft bescheinigte als auch ein großes Potenzial zu deren Erweiterung und Vertiefung (siehe Abbildung 4), führte zu neuen Fragen: Wird dieses ausgeprägte Engagement auch in Zukunft unter den Bedingungen sozialer Reformen und des demografischen Wandels erhalten bleiben? Gibt es genügend Nachwuchs in allen Altersgruppen und sozialen Schichten? Warum wird das hohe Engagementpotenzial bei nicht Engagierten so wenig abgerufen? Unter welchen Bedingungen, mit welchen Angeboten wäre das möglich? Eine große politische Unterstützung für die Zivilgesellschaft in Deutschland war die Enquetekommission des Bundestags „Zukunft des bürgerschaftlichen Engagements“10, die die neue Denkrichtung zu ihrer Leitlinie erhob und darin durch den Freiwilligensurvey gestärkt wurde. Ein Unterausschuss des Bundestags beschäftigt sich inzwischen dauerhaft mit dem bürgerschaftlichen Engagement. Der Projektverbund stand mit der Enquetekommission in einem produktiven Austausch über die Ergebnisse und vor allem über die Konsequenzen des Freiwilligensurveys. Unter großen Anstrengungen konnte das Projekt des Freiwilligensurveys über die Regierungswechsel hinweg gesichert werden und damit die langfristig angelegte Beobachtung der Bürger- und Zivilgesellschaft in Deutschland. Das war eine besondere Leistung von Martinȱ Schenkel, erst Geschäftsführer der Enquetekommission, dann im BMFSF zuständig für den Survey. Für die Verantwortlichen in Politik, Verwaltung und in den Kommunen sowie in den Einrichtungen und Organisationen, die „Freiwillige“ beschäftigen, ergaben sich mit dem Freiwilligensurvey Fragen, die nicht immer bequem waren: Anstatt der fast schon ritualisierten Klage über eine angeblich sinkende Bereitschaft der Menschen, „Ehrenämter“ zu übernehmen, standen jetzt ganz andere Fragen auf der Agenda: Stimmen eigentlich die Rahmenbedingungen, damit sich Menschen, die heute immer mehr durch die gesellschaft-   9 1995 wurde aufgrund einer (methodisch eher zweifelhaften) internationalen Umfrage die Behauptung aufgestellt, in Deutschland würden sich nur 18 Prozent der Bevölkerung freiwillig engagieren, vgl. Gaskin/Smith/Paulwitz (1996). Inzwischen zeigen alle neueren Umfragen, dass sich das Engagement in Deutschland auf einem guten Niveau in der oberen Mitte der entwickelten Länder bewegt. Vgl. Van Deth (2004a) und (2004b), Gabriel 2004. European Commission (2007). 10 Vgl. Enquetekommission (2002).
Freiwilligensurvey: Ein umfragegestütztes Informationssystem für die Bürgergesellschaft 93 liche Modernisierung und den Wertewandel11 geprägt sind, gerne freiwillig engagieren? Gibt es dafür eigentlich schon genügend passende Tätigkeitsprofile? Könnte es nicht deutlich mehr Bürgerengagement geben, wenn die Bürger den Eindruck hätten, dass ihr Engagement wirklich gewünscht ist und vor allem, wenn es hinreichend anerkannt würde? Erfahren die Bürgerinnen und Bürger tatsächlich jene kreativen Freiräume und jene Befriedigung in verantwortlichen Rollen, die sie sich vom freiwilligen Engagement versprechen? Abbildung 3 Umfang der Gemeinschaftsaktivität und des freiwilligen Engagements Gemeinschaftsaktivität – 1999 Gemeinschaftsaktivität – 2004 Aktiv Beteiligte 34% 30% 66% Nicht Beteiligte 34% 66%   Gensicke, T. (2009): S. 774-779.ȱ Freiwilliges Engagement – 2004 Freiwillig Engagierte Bevölkerung ab 14 Jahren (Angaben in %) 11 Vgl. 70% Nicht Beteiligte Freiwilliges Engagement – 1999 Nicht Engagierte Aktiv Beteiligte 36% Nicht Engagierte 64% Freiwillig Engagierte
94 Abbildung 4 7.4 Thomas Gensicke Freiwilliges Engagement und Bereitschaft zum freiwilligen Engagement Wege aus dem Individualisierungsdilemma Unsere Gesellschaft steht heute vor dem Problem, dass den herkömmlichen Sozial- und Organisationsstrukturen, die sie teilweise überwunden hat, nur bedingt neue gefolgt sind. In den noch vorhandenen älteren Strukturen fühlen sich die Menschen heute weniger wohl als früher. Der Prozess der Erweiterung des menschlichen Handlungsspielraums in der Moderne wird auch als Individualisierung bezeichnet. Das klassische „Ehrenamt“ vollzog sich in hierarchisch gegliederten Großorganisationen oder öffentlichen Institutionen (Kirchen, Wohlfahrtsverbände). Zwar haben die Großorganisationen auch in der Moderne Überlebensvorteile gegenüber locker geknüpften Kleinstrukturen mit Initiativen und Gruppencharakter, schon weil sie gute Beziehungen zu Staat und Politik unterhalten und diese ihnen als berechenbare Großakteure wohlgesonnen sind. Dennoch fehlen ihnen zunehmend die „Ehrenamtlichen“ oder diese werden immer älter. Das, was im Zuge der politisch-öffentlichen Mobilisierung seit den Sechzigerjahren gewachsen war, hatte oft eine instabile Struktur. Diese fragile Struktur entsprach einer neuen Mentalität von Menschen, die auf individuelle Selbstbestimmung mehr Wert legten als früher und die auch lebensweltlich weniger in traditionelle Strukturen eingebunden waren. Diese Veränderung wurde mit dem Begriff „Wertewandel“ (HelmutȱKlages) beschrieben. Es gibt heute eine Reihe von Hinweisen auf eine „realistische“ Lösung des modernen Individualisierungsdilemmas. Das Problem besteht darin, dass die Individualisierung
Freiwilligensurvey: Ein umfragegestütztes Informationssystem für die Bürgergesellschaft 95 zwar nicht zurückzunehmen ist, sich aber mit stabilen Engagementstrukturen in einem gewissen Konflikt befindet. Für die größeren Organisationen scheint es eine sinnvolle Strategie zu sein, sich intern zu „individualisieren“. Das heißt, die Strukturen werden bewusst geändert, indem sie mit (vernetzten) Inseln für selbstbestimmtes Engagement durchsetzt werden. Das ist ein Modell für die Kirchen ebenso wie für die großen Verbände, aber eine besonders große Herausforderung für die Rahmenbedingungen in den öffentlichen Einrichtungen. Der Freiwilligensurvey konnte zeigen, dass die Selbstbestimmung des Engagements in den Institutionen und Einrichtungen den größten Nachholbedarf hat (siehe Abbildung 5). Abbildung 5 Mitentscheidungsmöglichkeiten für Freiwillige nach organisatorischer oder institutioneller Anbindung der Tätigkeit Ein anderes Phänomen, das der Freiwilligensurvey zwischen 1999 und 2004 am Beispiel des Umwelt- und Naturschutzes beobachtet hat, ist eine zunehmend festere Strukturierung einer vormals eher „graswurzelhaften“ Bewegung. Für eine generelle Neustrukturierung der modernen Gesellschaftsformen anhand kreativer Kombinationen aus (flexibler) Struktur und neuen Freiräumen haben sich in den letzten zwei Jahrzehnten die mentalen Voraussetzungen deutlich verbessert. In der Bevölkerung (insbesondere auch bei jungen Menschen) hat sich eine Neigung herausgebildet, gesellschaftliche Strukturen wieder zu bejahen. Die mentalen Resultate des Wertewandels sind allerdings weiter wirksam. Das selbstbestimmte Leben steht bei den meisten Menschen weiterhin im Mittelpunkt der Le-
96 Thomas Gensicke bensbedürfnisse. Neu ist allerdings, dass diese Grundorientierung inzwischen weniger als Gegensatz zu den gesellschaftlichen Normen und Regeln empfunden wird. Wertewandel ist damit zunehmend in eine Art von „Wertesynthese“ (Helmut Klages) übergegangen.12 Diese Überlegungen erklären, warum die Daten des Freiwilligensurveys letztlich weder denen Recht gaben, die eine Auflösung herkömmlicher Ordnungsstrukturen befürchten, noch denen, die eine solche Entwicklung als radikalen Strukturwandel wünschen. Sibylleȱ Picot konnte zeigen, dass die vielen jungen engagierten Menschen sich keineswegs hauptsächlich in lockeren und unverbindlichen Strukturen bewegten, sondern zumeist in einem organisatorisch eher ähnlich strukturierten Umfeld wie die Engagierten anderer Altersgruppen auch.13 Der Freiwilligensurvey wies aber auch auf ein neues Problem hin: Zunehmende Mobilitätȱund schwindende sozialeȱMilieubindung können durch die Flexibilisierung der großen Organisationen und die Etablierung von „Graswurzelbewegungen“ allein nicht ausgeglichen werden, da sie die traditionellen Zugangswege in das Engagement erschweren. 7.5 Niederschwellige öffentliche Infrastruktur oder individuelle Steuererleichterungen? Flexiblere Organisationsstrukturen müssen heutzutage gerade in großstädtischen Gebieten dringend durch einen neuen Typ der Rekrutierung von Freiwilligen ergänzt werden. Gerade dort wachsen immer weniger Menschen – vermittelt über eine lange Ortsansässigkeit oder durch einen milieuspezifischen Zugang – quasi von selbst in ein freiwilliges Engagement hinein. Das betrifft die jüngere deutschstämmige Bevölkerung, besonders aber die Zuwanderer, die sich in großstädtischen Kernbereichen konzentrieren, während viele Einheimische an die grünenȱ Stadtränder abgewandert sind, wo das Bürgerengagement blüht. Auch aus diesem Grund warnt der Freiwilligensurvey vor einer einseitigen Strategie der steuerlichen Förderung des Bürgerengagements. Diese kommt in der Regel den gut situierten Mittelschichten entgegen, die sich ohnehin vermehrt engagieren. Junge Leute, Geringverdiener, Arbeitslose und nicht Erwerbstätige haben zumeist nur wenig davon. Es ist auch kaum anzunehmen, dass sozialȱisolierteȱMenschen in Großstädten durch Steuererleichterungen Anstöße zum Engagement erhalten. Die Lösung besteht darin, öffentliche Gelder systematisch in die Förderung einer einfach zugänglichen und flächendeckenden Infrastruktur von BeratungsȬȱ undȱ Informationsstellenȱ fürȱ freiwilligesȱ Engagement zu investieren, einer öffentlichen Infrastruktur, von der alle Bevölkerungsgruppen gleichermaßen profitieren. Abbildung 6 zeigt, dass eine klare Priorität in diese Richtung inzwischen auch durch die Freiwilligen gesetzt wird. Hierin stößt der Freiwilligensurvey bisher zwar auf offene Ohren bei den Fachleuten, aber gleichzeitig auf   Vgl. die beiden letzten durch TNS Infratest durchgeführten Shell Jugendstudien (Deutsche Shell Studie 2002 und 2006). 12 13 Picot, S. (2006).
Freiwilligensurvey: Ein umfragegestütztes Informationssystem für die Bürgergesellschaft 97 politische Widerstände. Vor allem die Bundes- und Landespolitik scheut die Kosten und die Festlegungen, die mit einer solchen infrastrukturellen Strategie verbunden sind. Der politische Blick der Volksparteien ist zu einseitig auf die Wählermacht der Mittelschichten gerichtet, denen man in Zeiten steigender Lebenshaltungskosten entgegenkommen will. Abbildung 6 Verbesserungswünsche Freiwilliger an Stadt und Öffentlichkeit14 Da „drückt der Schuh“, da sind Verbesserungen nötig… Bessere Information über Möglichkeiten des freiwilligen Engagements 56 55 Bessere steuerliche Absetzbarkeit der Unkosten 43 Bessere steuerliche Absetzbarkeit der Aufwandsentschädigungen 43 56 51 Mehr Anerkennung durch Berichte in Presse und Medien 47 48 Anerkennung als berufliches Praktikum 46 40 Bessere Absicherung durch Haftpflicht- / Unfallversicherung Mehr öffentliche Anerkennung, z.B. durch Ehrungen 44 38 23 1999 2004 23 Zeitaufwändigste freiwillige Tätigkeiten (Angaben in %) Zivilgesellschaftliche Vermittlungsstellen wie Freiwilligenagenturen, Seniorenbüros und Selbsthilfekontaktstellen gibt es inzwischen in großer Zahl. Ihre Finanzierung ist jedoch zumeist prekär. Auf diesem Niveau können sie vielleicht gerade noch ihrer klassischen Funktion der Vermittlung von Freiwilligen gerecht werden. Schon das Wort „Vermittlung“ muss jedoch viel weiter ausgelegt werden als bisher, indem diese Einrichtungen die Rolle kommunalerȱClearingstellen der lokalen Zivilgesellschaft und bürgerschaftlicherȱEntwickȬ lungsagenturen erfüllen können. Vernetzung aller wichtigen Beteiligten aus Politik, Verwaltung, Organisationen, Institutionen, Wirtschaft und Medien ist dabei ebenso wichtig wie Beratung und Organisationsentwicklung bei den Trägern, die Freiwillige beschäftigen. Dazu kommen Aufgaben der Qualifizierung und Weiterbildung. Für die Realisierung eines solchen anspruchsvollen Aufgabenspektrums ist jedoch eine bessere und dauerhaftere Finanzierung der Agenturen nötig.15   14 Quelle: Freiwilligensurveys 1999 und 2004. 15 Vgl. Braun, J./Abt, H.-G./Bischoff, S. (2001); Braun, J./Bischoff, S./Gensicke, T. (2001).
98 7.6 Thomas Gensicke Neue Aspekte im dritten Freiwilligensurvey 2009 Der dritte Freiwilligensurvey will sowohl inhaltlich als auch mit seinem regionalen Design neue Schwerpunkte setzen. Drei Themen sind 2009 gegenüber 2004 erheblich vertieft worden. Erstens werden die Veränderungen des Arbeitsmarktregimes auf dem Stand von 2009 erfasst sowie das aktuelle Zeitregime der Bevölkerung detailliert dargestellt. Es werden die Beziehungen dieser neuen Lebensrealität zur Zivilgesellschaft und zum freiwilligen Engagement zu untersuchen sein. Ebenso stellen sich Fragen zum veränderten Zeitregime von Schülern und Studenten. Ein zweiter Komplex von Fragen wird sich mit dem KompetenzȬ erwerb im freiwilligen Engagement beschäftigen. Dabei geht es um Anforderungen, die mit dem Engagement zusammenhängen, aber auch anderweitig verwertbar sind bzw. Nutzen stiften können. Drittens soll der Survey von 2009 wieder vertiefende Aussagen zum Engagementpotenzial und zu Hinderungsgründen für freiwilliges Engagement erlauben, wobei auf Fragen zurückgegriffen wird, die bereits 1999, aber nicht 2004 gestellt wurden. Das regionaleȱ Design des Freiwilligensurveys soll mit der dritten Welle deutlich erweitert werden. Das Engagement der Länder bei der Ausweitung der Landesstichproben soll ebenso gesteigert werden wie bei der vertiefenden Auswertung ihrer Daten. Neben der Ebene der Bundesländer soll der dritte Survey nunmehr erstmals auch die kommunaleȱEbeȬ ne der Städte und Landkreise erschließen. Mit Augsburg und dem Landkreis Offenbach gibt es erste Modellprojekte, die auch in anderen Kommunen umgesetzt werden sollen. Angestrebt werden solche kommunalen Surveys über möglichst viele Bundesländer und Regionen hinweg. Nach dem seit dem zweiten Freiwilligensurvey den meisten Bundesländern Landestudien als „Arbeitsbücher“ zur Förderung der Zivilgesellschaft zur Verfügung gestellt wurden,16 sollen nunmehr auch interessierte Kommunen solche kommunalen „Arbeitsbücher der Zivilgesellschaft“ erhalten. Der vierte Survey 2014 wird auch eine Evaluation dessen sein, was die Engagementförderung des Bundes, der Länder und der Kommunen in der Periode seit dem dritten Survey erreicht hat. 7.7 Fazit Sozialen Organisationen und Institutionen zeigt der Freiwilligensurvey, dass sie auch in Zukunft gute Chancen haben, Bürgerinnen und Bürger für freiwilliges Engagement zu gewinnen. Eine Debatte über eine angeblich steigende Unlust der Menschen zum freiwilligen Engagement aufgrund eines Wertewandels zu einer letztlich egoistischen Mentalität führt da nicht weiter. Ernster zu nehmen sind implizite Suggestionen der Gesellschaftspolitik der letzten Jahrzehnte, dass angeblich immer mehr gesellschaftliche Sektoren im   TNS Infratest hat Länderberichte des Freiwilligensurveys für Rheinland-Pfalz, Hessen, Berlin, Bayern, Brandenburg, Niedersachsen, Nordrhein-Westfalen, Sachsen-Anhalt und Sachsen erstellt. 16
Freiwilligensurvey: Ein umfragegestütztes Informationssystem für die Bürgergesellschaft 99 Grunde als Märkte anzusehen seien, in denen sich wählerische Menschen als QuasiKonsumenten bedienen. Wenn das überhaupt begründet wird, dann mit dem stereotypen Argument, Märkte sorgten eben für mehr Effizienz und die soziale Handlungslogik öffentlicher Akteure könne da, schon wegen der (ebenfalls stereotyp herbeigeholten Globalisierung) nicht mehr mithalten. Nicht umsonst wird in der Forschung dem sogenannten dritten Sektor (neben Markt und Staat) eine eigene soziale Handlungslogik zugeordnet, deren Verlust ihn im Markt aufgehen lassen würde. Der Freiwilligensurvey zeigt wie andere Bevölkerungsbefragungen auch, dass dieser Perspektive auf Seiten der Bürger starke soziale Bedürfnisse, Grundorientierungen und Handlungsbereitschaften entgegenstehen, die allerdings bei weiterer einseitiger Marktpropaganda bzw. weiterer Vermarktlichung sozialer Strukturen langsam erodieren. Auch politisch scheint sich wieder die Erkenntnis durchzusetzen, dass der Grundstock an „sozialem Kapital“ in Deutschland bedroht ist und gepflegt werden muss. Einen besonderen Beitrag dazu leisten die sozialen Organisationen und Institutionen des dritten Sektors. Auch sie müssen allerdings ihr freiwilliges „Personal“ und Potenzial pflegen, wenn sie zukunftsfähig sein wollen. Wertewandel seitens der Bürgerinnen und Bürger heißt heute vor allem, dass sie an freiwillige Tätigkeitsrollen anspruchsvoller herangehen. Sie wollen etwas Soziales leisten und bewirken, erwarten aber auch Erträge an positivem Lebensgefühl, an Horizonterweiterung, Qualifikation und möchten ihre Sicht und ihre Vorschläge im Engagementalltag ernst genommen sehen. Immer weniger suchen einen sozialen „Nebenjob“, weil sie mit ihrer Freizeit nichts Besseres anzufangen wissen oder sich durch Engagement Lebensmotivation erst aufbauen wollen. Gerade bei den älteren Menschen, von denen sich immer mehr freiwillig engagieren, rücken Jahrgänge nach, die bereits aus dem Berufsleben viel Kompetenz mitbringen und einen anspruchsvollen Lebensstil pflegen. Sie haben viel in ein Engagement einzubringen, erwarten jedoch auch Tätigkeitsrollen, die diesem „modernen“ Profil der „neuen Alten“ entsprechen. 7.8 Methodischer Anhang Erfassung des freiwilligen Engagements in einem erweiterten Sinne durch den Freiwilligensurvey Der Freiwilligensurvey wird dem erweiterten Engagementbegriff und den Notwendigkeiten einer umfassenden Erhebung des freiwilligen Engagements durch verschiedene Verfahren gerecht. Kern der Methodik ist ein kompliziertes, mehrstufigesȱ Messverfahren. Der Fragebogen des Freiwilligensurveys nähert sich, ausgehend von einem weiten Ausgangsfilter, systematisch verengend dem Bereich des Freiwilligenengagements an. Auf der ersten Erfassungsstufe wird mittels eines Filters zunächst eingegrenzt, ob sich Befragte über-
100 Thomas Gensicke haupt im Einzugsbereich der „Infrastruktur der Zivilgesellschaft“ bewegen.17 Dieses relativ weite Filterkriterium ist als „teilnehmende Aktivität“ definiert bzw. als „Gemeinschaftsaktivität“ (jeweils außerhalb des Bereichs privater oder beruflicher Zwecke). Nur wer innerhalb der Bandbreite von 14 öffentlichen Bereichen entsprechende Aktivitäten angibt, wird in der zweiten Filterstufe nach der Ausübung einer oder mehrerer freiwilliger bzw. ehrenamtlicher Tätigkeiten befragt. Die technischen Möglichkeiten der CATIProgrammierung18 sind dabei eine wichtige Hilfe, weil sie eine schnelle und korrekte Filterführung ermöglichen und die Interviewer entlasten. Zweistufigkeit des Verfahrens bedeutet also, dass der Freiwilligensurvey nicht wie herkömmliche Befragungen „mit der Tür ins Haus fällt“ und geradeheraus fragt: „Wie oft im Monat sind Sie ehrenamtlich tätig bzw. leisten sie unbezahlte Arbeit“? Diese unmittelbare Ansprache würde es dem Zufall überlassen, was Befragte darunter verstehen. Sie hätten außerdem nicht Möglichkeit, sich an wenigerȱ häufigeȱ Aktivitäten zu erinnern, die ja zum freiwilligen Engagement dazugehören. Abbildung 7 zeigt anhand des schematisierten Befragungsablaufs, wie im Survey der Bereich des eigentlichen freiwilligen Engagements Schritt für Schritt eingegrenzt wird. Dieser Ablauf, der den Befragten die ganze Bandbreite des Spektrums freiwilligen Engagements vorführt, dient auch der Orientierung und vermittelt die nötigen Informationen, damit schließlich geklärt werden kann, ob entsprechende Tätigkeiten ausgeübt werden oder nicht.19 Neu und aufwändig war die Idee des Freiwilligensurveys, die Eigenart und Anbindung aller ermittelten freiwilligen Tätigkeiten wörtlich durch die Interviewer zu erfassen. Daraus ergibt sich ein hoher Grad an Konkretion und es eröffnen sich weitgehende KontrollmögȬ lichkeiten. Jede einzelne genannte Tätigkeit ist in der Folge auf Gültigkeit hin überprüf- und gegebenenfalls aussortierbar. Im Rahmen des zweiten Surveys wurden ca. 8.000 Tätigkeitsbeschreibungen per Hand geprüft, was einen enormen Aufwand bedeutete. Dennoch gewährt diese Bekanntschaft mit dem verschriftlichten „Originalton“ des Bürgerengage-   Die Zugehörigkeit zu jener organisierten „Infrastruktur der Zivilgesellschaft” (vgl. zu diesem Begriff van Deth (2004b) sowie Pollack (2004) bzw. die Nutzung von deren Angeboten ist ein notwendiges, aber nicht hinreichendes Kriterium dessen, was der Freiwilligensurvey als „freiwilliges Engagement“ einstuft. Außerdem ist das „informelle Engagement“ in Form von Nachbarschaftshilfe, von familiären und freundschaftlichen Unterstützungsnetzwerken usw. nur am Rande Gegenstand des Freiwilligensurveys. 17 18 CATI bedeutet “Computer Assisted Telephone Interviewing“. Große Teile des Fragebogens der Freiwilligensurveys, die auch 2009 die Basis des dritten Surveys bilden werden, gehen auf Bernhard von Rosenbladt zurück, der auch die Erstberichterstattung des Freiwilligensurves 1999 verantwortete (vgl. Rosenbladt (2001). Er konnte sich dabei auf den Fragebogen des Wertesurveys 1997 (Wertewandel und Bürgerschaftliches Engagement) stützen, ein für das Thema richtungweisendes Forschungsprojekt und eine repräsentative Bevölkerungsbefragung, die Helmut Klages und der Autor dieses Beitrages 1995 bis 1999 im Auftrage der Thyssen Stiftung und der Bosch Stiftung durchgeführt hatten. Befragungsinstitut war bereits damals TNS Infratest. Vgl. Klages, H./Gensicke, T. (1998); Gensicke, T. (2000). 19
Freiwilligensurvey: Ein umfragegestütztes Informationssystem für die Bürgergesellschaft 101 ments einen hohen Erkenntnisgewinn. Außerdem wird dadurch gesichert, dass wie angestrebt aktuelles Engagement erfasst wird und nicht etwa frühere oder zukünftig beabsichtigte Tätigkeiten oder das vage Gefühl, irgendwie engagiert zu sein. Aufgrund der Validitätsprüfung reduzierte sich die „Rohquote“ des freiwilligen Engagements bei der ersten Welle des Surveys von 36 Prozent der ab 14-jährigen Bevölkerung auf eine „echte“ Quote von 34 Prozent. Keine Erhebung zu diesem Thema gewährt eine Realititätserfassung und -prüfung dieser Art. Abbildung 7 Freiwilligensurvey: Erfassung des Engagements Über die Ermittlung des Umfangs der Beteiligung von Bürgerinnen und Bürgern am freiwilligen Engagement hinaus beschäftigt sich der Freiwilligensurvey erstmals in bundesund landesweit repräsentativer Form mit einer ganzen Reihe konkreter Fragen, die für Politik und Organisationen von großer Wichtigkeit sind. In welcher Form und in welcher Höhe erhalten Freiwillige Entschädigungen oder Entgelte im Zusammenhang mit ihrem Engagement? In welchem Wechselverhältnis steht das Engagement zur Berufsarbeit und zum Arbeitsmarkt? (Beides wird heute unter dem Stichwort der „Monetarisierung“20 des Engagements diskutiert.) Welches Zeitbudget wenden die Freiwilligen unter der Woche   Vgl. Farago, P./Ammann, H. (2006) und den dortigen Beitrag von Gensicke und Geiss auf Basis des Freiwilligensurveys. 20
102 Thomas Gensicke und verteilt über Tages- und Nachtzeiten für ihr Engagement auf? Welche Tätigkeitsinhalte sind für Freiwillige typisch und welchen Anforderungen müssen sie dabei gerecht werden? Gibt es Weiterbildungsmöglichkeiten und wie können diese wahrgenommen werden? Welchen Verbesserungsbedarf sehen Freiwillige bei den Rahmenbedingungen für freiwilliges Engagement in den Organisationen, Einrichtungen und Institutionen bzw. seitens der Politik und der Öffentlichkeit? Weiterführende Literatur Braun, J./Abt, H.-G./Bischoff, S. (2001): Leitfaden für Kommunen zur Information und Beratung über freiwilliges Engagement und Selbsthilfe, Köln. Braun, J./Bischoff, S./Gensicke, T. (2001): Förderung des freiwilligen Engagements und der Selbsthilfe in Kommunen. Kommunale Umfrage und Befragung von Selbsthilfekontaktstellen, Freiwilligenagenturen und Seniorenbüros zur Förderpraxis und zur künftigen Unterstützung des freiwilligen Engagements, ISAB-Berichte aus Forschung und Praxis 72, Köln. Bundesministerium für Familie, Senioren, Frauen und Jugend (1996): Große Anfrage der Fraktionen der CDU/CSU und der FDP, Drucksache des Bundestags 13/5674. Enquête-Kommission „Zukunft des Bürgerschaftlichen Engagements“ des Deutschen Bundestages (2002): Bericht Bürgerschaftliches Engagement: auf dem Weg in eine zukunftsfähige Bürgergesellschaft, Wiesbaden, Drucksache des Bundestages 14/8900. Deutsche Shell (2002): Jugend 2002. Zwischen robustem Materialismus und pragmatischem Idealismus, Frankfurt/ Main. Deutsche Shell (2006): Jugend 2006. Eine pragmatische Generation unter Druck, Frankfurt/ Main. Directorate General Communication (2007): European Social Reality, in: European Commission (Hrsg.), Special Eurobarometer 273, February 2007, Zugriff unter http://ec.europa.eu/ public_opinion/archives/ebs/ebs_273_en.pdf. Farago, P./Ammann H. (2006): Monetarisierung der Freiwilligenarbeit. Referate und Zusammenfassungen der 5. Tagung der Europäischen Freiwilligenuniversität 2005 in Luzern, Seismo Verlag Zürich. Gabriel, O. W. (2004): Politische Partizipation, in: Deth, Jan v. (Hrsg), 2004a, S. 317-338. Gaskin K./Smith J. D./Paulwitz, I. (1996): Ein neues bürgerschaftliches Europa. Eine Untersuchung zur Verbreitung und Rolle von Volunteering in zehn Ländern, Freiburg. Gensicke, T. (2000): Deutschland im Übergang: Lebensgefühl, Wertorientierungen, Bürgerengagement, in: Forschungsinstitut für öffentliche Verwaltung (Hrsg.), Speyerer Forschungsberichte 204, , Speyer. Gensicke, T. (2008): Gemeinschaftsaktivität und freiwilliges Engagement älterer Menschen, in: Erlinghagen, M., Hank, K. (Hrsg.), Produktives Altern und informelle Arbeit in modernen Gesellschaften, Wiesbaden, S. 119-143. Gensicke, T. (2009): Wertewandel, in: Handwörterbuch des politischen Systems der Bundesrepublik Deutschland, Wiesbaden, S. 774-779. Gensicke T./Geiss S. (2004): Erfassung des Freiwilligen Engagements im Freiwilligensurvey und in der Zeitbudgetstudie, in: Statistisches Bundesamt (Hrsg.), Alltag in Deutschland - Analysen zur Zeitverwendung, Band 43 der Schriftenreihe Forum der Bundesstatistik, Stuttgart, S. 357-372. Gensicke, T./Geiss, S. (2006): Bürgerschaftliches Engagement: Das politisch-soziale Beteiligungsmodell der Zukunft? Analysen auf Basis der Freiwilligensurveys 1999 und 2004, in: Hoecker, B. (Hrsg.), Politische Partizipation zwischen Protest zwischen Konvention und Protest, Opladen, S. 308-328. Gensicke, T./Olk, T. et al. (2009): Entwicklung der Zivilgesellschaft in Ostdeutschland. Quantitative und qualitative Befunde, Wiesbaden. Gensicke, T./Picot, S./Geiss, S. (2006): Freiwilliges Engagement in Deutschland 1999-2004. Ergebnisse der repräsentativen Trenderhebung zu Ehrenamt, Freiwilligenarbeit und bürgerschaftlichem Engagement, Wiesbaden.
Freiwilligensurvey: Ein umfragegestütztes Informationssystem für die Bürgergesellschaft 103 Klages H./Braun J. (2001): Zugangswege zum freiwilligen Engagement und Engagementpotential in den neuen und alten Bundesländern, Bd. 2 der Berichte zur Repräsentativerhebung 1999 Schriftenreihe des Bundesministeriums für Familie, Senioren, Frauen und Jugend, Stuttgart/Berlin/Köln, 2. Aufl. Klages, H./Gensicke, T. (1998): Wertewandel und bürgerschaftliches Engagement an der Schwelle zum 21. Jahrhundert, in:. Forschungsinstitut für öffentliche Verwaltung (Hrsg.), Speyerer Forschungsberichte 193, , Speyer. Picot, S. (2001): Freiwilliges Engagement in Deutschland: Frauen und Männer, Jugend, Senioren, Sport, Bd. 3 der Berichte zur Repräsentativerhebung 1999, Schriftenreihe des Bundesministeriums für Familie, Senioren, Frauen und Jugend, Stuttgart/Berlin/Köln, 2. Aufl. Picot, S. (2006): Freiwilliges Engagement Jugendlicher im Zeitvergleich 1999-2004, in: Gensicke, T., Picot, S., Geiss, S. (Hrsg.), Freiwilliges Engagement in Deutschland 1999-2004, S. 177-223. Pollack, D. (2004): Zivilgesellschaft und Staat in der Demokratie, in: Klein, A., Kern, K., Geißel, B., Berger, M. (Hrsg), Zivilgesellschaft und Sozialkapital, Wiesbaden, S. 23-40. Rosenbladt B. v. (Hrsg.): Freiwilliges Engagement in Deutschland. Ergebnisse der Repräsentativerhebung zu Ehrenamt, Freiwilligenarbeit und bürgerschaftlichem Engagement in Deutschland, Bd. 1, Schriftenreihe des Bundesministeriums für Familie, Senioren, Frauen und Jugend, Bd. 194.1, Stuttgart/Berlin/Köln, 2. Aufl. Rosenbladt B. v./Gensicke T. (2003): Perspektiven des freiwilligen Engagements in Deutschland aus Sicht der empirischen Sozialforschung, in: Olk T. et al. (Hrsg.), Förderung des bürgerschaftlichen Engagements. Fakten, Prioritäten, Empfehlungen, Berlin, S.155-159. Van Deth, J. (2004a.): Deutschland in Europa. Ergebnisse des European Social Survey 2002-2003, Wiesbaden. Van Deth, J (2004a): Soziale Partizipation, S. 295-315.
  104 8 Nicola Boyer und Silja Maria Wiedeking Marktanalyse im Non-Profit-Bereich auf Basis der Sekundärforschung NicolaȱBoyerȱundȱSiljaȱMariaȱWiedekingȱ Der vorliegende Beitrag stellt die Bedeutung und den Nutzen von Sekundärforschung, auch Desk Research genannt, für Non-Profit-Organisationen dar. Im ersten Teil werden die allgemeinen Ansätze der Sekundärforschung erläutert, und in einem zweiten Teil wird anhand eines konkreten Beispiels aus dem Sozialsektor der Einsatz von Sekundärforschung für eine Marktanalyse im Non-Profit-Bereich dargestellt. 8.1 Sekundärforschung 8.1.1 Was leistet Sekundärforschung? Die Sekundärforschung stützt sich, anders als die Primärforschung, auf bereits vorhandene Informationen, das heißt, es werden in der Regel eine Vielzahl an Quellen recherchiert und die für die zugrunde liegende Fragestellung relevanten Daten gefiltert, verdichtet, analysiert und aufbereitet. Bei diesen Quellen kann es sich zum Beispiel um Jahresberichte von Unternehmen, Pressemitteilungen, wissenschaftliche Studien, Publikationen von Verbänden und Institutionen, statistische Angaben oder qualitative Aussagen von Experten handeln. Basierend auf qualifizierten informationsmethodischen Kenntnissen ermöglicht diese Vorgehensweise in der heutigen Datenflut eine gezielte Informationsbeschaffung und ist im Vergleich zur Primärforschung oft eine kostengünstigere Alternative. Angeboten werden solche Sekundärstudien unter anderem von großen internationalen Unternehmen wie Datamonitor oder Gartner, deren umfangreiche Studien häufig standardisiert und auf eine breite Kundenbasis ausgerichtet sind. Maßgeschneiderte Lösungen können von auf Desk Research spezialisierten Anbietern ad hoc durchgeführt werden, wodurch sich für den Kunden die Möglichkeit ergibt, eine Markt-, Branchen-, Wettbewerbs- oder Produktanalyse speziell für seine Informationsbedürfnisse erstellen zu lassen. Da aktuell für den Non-Profit-Bereich nur wenige Marktuntersuchungen existieren, ist diese Ad-hoc-Lösung eine attraktive Option für Einrichtungen und Organisationen, ihr Marktumfeld und ihre eigene Position zu bestimmen. Größtenteils sind Recherchen in der Sekundärforschung für Ist-Analysen rückwirkend ausgerichtet. Es kann aber auch für eine kontinuierliche Marktbeobachtung ein AlertService, zum Beispiel in Form eines wöchentlichen Pressespiegels, zu einem bestimmten Thema eingerichtet werden.
Marktanalyse im Non-Profit-Bereich auf Basis der Sekundärforschung 8.1.2 105 Barrieren und Grenzen der Sekundärforschung Die Sekundärforschung bezieht ihre Informationen aus vorhandenen Quellen. Das bedeutet, nur bereits untersuchte, erhobene und publizierte Daten können recherchiert und aufbereitet werden. Diese Tatsache, die letztendlich die Grundlage der Sekundärforschung bildet, ist gleichzeitig auch eine ihrer größten Einschränkungen, denn wenn es keinerlei Informationen zu einer konkreten Fragestellung gibt, kann diese mittels Sekundärforschung auch nicht beantwortet werden. Eine weitere Limitierung in diesem Bereich ist die Aktualität der Daten. Es kann vorkommen, dass Informationen mit einer gewissen Zeitverzögerung publiziert und der Öffentlichkeit zur Verfügung gestellt werden, sodass eine Marktanalyse basierend auf Sekundärforschung meist einen Überblick über den Zustand von vor ein bis zwei Jahren bietet, nicht aber die aktuelle Situation beschreibt. Diese Zeitverzögerung kann durch Ergänzung der Ergebnisse mit aktuellen Pressemeldungen, Medienberichten und Experteneinschätzungen relativiert werden. Auch die Verlässlichkeit der Informationen und Quellen ist nicht immer auf Anhieb festzustellen. Während öffentliche Statistiken oder Geschäftsberichte durchaus als valide einzustufen sind, kann der wahre Ursprung mancher frei recherchierter Einzelaussagen zum einen nicht immer eindeutig identifiziert werden und zum anderen nicht auf Zuverlässigkeit und Qualität überprüft werden. Daher sind hier methodisches Wissen und ein vorsichtiges Herantasten an Quellen und Themen unabdingbar. Relevant ist das professionelle Know-how des Rechercheurs: Dank seines Erfahrungsschatzes kann er die Recherche auf weitere Quellen ausweiten und somit die gefundenen Informationen bewerten, bestätigen oder verwerfen. Neben der Verlässlichkeit und der Aktualität kann auch die Vergleichbarkeit der Daten eine Hürde bei der Beantwortung von speziellen Fragestellungen darstellen. Je nach Erhebungsart, durchführendem Institut oder Formulierung der ursprünglichen Fragestellung können Sekundärquellen voneinander abweichen. Teilweise sind auch die Erhebungs- und Auswertungsmethoden nicht nachvollziehbar. Hier gilt es für den Rechercheur zum einen so viele Hintergrundinformationen wie möglich zu finden und zum anderen durch Analyse und Hinweise auf methodische Unterschiede der Quellen eine Vergleichbarkeit der Daten passend für die Bedürfnisse des Kunden zu schaffen. 8.2 Arbeitsschritte einer Recherche Zu Beginn einer Recherche muss der konkrete Informationsbedarf ermittelt werden. Daraus entwickelt sich die Notwendigkeit zur Identifizierung wichtiger Quellen und für den Rechercheur die Formulierung der relevanten Suchbegriffe. In einem ersten Schritt werden also die Fragen, die im Rahmen der Sekundärforschung beantwortet werden sollen, definiert. Dabei ist es wichtig, die Ziele klar zu formulieren und von etwaigen überlappenden Themen zu trennen. Bereichsspezifische Begriffe müssen eindeutig definiert, Synonyme überprüft und eine Abgrenzung zu sinnverwandten
106 Nicola Boyer und Silja Maria Wiedeking Begriffen aus anderen Bereichen durchgeführt werden. Der zweite Schritt besteht aus der eigentlichen Online- und Offlinerecherche in nationalen und internationalen Quellen. Entscheidend ist dabei, die für die definierte Fragestellung wirklich relevanten Quellen zu identifizieren und effektiv zu nutzen. Die professionelle Suche in einer Vielzahl an Quellen und die darauf aufbauende Selektion relevanter Daten ermöglicht eine umfassende Darstellung eines Marktes, einer Branche oder die Beantwortung einer spezifischen Fragestellung. Tabelle 1 Arbeitsschritte einer Recherche ArbeitsschritteȱeinerȱRechercheȱ 1. Ermittlung des Informationsbedarfs des Auftraggebers Ö Definition der Fragestellung Ö Ableitung wichtiger Suchbegriffe 2. Identifizierung der relevanten Quellen Ö Überprüfung von Zugriff, Kosten, Zuverlässigkeit und Qualität Ö Hinzufügung weiterer Quellen im Verlauf der Recherche 3. Recherche und Selektion der Informationen 4. Auswertung der Ergebnisse 5. Aufbereitung und Bericht Nach der Recherche müssen die einzelnen Ergebnisse strukturiert und analysiert werden. Dabei können konkrete Informationslücken oder Widersprüche identifiziert werden, die dann in einem weiteren Schritt geklärt werden müssen. Die Wertschöpfungskette der Sekundärforschung ist damit aber noch nicht erschöpft. Die auf Recherche basierten Resultate können durch Experteninterviews oder Expertenworkshops um qualitative Aussagen ergänzt werden. Aus dieser Kombination von Desk Research und investigativer Recherche entsteht eine auf den jeweiligen Kunden zugeschnittene Marktanalyse (siehe Abbildung 1).
Marktanalyse im Non-Profit-Bereich auf Basis der Sekundärforschung Abbildung 1 8.3 107 Die Wertschöpfungskette der Sekundärforschung1 Sekundärforschung im Non-Profit-Bereich: Rahmenbedingungen und Herausforderungen In Deutschland gibt es im Non-Profit-Bereich eine Vielzahl an Unternehmen, Verbänden, Vereinen, Organisationen und Initiativen, die in den unterschiedlichsten Bereichen von Kultur, Soziales und Forschung tätig sind. Jede dieser Einrichtungen muss sich auf dem Markt behaupten, denn auch im Non-Profit-Bereich herrscht trotz des gemeinnützigen und nicht auf Gewinn ausgelegten Charakters Wettbewerb, der durch das Auftreten neuer Anbieter verstärkt wird. Eine wachsende Anzahl an gGmbH fördert außerdem die Ökonomisierung des Sektors. Die Erfassung und Darstellung des Gesamtmarktes ist allerdings schwierig, da Non-ProfitOrganisationen anders als Wirtschaftsunternehmen, die zum Beispiel über Betriebsstätten, Umsatz, Mitarbeiter, und weitere Kriterien systematisch erfasst werden, häufig aus dem amtlichen statistischen Erhebungsmuster fallen. Eine umfassende zahlenbasierte Darstellung des Sektors ist daher kaum möglich.   1 Quelle: TNS Business Intelligence.
108 Nicola Boyer und Silja Maria Wiedeking Wie also kann eine Non-Profit-Organisation ihr Marktumfeld definieren? Welche Kriterien gelten für eine Marktbeschreibung und Vergleichbarkeit? Wie kann sich eine Non-ProfitOrganisation positionieren? Welche allgemeinen Herausforderungen gibt es? Einrichtungen im sozialen Sektor positionieren sich auf dem Markt im Wesentlichen durch Spezialisierung und Differenzierung. Dafür müssen sie die Markt- und Zielgruppenbedürfnisse verstehen und sich auf diese ausrichten. Die Organisationen benötigen also valide Daten über ihren Markt und über die politischen und gesellschaftlichen Ereignisse und Diskussionen, die insbesondere im Non-Profit-Bereich einen wesentlichen Einfluss auf die Wahrnehmung der Einrichtung durch Außenstehende haben. Ebenso wie ein Industrieunternehmen wissen sollte, wie der Markt für seine Produkte strukturiert ist und funktioniert, gilt dies auch für Organisationen im karitativen Sektor bzw. Organisationen ohne Erwerbscharakter allgemein. So ist zum Beispiel das Beobachten der gesellschaftlichen und politischen Auseinandersetzung in der Presse, in Verbänden und Institutionen oder auch im Deutschen Bundestag unabdingbar für eine marktgerechte Ausrichtung. Die Sekundärforschung kann Akteuren im Non-Profit-Bereich somit bei der Positionierung helfen, indem sie eine umfassende Marktanalyse ermöglicht, die speziell auf die Bedürfnisse der jeweiligen Einrichtung zugeschnitten ist. 8.4 Fallbeispiel Alsterdorf: Eingliederungshilfe für behinderte Menschen in Deutschland Anhand eines Praxisbeispiels aus dem Non-Profit-Bereich möchten wir im Folgenden die Ansätze und den Einsatz von Sekundärforschung näher erläutern. Das Beispiel basiert auf einem Projekt, das wir mit der Alsterdorf Assistenz Ost gGmbH 2008/2009 durchgeführt haben. Die Organisation, die unter anderem im Bereich der Eingliederungshilfe2 Leistungen für behinderte Menschen erbringt, wollte ihr direktes Marktumfeld analysieren und insbesondere den aktuellen Stand der gesellschaftlichen und politischen Diskussion zur Eingliederungshilfe und hier im Speziellen zum persönlichen Budget3 ermitteln. Was kann mit Sekundärforschung analysiert und abgebildet werden? Welche Daten sind bereits vorhanden und müssen aufbereitet werden? Und welche gesellschaftlichen und   2 Die Eingliederungshilfe für behinderte Menschen ist eine Leistung der Sozialhilfe, die am 1. Januar 2005 in das Sozialgesetzbuch übernommen wurde. 3 Das persönliche Budget ist eine alternative Leistungsform der Eingliederungshilfe für Menschen mit Behinderungen. Statt Sachleistungen werden Geldbeträge oder Gutscheine ausgegeben. Ein Rechtsanspruch besteht seit 2008.
Marktanalyse im Non-Profit-Bereich auf Basis der Sekundärforschung 109 politischen Diskussionen prägen den Markt und somit die Wahrnehmung in der Öffentlichkeit und den Handlungsspielraum der Einrichtung? Denn für eine Non-ProfitOrganisation im sozialen Bereich ist nicht nur die Sozialhilfestatistik von Bedeutung. 8.4.1 Zentrale Fragestellungen der Analyse Der Ansatz für die Darstellung der Ist-Situation im Markt für Eingliederungshilfe für behinderte Menschen war das Analysieren und Zusammenfassen der folgenden Punkte: ႑Wie haben sich die Sozialleistungen für Hilfen für Menschen mit Behinderungen in den letzten Jahren entwickelt? ႑Was sind die Fallzahlen in der Eingliederungshilfe? ႑Welche sozialpolitischen und gesellschaftlichen Diskussionen werden in Deutschland zum Thema Eingliederungshilfe und Behindertenhilfe allgemein geführt? ႑Welche rechtlichen Rahmenbedingungen gibt es durch das Sozialgesetzbuch (SGB XII)? ႑Wie ist der aktuelle Stand zum persönlichen Budget? ႑Welche Resonanz findet das Thema Eingliederungshilfe in den Printmedien? Des Weiteren waren für die Organisation noch spezielle regionale Entwicklungen in Norddeutschland von Interesse, die in die Gesamtanalyse einfließen sollten. 8.4.2 Planung Nach der Ermittlung des Informationsbedarfs des Kunden wurden die relevanten Quellen identifiziert. Aufgrund des stark fragmentierten Marktes für Sozialdienstleistungen musste eine Vielzahl an Quellen herangezogen werden. Zum Beispiel werden Fallzahlen von der Bundesarbeitsgemeinschaft der überörtlichen Träger der Sozialhilfe (BAGüS) angeboten, Informationen zu den Sozialleistungen sind in der Sozialhilfe-Statistik des Bundesamts für Statistik sowie bei den verschiedenen Länderämtern für Statistik abrufbar. Weitere wichtige Quellen sind aber auch verschiedene Institutionen und Initiativen der Bundesregierung, zum Beispiel das Bundesministerium für Arbeit und Soziales und das Bundesministerium für Familie, Senioren, Frauen und Jugend, und diverse Einrichtungen in freier und kirchlicher Trägerschaft, wie zum Beispiel der Bundesverband evangelische Behindertenhilfe, der Brüsseler Kreis, der Paritätische Gesamtverband und der Deutsche Behindertenrat, die alle ausführliche Informationen zur Situation von behinderten Menschen in Deutschland und zur Realisierung der Eingliederungshilfe bieten. 8.4.3 Durchführung Die Recherche wurde in Online- und Offline-Quellen durchgeführt und umfasste rückwirkend einen Zeitraum von zwölf Monaten. Es wurden unter anderem die folgenden Quellen genutzt und ausgewertet:
110 Nicola Boyer und Silja Maria Wiedeking ႑Sozialhilfestatistik des Statistischen Bundesamtes ႑Behörde für Soziales, Familie, Gesundheit und Verbraucherschutz, Hamburg ႑BAGüS – Fallzahlen ႑Dokumentations- und Informationssystem für Parlamentarische Vorgänge des Deutschen Bundestags ႑Bundesministerien und die Arbeits- und Sozialministerkonferenz der Länder ႑Bank für Sozialwirtschaft ႑Berichte und Aussagen von Verbänden und Organisationen, die in der Behindertenhilfe aktiv sind (zum Beispiel Caritas Behindertenhilfe und Psychiatrie, Deutscher Verein für öffentliche und private Fürsorge, Deutscher Behindertenrat) ႑Publikationen der Con_Sens Consulting für Steuerung und soziale Entwicklung GmbH Außerdem wurden die Tages- und Wochenpresse und eine Vielzahl relevanter InternetSeiten ausgewertet. Die in diesem ersten Schritt recherchierten Daten und Aussagen wurden anschließend verdichtet, überprüft und in einem Bericht textlich und grafisch zusammengefasst. Unstimmigkeiten in den Daten oder fehlende Details zur Beantwortung der vom Auftraggeber gestellten Fragen wurden mit weiteren Recherchen oder mit telefonischer Nachfrage bei den jeweiligen Institutionen oder Sektorexperten weitestgehend geklärt. Der Umfang der Recherche und Analyse betrug insgesamt rund 40 Arbeitsstunden. Eine wesentliche Grundlage bildeten offizielle Statistiken (Sozialhilfestatistik), rechtliche Rahmenbedingungen und staatliche Initiativen, deren Qualität und Verlässlichkeit als hoch eingestuft werden kann. Bei der Auswertung der gesellschaftlichen und sozialpolitischen Diskussionen und Stellungnahmen mussten die verschiedenen (politischen) Ausrichtungen der einzelnen Quellen berücksichtigt und bei der Selektion abgewogen werden. Gerade bei sozialen Themen ist die neutrale Darstellung des Marktes wichtig und für die Glaubwürdigkeit einer Analyse entscheidend. Deshalb ist das wichtigste Qualitätskriterium für eine professionelle Sekundärforschung die Kompetenz des Rechercheurs, die wesentlichen Informationen von den unwesentlichen zu unterscheiden und damit sowohl im Verlauf der Recherche als auch später im Prozess der Aufbereitung die „Spreu vom Weizen“ zu trennen. Diese Qualitätskontrolle ist ein wichtiger Bestandteil einer Marktanalyse und erfordert sowohl informationsmethodische Kenntnisse als auch die Erfahrung mit Recherchen und den daraus resultierenden Ergebnissen. 8.4.4 Ergebnisse Nach vier Wochen erhielt der Auftraggeber die Marktanalyse, eine speziell auf seine Bedürfnisse zugeschnittene Studie. Die Fragestellungen des Kunden wurden gut strukturiert und auf Basis fundierter Daten und Informationen beantwortet:
Marktanalyse im Non-Profit-Bereich auf Basis der Sekundärforschung 111 Basierend auf der Sozialhilfestatistik des Statistischen Bundesamtes4 wurde sowohl die Entwicklung der Brutto- und Netto-Ausgaben der Eingliederungshilfe für behinderte Menschen in Deutschland von 2000 bis 2007 als auch die geografische Verteilung der Empfänger und Empfängerinnen dieser Leistung nach Bundesland dargestellt (siehe Abbildung 2). Aufbereitung der Daten aus der Sozialhilfestatistik5 Abbildung 2 Eingliederungshilf e f ür behinderte Menschen 2007 Empfänger/-innen von Leistungen (6. Kapitel SGB XII) Empfänger/-innen insgesamt und je 1.000 Einwohner im Laufe des Berichtsjahres 2007 J e 1.000 Einwohner Ins ges amt 14,0 125.730 115.945 120.000 9,3 80.000 12,1 9,6 12,0 10,2 10,3 9,8 81.006 8,9 8,8 63.857 7,6 5,9 7,0 29.887 24.497 27.440 21.761 4,0 29.379 20.948 10.181 6.825 8,0 6,0 39.587 20.438 15.763 9,1 9,0 6,8 45.920 40.000 10,0 10,4 9,3 0 2,0 Thüringen SchleswigHolstein Sachsen * Aufgrund eines Softwareproblems liegen für Bremen nur Schätz werte v or. **Untererfas s ung der Eingliederungshilfe für behinderte Mens c hen außerhalb v on Einrichtungen (ca. 700 Fälle) Mehrfac hz ählungen s ind nur ins oweit ausges chlos sen, als s ie aufgrund der Meldungen erk ennbar waren. Quelle: Statis tisc hes Bundes amt, Fachs erie 13, Reihe 2, 2007 SachsenAnhalt Saarland** RheinlandPfalz NordrheinWestfalen Niedersachsen Hessen MecklenburgVorpommern Hamburg Bremen* Brandenburg Berlin Bayern BadenWürttemberg 0,0 Deutschland: 679.164 Je 1.000 Einwohner: 8,3 Informationen über Fallzahlen zum stationären und ambulant betreuten Wohnen konnten aus dem Kennzahlenvergleich der Bundesarbeitsgemeinschaft der überörtlichen Träger der Sozialhilfe (BAGüS) gewonnen werden. Dieser Vergleich6, in dem alle zwei Jahre Basisdaten durch die Träger erhoben und aggregiert werden, wird von der BAGüS regelmäßig veröffentlicht. Der aktuell verfügbare Bericht enthält Kennzahlen von 2005/2006 und wurde 2007 veröffentlicht. Außerdem wurden im Dezember 2006 weitere Auswertungen der Fallzahlen mit Prognosen bis 2010 veröffentlicht.7   4 Statistisches Bundesamt (2009): Sozialleistungen Sozialhilfe 2007, Fachserie 13, Reihe 2. 5 Quelle: Statistisches Bundesamt, TNS Business Intelligence. 6 Bundesarbeitsgemeinschaft der überörtlichen Träger der Sozialhilfe (2007). 7 Bundesarbeitsgemeinschaft der überörtlichen Träger der Sozialhilfe (2006).
112 Nicola Boyer und Silja Maria Wiedeking Zusätzlich umfasste die Marktanalyse die wesentlichen Eckpunkte zum persönlichen Budget, für das seit 2008 ein Rechtsanspruch besteht. Auch wenn es für die Inanspruchnahme und damit für die Verbreitung des persönlichen Budgets noch keine statistischen Erhebungen gibt – unter anderem aufgrund der fragmentierten Trägerschaft in der Behindertenhilfe –, so konnten doch Schätzungen für die Inanspruchnahme im Jahr 2008 eingeholt werden. Auch die Öffentlichkeits-Initiative des Bundesministeriums für Arbeit und Soziales (BMAS) mit einer neuen Broschüre zum persönlichen Budget8 wurde dargestellt. Für die Ermittlung der sozialpolitischen und gesellschaftlichen Wahrnehmung und Diskussionen zur Eingliederungshilfe in Deutschland wurden neben den verschiedenen Stellungnahmen und Positionspapieren der Träger und Organisationen auch die Drucksachen des Deutschen Bundestags und Bundesrats sowie die regionale und überregionale Tagesund Wochenpresse ausgewertet. Die Auswertung des Dokumentations- und Informationssystems für Parlamentarische Vorgänge (DIP)9 ergab, dass das Thema Behindertenhilfe durchaus immer wieder im Bundestag diskutiert und von den unterschiedlichen Parteien aufgegriffen wird. So gab es im April 2009 zum Beispiel eine Anfrage der Fraktion „Die Linke“ an die Bundesregierung zur Studie „Alt und behindert“ des Berlin-Instituts für Bevölkerung und Entwicklung, in der unter anderem auf das persönliche Budget Bezug genommen wurde. Die Bundesregierung verweist in ihrer Antwort (BT-Drucksache 16/12877) für das persönliche Budget auf die existierenden und rechtlich fixierten Beratungsleistungen. Weitere wichtige und aktuelle Eckpunkte in der öffentlichen Diskussion sind zum Beispiel die Bundesinitiative „job – Jobs ohne Barrieren“, die vom Bundesministerium für Arbeit und Soziales initiierte nationale Bildungskonferenz „Vereint für gemeinsame Bildung“ zu Artikel 24 des UN-Übereinkommens über die Rechte von Menschen mit Behinderungen, die Arbeits- und Sozialminister-Konferenz der Länder oder die bereits erwähnte Studie des Berlin-Institut für Bevölkerung und Entwicklung „Alt und behindert“. Die in Printmedien durchgeführte Medienresonanzanalyse zeigte auf, dass das Persönliche Budget in der Presse regelmäßig thematisiert wird, insbesondere mit konkreten Beispielen aus der Praxis zur Umsetzung. Prinzipiell ist die Berichterstattung über Eingliederungshilfe bzw. Behindertenhilfe eher in regionalen Medien zu finden, zum Beispiel mit Meldungen über lokale Initiativen, Aktionstage und Einrichtungen. Aber auch die Wirtschaftswoche hatte im Mai 2009 das Thema aufgegriffen und einen Artikel über Manager mit Behinderung veröffentlicht.10   8 Bundesministerium für Arbeit und Soziales (2009). DIP – Dokumentations- und Informationssysteme für Parlamentarische Vorgänge, Zugriff unter http://dip21.bundestag.de. 9 10 Niederstadt, J. (2009), S. 105 – 108.
Marktanalyse im Non-Profit-Bereich auf Basis der Sekundärforschung Tabelle 2 113 Medienresonanzanalyse in Printmedien (Auswahl) Überregionale Tageszeitungen Süddeutsche Zeitung, Frankfurter Allgemeine Zeitung, Die Welt Regionale Tageszeitungen Hamburger Abendblatt, Rheinische Post, Stuttgarter Zeitung Wochenzeitungen und -zeitschriften Die Zeit, WirtschaftsWoche, Der Spiegel Diese Ist-Analyse zur Eingliederungshilfe für behinderte Menschen in Deutschland wurde durch einen vierteljährlichen Alert Service ergänzt, in dem die aktuellen Ereignisse im Marktumfeld weiter beobachtet werden. Die Alterdorf Assistenz Ost gGmbH nutzt diese Analyse als Baustein ihres strategischen Controllings. 8.5 Leitfaden zur Projektvorbereitung für soziale Organisationen Folgende Checkliste kann für eine Organisation aus dem Non-Profit-Bereich bereits bei der Formulierung einer Aufgabenstellung/Angebotsanfrage hilfreich sein: ; Analysefokus: Welcher Markt/welcher Sektor soll untersucht werden (zum Beispiel Eingliederungshilfe in Deutschland, Jugendhilfe, Corporate Social Responsibility im Mittelstand)? ; Kernthemenȱfestlegen: Welche Themen sind von besonderem Interesse (zum Beispiel rechtliche Rahmenbedingungen, Fallzahlen, Statistiken, spezielle Zielgruppen)? ; Sonderfragenȱdefinieren: Welche Spezialthemen sind zu behandeln (zum Beispiel: Wie unterscheidet sich Unternehmen X von unserer Organisation? Welche Schwerpunkte gibt es in der Rhein-Main-Region?)? ; GeografischeȱundȱzeitlicheȱAbgrenzungȱderȱAnalyse: Welche Länder/Regionen sollen untersucht und welcher Zeitraum beobachtet werden? ; QuellenȱundȱMaterialien: Welche Informationen sind bereits verfügbar und sollten dem Rechercheur zur Verfügung gestellt werden? Welche Quellen sollten auf jeden Fall in der Recherche berücksichtigt werden? ; RahmenbedingungenȱdesȱProjekts: Welches Budget steht für die Analyse zur Verfügung? Wann und in welcher Form soll der Abschlussbericht geliefert werden? ; Angebotserstellung: Bis wann soll das Angebot vom Rechercheur vorliegen?
114 8.6 Nicola Boyer und Silja Maria Wiedeking Fazit Non-Profit-Organisationen können mithilfe von Sekundärforschung ihr Marktumfeld definieren, analysieren und dadurch fokussiert auf die Bedürfnisse des Marktes und der jeweiligen Zielgruppen eingehen. Der Wettbewerb kann systematisch erfasst und mit einem Stärken-Schwächen-Profil direkt verglichen werden. Diese Form der Analyse unterstützt die strategische Planung und Ausrichtung der Organisation, in dem sie faktenbasierte Informationen zusammenträgt und diese in den Kontext der jeweiligen strategischen Ziele stellt. Die wesentlichen Vorteile einer Durchführung der Marktanalyse durch professionelle Dienstleister liegen insbesondere in den methodischen Kenntnissen zur Informationsbeschaffung und der Recherche-Expertise und in der damit verbundenen Zeitersparnis für den Auftraggeber. Prinzipiell gilt: Je besser die Abstimmung und Kooperation zwischen Auftraggeber und Rechercheur, umso genauer sind die Ergebnisse und umso höher ist der Nutzen der Marktanalyse. Im Fall unseres Beispiels führte die effiziente Nutzung der zur Verfügung stehenden Quellen, die Filterung und Aufbereitung der Daten aus einer zu Beginn unübersichtlich wirkenden Informationsmenge zu einer maßgeschneiderten Analyse der aktuellen Lage der Eingliederungshilfe in Deutschland. Weiterführende Literatur Brendel, M./Brendel, F. (2004): Richtig recherchieren, 6. Auflage, F.A.Z.-Institut, Frankfurt. Bundesarbeitsgemeinschaft der überörtlichen Träger der Sozialhilfe (2006): Entwicklung der Fallzahlen in der Eingliederungshilfe. Auswertung einer Erhebung der überörtlichen Träger der Sozialhilfe, 1. Dezember 2006. Bundesarbeitsgemeinschaft der überörtlichen Träger der Sozialhilfe (2007): Kennzahlenvergleich der überörtlichen Träger der Sozialhilfe 2005/2006. Bundesministerium für Arbeit und Soziales, Jetzt entscheide ich selbst!, Mai 2009. Bundesregierung (2009): Antwort der Bundesregierung auf die Kleine Anfrage der Abgeordneten Dr. Ilja Seifert, Jörn Wunderlich, Klaus Ernst, weiterer Abgeordneter und der Fraktion DIE LINKE, Deutscher Bundestag Drucksache 16/12877, 16. Wahlperiode 6. Mai 2009. Goemann-Singer, A./Graschi, P./Weissenberger, R. (2003): Recherche-Handbuch Wirtschaftsinformationen. Vorgehen, Quellen und Praxisbeispiele, Berlin Heidelberg. Köhncke, Y. (2009): Alt und behindert, Wie sich der demografische Wandel auf das Leben von Menschen mit Behinderung auswirkt, Berlin-Institut für Bevölkerung und Entwicklung (Hrsg.), Berlin. Kuhlen, R./Seeger, T./Strauch, D. (2004): Grundlagen der praktischen Information und Dokumentation, 5., völlig neu gefasste Ausgabe, München. Niederstadt, J. (2009): Karriere mit Handicap, in: WirtschaftsWoche , Nr. 20, 11. Mai 2009, S. 105-108. Seifert, I. Dr./Wunderlich, J./Ernst, K./Kipping, K./Knoche, M. und die Fraktion DIE LINKE, (2009): Kleine Anfrage der Abgeordneten, Alt und behindert – Auswirkungen des demografischen Wandels auf das Leben von Menschen mit Behinderungen, BT Drucksache (Anfrage der Linken) Deutscher Bundestag Drucksache 16/12612, 16. Wahlperiode 9. April 2009. Statistisches Bundesamt (2009): Sozialleistungen Sozialhilfe 2007, Fachserie 13, Reihe 2, Wiesbaden. 
 Marktanalyse im Non-Profit-Bereich auf Basis der Sekundärforschung III.  115 Methodenȱderȱ Spendergewinnungȱ

 Face-to-Face-Fundraising: Warum es alle tun, aber niemand darüber spricht 9 117 Face-to-Face-Fundraising: Warum es alle tun, aber niemand darüber spricht AntjeȱWelpȱ Der vorliegende Beitrag beschäftigt sich ausschließlich mit Face-to-Face-Fundraising (F2F) von Organisationen mit externen, beauftragten und bezahlten Agenturen. Die Durchführung von Face-to-Face mit Ehrenamtlichen aus der eigenen Organisation oder auch der Aufbau von intern gesteuerten Face-to-Face-Kampagnen sind eigene Artikel wert. Ich bin ein Fan von Face-to-Face-Fundraising – ein Fan von gut geführten Gesprächen, in denen ein Mensch einen anderen dafür gewinnt, fünf, zehn oder mehr Euro im Monat einer Organisation und damit einer hoffentlich guten Sache anzuvertrauen. Das ist eine großartige Leistung. Oftmals ist und bleibt dies das einzige direkte persönliche Gespräch über die Organisation in der (hoffentlich langen) Fernbeziehung zwischen Spender/innen und Organisation. Diese Begegnungen auf der Straße oder an der Haustür sehen oft anders aus als gewünscht: aufdringlich, nervend, irreführend bis hin zu unseriös und gesetzeswidrig im profitorientierten Face-to-Face-Marketing. Das macht es diesem Fundraising-Instrument nicht leicht. Sein Ruf ist nicht gut, auch nicht unter Fundraiserinnen und Fundraisern. Dieses Problem müsste zu beheben sein, denn die Dauerspender/innen-Gewinnung mit Face-to-Face ist von der Kostenseite her deutlich besser zu kalkulieren und zu verantworten als der klassische Weg über Kaltmailings mit anschließenden Umwandlungsaktivitäten per Direct Mail oder Telefon. Viele, vielleicht die meisten der großen, renommierten Organisationen in Deutschland haben in den vergangenen 20 Jahren Face-to-Face-Kampagnen in ihren Fundraising-Mix integriert. Alle arbeiten mit mehr oder weniger denselben Agenturen bzw. Akteuren; erst seit einigen Jahren zeigen sich neue Anbieter mit neuen Konzepten im deutschen Markt. Alle Organisationen haben sich mit Vorbehalten und Widerständen von Vorständen, von Ehrenamtlichen, von hauptamtlichen Kolleginnen und Kollegen auseinanderzusetzen. Alle haben immer auch wieder mit Mängeln im Qualitätsmanagement zu kämpfen. Und trotzdem reden alle lieber weniger als mehr und schon gar nicht öffentlich über dieses wenig geliebte Fundraising-Instrument. Lasst uns damit aufhören. Fangen wir an mit dem, was dringend notwendig ist: mit intensivem, offenem Austausch, Benchmarking und der Verständigung auf gemeinsame Standards. Wir brauchen auch in Deutschland einen Kodex, der die Grundlage für eine gute Fundraising-Praxis im Face-to-Face-Fundraising darstellt, und auf den sich alle Organisationen und die Agenturen selbstverständlich einigen und verpflichten.
118 9.1 Antje Welp Was ist Face-to-Face-Fundraising? Face-to-Face-Fundraising (F2F) ist ein Oberbegriff für Werbeformen, die „face-to-face“ (also von Angesicht zu Angesicht) im direkten, persönlichen Gespräch das Ziel haben, Einzugsermächtigungen von Privatpersonen für Dauerspenden1 zu gewinnen. Haus- und Straßensammlungen, die nach Bargeldspenden fragen, gehören nicht dazu. Face-to-Face-Kampagnen finden im öffentlichen Raum (in Fußgängerzonen, Parks, auf Plätzen), in halböffentlichen Räumen (in Einkaufscentern, Bahnhöfen, bei Veranstaltungen und Events, auf Messen) und im fast privaten Raum, an der Haustür, statt. Letzteres wird inzwischen gern als Door-to-Door-Fundraising (D2D) bezeichnet. Bei Face-to-Face im öffentlichen Raum werden entweder Infostände (Tische, Pavillons, Sonnenschirme etc.) eingesetzt, an denen zusätzlich zum persönlichen Gespräch ausgewählte Materialien der Organisation zum Anschauen oder zur Mitnahme angeboten werden. Oder die Fundraiser/innen2 arbeiten ohne stationäre Anlaufstelle. Bei dieser sogenannten „fliegenden Werbung“ haben sie – wie auch die Door-to-Door-Fundraiser/innen, die in einem Wohngebiet von Haustür zu Haustür gehen – lediglich ein bis zwei Flyer über die Organisation sowie ihre Klemmmappe mit den Formularen dabei. Das Geschäftsmodell der Face-to-Face-Agenturen basiert auf der Zusammenarbeit mit Student/innen.3 Zentrale Akteure auf der Straße und an der Haustür sind daher junge Menschen, die in der Lage sind, hundert Gespräche am Tag zu führen, auch wenn mindestens 95 mit hoher Wahrscheinlichkeit nicht zu einer Unterschrift führen. Ihr „Job“ ist es, auch beim 101. Gespräch noch so frisch und freundlich und frustrationsfrei zu sein wie beim ersten. Wer einmal selbst einen Tag lang versucht hat, auf der Straße oder an der Haustür eine Unterschrift unter eine Einzugsermächtigung (für eine Dauerspende) zu gewinnen, weiß, dass hier ein besonderer Schlag Mensch mit viel Talent, aber auch mit hoher Professionalität von den Agenturen gesucht und gefunden werden (muss). 9.2 Die Agenturen und ihre Kampagnenmodelle Seit Jahrzehnten ist der seriöse deutsche Face-to-Face-Markt ein Mangelmarkt. Er liegt fest in der Hand von wenigen Agenturen mit einem relativ festen Kreis von langjährigen Kunden, die mehr Werbevolumen nachfragten, als die Agenturen in der Lage waren zu liefern. Inzwischen drängen vielversprechende Dienstleister – vor allem aus den Niederlanden –   1 Der Einfachheit halber subsumiere ich die Mitgliedschaft, die Patenschaft und die Fördermitgliedschaft im Folgenden unter „Dauerspende“. 2 Face-to-Face-Fundraiser/innen werden von Agenturen und Organisationen als Werber/innen, Dialoger/innen oder eben Fundraiser/innen bezeichnet. Letzteren Begriff verwende ich hier. 3 Sehr wenige Ausnahmen bestätigen diese Regel.
Face-to-Face-Fundraising: Warum es alle tun, aber niemand darüber spricht 119 mit interessanten neuen Konzepten in den Markt. Ob hier Verdrängung oder Anreicherung stattfinden wird, bleibt abzuwarten. Zu begrüßen ist es allemal, denn wo die Konkurrenz fehlt, besteht die Gefahr von Preisdiktaten und geringer Innovationskraft. Da mit der Wahl der Agentur gleichzeitig auch die Entscheidung für ein bestimmtes Kampagnenmodell fällt, inklusive des von der Agentur präferierten Face-to-Face-Konzepts und Honorierungsmodells, stelle ich zunächst die beiden in Deutschland derzeit vorherrschenden Agenturstränge mit ihren Kampagnenmodellen vor. Grundsätzlich sind zwei Organisations- bzw. Kampagnenmodelle zu unterscheiden, die sich historisch herausgebildet haben. Agenturen, die das Modell „Ferienwohnung“4 umsetzen, werben ausschließlich in den Semesterferien: Teams von fünf bis zehn Student/innen samt Teamleiter/in werden im geplanten Werbegebiet für sechs, acht, zwölf Wochen gemeinsam in einer Ferienwohnung untergebracht. Agenturen, die das Modell „Tischfußball“ anbieten, bauen regional Teams und Communities auf, die das ganze Jahr über, studienbegleitend, arbeiten. Teil dieses Konzeptes ist es, den jungen Menschen nicht nur einen Job, sondern auch einen Raum zu geben, in dem sie sich vor und nach der Arbeit gerne aufhalten. Ein Tisch-Kickerspiel gehört meistens dazu. 9.2.1 Modell „Ferienwohnung“ Vor über 30 Jahren wurde das Modell „Ferienwohnung“ von Österreich nach Deutschland importiert, samt der österreichischen Studentinnen und Studenten, die Jahr für Jahr während ihrer Semesterferien für die großen deutschen Verbände Mitglieder und Förderer warben. Erst in den letzten zehn Jahren wurden mehr und mehr auch an deutschen Unis Fundraiser/innen rekrutiert, sodass rein österreichische Teams inzwischen wohl der Vergangenheit angehören. Die traditionelle Fokussierung auf die Mitglieder- und Fördererwerbung hat etliche Implikationen für die Arbeit dieser Agenturen. Hier die Eckpunkte: ႑Werbeformen: Straßenwerbung (mit und ohne Infostand), Haustürwerbung ႑Produkt: Mitgliedschaften, Fördermitgliedschaften; seit etlichen Jahren auch Patenschaften ႑Jahresbeitrag: zwischen 40 und 60 Euro (entsprechend der Beitragsstruktur deutscher Vereine); inzwischen auch hochpreisige Patenschaften von circa 160 Euro im Jahr ႑ZahlungsweiseȱperȱEinzugsermächtigung: jährlich, auf Wunsch halbjährlich; bei Patenschaften inzwischen auch vierteljährlich ႑Werbezeitraum: Semesterferien (Ostern, Sommer, zum Teil Weihnachten)   4 Die Kennzeichnungen „Ferienwohnung“ und „Tischfußball“ sind von mir hier eingeführte Begriffe, die in der Branche bislang nicht verwendet werden.
120 Antje Welp ႑Leistungsumfang: Full-Service, wenn gewünscht (Werbung, Datenerfassung, Datenmanagement, Lettershop-Service, Call-Center zum Teil inklusive Hotline, Serviceline, Stornoreaktivierung, Beitragserhöhungen) ႑HonorierungȱderȱAgentur: erfolgsabhängige Bezahlung auf Basis der Beitragseingänge (verteilt auf zwei bis drei Jahre); Wochenpauschalen mit ROI-Garantie; KombiHonorare von Pauschalen/Provisionen Vorteile Interessant für Organisationen ist die Vorfinanzierung der Werbung, die einige Agenturen anbieten. Dies hat allerdings auch seinen Preis. Und für alle Kritiker erfolgsabhängiger Bezahlmodelle muss an dieser Stelle unterstrichen werden: Die Kombination von erfolgsabhängiger Honorierung und Risikobeteiligung über zwei bis drei Jahre ist definitiv ein Qualitätsfaktor für eine nachhaltige Werbung und unterstützt langfristige Beziehungen zwischen Organisation und Agentur. Risiken und Nebenwirkungen Unbestritten kann dieses österreichische Modell auf eine lange, erfolgreiche Tradition zurückblicken und hat den großen Sozial- und Umweltverbänden in den letzten 40 Jahren Millionen Mitglieder und Förderer zugeführt. Nachteilig ist, dass die Kampagnenzeiten auf wenige Monate im Jahr beschränkt sind – ein verregneter Sommer, in dem die Straßenwerbung unterproduktiv ist, und die Saison ist gelaufen! Sensibel und daher recht anfällig für Ausfälle ist das Modell „Ferienwohnung“ auch für sich genommen: Das Konfliktpotenzial in einem Team junger Menschen, die irgendwo in Deutschland sechs Tage in der Woche sechs bis acht Stunden arbeiten und sich, vielleicht zum ersten Mal in ihrem Leben, in einer Wohngemeinschaft für Wochen zusammenraufen, ist enorm hoch. Und obwohl die Teamchefs oft eine bewundernswerte Arbeit leisten, ist die Instabilität von Teams hier eines der großen, latenten Risiken. Sobald ein Team gruppendynamisch kippt, ist die Produktivität gefährdet, das ist ganz menschlich – und dabei ist es ganz gleich, ob das Wetter, der Putzplan, die gewollte oder ungewollte Schwangerschaft oder alles zusammen die Ursache waren. 9.2.2 Modell „Tischfußball“ Das Modell „Tischfußball“ ist ein noch recht junger Import – dieses Mal aus den Niederlanden. Es kombiniert eine regionalbasierte Struktur5 mit einem Community-Ansatz: In den wichtigen Werberegionen werden Standorte eröffnet, dort werden lokal Teams aufgebaut, die langfristig mit einer studienverträglichen Wochenstundenzahl vor Ort in ihrer Stadt und in der näheren Region arbeiten. Die Büros sind gleichzeitig als Treffpunkte kon-   Hier sei die Spekulation erlaubt, dass die Niederlande vermutlich zu klein für das Modell „Ferienwohnung“ sind und zu groß für eine rein zentrale Kampagnenorganisation. 5
Face-to-Face-Fundraising: Warum es alle tun, aber niemand darüber spricht 121 zipiert und mit Ausstattung und Ambiente auf so manche Party vorbereitet: Couch, Kaffeeautomat, Tischfußball, Musik. ႑Werbeformen: Straßenwerbung (mit oder ohne Infostand), Infostandwerbung in Shopping-Centern, Haustürwerbung ႑Produkt: Dauerspenden (Mitgliedschaften, Fördermitgliedschaften, Patenschaften) ႑Jahresbeitrag: 70 bis 90 Euro ႑ZahlungsweiseȱperȱEinzugsermächtigung: monatlich ႑Werbezeitraum: ganzjährig ႑Leistungsumfang: Full-Service, wenn gewünscht (Werbung, Datenerfassung, Datenmanagement, Lettershop-Service, Call-Center zum Teil inklusive Hotline, Serviceline, Stornoreaktivierung, Beitragserhöhungen) ႑HonorierungȱderȱAgentur: erfolgsabhängige Bezahlung auf Basis der Anzahl geworbener Dauerspender/innen, Overhead-Pauschale, Break-Even-Garantie Vorteileȱ Definitiv hat dieses Modell Charme, denn es holt junge Menschen da ab, wo sie stehen: Sie brauchen Geld, sie wollen eine Community, Spaß – und sehr viele möchten unbedingt auch etwas Sinnvolles machen. Wenn diese Voraussetzungen stimmen, dann hat man schon viel dafür getan, dass sie auch einen guten Job machen. Entlastend wirkt sicherlich auch die flexible Anpassung von Dienstplänen an die Studienplanung. Der Arbeits- und Leistungsdruck lastet nicht auf wenigen Wochen im Jahr, in denen man – komme, was wolle – das Geld für das nächste Semester erarbeiten muss. Als Qualitätsfaktor bewerte ich darüber hinaus, dass die Student/innen in ihrem unmittelbaren und daher auch sozialen Umfeld arbeiten. RisikenȱundȱNebenwirkungenȱ Die Nachhaltigkeit dieses Modells ist für den deutschen Markt noch nicht geprüft. Und zwar hinsichtlich verschiedener Dimensionen, von denen hier nur einige genannt seien: Wie wirkt sich zum Beispiel ein „Dauerwerbedruck“ auf einen Standort, eine Region aus? Wie sind die Sättigungszyklen? Welche Vereinbarungen können mit Ordnungsämtern getroffen werden, die bislang nur temporäre Genehmigungen gewohnt sind? Wie ist das Stornoverhalten bei monatlichen Einzügen? 9.3 Die Kampagne – ein paar gute Ratschläge Das Herzstück einer erfolgreichen Face-to-Face-Kampagne ist sicherlich das gute, erfolgreich geführte Gespräch. Doch um in einer Woche hunderte oder tausende erfolgreiche Gespräche verbuchen zu können, müssen die Organisation und vor allem die Agentur in der Lage sein, eine Kette von Faktoren erfolgreich zu koordinieren und zu managen. Das
122 Antje Welp Qualitätsmanagement der Agenturen muss weit mehr gewährleisten, als dass gut ausgebildete und motivierte Fundraiser/innen zur vereinbarten Zeit am vereinbarten Ort erscheinen. Von der Rekrutierung von Student/innen bis zu einer langjährig treuen Dauerspenderin ist es ein langer Weg, auf dem viel richtig gemacht werden muss. Personalführung, Projektmanagement, Materialien, Genehmigungen, Datenschutz, Datenmanagement, Reporting, Controlling etc., um nur ein paar Stichworte zu nennen. Hier ist nicht der Raum, um systematisch alle Elemente, Prozesse und Stellschrauben einer erfolgreichen Kampagne durchzuspielen. Einige Aspekte und Erfahrungen seien jedoch unterstrichen, die wichtig sind, aber bislang in keinem Vortrag angesprochen werden bzw. in keinem Handbuch nachzulesen sind. ႑OrganisationenȱdelegierenȱdasȱpersönlicheȱGesprächȱ–ȱvorherȱundȱnachherȱempfiehltȱsichȱeineȱ sehrȱaktiveȱRolle!ȱ Organisationen sind gut beraten, wenn sie nichts dem Zufall überlassen. Sie sollten bis ins Detail nicht nur über ein sehr klares, am besten schriftlich vereinbartes Verständnis von allen Aktivitäten und Prozessen verfügen,6 sondern diese auch regelmäßig prüfen. Es gibt Agenturen, die meinen, Face-to-Face-Kampagnen laufen umso besser, je weniger die Organisationen involviert sind. Es gibt Organisationen, die ähnlich denken. Von dieser Denkweise ist entschieden abzuraten: Der Brand Risk ist einfach zu hoch. Organisationen sollten nicht verdrängen, dass in ihrem Auftrag und in ihrem Namen viele junge Menschen Tag für Tag sehr viele Gespräche führen. Da kann viel schief gehen. Nur wenn sie sehr gut informiert sind und sehr gut geführt werden, geht verhältnismäßig wenig schief. Briefings, Gesprächsleitfaden, Stichproben, zeitnahes Controlling, Beschwerdemanagement – Organisationen sollten vom Auftrag über Briefing bis zum Controlling in einer aktiven Rolle bleiben. Und für Organisationsfundraiser/innen ist es eine schöne Pflicht, hin und wieder einen Tag mit auf der Straße zu verbringen, mit den Teams Pizza zu essen oder eine Runde Tischfußball zu spielen.7 ႑Hotline:ȱJedeȱBeschwerde,ȱdieȱesȱbisȱanȱeinȱOhrȱschafft,ȱistȱeineȱguteȱBeschwerde!ȱ Wenn eine Agentur damit beauftragt ist, jede Woche 500 neue Dauerspender/innen zu gewinnen, führen die Fundraiser/innen dafür mindestens 10.000 längere oder kürzere   Es ist notwendig, sich gemeinsam mit der Agentur ein detailliertes, vollständiges Bild aller administrativen und Abstimmungsabläufe zu machen und unbedingt schriftlich zu fixieren, wer wann welche Leistungen erbringt – bei der Werbung (Planung, Standortwahl, Standortgenehmigungen, Gesprächsleitfaden, Materialien, Stornoabsicherung), der Erfassung (Software, Datenmanagement), beim Einzug (Finanztechnik, Rücklasten), Bindungsmanagement (Begrüßung, Retouren, Donors Journey etc.), Storno-Management, Stornoreaktivierung, Datenschutz, Controlling, Auswertungen. 6 7 Aber überlegen Sie sorgfältig, wer die richtige Person für dieses Beziehungsmanagement ist. Sie haben es mit lauter talentierten, coolen und vor allem jungen Menschen zu tun!
Face-to-Face-Fundraising: Warum es alle tun, aber niemand darüber spricht 123 Gespräche. Natürlich finden es nicht alle toll, angesprochen zu werden, und manche fühlen sich vielleicht belästigt. Einige fühlen sich überrumpelt, manche werden es vielleicht sogar. Manche unterschreiben nach einem guten Gespräch, überlegen es sich am Abend dann doch anders. Von 500 tun dies erfahrungsgemäß mindestens 50 und kündigen ihre neue finanzielle Verpflichtung sofort wieder auf. Es ist also sehr zu empfehlen, vor allem in der Startphase der Zusammenarbeit mit einer Agentur, die Hotline nicht outzusourcen, sondern in der Organisation zu führen. Mit der Hotline, die geschulte Mitarbeiter/innen betreuen, hat die Organisation ihr Ohr einigermaßen nahe an den Gesprächen auf der Straße und an der Haustür. ႑ErfolgsabhängigeȱHonorierungȱerzeugtȱnichtȱweniger,ȱsondernȱmehrȱQualität!ȱ Was gute Fundraising-Praxis ist, darüber werden viele Diskussionen kontrovers und durchaus streitig geführt. Mit dem Kategorischen Imperativ des Immanuel Kant kommen wir hier – wie auch in vielen anderen Fragen von guter Fundraising-Praxis – ein ganzes Stück weiter: „Handle nur nach derjenigen Maxime, durch die du zugleich wollen kannst, dass sie ein allgemeines Gesetz werde.“ Weniger philosophisch und sehr pragmatisch: Tue nichts, was du deinen Spender/innen nicht auch erklären kannst und möchtest! Face-to-Face-Fundraising wird erfolgsabhängig vergütet. Es ist plausibel und auch Spender/innen erklärbar, dass Organisationen nur dann bezahlen müssen, wenn die vereinbarte Leistung auch erbracht wird. Und daher haben Organisationen Verträge mit Face-to-FaceAgenturen, die sicherstellen, dass die Qualität und Nachhaltigkeit der Werbung auch im originären Interesse der Agenturen ist: Honoriert werden gut geführte, überzeugende Gespräche. Nicht honoriert werden schlecht geführte Gespräche, die mit Druck, Überrumpelung oder Falschinformation arbeiten und daher postwendend zur Kündigung der Spender/innen führen. Denn im Gegensatz zu so manchem unter falschen Vorzeichen generierten Vertrag für ein Zeitschriftenabo, einen Telefonanschluss oder eine Versicherung arbeiten seriöse Organisationen und Agenturen nicht mit Kleingedrucktem. Die Kündigung einer Einzugsermächtigung ist jederzeit und ohne Angaben von Gründen möglich! Geregelt ist die auf Qualität und Nachhaltigkeit zielende Leistungsvereinbarung zum Beispiel durch Risikobeteiligung hinsichtlich der Verweildauer von Dauerspender/innen, durch ROI- oder Break-Even-Garantien. Und sicherlich sind noch weitere Möglichkeiten der nachhaltigkeits- und qualitätsorientierten Honorierung vorstellbar. ႑GuteȱFundraisingȬPraxisȱistȱtransparentȱgegenüberȱSpenderinnenȱundȱSpendernȱ–ȱdasȱDZIȱ gibtȱhierȱguteȱOrientierungen.ȱ Zum Stichwort „Seriöse Haustür-/Straßenwerbung“ informiert das DZI in seinen „DZI Spenden-Tipps“:8 „Mit dem DZI Spenden-Siegel ist erfolgsabhängig vergütete Werbung in aller Regel nicht vereinbar. Diese Bewertung ändert sich nur, wenn die Werbung zurück-   8 Siehe http://www.dzi.de/Haustuer-_Strassenwerbung.pdf.
124 Antje Welp haltend und sachlich betrieben wird und besondere in den Spendensiegel-Leitlinien festgelegte Ausnahmebedingungen erfüllt“. Es sind somit folgende Bedingungen innerhalb des Face-to-Face-Fundraising sicherzustellen, damit erfolgsabhängige Vergütungen zulässig sind9: ȭ ȭ ȭ ȭ Die Angesprochenen müssen erkennen können, dass sie von beruflichen Fundraiser/innen angesprochen werden (ൺ Fundraiser/innen tragen sichtbar Ausweise, die deutlich machen, dass sie für eine Agentur arbeiten). Die Angesprochenen werden über die erfolgsbezogene Bezahlung der Werbung informiert (ൺ auf dem Formular ist deutlich sichtbar vermerkt, dass es sich um eine beauftragte und erfolgsabhängig vergütete Werbung handelt). Die Angesprochenen haben ein Rücktrittsrecht von mindestens zwei Wochen und werden ausdrücklich darüber informiert (ൺ auf dem Formular steht das Rücktrittsrecht samt Unterschriftsfeld an hervorgehobener Stelle). Bei vereinbarter Mindestleistung ist neben der Provision auch eine erfolgsunabhängige Grundvergütung zu zahlen, ansonsten ist eine Begrenzung der Provisionszahlung erforderlich. Letztere Anforderung ist insbesondere auch im Binnenverhältnis zwischen Agentur und Fundraiser/innen von Wichtigkeit und zu prüfen. Es ist sinnvoll, sich davon zu überzeugen, dass die Honorierung der Fundraiser/innen den Leitlinien entspricht. ႑Vertrauenȱistȱnichtȱgutȱgenug,ȱKontrolleȱeinȱMussȱ–ȱdochȱbeimȱManagenȱvonȱFaceȬtoȬFaceȬ DatenȱversagenȱvieleȱDatenbanken.ȱ Die wenigsten Datenbanken, die von Organisationen genutzt werden, sind darauf vorbereitet, Face-to-Face-Daten abzubilden sowie klar, übersichtlich und aussagekräftig auszuwerten. Denn das Schöne an Face-to-Face-Fundraising ist doch: Mit dem zugeschnittenen Datenmanagement und geeigneten Controllinginstrumenten kann man sich täglich die Qualität der Arbeit per Kennzahlen zuspielen lassen. Natürlich ist das zugespitzt: Wöchentliches Reporting der Agentur, monatliches Prüfen der Kennzahlen und halbjährliche intensive Auswertungen sind ausreichend. Um spätere Face-to-Face-Blindflüge zu vermeiden, ist es ausgesprochen nützlich, sich im Vorfeld intensiv mit dem Thema Datenmanagement zu beschäftigen. ႑FollowȬupȱ–ȱguteȱBindungsarbeitȱistȱTeilȱeinerȱgutenȱFaceȬtoȬFaceȬStrategie.ȱ Während bei einer Dauerspendengewinnung per Direct Mail mit einer langen und aufwändigen Verlobungszeit kalkuliert werden muss, fällt Face-to-Face mit der Tür ins Haus und macht sofort beim ersten Kontakt den Heiratsantrag. Aus diesem Grund ist es sehr wichtig, dass anschließend gute Beziehungsarbeit geleistet wird! Die mit Face-to-Face gewonnenen Dauerspender/innen sind jünger als die klassische Direct Mail-Klientel. Sie   9 Nachzulesen in den DZI Spendensiegel-Leitlinien, Ziffer C.I.5.
Face-to-Face-Fundraising: Warum es alle tun, aber niemand darüber spricht 125 brauchen eigene Bindungsprogramme, möchten vielleicht nicht nur mit einer anderen Tonalität, sondern auch mit anderen Medien angesprochen werden. 9.3.1 Straße oder Türschwelle? „Wenn ich mich zwischen Wegelagerern und Hausierern entscheiden muss, wähle ich die Wegelagerei“, diese kleine Polemik bringt die üblichen Vorurteile über Straßen- und Haustürwerbung auf den Punkt. Beide Formen des Face-to-Face-Fundraising haben Schwächen und Stärken, aber professionell in guter Fundraising-Praxis durchgeführt, ist weder die eine noch die andere Form der Dauerspendengewinnung ehrenrührig. Die Schwäche der Straßenwerbung ist die Jugend der Fundraiserinnen und Fundraiser. Sie kommen mit Gleichaltrigen leichter ins Gespräch, und: Gleichaltrige lassen sich auch lieber in Gespräche verwickeln. Ganz egal, wie gut sie geschult sind, ganz egal, ob man finanzielle Anreize setzt oder hochpreisige Patenschaftsprodukte im Portfolio hat: Das Durchschnittsalter der Dauerspender/innen ist und bleibt bei der Straßenwerbung niedrig. Man sollte also die Verjüngung des Spenderstamms positiv sehen und sehr sorgfältig jugendaffine Bindungsprogramme entwickeln. Sind junge Menschen keine Zielgruppe einer Organisation, sollten diese von Straßenwerbung absehen. Door-to-Door-Fundraising hat dieses Altersproblem nicht. Gesprächspartner/in ist, wer die Haustür aufmacht. Tagsüber sind das in der Regel überwiegend ältere Menschen, die nicht mehr oder nur teilweise berufstätig sind, am frühen Abend und am Samstag sind dann auch die Jüngeren anzutreffen. Der Altersdurchschnitt ist also deutlich höher als bei der Straßenwerbung – und damit auch die Jahresdurchschnittsspende, die erreicht werden kann. Dass deshalb ebenfalls die Verweildauer höher ist10, ist zu vermuten.11 Haustürwerbung wird – im Gegensatz zur Straßenwerbung – von den Agenturen aktiv mit Pressearbeit vorbereitet. Sinn und Zweck der Kampagne, die Organisation und das Team der Fundraiser/innen werden mit Foto in der lokalen Presse vorgestellt. Denn die größte Schwäche von Door-to-Door-Fundraising ist sicherlich sein Ruf, und jede vertrauensbildende Maßnahme öffnet Türen.   Jüngere Menschen wechseln bei Umbrüchen in ihrem Leben (Ende des Studiums, Ortswechsel, Jobeinstieg, Jobwechsel) häufig nicht nur die Bank, sondern gern auch ihre Beziehungen – auch die zu Vereinen und Verbänden. 10 Dies ist einer von vielen guten Momenten, um darauf hinzuweisen, dass meines Wissens keine Untersuchungen, keine Studien, keine Zahlen, kein Benchmarking – kurz: dass keinerlei fundierte Auseinandersetzungen mit diesem Fundraising-Instrument vorliegen bzw. publiziert wurden, das seit über dreißig Jahren in Deutschland eingesetzt wird. Die traditionellen Agenturen, deren Auftragsbücher bislang vor allem voll waren, haben verständlicherweise bis heute keinen Bedarf an einer Offenlegung ihrer Leistungen, den guten wie den schlechten. Und die Organisationen? In einem Mangelmarkt ist die andere Organisation in aller erster Linie Konkurrenz und nicht Verbündete. 11
126 Antje Welp Die Türschwelle ist – ebenso wie das Telefon – privater Raum, in dem bereits das Anklingeln als Belästigung empfunden werden kann und wird. Hier ist in hohem Maße Unaufdringlichkeit und Sensibilität gefragt, und die Kunst des freundlichen Rückzugs ein absolutes Muss. Eine kleine Beruhigung ist allerdings die Tatsache: Nie wird so schnell zum Telefon gegriffen und sich beschwert, als wenn man sich zu Hause belästigt fühlt. Sollten also Door-to-Door-Fundraiser/innen einen schlechten Job machen, erfahren Organisationen das in der Regel noch bevor der Tag zu Ende geht. Die Hotline ist hier ein wichtiger Seismograph. 9.4 Was kostet es? Wenn fünf Angebote von fünf Agenturen auf dem Tisch liegen, liegen da auch fünf verschiedene Honorierungsmodelle: Bezahlung pro Woche, pro Kopf, auf Beitragsbasis, Bezahlung für Informations- und für Werbetätigkeiten, Overheadkosten, Prognosen mit ähnlichen, aber doch unterschiedlichen fünf Jahreszenarien, mal brutto, mal netto.12 Das Ganze ist zwar arbeitsintensiv, aber mithilfe von EXCEL ist es einfacher, die Angebote vergleichbar zu machen. ႑RentabilitätsanalyseȱplusȱFaustformelȱ Unabdingbar ist es, die unterschiedlichen Angebote in einer Fünf-Jahres-Rentabilitätsanalyse zu vergleichen. Darüber hinaus sollte das klassische Handwerkszeug (ROI, Break Even, Cashflow etc.) noch mit einer weiteren Kennzahl, die eher eine Faustformel ist, ergänzt werden: Werbekosten im Verhältnis zum Jahresbeitrag in Prozent. Das gibt ein Gefühl dafür, wie „teuer“ (oder weniger teuer) einzelne Agenturen sind. Mit dieser Faustformel ergibt sich folgendes grobes Bild für Deutschland: Es werden für die Gewinnung von Dauerspender/innen zwischen 110 Prozent und 200 Prozent (inklusive MWSt.) des Jahresspendenbetrages bezahlt.13 Solche Zahlen bedeuten aber nicht, dass sich die Kosten für jede Organisation rechnen – eine individuelle Rentabilitätsanalyse bringt Sicherheit. ႑Wieȱrechnetȱesȱsich?ȱ Die gute Nachricht ist: Face-to-Face rechnet sich. Wenn die Fundraiser/innen einen guten Job machen, sowieso. Denn dann stimmen Produktivität, Sofortstornoquote, Kündigungsquote, die wichtigsten Kennzahlen, die Aufschluss über die Qualität des Face-to-FaceFundraising geben. Auch hier kommt man mit Faustformeln bzw. mit Erfahrungswerten weiter:   Brutto/Netto wird bei Face-to-Face-Fundraising meist wie folgt verwendet: Brutto-Spender/innen sind alle Spender/innen, die ihre Unterschrift gegeben; sie haben noch nicht gezahlt, aber sie haben auch noch nicht storniert. Netto-Spender/innen sind die, bei denen mindestens einmal ein erfolgreicher Einzug erfolgt ist. 12 13 Diese Faustformel exklusive Personal- und Overheadkosten auf Seiten der Organisation.
Face-to-Face-Fundraising: Warum es alle tun, aber niemand darüber spricht ȭ ȭ ȭ 127 Durchschnittliche Produktivität: drei bis fünf Dauerspender/innen pro Fundraiser/in pro Tag14 (drei bis fünf/FR/Tag) Durchschnittliche Sofortstornoquote: maximal 15 bis 20 Prozent Durchschnittliche Folgekündigungsquoten: maximal 10 bis 15 Prozent Wenn die Agentur keinen guten Job macht, hat die Organisation hoffentlich einen Vertrag, der einen definierten ROI oder Break Even garantiert. 9.5 Fazit Face-to-Face-Fundraising ist nur so gut, wie die Verantwortlichen es planen und umsetzen – in der Zusammenarbeit mit Agenturen und natürlich auch inhouse! Andere Länder wie Großbritannien, die Niederlande, die USA oder auch Australien können als Vorbilder dienen, um auf Basis von umfassenden Standards hohe Qualität sicherzustellen. Ein Schulterschluss von Organisationen, Agenturen und Kommunen ist der richtige Weg, um sich über „Best Practice“ im Face-to-Face-Fundraising zu verständigen. Ich möchte Sie herzlich dazu aufrufen, sich mit mir in Verbindung zu setzen, wenn Sie Interesse haben, sich auf diesen Weg zu machen: Weiterführende Literatur DZI (2006): Spendensiegel-Leitlinien, Ziffer C.I.5., Berlin, Zugriff unter http://www.dzi.de/ leitlinien.pdf. http://www.dzi.de/downloads/Haustuer-_Strassenwerbung.pdf.   Die Produktivität (Spender/in pro Fundraiser/in pro Tag bzw. Stunde) ist in den letzten zehn Jahren kontinuierlich gesunken. Mitte der Neunzigerjahre wäre eine durchschnittlichen Produktivität von 3/FR/Tag kritisch gewesen und Spitzen von 8/FR/Tag möglich). – Natürlich haben Bekanntheit, Image und auch – gerade bei Door-to-Door – lokale Präsenz einer Organisation Einfluss auf die Produktivität. Ich gebe hier grobe Orientierungen auf Basis von Erfahrungen. 14
 128 10 Hans-Dieter Heine Zielgruppe Jugend: Systematische Bildungsarbeit in divergierenden Gesellschaften HansȬDieterȱHeineȱ Der Volksbund Deutsche Kriegsgräberfürsorge e.V. (VDK)1ist anerkannter Träger der freien Jugendhilfe und betreibt als einziger Kriegsgräberdienst der Welt eine eigene außerschulische und schulische Jugendarbeit mit eigenen Jugendbildungs- und Begegnungsstätten (JBS). „Kriegsgräber sind die großen Prediger des Friedens und ihre Bedeutung als solche wird stetig zunehmen.“ Im Sinne dieses Gedankens Albert Schweitzers werden junge Menschen an Kriegsgräberstätten herangeführt. Besondere pädagogische Herausforderungen ergeben sich dabei aus den Bedingungen und Dimensionen oft widerstreitender demokratischer Erinnerungs- und Gedenkkulturen in den Einwanderungsgesellschaften des zusammenwachsenden Europas. Die Sensibilisierung gegen die Gefahren extremistischer Weltanschauungen steht im Mittelpunkt der Bildungsarbeit des Volksbundes. 10.1 „Erlebte Geschichte“ Der Volksbund wirkt als „Bildungsträger“ und „Bildungstätiger“, um für die vielfältigen und zunehmend komplexer werdenden Probleme unserer Zeit nachhaltige Lösungen zu entwickeln – vor allem für die friedenspädagogische Arbeit in einem kulturell vielfältigen gesellschaftlichem Kontext. Dabei beantwortet er speziell die Frage, welche Rolle dabei das Wissen um die Vergangenheit für die Bewältigung der aktuellen Aufgaben spielen sollte. Die Didaktik der „narrativen Integration“ wurde seit dem Jahr 2002 durch das Frankfurter Institut für Bildung und Medienentwicklung in Zusammenarbeit mit Pädagogen, Psychoanalytikern und Kommunikationsgestaltern entwickelt und in der Praxis (unter anderem in Projekten der JBS Niederbronn-les-Bains) erprobt. Dem interessierten Fachpublikum wurden spezifische, auf die Bildungsarbeit des Volksbundes ausgerichtete Lernmodule unter dem Titel „Erlebte Geschichte“ als pädagogische Leitlinie des Volksbund Deutsche Kriegsgräberfürsorge e.V. im Rahmen der Bildungsmesse „didacta 2009“ in Hannover vorgestellt. Ausgangspunkt ist die gezielte Bearbeitung ausgewählter Einzelbiografien. Eingebettet in den historischen Kontext werden Biografien von Kriegstoten vorgestellt, die auf der jeweiligen Kriegsgräberstätte bestattet sind.2   1 Siehe Näheres dazu unter www.volksbund.de. Zur detaillierten Beschreibung des didaktischen Konzeptes „Erlebte Geschichte“ liegt eine Broschüre vor, die im Jugendreferat der Bundesgeschäftsstelle des Volksbundes (jugend@volksbund.de) angefordert werden kann. 2
Zielgruppe Jugend: Systematische Bildungsarbeit in divergierenden Gesellschaften 10.2 129 Bedeutungswandel der Kriegsgräberstätten Mit dem zunehmenden zeitlichen Abstand zu den Ereignissen des Zweiten Weltkrieges kommen den Kriegsgräberstätten weitere neue Bedeutungen und Funktionen hinzu. Sie werden von Orten der individuellen und kollektiven Trauer zu Orten des Lernens, der internationalen (Jugend-) Bildungs- und Begegnungsarbeit, zu Gegenständen der kulturhistorischen Forschung und der Geschichtsforschung. Nicht selten sind sie auch touristischer Anziehungspunkt. Daraus ergeben sich Chancen und zugleich neue Herausforderungen für die zukünftige Arbeit des Volksbundes. 10.3 Angebote für junge Menschen Unter dem Motto „Versöhnung über den Gräbern – Arbeit für den Frieden“ treffen sich jährlich über 20.000 junge Menschen aus verschiedenen Ländern in Workcamps sowie den Jugendbegegnungs- und Bildungsstätten des Volksbundes im In- und Ausland, um sich gegenseitig kennenzulernen, gemeinsame Freizeit zu erleben, auf Kriegsgräber- und Gedenkstätten zu arbeiten und sich mit der deutschen und europäischen Geschichte auseinanderzusetzen. Im Mittelpunkt aller Anstrengungen steht der einzelne Jugendliche, der in der aktiven Auseinandersetzung mit dem Kriegsgrab und den Gedenkstätten die Einsicht zur Notwendigkeit friedfertigen Handelns gewinnen und schließlich aktiv gegen die Gefahren extremistischer Weltanschauungen eintreten soll. Der Volksbund Deutsche Kriegsgräberfürsorge e.V. stützt sich auf internationale Abkommen und nationale Gesetze und arbeitet im Ausland im Auftrag der Bundesrepublik Deutschland. Im Rahmen seiner Jugendarbeit wird er unter anderem vom Bundesministerium für Familie, Senioren, Frauen und Jugend (BMFSFJ), mit Mitteln aus den Richtlinien des Kinder- und Jugendplans (KJP-Mittel), dem Deutsch-Polnischen Jugendwerk (DPJW), dem Deutsch-Französischen Jugendwerk (DFJW) und der Stiftung Deutsch-Russischer Jugendaustausch, projektgebunden gefördert.3 Der Volksbund Deutsche Kriegsgräberfürsorge e.V. ist Mitglied des „Bundesforum Kinder- und Jugendreisen e.V.“4 Die Ständige Konferenz der Kultusminister der Bundesländer hat mit Beschluss vom 27.4.2006 den Schulen erneut die Zusammenarbeit mit dem VDK e.V. empfohlen.5 Kriegsgräberstätten sind unter besonderem rechtlichem Schutz stehende, auf unbegrenzte Dauer angelegte Friedhöfe, die den Lebenden eindringliche Mahnung zum Frieden sein sollen – ja sein müssen! Sie sind friedensstiftend zu nutzen. Bildungs- und Begegnungsarbeit an und mit Kriegsgräberstätten hat sich diesem Ziel unterzuordnen: Kriegs-   3 Siehe Näheres dazu unter: www.bmfsfj.de; www.dpjw.org; www.dfjw.org; www.stiftung-drja.de. 4 Siehe Näheres dazu unter: www.bundesforum.de. 5 Siehe: http://www.kmk.org/doc/publ/Arbeit-d-Volksbundes-Kriegsgraeberfuersorge-i-d-Schulen.pdf.
130 Hans-Dieter Heine gräber sind Mahnmale für den Frieden – sie sind als friedenspädagogische Ressource zu nutzen. In der Bildungsarbeit folgt der Volksbund Deutsche Kriegsgräberfürsorge e.V. dem geschichtsdidaktischen Prinzip der Multiperspektivität, dass heißt die große Zahl unterschiedlicher historischer Erfahrungen und Erfahrungsverarbeitungen, Vergangenheitsdeutungen und Schlussfolgerungen aus der Vergangenheit in Europa soll ebenso dargestellt werden wie die Auseinandersetzung mit den unterschiedlichen Erinnerungsstiftern und erinnerungspolitischen Akteuren sowie deren Interessen. Die Pflege von Kriegsgräber- und Gedenkstätten ist gleichzeitig Ausgangspunkt und Ziel internationaler Jugendbegegnungen. In der Bildungsarbeit des Volksbundes soll zudem der oft noch vorhandenen und in der Entstehungsphase bewusst gewollten architektonischen und ikonographischen Homogenität von „Soldatenfriedhöfen“ die Heterogenität von exemplarischen und zugleich repräsentativen Einzelbiografien der dort bestatteten Kriegstoten entgegen gehalten werden. So entpuppen sich manche „Soldatenfriedhöfe“ als Kriegsgräberstätten, auf denen ebenso Ziviltote, Flüchtlinge, Bombenopfer, Kinder, Krankenschwestern wie eben auch Soldaten verschiedener Nationen und Religionszugehörigkeiten bestattet sind. Die Mahnung zum Frieden und Aufforderung zur Versöhnung ist vorherrschendes Motiv und Schlussfolgerung des Gedenkens an die Kriegstoten aller (auch heutigen) Kriege und kriegsähnlichen Handlungen. Es geht neben der Menschenrechtbildung und der Friedenserziehung um die Bildung reflektierten Geschichtsbewusstseins mit europäischem (interkulturellem) und zugleich globalem Horizont. Vor allem aber geht es um unsere heutige Verantwortung, gegen das Vergessen zu arbeiten: Die Vereinnahmung und damit der politische Missbrauch von Kriegstoten für extremistisches Denken und Handeln ist von allen demokratischen Kräften zu bekämpfen. Kriegsgräberstätten werden so als Lernorte der Geschichte genutzt. Sie sind zugleich kultureller Gedächtnisspeicher, Gedenk- und Mahnstätte, Orte der persönlichen Trauer für noch lebende Angehörige, manchmal auch touristischer Anziehungspunkt, oft auch kunsthistorisch interessante Orte sowie Orte internationaler (Jugend-)Begegnungen. Vor allem aber sind sie als friedenspädagogische Ressource zu nutzen. Der Volksbund Deutsche Kriegsgräberfürsorge e.V. leistet mit seiner internationalen schulischen und außerschulischen Jugendarbeit wichtige Beiträge zur Beibehaltung und Fortentwicklung demokratischer Gedenk- und Erinnerungskulturen im zusammenwachsenden Europa. 10.3.1 Workcamps Neue Freundschaften schließen und andere Länder kennenlernen, sich Gedanken machen über Grenzen auf der Karte und im eigenen Kopf, gemeinsam arbeiten und eine Menge Spaß haben – in den Workcamps sowie Jugendbegegnungs- und Bildungsstätten des Volksbundes kommen jedes Jahr Tausende junger Menschen aus ganz Europa zusammen.
Zielgruppe Jugend: Systematische Bildungsarbeit in divergierenden Gesellschaften 131 Für den Frieden zu arbeiten, heißt gegen das Vergessen zu arbeiten. Die Workcamps führen an Orte der Erinnerung an Kriege und Zeiten der Gewaltherrschaft. Kritische Fragen stellen, die Spuren der Geschichte suchen, Eindrücke verarbeiten und zusammen darüber nachdenken: Wie konnte das damals passieren? Welchen Bezug habe ich zu jener Zeit? Was heißt Frieden für mich? Welche Verantwortung können wir heute übernehmen? Wie steht es heute in der Welt? In vielen Workcamps werden Führungen auf Kriegsgräberoder Gedenkstätten oder Museenbesuche unternommen, Zeitzeugengespräche organisiert oder inhaltliche Module zu friedenspädagogischen Themen angeboten. Internationale Formen des Gedenkens und der Auseinandersetzung mit der Geschichte lassen spüren, wie grundlegend und wertvoll die Achtung vor dem Einzelnen für ein friedvolles Miteinander ist. Blick über die Grenzen Für das Jahr 2010 sind 77 Workcamps in 22 Staaten auf dem europäischen Kontinent geplant. Länderschwerpunkte sind neben Frankreich und Polen insbesondere die Russische Föderation. Dabei helfen die guten Beziehungen des Volksbundes zu den Kriegsgräberdiensten im Ausland und die enge Zusammenarbeit mit dem Auswärtigen Amt der Bundesrepublik Deutschland.6 10.3.2 Jugendbegegnungs- und Bildungsstätten (JBS) Die vier JBS des Volksbundes in Belgien, Frankreich, den Niederlanden und Deutschland sind ein weiteres Kernstück seiner Jugendarbeit. Sie werden von hauptamtlichen pädagogischen Leiterinnen und Leitern betreut und sind ganzjährig geöffnet. Durch Begegnungen mit den Menschen des Gastlandes sollen die Jugendlichen erfahren, welches Schicksal die Menschen in dieser Landschaft in der Vergangenheit erleiden mussten. Es soll Raum geschaffen werden zur Auseinandersetzung mit der eigenen Geschichte und der des Nachbarlandes. Die Anonymität von Einzelbiografien soll aufgebrochen werden. Der Austausch von europäischen Schulklassen und Jugendgruppen wird unter Berücksichtigung der Sprachförderung unterstützt. Die Programmangebote werden nachfolgend am Beispiel der Jugendbegegnungs- und Bildungsstätte Golm (Insel Usedom)7 dargestellt. Kriegsgräberstätte Golm Auf der Kriegsgräberstätte Golm beschäftigen sich die Schüler nach einer Einführung in das Thema in kleinen pädagogisch angeleiteten Arbeitsgruppen mit ausgewählten Einzelbiografien und überwinden so die Distanz und Abstraktion der Themen Bombenkrieg, Flucht und Vertreibung.   6 http://www.volksbund.de/jugend_schule/workcamps/. 7 www.jbs-golm.de.
132 Hans-Dieter Heine Kreativmodul: Ideen für den Frieden Im Anschluss an das Modul Kriegsgräberstätte Golm kann zum Beispiel der Nachmittag im Zeichen der kreativen Auseinandersetzung mit dem Thema Krieg und Frieden stehen. Dabei kann die Gruppe oder nach Absprache auch der einzelne Teilnehmer den bevorzugten Weg wählen. Farben, Kugelschreiber, Stoffbeutel, ein Stapel Papier und eine alte Gitarre: Diese Dinge und die Kreativität der Schüler sind es, die den Kreativworkshop zu einem Kreativworkshop machen. Kugelschreiber und Papier gehören zur Schreibwerkstatt, in der die Schüler die Möglichkeit haben, zwischen drei verschiedenen Aufgaben zu wählen. Es entstehen Gedichte, Briefe, Tagebucheinträge und persönliche Friedenserklärungen. Farben und Stoffbeutel sind die Utensilien der Künstler. In dieser Werkstatt verleihen die Jugendlichen ihren Ideen mit viel Farbe Ausdruck, oder aber sie „bauen“ auf dem Papier ihr eigenes Friedensdenkmal. Die Gitarre vertont bekannte Friedenslieder in der Musikwerkstatt. Entweder im kleinen Kreis, oder mit der gesamten Gruppe, als Abschluss des Workshops. Ziel hierbei ist es, die Schüler aus ihrem eigenen Fundus an Kreativität und Ideenreichtum schöpfen zu lassen, um sich ganz individuell mit dem hier Gehörten, Gesehenen und Gefühlten auseinanderzusetzen. Zeitzeugengespräch Voraussetzung für eine erfolgreiche Begegnung mit einem Angehörigen der Erlebnisgeneration ist eine adäquate Vorbereitung bereits im Unterricht vor der Anreise. Interessenschwerpunkte der Gruppe und Fragen sollten erarbeitet werden. Exkursion nach Peenemünde Die Beschäftigung mit der Kriegsgräberstätte Golm wird in idealerweise ergänzt, wenn eine Exkursion nach Peenemünde mit eingeplant wird. In Peenemünde entstand die berüchtigte V2-Rakete, die „Wunderwaffe“ der NS-Propaganda. Auf dem Golm und in Karlshagen nahe Peenemünde liegen Tausende Opfer des „totalen Krieges“ begraben. An diesen historischen Orten beschäftigen sich die Jugendlichen auf vielfältige Weise mit der Frage nach den Ursachen und den Auswirkungen von Krieg und Gewalt. Im Historisch-Technischen Informationszentrum Peenemünde8 steht die von der Insel Usedom ausgehende Gewalt in Form der V2-Rakete im Mittelpunkt. Neben einer inhaltlich spezifisch zu vereinbarenden Führung können im HTI unterschiedliche thematische Aspekte in Arbeitsgruppen vertieft werden. Unterwegs kann die im direkten Kontext stehende Gedenkstätte Karlshagen9 angefahren werden.   8 http://www.peenemuende.de/. 9 http://www.polmem-mv.de/index.php?option=com_content&task=view&id=56&Itemid=0.
Zielgruppe Jugend: Systematische Bildungsarbeit in divergierenden Gesellschaften 133 Exkursion nach Ħwinoujħcie (Swinemünde) Die Jugendlichen entdecken eine polnische Stadt mit deutschen Wurzeln und werden für das spannende Nebeneinander beider Kulturen sensibilisiert. Es ist eine Reise zwischen Vergangenheit, Gegenwart und Zukunft. Ideales Verkehrsmittel ist das Fahrrad, alternativ kann im Sommerhalbjahr gwinoujïcie mit dem Schiff angesteuert werden und die Stadt zu Fuß entdeckt werden. Raum für Freizeit und einen Minisprachkurs Polnisch bleibt selbstverständlich auch. Mut tut gut! – Beherztes Handeln und Zivilcourage Mehrere tausend Menschen haben im Zweiten Weltkrieg das Leben von Juden gerettet – viele von ihnen sind bereits in Vergessenheit geraten. In diesem Modul wollen wir diesen Menschen ein Gesicht geben und sie als Vorbilder für uns und unser heutiges Handeln entdecken. Dabei werden besonders so genannte „Gerechte unter den Völkern“ deutscher und polnischer Nationalität eine Rolle spielen. Anhand ihrer Beispiele soll den Schülern verdeutlicht werden, dass jeder Mensch für sein Tun letzten Endes selbst verantwortlich ist, und dass es auch unter einer Diktatur Möglichkeiten gab und gibt, christlicher Werte bzw. der heutigen Menschenrechte entsprechend zu handeln. In einem zweiten. Teil wird mit den Schülern erarbeitet, welche Möglichkeiten für couragiertes Handeln sie heute selbst haben, und welche „kleinen Schritte“ auf dem Weg zum Frieden sie selbst gehen können. Dabei geht es nicht darum, lauter kleine Helden hervorzubringen, sondern vielmehr um den „kleinen Mut“ im ganz normalen Alltag, denn: Jeder Mensch kann die Welt verändern. Eine vorherige inhaltliche Absprache wird dringend empfohlen, um gemeinsam die individuelle Zielsetzung des Moduls festzulegen. Weitere Programmangebote finden sich auf der Internetseite der JBS Golm (www.jbsgolm.de) in der Rubrik „Pädagogische Angebote“. 10.3.3 Jugendarbeitskreise In fast jedem Bundesland werden Jugendarbeitskreise von den hauptamtlichen Jugendreferentinnen und Jugendreferenten des Volksbundes betreut10. In den Jugendarbeitskreisen engagieren sich junge Menschen für die Aufgaben und Ziele des Volksbundes und gestalten in Zusammenarbeit mit den Landesjugendreferenten eigene Projekte. Insbesondere aus den Jugendarbeitskreisen bilden sich auch die ehrenamtlichen Leitungsteams der Workcamps.   10 Kontaktadressen finden Sie unter: www.volksbund.de/kurzprofil/landesverbaende/.
134 10.4 Hans-Dieter Heine Bezüge zum Spendenmarketing Die internationale Jugendarbeit sowie die Bildungsarbeit des Volksbundes mit jungen Menschen ist kein Instrument des Spendenmarketings. In diesem Arbeitsbereich wird jedoch einerseits die Basis für die zukünftige Legitimation der Aufgaben des Volksbundes in einer demokratisch verfassten Gesellschaft geschaffen und andererseits werden Anlässe für Spendenmarketing definiert. So zielen Mailingaktionen des Volksbundes auch auf die konkrete und projektgebundene finanzielle Unterstützung zum Beispiel der Workcampangebote des Volksbundes sowie auf anstehende Aus- und Umbaumaßnahmen seiner Jugend- und Bildungsstätten. Das Zahlengerüst der Datenbanken des Volksbunds ist eindrucksvoll: Im System befinden sich Daten zu 4,8 Millionen Kriegstoten, 220.000 Angehörigen, 300.000 Mitgliedern, 1,6 Millionen sonstigen Förderern und Interessenten. Erhebliche Anstrengungen werden zur Adressqualifizierung unternommen. Die ausgewählten Adressen stammen vorwiegend aus der eigenen Mitglieder- und Spenderdatei des Volksbundes. So ist zugleich sichergestellt, dass über personalisierte Massenmailings konkrete Informationen über Projekte in der schulischen und außerschulischen Jugendarbeit des Volksbundes gegeben werden und zu einer nachhaltigen finanziellen Unterstützung führen. Gleichzeitig steigt die Akzeptanz der eigenen Arbeit durch intensive Information. Hinzu kommen die Anstrengungen des Volksbundes in der jährlichen Haus- und Straßensammlung. 10.5 Fazit Die Attraktivität des Volksbundes für neue Förderer aus der jüngeren Generation wird durch die umfangreiche internationale Jugendarbeit und die dadurch gegebenen ehrenamtlichen Mitwirkungsmöglichkeiten gesteigert. Jährlich nehmen zwar etwa 20.000 junge Menschen an den Workcamps und in den Projekten der JBS teil. Die Relevanz der Friedensarbeit in Verbindung mit Kriegsgräberstätten muss jedoch künftig von noch mehr Menschen als bisher erkannt werden. Der Volksbund verstärkt daher seine Aktivitäten im Bereich der Jugend- und Erwachsenenbildungsarbeit sowie im gesellschaftspolitischen Bereich und setzt zusätzlich auf das Spendenmarketing insbesondere im Onlinebereich. 
 Bei Anruf Spende 11 135 Bei Anruf Spende BarbaraȱDrustȱ Die Gewinnung und dauerhafte Bindung von Unterstützern ist eine der zentralen Herausforderungen an das Fundraising. Telefon-Fundraising kann dabei ein wirksames Instrument sein. Aber Telefon-Fundraising ist mehr als ein aktiver Anruf bei einem potenziellen Spender. Warum das so ist und was alles zu bedenken ist, wird auf den nächsten Seiten dargestellt. Ausgeklammert sind alle rechtlichen Fragen zum Telefonmarketing und zum Datenschutz. Die rechtliche Seite des Anrufs sollte mit einem Fachanwalt geklärt werden. Dass bei der Adressgewinnung alle Vorgaben des Datenschutzes erfüllt wurden, wird hier vorausgesetzt. Der Beitrag basiert auf den langjährigen Greenpeace-Erfahrungen im Telefon-Fundraising. Aus Gründen der Lesbarkeit wird entweder die männliche oder die weibliche Form verendet, wobei immer beide Geschlechter gleichermaßen gemeint sind. 11.1 Warum Telefon-Fundraising? Bei Greenpeace sprechen wir nicht von Telemarketing oder Telefonmarketing. Wir haben ein inhaltliches Anliegen, das wir unseren Unterstützern und den potenziell Interessierten vermitteln. Damit sind unsere Anrufe keine Werbeanrufe! Vielleicht ist die Namensgebung nur ein kleines Zeichen, bei Greenpeace halten wir es für wichtig. 11.1.1 Vor- und Nachteile von Telefon-Fundraising Die Vorteile eines Anrufs gegenüber einem Brief oder einer E-Mail liegen auf der Hand: Man hat eine deutlich höhere Responsequote. Aufgrund des persönlichen Kontakts kann man im Gespräch individuell auf den Gesprächspartner eingehen. Ein Anruf ist dialogorientiert, der Anrufer/die Organisation bekommt sofort ein Feedback. Im Gespräch gibt es individuelle Erklärungsmöglichkeiten. So können zum Beispiel die Vorteile einer Einzugsermächtigung/Abbuchungserlaubnis erläutert werden; die Anruferin kann aber auch Vorurteile oder Bedenken, die im Gespräch geäußert werden, individuell ausräumen. Die Person wird als Individuum angesprochen. Damit bietet der Anruf flexible Ansprachemöglichkeiten. Der Anrufer kann sich auf seinen Gesprächspartner einstellen. Wenn eine Telefonaktion nicht erfolgreich läuft, kann sie schnell angepasst oder auch beendet werden. Selbstverständlich gibt es auch Nachteile: So ist eine Telefonaktion deutlich teurer als eine Briefaussendung, ganz zu schweigen von einer E-Mail-Aktion. Außerdem dauert es sehr viel länger, bis alle Zielpersonen erreicht sind. 30.000 oder mehr Briefe sind schnell ver-
136 Barbara Drust sandt. Um die gleiche Personenzahl anzurufen, braucht es deutlich länger. Wie viel Zeit dafür benötigt wird, hängt ganz davon ab, mit wie vielen Personen die Anrufe getätigt werden. Und eine Telefonaktion braucht eine deutlich intensivere Betreuung, egal ob mit einer Agentur oder eigenem Personal gearbeitet wird. Tabelle 1 Vor- und Nachteile des Telefon-Fundraisings Vorteile Nachteile Höhere Response Teurer Persönlicher Kontakt, individuell auf den Dauert länger, bis alle Zielpersonen erGesprächspartner eingehen reicht werden Dialogorientiert Intensive Betreuung der Aktion seitens der Organisation notwendig Sofortiges Feedback Individuelle Erklärungsmöglichkeiten, Ausräumen von Bedenken Flexible Ansprachemöglichkeiten Schnell anzupassen/zu beenden 11.1.2 Einsatzmöglichkeiten des Telefons Das erste Telefon-Fundraisingprojekt startete Greenpeace Deutschland 1994. Im Vorfeld haben wir uns lange mit der Frage beschäftigt, ob wir unsere Spenderinnen und Förderer anrufen sollen. Obwohl die Bedenken und Befürchtungen überwogen, haben wir den ersten Versuch gestartet. Viele Punkte waren zu klären: Wollen wir selbst anrufen oder uns eine Agentur suchen, wenn ja, wie findet man den richtigen Partner? Wie begleitet man eine Aktion, kann man externe Firmen überhaupt so in den Belangen der Organisation schulen, dass die angerufene Person sich gut betreut fühlt? Was muss ein Dienstleister alles wissen, um die Anrufe übernehmen zu können? Es bieten sich vielfältige Zielgruppen für Anrufe an, die im Folgenden betrachtet werden. Bei Greenpeace haben wir uns als erste Zielgruppe im Telefon-Fundraising für die Kündiger entschieden, eine Personengruppe, bei der wir nur gewinnen konnten.
Bei Anruf Spende 11.2 137 Einsatzbeispiele Spender, Dauerspender oder Fördermitglieder, gleichgültig wie die Unterstützer einer Organisation auch genannt werden, sind die finanzielle Basis für die Arbeit. Wenn diese Personen kündigen, ist das ein Verlust. Ein Verlust in zweierlei Hinsicht: Die Organisation verliert den finanziellen Support, aber auch die moralische Unterstützung, die Fürsprecher für ihr Anliegen. 11.2.1 Kündigerrückgewinnung Was liegt also näher, als die Kündiger anzurufen und im Gespräch nach dem Grund des Austritts zu fragen? Für die Organisation ist es wichtig zu erfahren, warum die Unterstützung eingestellt werden soll. Das Feedback kann lehrreich und informativ sein. Oder der Förderer war verärgert und seine Verärgerung kann ausgeräumt werden. Vielleicht kann die Unterstützung zu einem reduzierten Beitrag fortgesetzt werden. Alles Fragen, die in einem persönlichen Telefonat geklärt werden können. Wichtig bei der Kündigerrückgewinnung ist, dass die Anrufe zeitnah erfolgen. Am besten innerhalb der ersten fünf Tage nach Eingang der Kündigung. Bitte beachten: Steht der Termin einer Abbuchung des Spendenbeitrags bevor, bitte darauf achten, dass bei den Kündigern nicht mehr abgebucht wird, unabhängig davon, ob die Person schon erreicht wurde oder nicht. Kündigerrückgewinnung sollte von einem kleinen, gut geschulten Team übernommen werden. Es ist wichtig, dass die Anrufer gut über die aktuellen Themen der Organisation informiert sind und zeitnah Feedback über die im Telefonat erhaltenen Informationen geben. Außerdem sollten sie einen direkten Zugriff auf die Spender- und FördererDatenbank (Database) haben, um Änderungen zeitnah einzugeben, den neuen Beitrag zu erfassen oder die Kündigung durchzuführen. Selbstverständlich werden die im Telefonat getroffenen Vereinbarungen schriftlich bestätigt. Abhängig von der Zahl der Kündigungen, die täglich eingehen, und den Ressourcen und Fähigkeiten der eigenen Mitarbeiterinnen kann die Rückgewinnung intern durchgeführt werden. Sie kann aber auch sehr gut an eine Telefonagentur ausgelagert werden. Wenn die Aktion durch eine Agentur durchgeführt werden soll, muss sichergestellt sein, dass der Transport der Kündigungsschreiben tagesaktuell erfolgen kann. Übrigens lohnt es sich, auch die Kollegen in der Telefonzentrale oder Spenderbetreuung entsprechend zu schulen, sodass sie bei eingehenden telefonischen Kündigungen auch den Versuch der Rückgewinnung unternehmen können.
138 11.2.2 Barbara Drust Dankanrufe Es gibt viele Gründe, zum Hörer zu greifen und sich im Namen der Organisation zu bedanken: der Eingang einer ersten Spende, der Eingang einer besonders hohen Spende, der Eingang einer Spende nach langer Spendenpause oder auch die Erteilung einer regelmäßigen Abbuchungserlaubnis (Einzugsermächtigung). Diese Anrufe sind sehr einfach, da kaum mit Reklamationen zu rechnen ist, die Angerufene sich sehr individuell wahrgenommen fühlt und sich sicher freut. Es ist ein Einstieg ins Telefon-Fundraising, der sich gut eignet, intern die Bedenken vor Telefon-Fundraising auszuräumen, und der hilft, die Berührungsängste mit dem Instrument TelefonFundraising abzubauen. Das Telefonat dient auch der Datenpflege, beispielsweise der Abfrage von Geburtsdaten oder der Interessen und Wünsche zur Spendenbescheinigung (sofort nach jeder Spende oder einmal im Jahr oder vielleicht wird gar keine Spendenbescheinigung benötigt). Allerdings gibt es bei Gesprächen dieser Art keine direkte finanzielle Antwort. 11.2.3 Gewinnung von regelmäßigen Dauerspendern Wenn eine Analyse des Spenderbestands ergibt, dass zahlreiche Unterstützerinnen der Organisation mindestens zweimal im Jahr eine Spende überweisen, ist das eine potenzielle Zielgruppe, um Dauerspender zu gewinnen. Welche Vorteile hätte es, wenn diese Unterstützer eine Abbuchungserlaubnis erteilen würden? Die Organisation hätte Planungssicherheit, da sie wüsste, wann mit diesen Spendeneingängen zu rechnen wäre. Außerdem wäre die Bindung der Person an die Organisation enger. Die Erlaubnis, von Konto abzubuchen, ist ein echter Vertrauensbeweis. Die Vorteile einer regelmäßigen Unterstützung und die nächsten anstehenden Projekte sind viel leichter in einem Telefonat zu vermitteln als in einem Brief. Außerdem ist diese Art des Telefonats natürlich auch ein Dankanruf für die bisher geleistete Unterstützung. 11.2.4 Sonderspenden für Projekte Und auch hier gilt: Dank als Gesprächseinstieg. Die Organisation braucht ein Schiff, eine Krankenstation soll eröffnet werden oder eine Expedition gestartet werden, und das Projekt kann aus dem existierenden Budget nicht finanziert werden. Was liegt näher, als bei den bestehenden Spenderinnen und Unterstützern nach einer Zusatzspende zu fragen? In diesen Gesprächen geht es darum, den Finanzbedarf und die Notwendigkeit der Investition zu erklären und um zusätzliche Unterstützung zu bitten.
Bei Anruf Spende 139 Bei diesen konkreten Projektspenden hilft es dem Angerufenen, wenn im Gespräch ein konkreter Spendenbetrag genannt wird. Dabei bietet die bisherige Spendenhöhe der Person eine gute Orientierung. 11.2.5 Erhöhung der dauerhaften Unterstützung/Upgrade Vielleicht sind dies die schwierigsten Telefon-Fundraising-Projekte, da die wichtigsten Unterstützer angerufen werden und eine Verärgerung und Kündigung der dauerhaften Unterstützung in jedem Fall vermieden werden muss. Bei der Festlegung der Zielgruppe sind folgende Fragen zu klären: ႑Wer sind die regelmäßigen Unterstützerinnen? ႑Wie hoch ist der durchschnittliche Jahresbeitrag? ႑Wie lange nach Abschluss der regelmäßigen Unterstützung soll um eine Erhöhung des Beitrages gebeten werden? Erfolg versprechend ist eine Bitte um Erhöhung anderthalb bis zwei Jahre nach Abschluss der Vereinbarung zur regelmäßigen Unterstützung. Der Unterstützer hat dann ausreichend Zeit, um die Arbeit der Organisation kennenzulernen. Auch dieses Telefonat ist natürlich ein Dankanruf für die bisherige Unterstützung und eine gute Gelegenheit, die Wichtigkeit der regelmäßigen Unterstützung zu erwähnen. Dabei ist nicht nur an die finanzielle Planungssicherheit zu denken, die die Organisation durch die Dauerspender erhält, sondern auch an die Fürsprecher für die Anliegen der Organisation. Für die Erhöhung kann es vielfältige Argumentationen geben, so zum Beispiel neue Aufgabenbereiche oder steigende Kosten für laufende Projekte. Es gibt zwei Möglichkeiten, wie diese Anrufe gestaltet werden können. Entweder wird offen nach einer Erhöhung des Beitrags gefragt oder die Anruferin macht einen konkreten Vorschlag. Beide Möglichkeiten haben Vor und Nachteile (siehe Tabelle 2). Folgende Gruppen würde ich von dieser Art der Telefonaktion ausschließen: ႑Unterstützer, die im Rahmen der Kündigerrückgewinnung zurückgewonnen werden konnten, ႑Unterstützer, die regelmäßig zusätzliche Einzelspenden leisten, ႑Unterstützer mit einem reduzierten Jahresbeitrag. Die im Telefonat verabredete Erhöhung wird dann – wie übrigens in allen TelefonFundraising-Projekten – schriftlich bestätigt. Zur Dokumentation der Absprachen sollten so viele Informationen wie möglich in dem Bestätigungsschreiben ausgegeben werden, mindestens jedoch der neue Beitrag und Rhythmus, das Datum der ersten Abbuchung des neuen Beitrags sowie eine Telefonnummer für Rückfragen. Wenn die Bestätigung per Brief verschickt wird, kann ebenfalls die
140 Barbara Drust Bankverbindung der Unterstützerin ausgeben werden. Erfolgt die Bestätigung per E-Mail, ist die Ausgabe der Bankdaten nicht empfehlenswert, da der E-Mail-Verkehr nicht über eine sichere Internetverbindung läuft. Tabelle 2 Vor- und Nachteile der verschiedenen Abfragemodalitäten Offene Frage Konkreter Vorschlag Vorteile Nachteile Unterstützerin entscheidet allein, was sie für angemessen hält Unsicherheit des Unterstützers, was von ihm erwartet wird Eventuell höherer Beitrag Gespräch dauert eventuell länger Klare Entscheidungsgrundlage für Spender Eventuell geringere Erhöhung Gespräch ist in der Regel schneller beendet 11.2.6 Checkliste: Einsatzmöglichkeiten des Telefons Tabelle 3 Checkliste: Einsatzmöglichkeiten des Telefons Zielgruppe für Telefon-Fundraising Anlassoptionen Kündiger Rückgewinnung Erstspender, neue Dauerspender, Großspender Dank Mehrfachspender Gewinnung von regelmäßigen Dauerspendern Finanzielle Unterstützer Sonderspenden für Projekte Dauerspender Erhöhung/Upgrade
Bei Anruf Spende 11.3 141 Vorbereitung und Organisation einer Telefon-Fundraising-Aktion Das Telefon soll als Fundraising-Instrument eingesetzt werden, die Zielgruppe ist festgelegt sowie das Ziel der Aktion. Nun sind einige Fragen zu klären und Aktionen zu planen. 11.3.1 Wer führt die Telefonate? Für die Durchführung von Fundraising-Maßnahmen stehen eigene Mitarbeiter, Ehrenamtliche oder eine externe Agentur zur Auswahl. Eine externe Agentur hat folgende Vorteile: ႑Professionelle ausgebildete Kontakter/Agenten. ႑Geschultes Gesprächsverhalten. ႑Flexibler zeitlicher Einsatz (außerhalb der für eine Organisation üblichen Arbeitszeiten). ႑Die Größe des Teams kann der Größe der anzurufenden Zielgruppe angepasst werden (abhängig davon, in welchem Zeitraum die Anrufe erfolgen sollen). Die Vorteile eigener Mitarbeiter sind: ႑Fundiertes Wissen um die Organisation. ႑Enge Verbundenheit mit der Organisation. 11.3.2 Agentur – passende Partner Viele Organisationen arbeiten mit Telefonagenturen zusammen. Es gibt Agenturen, die sich auf die Zusammenarbeit mit gemeinnützigen Organisationen spezialisiert haben. Bei der Auswahl des Partners sind jedoch folgende Punkte zu beachten: ႑Verschaffen Sie sich einen persönlichen Eindruck über die Arbeit vor Ort. ႑Die Agentur sollte zwecks Kontrolle möglichst in der gleichen Stadt sein. ႑Wie wird das Projekt begleitet, gibt es einen persönlichen Ansprechpartner? ႑Wie werden die Kontakter/Agenten vorbereitet? ႑Welche Berichtswege und Auswertungen können geliefert werden? ႑Wie wird die Aktion dokumentiert? ႑Kosten. ႑Referenzen. Es kann sinnvoll sein, die konkrete Zusammenarbeit mit einem kleinen Probeprojekt zu testen.
142 Barbara Drust 11.3.3 Schulung und Briefing Wenn die Entscheidung für die Zusammenarbeit mit einer externen Agentur gefallen ist, müssen deren Mitarbeiter (Kontakter, Agenten) geschult werden. Für die Schulung des Gesprächsverhaltens und das Training der Mitarbeiter ist die Agentur zuständig, das Wissen über die Organisation sollte durch Mitarbeiter der Organisation vermittelt werden. Als positiver Nebeneffekt lernen sich so Mitarbeiterinnen beider Seiten kennen. Die Organisation erfährt, wer die Spender und Unterstützerinnen anrufen wird. Inhalte der Schulungen: ႑Grundsätzliches Wissen rund um die Organisation. ႑Anlass für das Gespräch (Projektbeschreibung etc). ႑Wofür wird das Geld eingesetzt? ႑Argumentationshilfen (basierend auf den Erfahrungen, mit welchen Argumenten und Fragen man im Laufe des Telefonats konfrontiert werden könnte. Notwendig auch für die Frage, warum es sich lohnt, Spender zu werden.) Wichtig ist, dass die Agentur und die Kontakter ausreichend über die Organisation und das Anliegen des Telefonats informiert sind. Trotzdem kann niemand alles wissen, und das versteht auch jeder! Daher ist es gut, schon bei der Vorbereitung der Telefonaktion folgende Punkte zu klären: Wie soll mit den nicht zu beantwortenden Fragen umgegangen werden? Soll in diesen Fällen ein Rückruf durch einen Spezialisten der Organisation angeboten werden? Und wenn ja, wer ist in der Organisation dafür zuständig? In welchem Rhythmus werden diese Anfragen und auf welchem Weg an die zuständige Person weitergeleitet? 11.3.4 Selektion der Zielgruppe und Datenlieferung Für jede Aktion muss die Zielgruppe definiert werden. Welche Kriterien für die Selektion zur Verfügung stehen, ist von den Möglichkeiten des Softwareprogramms (Database) abhängig, das von der Organisation zur Spenderbetreuung und Spendenverwaltung genutzt wird. Wird die Aktion im eigenen Haus durchgeführt, werden die Anrufer wahrscheinlich einen Zugriff auf die Database (Spenderverwaltung) haben. Excel-Listen können dann mit den Identnummern der anzurufenden Personen bereitgestellt werden. Bei der Zusammenarbeit mit einer Telefonagentur sind im Rahmen der Dienstleistungsverträge auch die Fragen des Datenschutzes geregelt worden. Folgende Daten sollten mindestens an die Agentur geliefert werden: ႑Identnummer ႑Vor- und Nachname
Bei Anruf Spende 143 ႑Titel (sofern vorhanden) ႑Anschrift ႑Telefonnummer Optional und abhängig von den Möglichkeiten der Database: ႑Anlass des Adresszugangs/der ersten Spende ႑Dauer der Unterstützung ႑Höhe der letzten Spende ႑Tag der letzten Spende ႑Jahresbeitrag und Rhythmus bei Einzugsermächtigungen 11.3.5 Gesprächsanlass Dank, Umwandlung in regelmäßige Unterstützer, Bindung oder Rückgewinnung sind Anlässe, um Spender zu kontaktieren, wie in den vorherigen Punkten dargestellt. Aber für den konkreten Anruf selbst gibt es einen Grund, der zu formulieren ist und je nach Organisation und deren Arbeitsschwerpunkten individuell zu finden ist. 11.3.6 Gesprächsleitfaden Die Basis für die Telefonate ist ein Gesprächsleitfaden. Der Leitfaden legt den typischen Gesprächsverlauf fest und gibt zumindest bei den ersten Telefonaten den Anrufenden Sicherheit. Die ersten Gespräche sind in der Regel reine Übungsgespräche. Jeder Kontakter findet dabei den für ihn passenden Weg. Es gilt zu beachten, dass der Leitfaden nicht abgelesen wird, weil die angerufene Person das in der Regel bemerkt. Typische Elemente eines Gesprächsleitfadens: ႑Einstieg: ȭ ȭ ȭ Kurzvorstellung Vergewisserung, dass der gewünschte Gesprächspartner am Telefon ist Vergewisserung, dass der Gesprächspartner Zeit hat ႑Anlass des Anrufs ႑Vorschlag für den Spender/die Unterstützerin ႑Treffen einer Vereinbarung ႑Dank
144 Barbara Drust ႑Wiederholung der Vereinbarung ႑Hinweis auf die nächsten Schritte ႑Abschluss Außerdem kann der Gesprächsleitfaden die Einwandbehandlung beinhalten. Es ist sinnvoll, konkrete Argumente für zu erwartende Einwände vorzubereiten, wie zum Beispiel, welche Vorteile eine Einzugsermächtigung für die Organisation (Planungssicherheit), aber auch für den Unterstützer hat (Lastschrift ist widerrufbar). Es bieten sich auch Preisvergleiche an, wenn der Beitrag als zu hoch empfunden wird. 11.3.7 Stolpersteine Auf folgende Punkte ist bei der Planung einer Telefonaktion unbedingt zu achten: ႑GrößeȱderȱZielgruppe. Zwei Faktoren verringern die Zielgruppe: ȭ ȭ Fehlende Telefonnummern (ca. 20 Prozent) Erreichbarkeit (ca. 60 bis 80 Prozent) ႑MangelndeȱAnzahlȱderȱKontakter: Sind ausreichend Kontakter geschult, damit Pausen im Einsatz möglich sind? Wer täglich die gleiche Zielgruppe mit dem gleichen Anlass anruft, wird aufgrund der Monotonie schnell müde. Sind ausreichend Kontakter geschult, um die Anzahl in der geplanten Zeit zu erreichen? ႑Anrufintensität: Zahl der Anrufversuche, bis eine Adresse ausgesteuert wird. (Wie oft versucht wird eine Adresse zu erreichen, ist Absprachesache mit der Telefonagentur. Je mehr Kontaktversuche vereinbart werden, desto teurer wird in der Regel der Preis für den erfolgreichen Nettokontakt.) Es empfiehlt sich, den Vertrag so aushandeln, dass nur Nettokontakte bezahlt werden und keine Kontaktversuche. Wichtig ist dabei zu definieren, was ein Nettokontakt ist. 11.4 Das Telefonat Für alle Telefonate gilt, dass der Anrufer um Hilfe und Unterstützung bittet und dabei eine Organisation vertritt. Er trifft auf Menschen, die nicht vorbereitet sind. 11.4.1 Regeln für das Telefonat Die Kommunikation am Telefon folgt einfachen Regeln: Langsames und verständliches Sprechen mit den unerlässlichen Informationen: Absender und Anliegen. Während in einem persönlichen Gespräch auch Blickkontakt und Geruchsinn miteinbezogen werden, reduziert sich die Kommunikation am Telefon auf das Gehör und die
Bei Anruf Spende 145 Sprache. Entscheidend ist daher, was gesagt und wie es gesagt wird. Wie wird zugehört und mit dem Gesagten umgegangen? Zu vermeiden sind die sogenannten Beziehungskiller. Die folgende Checkliste ist für das Führen eines Telefonats hilfreich: Checkliste Regeln für das Telefonat Beziehungskiller Beziehungsförderer Falscher/kein Name Personalisierte Namen Das geht nie (nicht) Lassen Sie uns überlegen, wie wir das lösen Aber ... Und ... Da täuschen Sie sich aber! Könnte es sein, dass ...? Das ist doch völlig unmöglich. Sie überraschen mich. Sie müssen doch einsehen, dass … Können Sie sich vorstellen, dass … Wir bieten ... Sie erhalten ... Ich bin überzeugt von … Wollen Sie sich überzeugen ... Ich erkläre Ihnen jetzt ... Sie erfahren ... Das weiß ich nicht. Einen Moment, ich informiere mich für Sie. Dazu arbeiten wir nicht. Wenden Sie sich an ... 11.4.2 Anrede mit richtigem Reklamationen Alle Erfahrungen haben gezeigt, dass ein Teil der angerufenen Personen sich bei der Organisation meldet: ႑Weil sie nachfragen, ob der Anruf seine Richtigkeit hat. ႑Weil sie ihre Entscheidung zurücknehmen wollen. ႑Weil sie sich beschweren wollen.
146 Barbara Drust Wichtig ist, dass der Umgang mit diesen Rückmeldungen organisiert ist. Alle Kollegen, die in der Organisation für den Kontakt zu den Spendern und Unterstützern zuständig sind, müssen genauso wie die Kolleginnen am Telefon über die Telefonaktion informiert sein. Bei der Zusammenarbeit mit einer Agentur ist es hilfreich, die Namensliste der Kontakter in der Organisation bekannt zu geben. In einer zentralen Anlaufstelle sollten alle Rückmeldungen gesammelt und die Reklamationen ins Verhältnis zu den vorgenommenen Anrufen gesetzt werden. Es muss kontrolliert werden, ob sich Beschwerden bei bestimmten Personen in der Agentur häufen – mit der Konsequenz, diese auszutauschen. Für die Mitarbeiter, die die Reklamationen melden, ist es wichtig, ein Feedback darüber zu erhalten, wie die Agentur die Beschwerde bewertet und welche Folgen sich daraus ergeben haben. 11.4.3 Qualitätskontrolle Ein wichtiges Instrument der Qualitätskontrolle ist die Verfolgung der Reklamationen. Die Agentur sollte dokumentieren, wer, wann (Datum/Uhrzeit, Gesprächsdauer) welches Gespräch geführt hat, damit die Reklamationen auf den verantwortlichen Kontakt zurückgeführt werden können. Außerdem sind regelmäßige Besuche bei der Agentur sinnvoll, um den direkten Kontakt zu haben und beispielsweise bei den Gesprächen mitzuhören. Alternativ können stichprobenartig Spender und Unterstützerinnen angerufen und nach dem Verlauf des Gesprächs gefragt und so die Zufriedenheit überprüft werden. Zusätzlich kann in den Bestätigungsbriefen eine spezielle Durchwahl angeben werden, um mögliche Rückmeldungen zu zentralisieren. 11.5 Die Folgeaktivitäten Nach dem geführten Telefongespräch erfolgt die Umsetzung der im Telefonat getroffenen Vereinbarungen. Das sind einmal die Vereinbarungen zur Unterstützung, die zeitnah in die Database eingepflegt und immer mit einem Bestätigungsschreiben bestätigt werden sollten. Außerdem gilt es, die im Gespräch getroffenen Vereinbarungen zeitnah umzusetzen. Beispiele: ႑Änderungen, die im Telefonat mitgeteilt werden: ȭ ȭ ȭ ȭ Namensschreibweise Namensergänzungen Adresskorrekturen Änderung der Bankverbindung
Bei Anruf Spende 147 ႑Wünsche bezüglich des Kontakts: ȭ ȭ ȭ ȭ Hinweis auf fehlende Spenderbescheinigung Reduzierung der Aktionsbriefe Abbestellung der Spendenaufforderungen Abbestellung der Mitgliederzeitschrift ႑Aussendungen: ȭ ȭ Broschürenversand Rückruf eines Experten ႑Zusendung einer Zahlkarte Alle diese Folgeaktivitäten müssen organisiert werden! 11.6 Auswertung der Fundraising-Aktion Spätestens nach dem Abschluss der Telefon-Fundraising-Aktion muss die finanzielle Seite ausgewertet werden. Wann sich eine Aktion für die Organisation finanziell rechnet, hängt davon ab, welche Regeln es organisationsintern dafür gibt. Die folgende Beispielrechnung zeigt, worauf zu achten ist. Die Zielgruppe weist 1.000 Spender-Adressen auf, wovon 80 Prozent mit einer Telefonnummer versehen sind (800). Bei einer Erreichbarkeit von 60 Prozent werden davon 480 erreicht. Das sind 480 Nettokontakte. Wenn der Preis pro Nettokontakt 10 Euro beträgt, liegen die Kosten für die Aktion bei 4 800 Euro. Nicht berücksichtigt sind hierbei die Kosten für die Folgeaktivitäten. Wenn man von einer Durchschnittsspende in Höhe von 100 Euro ausgeht, wird eine Responsequote von zehn Prozent benötigt, um kostendeckend zu arbeiten.ȱ Tabelle 4 Beispiel Responsequote Response in % Anzahl Reagierer Einnahmen 5% 24 2.400 Euro 10% 48 4.800 Euro 15% 72 7.200 Euro 20% 96 9.600 Euro
148 Barbara Drust Was realistisch zu erreichen ist, hängt von der Organisation, dem Gesprächsanlass, der Zielgruppe und natürlich der allgemeinen wirtschaftlichen Situation ab. Es ist empfehlenswert, die Auswertung in jedem Fall auch mithilfe der eigenen Database durchzuführen und sich nicht nur auf die Auswertungen der Agenturen zu verlassen. Die Agentur wertet die Aktion auf Basis der im Telefonat getroffenen Vereinbarungen aus, was davon tatsächlich eingelöst wird, zeigt sich erst später und kann durchaus von dem im Gespräch versprochenen Ergebnis abweichen. Erfahrungsgemäß widerrufen einige Spender ihre Zusage am Folgetag, nach Erhalt des Bestätigungsbriefes oder nach Abbuchung der Spende. Eine realistische Auswertung kann nur der eigene Datenbestand liefern. 11.7 Abschlussgespräch mit der Agentur Am Ende der Telefon-Fundraising-Aktion sollte ein Abschlussgespräch mit der Agentur stehen. Das ist der Zeitpunkt für gegenseitiges Feedback und Vereinbarungen für zukünftige Zusammenarbeit. Außerdem macht eine Dokumentation der Aktion Sinn (Definition der Zielgruppe und Größe, Erreichbarkeit, finanzielle Response, Reklamationsquote und so weiter), so steht eine Basis für Folgeaktivitäten oder spätere Projekte zur Verfügung. 11.8 Fazit Telefon-Fundraising ist ein sehr gutes Fundraising-Instrument, da in einem persönlichen Gespräch auf die individuellen Fragen und Wünsche der Person eingegangen werden kann, die Organisation sofort ein Feedback erhält und ein Gesprächsleitfaden aufgrund der jeweiligen Ergebnisse und Erfahrungen schnell angepasst werden kann. Eine sorgfältige Vorbereitung und Begleitung jeder Telefonaktion ist unabdingbar notwendig, denn ein schlecht geführtes Gespräch mit der falschen Person zu einem nicht angemessenen Anlass wird viel öfter weiter erzählt als eine gelungene Briefzustellung. Der Imageschaden für die Organisation ist damit sehr viel höher. Greifen Sie zur Übung einfach zum Hörer und führen Sie ein paar Gespräche. Sie werden überrascht sein, wie erfreut die Spender auf den Anruf reagieren!
 Mailings 12 149 Mailings HansȬJosefȱHönigȱ Mailings sind nach wie vor das Fundraising-Instrument Nummer Eins. Nach dem Spendenmonitor Dezember 2009 werden im Fundraising über 35 Prozent der Gesamteinnahmen über Mailings generiert. An zweiter Stelle liegen die Kollekten mit circa 15 Prozent. Dies dokumentiert deutlich den Stellenwert, den Spendenbriefe auch heute noch im Fundraising einnehmen. Selbst im Mutterland des Fundraisings, den USA, wird derzeit noch der größte Teil der Einnahmen über Mailings generiert. Für die Durchführung einer optimalen Spendenaktion mittels Direct Mail sind jedoch eine Vielzahl von Teilproblemen zu lösen. Bereits 1987 tauchen in der amerikanischen Fundraising-Literatur folgende treffende Formulierungen auf: ႑The right people (Non-Profit-Organisation) ႑ask the right prospects ႑with the right project ႑for the right amount ႑in the right way ႑at the right time ႑with the right follow up Diese Aussagen sind heute aktueller denn je, denn der Wettbewerb auf dem Spendenmarkt zwingt die Fundraiser zu differenzierter Vorgehensweise. 12.1 Zielsetzung Zu Beginn eines Mailings steht die Zielsetzung, die mit dem Einsatz des Mailings als Fundraising-Instrument verfolgt wird. In der Regel geht es um die Erzielung von Einnahmen. Grundsätzlich gibt es drei Möglichkeiten, die Einnahmen einer Non-ProfitOrganisation per Spendenmailing zu erhöhen: ႑Gewinnung neuer Spender und Reaktivierung von verloren gegangenen Spendern ႑Erzielung von Mehreinnahmen durch die Erhöhung der Spendenfrequenz pro Spender (Frequency) ႑Erzielung von Mehreinnahmen durch die Erhöhung der Durchschnittsspende pro Spender
150 Hans-Josef Hönig Zur optimalen Umsetzung der Zielsetzung sind folgende Kriterien maßgeblich: ႑KenntnisȱderȱSpender:ȱJe besser der Fundraiser seine Spender kennt, desto größer wird sein Erfolg sein. Kennt der Fundraiser Motivationen, Projektvorlieben, Spendenverhalten und Interessen seiner Spender, kann er seine Mailings speziell darauf abstimmen. Damit erhöht er die Unterstützungsbereitschaft der bestehenden Spender und erzielt auch höhere Einzelspenden. Diese Informationen helfen natürlich auch bei der Gewinnung von neuen Spendern. Spendenmailing an Personen mit ähnlichen Interessen, Livestyle et cetera sind Erfolg versprechender. ႑KenntnisȱderȱOrganisationȱundȱderȱProjekte:ȱVoraussetzung ist, dass der Fundraiser so- wohl die Organisation als auch die zu bewerbenden Projekte sehr gut kennt und sich mit ihnen identifiziert. Nur dann ist er auch in der Lage, diese optimal anzubieten. ႑KenntnisȱdesȱFundraisiniInstrumentsȱMailing: Grundvoraussetzung sind umfassende Kenntnisse des Kommunikationskanals Spendenbrief. Dies beginnt bei der Gestaltung der Briefhülle über Brief und Flyer bis hin zu den Produktionsmethoden. Ziel ist letztlich, das richtige Mailing für die richtige Zielgruppe zu finden. 12.2 Mailingkonzeption Bei der Mailingkonzeption sind ebenfalls eine Reihe von gestalterischen Überlegungen zu treffen: Wie soll die Briefhülle aussehen, wie wird frankiert, soll zusätzlich um Patenschaften geworben werden? Wird ein Flyer beigelegt oder nur ein doppelseitiger Brief? Werden zusätzlich Incentives beigelegt, zum Beispiel Adressaufkleber? Wichtig sind bei einem Mailing die ersten zehn Sekunden. Nur wenn der Umschlag Aufmerksamkeit erzeugt, wird der Brief geöffnet. Die NPO kann sich dabei durch eine ansprechende Aufmachung zu erkennen geben oder ein Thema in den Vordergrund stellen, um die Neugierde des Empfängers zu wecken. Bei der Gestaltung eines Umschlags kann der Leser mit einem schlagkräftigen Satz (Teaser), durch ein Foto oder eine Zeichnung oder durch die Abbildung eines beigelegten Geschenks neugierig gemacht werden. Ob und wie derartige gestalterische Mittel wirken, kann mittels Tests herausgefunden werden. Der Brief ist der Teil des Mailings, der Emotionen, aber auch Inhalte vermitteln soll. Er hat eine zentrale Funktion inne. Der beigefügte Prospekt bietet die Möglichkeit, über die Organisation mit ihren Zielen und Aufgaben oder über ein bestimmtes Projekt zu informieren. Er sollte durch gute Beispiele der Arbeit und gutes Bildmaterial überzeugen. Ferner sollte er handlich und das Layout lesefreundlich sein. Insgesamt sind für den Erfolg eines Mailings zu ႑45 Prozent die richtige Zielgruppe, ႑15 Prozent Text und Layout,
Mailings 151 ႑20 Prozent das Projekt und ႑zu 20 Prozent der Bekanntheitsgrad einer Organisation verantwortlich. Dabei hat die Wahl der richtigen Zielgruppe eine Schlüsselfunktion inne, denn Text und Layout sowie auch die Wahl des zu bewerbenden Projektes richten sich letztlich nach der Zielgruppe. 12.3 Einsatz der eigenen Spender für ein Spendenmailing – Hauslistenmailing Die üblichen Mailings einer Non-Profit-Organisation sind sogenannte Hauslistenmailings, das heißt Spenderinnen aus dem Spenderbestand einer NPO werden mit der Bitte um eine Spende angeschrieben. Dabei stellen sich in der Regel folgende Fragen: ႑Wann soll ich meine Spender anschreiben? ႑Wie oft kann ich meine Spender anschreiben? ႑Wer soll angeschrieben werden? Es gibt Termine, die im Mailingbereich einfach gesetzt sind. Dies sind im Januar der „Spenderdank“ (Versand der Zuwendungsbestätigungen mit einer Spendenbitte gekoppelt) und im November/Dezember das Weihnachtsmailing. Weitere Termine unterliegen der Einschätzung des Fundraisers. Aufgrund der Erfahrungen des Autors sind sechs bis acht Mailingtermine im Jahr als Standard anzusehen. Schwieriger ist die Antwort auf die Frage, wer angeschrieben werden soll. Da mit dem Mailing ein möglichst hoher Ertrag für das beworbene Projekt erzielt werden soll, sollten nur die SpenderInnen angeschrieben werden, die mit hoher Wahrscheinlichkeit spenden. Dies führt automatisch zum Thema der Spenderselektionen. 12.4 Selektionen In der Beratungspraxis treffen wir immer noch auf Mailingselektionen, die die gesamte Hausliste umfassen. Diese sehr grobe Form der Segmentierung erschwert bzw. macht es nahezu unmöglich, direkt schon aus den Mailingergebnissen mehr über die Spenderinnen und Spender zu erfahren. Hinzu kommt, dass in diesem Fall keine Kostenoptimierung hinsichtlich der Auflagenhöhe möglich ist. Doch gibt es überhaupt einfache Methoden der Selektion, die es ermöglichen, anhand der Mailingergebnisse die Spender besser und differenzierter kennen zu lernen?
152 Hans-Josef Hönig Am häufigsten verbreitet ist das Recency-Monetary-Schema (Wann hat jemand zuletzt gespendet und wie viel kumuliert in einem bestimmten Zeitraum?). Neuspender und Lastschriftspender werden in diesem Falle separat selektiert. Eine entsprechende Mailingselektion sieht dann wie in Tabelle 1 dargestellt aus: Tabelle 1 Mailingselektion nach dem Recency-Monetary-Schema Spendergruppe Auflagenhöhe Neuspender 2009 2.000 Lastschriftspender 1.000 Letzte Spende <=12 Monate und >250 € 2.050 Letzte Spende <=12 Monate und <=250 € >50 € 4.800 Letzte Spende <=12 Monate und <=50 € 6.250 Gesamtauflage: 16.100 Solch eine Segmentierung bietet natürlich auch die Möglichkeit, Adressgruppen mit zielgruppenspezifischen Briefen anzuschreiben. Die Brieftexte könnten jeweils nach Spendenhöhe und/oder nach Aktivitätsgrad der SpenderInnen differenziert werden. Weitere Selektionskriterien könnten beispielsweise Alter oder Themenaffinität sein. Diese Kriterien würden, zusätzlich angewandt, die einzelnen Zielgruppen besser beschreiben und damit eine zielgruppengenauere Gestaltung des Mailings ermöglichen. Die Schwäche des RM-Schemas liegt darin, dass hier keinerlei Rücksicht auf die Spendenmotive der Spenderinnen genommen wird. Haben beispielsweise zwei Spenderinnen in den letzen zwölf Monaten jeweils zum gleichen Zeitpunkt vier mal 100 Euro gespendet, so landen sie per Selektion in der Gruppe „Letzte Spende <= 12 Monate und > 250 Euro“. Person A hat in den letzten zwölf Monaten jedoch sechs Spendenaufrufe erhalten und Person B nur einen Spendenaufruf. Obwohl die Spendenmotive (offensichtlich haben im Falle der Person A sechs Spendenaufrufe die vier Spenden verursacht) erheblich voneinander abweichen, landen jedoch beide Spenderinnen aufgrund des RM-Schemas in der gleichen Zielgruppe. Folglich werden sie fälschlicherweise mit dem gleichen Brieftext angeschrieben. Da das RM-Schema sehr weit verbreitet ist, sollte man sich der Schwächen des Selektionsschemas bewusst sein, wenn man es einsetzt. Derartig Zuordungsfehler zu bestimmten Gruppen werden durch Scoringmodelle vermieden: Denn Scoringmodelle berücksichtigen eine Vielzahl von Variablen und nicht nur zwei Variablen (Wann zuletzt wie viel gespendet?). Scoringmodelle sind jedoch nicht einfach zu
Mailings 153 handhaben und erfordern zusätzlich das Vorhandensein entsprechender Statistiksoftware. Hinzu kommt, dass Ergebnisse aufgrund von Scoringmodellen schwerer nachvollziehbar sind. 12.5 Werbecodevergabe Nach der Festlegung der Selektionskriterien stellt sich die Frage, wie die Mailingergebnisse der selektierten Gruppen ausgewertet werden können. Dies ist nur möglich, wenn bei der gebuchten Spende vermerkt wird, um welches Mailing und um welche angeschriebene Gruppe es sich handelt. Das für diesen Zweck verwendete „Kennzeichen“ wird als Werbecode oder auch Mediacode bezeichnet. Als Werbecode bezeichnet man bei älteren Softwareprodukten eine von der Organisation vergebene Zahlen- oder Buchstabenkombination. Dabei ist es wichtig, eine Systematik für den Aufbau des Werbecodes zu entwickeln. Der Werbecode wird bei der Buchung der Spende erfasst. Anschließend sind verschiedene Auswertungen möglich wie beispielsweise auf welches Instrument die SpenderInnen wann welchen Betrag gegeben haben. Folgendes Beispiel stellt die Zusammensetzung eines Werbecodes dar (siehe Tabelle 2) Tabelle 2 Zusammensetzung von Werbecodes Ein Werbecode gemäß der Tabelle könnte wie folgt aussehen: 11901109 Dieser Werbecode sagt Folgendes aus: ႑Es handelt sich um ein Mailing. ႑Die Hausliste wurde angeschrieben. ႑Es wurde der Mailingstandardtext verwendet.
154 Hans-Josef Hönig ႑Es handelt sich um die Gruppe „letzte Spende liegt <12 Monate zurück. ႑Es ist das erste Mailing in diesem Jahr. ႑Es handelt sich um das Jahr 2009. Ein zweiter Werbecode könnte wie folgt aussehen: 11702109. Im Unterschied zum ersten Werbecode handelt es sich hier um die Dauerspender, die einen anderen Brieftext erhalten. Beide Werbecodes werden zu einer Aktion = Mailing zusammengefasst. In der Mailingstatistik erscheinen demnach zwei Zielgruppen, je Werbecode eine Zielgruppe. Neue Softwareprodukte verwenden keinen „sprechenden Schlüssel“, wie zum Beispiel den Werbecode 11702109, mehr als Werbecode. Hier wird der Werbecode automatisch aufsteigend numerisch von der Software vergeben. Den Werbecode selbst kann man sich als eigene „kleine Datenbank“ vorstellen, in der eine Vielzahl von Informationen, oftmals über 20, zum Mailing abgelegt werden. Entsprechend vielfältig sind demnach auch die Analysemöglichkeiten. Beispielsweise könnte man auswerten, ob bestimmte SpenderInnen ein Themenaffinität aufweisen oder ob bestimmte Texter erfolgreicher sind. 12.6 Datenexport für Dienstleister (Laserprint, Lettershop) Die für das Mailing vorgesehenen Daten müssen aus dem operativen System exportiert und zum Dienstleister transportiert werden. Dabei stellen sich die folgenden Fragen: Welche Felder müssen exportiert werden, wie werden die Pools mit den unterschiedlichen Werbecodes getrennt und in welchem Format sollten die Daten geliefert werden? Für die Beschriftung des Briefes sind alle Felder einer Adresse sowie die Briefanrede erforderlich. Bei der Zahlscheinbeschriftung werden zusätzlich Werbecode und Spendernummer (auch Spender-ID bezeichnet) benötigt. Werbecode und Spendernummer werden in der ersten Zeile der beiden Verwendungszweckfelder des Zahlscheines eingedruckt. Damit wird sichergestellt, dass bei Verwendung dieses Zahlscheines diese Daten mit der Spendengutschrift von der Hausbank der NPO geliefert werden. Die Daten können dann in die Spendensoftware eingelesen und automatisch den SpenderInnen zugeordnet werden. Sinnvoll ist, wenn bei der Lieferung der Daten an den Dienstleister jeder Datensatz, der unter anderem die Spender-ID enthält, auch den Werbecode enthält. Die üblichen Formate sind CLV, TXT oder XML. Kleine Organisationen arbeiten häufig auch mit XLS, dem Excel-Format. Hier ist Vorsicht geboten, da führende Nullen unter Umständen verschwinden, falls die Formatierung der jeweiligen Spalte nicht korrekt ist. Einige Dienstleister arbeiten noch mit dem DBF-Format, da dieses eine feste Satzlänge aufweist. Beim Export der Daten sollte in einem Arbeitsschritt hinterlegt werden, welche Spenderinnen mit diesem Mailing angeschrieben werden. Zu diesem Zweck empfiehlt sich, diese Informationen in ein sogenanntes Kontaktmanagement zu hinterlegen. Dies ist sehr wichtig, denn sonst können nur die Reaktionen, das heißt, Spenden und Spenderinnen, ausge-
Mailings 155 wertet werden. Es ist jedoch ebenso wichtig, zu wissen, wer wie häufig und mit welchem Thema angeschrieben wurde und beispielsweise nicht reagiert hat. 12.7 Gewinnung neuer Spender – Fremdlistenmailing Jede Organisation lebt von ihrer Spenderliste (Hausliste). Je mehr Spenderinnen in der Hausliste sind, desto höher wird auch das Spendenaufkommen sein. Zusätzlich können aus der Hausliste Dauerspender, Großspender und Erblasser gewonnen werden. Doch eine Spenderliste ist nicht statisch. Spender sterben, ziehen um oder verweigern weitere Unterstützung (Attritionsrate). Daher gilt allgemein: Eine Spenderliste, die nicht vergrößert bzw. deren Abgänge nicht kompensiert werden, wird sich im Laufe der Zeit verkleinern und damit auch zu sinkenden Einnahmen führen. Folglich sind zu Beginn einer Neuspenderkampagne folgende Fragestellungen wichtig: ႑Wie viele Spender möchte ich am Ende des Haushaltsjahres haben? ႑Wie hoch ist meine Attritionsrate? ႑Wie viele Neuspender möchte ich am Ende des Haushaltsjahres haben? ႑Welches Budget benötige ich, um meine Ziele zu erreichen? Zur Festlegung des erforderlichen Budgets muss der Fundraiser wissen, wie viel er für einen neuen Spender investieren kann. Folglich benötigt er Informationen über den Wert der SpenderInnen. Daher sollte er über folgende Informationen verfügen: ႑Wie oft spendet ein Spender durchschnittlich pro Haushaltsjahr (Frequency)? ႑Wie viel spendet ein Spender durchschnittlich pro Haushaltsjahr (Monetary Value)? ႑Wie lange bleibt ein Spender durchschnittlich der Organisation treu? ႑Wie lange liegt die letzte Spende pro Spender zurück (Recency)? ႑Wie viel kostet durchschnittlich ein Mailing an die Hausliste pro Spender? ႑Wie oft wird ein Spender durchschnittlich in seinem Lebenszyklus angeschrieben? Je länger Spender einer Organisation treu bleiben und je höher ihre Durchschnittsspende und Spendenfrequenz sind, desto höher ist der Wert des Spenders. Analog sinken dann die anteiligen Fundraising-Kosten (insbesondere die hohen Neuspendergewinnungskosten). Die Formel zur Ermittlung des Wertes pro Spender lautet:
156 Hans-Josef Hönig Wert des Spenders = (jährliche Durchschnittsspende * Anzahl jährlicher Spenden) * durchschnittliche Verweildauer Für den Fundraiser stellt sich die Frage: Wie viel soll nun konkret für einen Neuspender ausgegeben werden? Zur Beantwortung dieser Frage werden in der Praxis der „Break-Even-Point“ und/oder das „Investitionsschema“ herangezogen. 12.7.1 Break-Even-Point Der Break-Even-Point bezeichnet die Gewinnschwelle, den Punkt, an dem Erlös und Kosten eines Mailings gleich hoch sind. Wird die Gewinnschwelle überschritten, erzielt die NPO mit dem Mailing Nettoerlöse. Wird die Gewinnschwelle unterschritten, macht die NPO mit dem Mailing Verluste: Die erzielten Einnahmen liegen unter den Mailingkosten. Die Anwendung des Break-Even-Points besagt, dass die Kosten eines Neuspendermailings durch die mit diesem Mailing erzielten Spendeneinnahmen gedeckt werden. Dies dürfte heutzutage nur noch wenigen Organisationen in Deutschland gelingen. Die Schwäche des Break-Even-Points liegt darin, dass er nur eine Zeitpunktbetrachtung darstellt. Folgespenden, wie zum Beispiel die Erzielung einer Zweitspende, werden nicht berücksichtigt. Aus diesem Grund dürfte der Break-Even-Point künftig keine bedeutende Rolle spielen. 12.7.2 Investitionsschema Das Investitionsschema geht von einer längerfristigen Betrachtungsweise aus. Es wird als Investition betrachtet, einen guten und dauerhaften Spender zu finden. Die Investition in die Gewinnung von neuen Spendern muss sich nach einer vorher geplanten Zeit amortisiert haben. Dabei kann selbstverständlich nur von Spendeneinnahmen ausgegangen werden, spätere mögliche Erbschaften oder Zustiftungen usw. werden beim Investitionskonzept nicht berücksichtigt. Gemäß dem Investitionskonzept legt der Fundraiser jährlich einen Investitionsplan vor, aus dem hervorgeht, wie viele Neuspender geworben werden und bis wann sich diese Kosten amortisiert haben. Die NPO stellt daraufhin ein bestimmtes Budget zur Neuspendergewinnung zur Verfügung. Die Kosten der gewonnen Neuspender lassen sich leicht ermitteln: Kosten pro Neuspender = (Spendeneinnahmen – Neuspendermailingkosten)/Anzahl Neuspender
Mailings 157 12.8 Adressauswahl und Mailingkonzeption 12.8.1 Adressauswahl Die häufigste Frage, die sich Fundraiser vor dem Einsatz von Fremdadressen stellen, ist die Frage nach der richtigen Auswahl der Erfolg versprechendsten Adressen. Weit verbreitet ist die einfachste Methode: Man überlässt dem Listbroker die Auswahl und Vorentscheidung. Generell lassen sich Fremdadressenpotenziale in Haushalts- und Postkäuferlisten unterscheiden. Die Haushaltsliste besteht aus den circa 32 Millionen Haushalten in Deutschland. Sie kann mit einer Reihe von Merkmalen angereichert werden. Postkäufer sind Personen, die per Brief, Telefon oder Internet bestellen und kaufen. Hinzu kommen noch Sonderlisten aufgrund von Befragungen oder sonstigen Erhebungen. Auch Postkäuferlisten und sonstige Listen können durch weitere Merkmale angereichert werden. Der Listbroker schlägt entsprechende Listen aufgrund des Tätigkeitsfeldes und -radius der Organisation vor. Hier kommt erstmalig die Datenanalyse zum Zug. Können bei der Auswahl von Fremdlisten noch weitere Kriterien hinzugezogen werden, die einen höheren Return on Investment (ROI) versprechen? Wie sieht beispielsweise das Profil eines typischen Spenders der betreffenden Non-Profit-Organisation aus? Können aus den vorhandenen Daten Erkenntnisse gewonnen werden, die es erlauben, den möglichen Fremdadressenpool Erfolg versprechend zu qualifizieren? Typische Analysekriterien sind Geschlecht, PLZ-Bereich, Alter, Durchschnittsspende, Spendenhäufigkeit, Themenabhängigkeit und mögliche Jahreszeitenabhängigkeit. Die ermittelten Kriterien dienen bei der Anmietung des Fremdadresspools als Filter, um so die Zielgruppe einzugrenzen. Hinzu kommt jedoch, dass vermieden werden muss, Adressen zu mieten, die sich bereits im Besitz der Organisation befinden. Folglich muss vor Einsatz der Fremdadressen ein Dublettenabgleich mit dem Eigenbestand der Organisation erfolgen. Dazu liefert die Organisation dem Dienstleister ihre Adressen. Dies kann in einem verkürzten „Matchcode“ erfolgen. Ein Matchcode kann sich beispielsweise wie folgt zusammensetzen: erster Buchstabe Vorname, Nachname, PLZ, erster Buchstabe Ort, die ersten drei Buchstaben Straße und Hausnummer. Alternativ kann die Organisation auch die komplette Adresse zum Abgleich liefern. Ferner sollten Abgleiche mit den sogenannten Nixi-Pools von Adressverlagen erfolgen. Sie enthalten Werbeverweigerer, die Robinson-Liste oder Risikoanschriften von Bestellern mit schlechter Bonität. Die einzelnen Adresslisten werden analog den Zielgruppen der Hausliste ebenfalls mit einem Werbecode versehen. Werbecodes werden pro Adresspool und eventuell Mailingvariante vergeben und auf dem Überweisungsträger zusätzlich angebracht (im Verwendungszweckfeld). Die Werbecodes sind in der Spendensoftware hinterlegt und sollten folgende Informationen enthalten: Listbroker, Mailingagentur, Grafiker, Texter, PDF des Mailings, Textdatei, Listenbezeichnung, Auflagenhöhe, Kosten, eventuell Plandaten. Somit sind detaillierte Analysen möglich.
158 Hans-Josef Hönig Wie kommen nun die neu gewonnenen Spenderinnen sowie deren Spenden in unsere Database? Hier sind zwei alternative Vorgehensweisen üblich. Der Listbroker erhält den Datenfile der Bank mit den Spenden, fügt die entsprechende Adresse an die jeweilige Spende an und liefert diese Informationen an die Organisation. Der zweite Fall ist für die Organisation praktikabler. Die Organisation erhält die Fremdadressen und importiert diese als „Zukaufdatei“ in ihre Spendensoftware. Beim Import erhält dieser Bestand separate Adressnummern. Die Adressen werden mit diesen Nummern exportiert und dem Dienstleister zur Laserbeschriftung, Kuvertieren und Postaufliefern übergeben. Die Bank liefert in diesem Fall den Datenfile mit den Spendeneingängen direkt an die Non-ProfitOrganisation. Beim Spendeneingang kann die Software aufgrund der Nummern erkennen, dass die jeweilige Spende zum Fremdadressenpool gehört und die SpenderIn mit der Zahlung aus der „Zukaufdatei“ in den Originalbestand der Organisation übernehmen. 12.9 Controlling Viele Fundraiser investieren in die Vorbereitung und Kreation eines Spendenmailings nahezu 90 Prozent ihrer Energie. Wenn es jedoch um die Auswertung der Mailingergebnisse geht, tun sich oft Abgründe auf. Doch gerade die Auswertung gelaufener Mailings ist sehr wichtig, können wir doch aus den Ergebnissen und Erfahrungen lernen, um künftige Aktionen zu verbessern. 12.9.1 Mailingstatistik Eine Basisauswertung, die jede NPO durchführen muss, ist die sogenannte Mailingstatistik. Sie gibt Auskunft über den Erfolg eines Mailings. Tabelle 3 Erfolgskontrolle mithilfe der Mailingstatistik
Mailings 159 Die obige Statistik (siehe Tabelle 3) wurde drei Monate nach Postlauslieferung des Mailings erstellt. Dieser Zeitraum gewährleistet, dass über 90 Prozent der Spenden für das Mailing eingegangen sind. Nach etwa zehn bis zwölf Tagen sind bei vielen Organisation bereits ca. 50 Prozent der Spenden eingegangen (Ausnahme: Katastrophenfälle). Ab dem ersten Spendeneingang auf ein Mailing sollte der Fundraiser die Mailingstatistik täglich erstellen, um den Erfolg der Aktion überwachen zu können. Unter Spendergruppe sind die Adressen gemäß RM-Selektion aufgeführt. In der ersten Spalte steht deren Auflagenhöhe. Es folgen Bruttoerlös (Spendeneingang), Mailingkosten (ohne interne Kosten) und der Nettoerlös als Differenz zwischen Bruttoerlös und Kosten. Die Responsequote (Spender/Auflagenhöhe) gibt an, wie viel Prozent der eingesetzten Adressen gespendet haben. Die Durchschnittsspende (Bruttoerlös/Spenderanzahl) weist aus, wie viel die Neuspender durchschnittlich gespendet haben. Der Return on Investment (Bruttoerlös/Kosten) weist aus, wie hoch das Spendenaufkommen beim Einsatz eines Euro ist. Der Erlös pro angeschriebener Adresse kann hilfreich sein, wenn die Kosten nicht vollständig sind oder wenn ein Vergleich mit vergangenen Aktionen erfolgt, bei denen jedoch die Kosten fehlen. 12.9.2 Haltbarkeitsanalyse Im Aufbau langfristiger Spenderbeziehungen sind nicht die Erstspenden, sondern die Folgespenden entscheidend. Eine erneute Spende hängt maßgeblich von der Zufriedenheit der Spender mit dem ersten Spendenvorgang ab. Daher sind Maßnahmen zur Spenderbindung wichtig. In Abbildung 1 wird von einem Spenderbestand in Höhe von 1.000 Spenderinnen ausgegangen. Organisation A gewinnt jährlich zehn Prozent neue Spenderinnen und verliert nur 5 Prozent. Organisation B gewinnt jährlich zehn Prozent neue Spenderinnen und verliert ebenfalls zehn Prozent. In fünf Jahren wächst die Organisation A um 20 Prozent gegenüber Organisation B und dies bei lediglich fünf Prozent besserer Spenderbindung. Dieses Beispiel verdeutlicht, dass es bei der Neuspendergewinnung nicht ausreicht, nur die Mailingstatistik zur Analyse heranzuziehen. Ein ganz entscheidender Faktor ist das Folgeverhalten von Neuspendern, mit anderen Worten: Tätigen die Neuspender eine Zweitspende, Drittspende und weitere Folgespenden?
160 Abbildung 1 Hans-Josef Hönig Spendengewinnung und -bindung Die Haltbarkeitsanalyse des Neuspendermailings zeigt deutlich, dass im vorliegenden Fall erst nach sechs Folgemailings die Kostendeckung erreicht wurde. Im vorliegenden Fall wurde bei den Folgemailings nur die Teilauflage der gewonnenen Neuspender berücksichtigt (2.000 Neuspender). Tabelle 4 Haltbarkeitsanalyse Der kumulierte ROI für das zweite Folgemailing berechnet sich beispielsweise wie folgt: kumulierter ROI = (50.000+5.000+4.500)/(70.000+1.400+1.400)
Mailings 161 Diese Haltbarkeitsanalyse muss für alle eingesetzten Adresspools durchgeführt werden. Häufig wird man feststellen, dass nicht immer der Adresspool mit dem höchsten ROI auch mittelfristig der beste Pool ist. Die beiden genannten Analysen reichen völlig aus, um ein entsprechendes Controlling der der Hausliste sowie der Fremdadressenmailings durchzuführen. 12.10 Trends Derzeit versuchen wir Mailings nach allen möglichen Kriterien zu optimieren, von Grundsätzen wie AIDA bis hin zum Lesefluss per Augenkamera. Anschließend erhält die 20jährige Spenderin das gleiche Mailing wie der 80-jährige Spender. Wir haben eines jedoch völlig außer Acht gelassen: die Zielgruppe. Das gesamte Streben richtet sich auf die Optimierung des Fundraising-Instruments Mailing. Selbst die Statistiken beziehen sich immer nur auf Fundraising-Instrumente, indem beispielsweise von einem ROI pro Mailing gesprochen wird. Eine Zielgruppenselektion alleine aufgrund des Spendenverhaltens wie beispielsweise im Falle der RM-Selektion reicht nicht, da die 20-Jährige unter Umständen im gleichen Rhythmus und in der gleichen Höhe wie der 80-Jährige gespendet hat. Hier bedarf es zusätzlicher Unterscheidungen in den Bereichen Text (das richtige Wording), Schriftgröße, Fotos, Themen oder auch der Farbgestaltung. Hinzu kommen Kriterien wie Themenaffinität, Jahreszeiten oder beispielsweise ganz spezielle Erinnerungsbriefe. Ferner sollte unbedingt berücksichtigt werden, wie oft eine Spenderin vergebens um eine Spende gebeten wurde. Tabelle 5 Effizienzkontrolle von Mailings
162 Hans-Josef Hönig Tabelle 5 verdeutlicht, dass durch die Aufteilung einer großen Aussendemenge in kleine homogene Gruppen, die zielgruppenspezifisch angesprochen werden, höhere Nettoerlöse erwirtschaftet werden können, obwohl der ROI schlechter ist als in der durch Scoring reduzierten Auflage (50.000). Ferner wird die Bindung der Spenderinnen und Spender zu einer zentralen Aufgabe im Fundraing werden, denn bei einer Marksituation, in der die Nachfrage nach Spenden erheblich höher ist als das Angebot an Spenden, wird durch die dadurch ausgelösten Fundraising-Aktivitäten die Loyalität der SpenderInnen abnehmen. Folglich wird künftig nicht der ROI für Fundraising-Instrumente und Produkte maßgebliches Effizienzkriterium sein, sondern der ROI pro Spender und Spenderin.
 Revolution im Spendenmarkt: Prinzipien des Online-Fundraisings 13 163 Revolution im Spendenmarkt: Prinzipien des Online-Fundraisings JoanaȱBreidenbachȱ Innerhalb der letzten Dekade haben neue Kommunikationstechnologien, insbesondere das Internet, einen gigantischen Transformationsprozess ins Rollen gebracht, während dessen alte Gewissheiten auf den Kopf gestellt und Märkte völlig verändert werden. Eine Branche nach der anderen wird durch das Internet verändert, eine Entwicklung, die in Büchern wie Jeff Jarvis „What Would Google Do?“1ȱoder Chris Andersons „Free. The Future of a Radical Price“2 anschaulich beschrieben worden ist. So haben Google und Wikipedia die Art und Weise, wie wir Informationen beziehen und verarbeiten, völlig verändert, der Einzelhandel wurde durch Plattformen wie Ebay revolutioniert, und die Film- und Musikbranche muss auf Druck von Myspace und Youtube ihre alten Geschäftsmodelle gegen neue eintauschen. Selbst die politische Meinungsbildung erfährt im Zuge von Wahlkampfmethoden à la Obama einen Paradigmenwechsel. Social Media und die unter dem Stichwort Web 2.0 firmierenden Plattformen, Blogs und Websites sind inzwischen längst ein Massenphänomen: Wäre Facebook ein Staat, wäre es nach der Volksrepublik China, Indien und den USA das viertgrößte Land der Welt. Und betrachtet man die Wachstumszahlen von Plattformen mit User Created Content wie Youtube, Facebook oder Ning, wird deutlich, dass ein Ende dieser Entwicklungen noch längst nicht in Sicht ist. Das Internet wird auf vergleichbare Weise auch den sozialen Sektor revolutionieren – und mit ihm den Spendenmarkt und das Verhältnis zwischen gemeinnützigen Organisationen und ihren Unterstützern: Spendern und ehrenamtlichen Mitarbeitern. Der folgende Beitrag beschäftigt sich damit, wie diese Veränderungen aussehen und welche neuen Spieler, Rollen und Prozesse die nächste Dekade bestimmen werden. 13.1 Wie wichtig ist das Internet für den Spendenmarkt? Vor dem Hintergrund der momentanen Zahlen erscheint Online-Fundraising als ein zu vernachlässigender Kanal der Kapitalbeschaffung im sozialen Sektor. In Deutschland, der Schweiz und Österreich geht man davon aus, dass gerade mal ein bis drei Prozent der Spendengelder online gegeben werden. Doch das wird sich schnell ändern. Ein Blick in die USA, die in diesen Themen Europa meist ein paar Jahre voraus liegen, ergibt, dass dort   1 Jarvis, J. (2009). 2 Anderson, C. (2009).
164 Joana Breidenbach schon über zehn Prozent der Spenden über das Internet erfolgen, und Prognosen gehen von einem Anstieg auf 50 Prozent im Jahr 2013 aus. Zudem lebt die nächste Spendengeneration schon heute im Netz und wird erwarten, dass sie sich auch dort sozial engagieren kann. Wie schon oben angedeutet, haben wir es hier mit einem Massenphänomen zu tun: Alleine Facebook hat innerhalb von neun Monaten im Jahr 2009 mehr als 100 Millionen neue Nutzer gewonnen. Aber auch der klassische Spendenmarkt, das heißt die Menschen über 50 Jahre, drängen ins Netz. Schon jetzt sind die sogenannten Silver Surfer die am stärksten wachsende Nutzergruppe im Netz. Diese Entwicklungen sind nicht auf den Westen beschränkt. Große (und wachsende) Teile der Weltbevölkerung haben über Internetcafes, Community Center und die immer wichtiger werdende Mobiltelefonie Zugang zum Internet und besitzen die notwendigen Kenntnisse, um im Netz zu navigieren. 13.2 Was ist das Neue an der Internetökonomie? Das Internet zeichnet sich durch eine Reihe von Besonderheiten aus: ႑Es bietet eine extrem kostengünstige Kommunikationsform, die mühelos Zeit und Raum überwindet. ႑Menschen treten miteinander in Kontakt, die dies bislang nicht konnten bzw. auf eigentlich unproduktive Mittelmänner angewiesen waren. ႑Alte Hierarchien und Machtverhältnisse werden aufgebrochen, indem viele unterschiedliche Menschen eine Stimme bekommen. Damit löst sich die alte Zweiteilung in Produzenten und Konsumenten auf und kollaborative Strukturen treten an ihre Stelle. ႑Das Netz löst den Massenmarkt auf und ermöglicht einer Masse von Nischen zu florieren. ႑Das Internet verändert die Preise für Dienstleistungen grundlegend: Vieles, was bisher Geld gekostet hat, ist plötzlich kostenlos verfügbar. Industrien müssen sich deshalb andere Einnahmequellen suchen, die mit ihrem alten Kerngeschäft wenig zu tun haben.
Revolution im Spendenmarkt: Prinzipien des Online-Fundraisings 13.3 Was bedeutet die Entwicklung für den Spendenmarkt? 13.3.1 Eine größere Bandbreite an Organisationen und Initiativen wird bespendbar 165 Die unendliche Kapazität des Netzes sowie die geringen Transaktionskosten ermöglichen es einer beispielslosen Vielfalt von Organisationen, sich gleichberechtigt neben großen, bekannten Organisationen zu präsentieren. Chris Anderson, Journalist und Herausgeber von Wired, entwickelte in seinem 2004 erschienenen Artikel „The Long Tail3“ die These, dass mit dem Internet Nischenprodukte enorm an Bedeutung gewinnen und in ihrer Gesamtheit mehr Volumen ausmachen und mehr Profite generieren als konventionelle Massenprodukte. Auf der Internetplattform betterplace.org sehen wir, wie sich dieses Prinzip im sozialen Sektor manifestiert. Neben den „üblichen Verdächtigen“, den großen Hilfsorganisationen, die für deutsche Spender Haushaltsnamen sind – wie SOS Kinderdorf, das Kinderhilfswerk oder das Deutsche Rote Kreuz – präsentieren sich auf unserer Plattform unzählige mittelgroße und kleine Nicht-Regierungs-Organisationen (NRO) und private Initiativen aus der ganzen Welt, die hier eine kostenlose Präsenz erhalten und von den bequemen und sicheren Kommunikations- und Zahlungsverkehrmöglichkeiten Gebrauch machen. Auf der Plattform treffen sie auf Menschen, die sich engagieren wollen und sich im Netz schnell und punktgenau informieren und Organisationen bespenden wollen. Ganz im Sinne von Andersons These vom Long Tail finden Menschen mit ausdifferenzierten Interessenprofilen (die meisten von uns) genau die Initiativen, die sie unterstützen wollen. Ein Leser wird in der Zeitung mit Zwangsprostitution in Indien konfrontiert, ist entsetzt und möchte in diesem Bereich einen Beitrag leisten. In der VorInternetzeit wäre damit ein großer Rechercheaufwand verbunden gewesen. Heute bringt eine Anfrage bei Google oder auf einem Spenden-Marktplatz wie Global Giving oder betterplace.org in Sekundenschnelle eine Reihe von Organisationen und konkrete Unterstützungsmöglichkeiten hervor. Diese neue Vielfalt ist für Menschen, die sich mit Geld, Sachspenden, ihrer Expertise oder ihrer Zeit engagieren wollen, eine große Bereicherung. Aber der „long tail der Hilfe“ macht nicht alle glücklich: Insbesondere die großen, bekannten Hilfsorganisationen bekommen eine neue Konkurrenz und werden in Zukunft härter um den Spendeneuro kämpfen müssen. Im Internet ist das UNICEF Schulprojekt in Malawi nur einen Click von einem lokalen Grassroot-Projekt im selben Land entfernt, und mancher Spender, der Skandale und Intransparenz der internationalen Hilfsindustrie überdrüssig, wird eher die kleineren Organisationen bespenden, bei denen er einen geringeren Verwaltungsaufwand und größere Effektivität vermutet.   3 Anderson, C. (2006).
166 Joana Breidenbach Auf jeden Fall erscheint es sehr wahrscheinlich, dass sich mit der größeren Bandbreite an auffindbaren Organisationen auch die Anzahl der bespendeten Organisationen vergrößert: Spenden heutzutage die „klassischen“ deutschen Spender (über 60 Jahre) im Durchschnitt 3,4 verschiedenen Organisationen4 – und viele davon mit Dauerauftrag – so werden Spender in Zukunft ein viel größeres und flexibleres Portfolio an unterstützten Projekten aufweisen. 13.3.2 Senkung der hohen Fundraising-Kosten Eine der großen Herausforderungen im gemeinnützigen Sektor sind die ständig ansteigenden Kapitalbeschaffungskosten. Im Durchschnitt sind ein Drittel der Spenden für die Spendenakquise aufzuwenden. Das hat eine Reihe von Gründen: In seinem neuesten Buch „Die verkaufte Verantwortung“5 beschreibt Alexander Glück die Ineffizienz der Spendenakquise: Zwar stammen 90 Prozent der Spendeneinnahmen einer Organisation aus ihrem bestehenden Spenderstamm, aber die meisten Gelder (zwischen 60 und 80 Prozent des Fundraising-Budgets) werden für die Gewinnung von Neuspendern ausgegeben. Diese Akquise verbrennt Geld: Viele der Spendenaufrufe per Direct Mailing erreichen (trotz raffinierter Mischungstechniken) nicht die für die Kostendeckung notwendige Hürde von 5,5 Prozent. Bei niedrigeren Rücklaufquoten verdienen nur die diversen am Fundraising beteiligten Dienstleister – in die Projekte geht kein Cent. Die Spendenbeschaffungskosten nehmen zudem immer mehr zu. Dies liegt vor allem daran, dass eine neue Klasse von Mittelsmännern und -frauen auf die Bühne getreten sind: die professionellen Fundraiser. Sie operieren in einer Landschaft, in der bei gleich bleibendem Spendenvolumen immer mehr gemeinnützige Organisationen auf den Markt drängen. Im Konkurrenzkampf der Organisationen hilft da vermeintlich nur eines: Man muss sein Fundraising professionalisieren. Und so entwickelt sich die Spendenbeschaffung zu einer blühenden Industrie mit eigenen Aus- und Fortbildungsinstitutionen, Workshops und Seminaren, Handbüchern und Newslettern, Experten und Eventmanagern. Dabei gerät die Verhältnismäßigkeit von Aufwand und Ergebnis oft außer Kontrolle, wie Glück am Beispiel vom Eventmarketing – vermeintlich unterhaltsamen Aktionen wie Entenrennen oder Galadiners – beschreibt. Analysiert man jedoch, welche Gelder bei diesen Veranstaltungen für was und wen ausgegeben werden, muss man oft an deren Sinnhaftigkeit zweifeln, sind sie „in erster Linie Umsatzbringer für die eingebundenen Wirtschaftsunternehmen“.6   4 Deutscher Spendenrat e.V. (2008). 5 Glück, A., (2009). 6 ders.
Revolution im Spendenmarkt: Prinzipien des Online-Fundraisings 167 Nur die wenigsten Menschen werden etwas dagegen einzuwenden haben, dass Geldbeschaffung Geld kostet. Es fragt sich nur, ob diese Kosten transparent offen gelegt werden, ob sie angemessen sind und ob sie nicht reduziert werden könnten. InternetFundraising birgt die Chance, diese Kosten extrem zu reduzieren. Organisationen können die Skalierungseffekte von Websites, E-Mail, Plattformen und Social Media wie Twitter und Facebook nutzen, um für wenig oder gar kein Geld ihre Arbeit einer weltweiten Öffentlichkeit vorzustellen, mit Stakeholdern zu kommunizieren, Neuspender zu akquirieren und den bestehenden Spenderstamm zu pflegen. So ist eine Präsenz auf betterplace.org kostenlos. Auf betterplace.org können 100 Prozent der eingenommenen Spenden an die Organisationen weitergegeben werden, da die Bankpartner Wirecard, BNP Parisbas Deutschland und Paypal sogar die Transaktionsgebühren abdecken. Dieser enorme Effizienzgewinn macht natürlich auch nicht alle glücklich, schaltet er doch einen Teil der florierenden Fundraising-Industrie aus. Diese eigentlich unproduktiven Mittelsmänner und -frauen werden sich neue Betätigungsfelder suchen müssen, bei denen sie Mehrwert für Organisationen oder Spender erzeugen. Sie werden vermehrt ihren Kunden erklären, wie sie sich optimal im Netz darstellen und das virale Wachstum von Projekten ankurbeln können. Doch dieses Wissen wird nicht mehr einzelnen Experten alleine gehören. Andere Experten und Laien können das gleiche Know-how kostenlos der ganzen Internetgemeinschaft zur Verfügung stellen oder auf Wikipedia-Art kollaborativ generieren. Im Idealfall wird nur der überleben, der wirklich etwas zur Wertschöpfungskette der gemeinnützigen Engagements beiträgt, indem er sich als kommunikativer Knotenpunkt zwischen den verschiedenen Stakeholdern bewährt. Fundraiser werden in Zukunft gezielt Informationen über ein Projekt aufbereiten und an die Spender weiterleiten. Sie können brauchbare Ideen und Know-how der Spender aufgreifen und dafür sorgen, dass die Organisationen diese verwerten kann. 13.3.3 Aus Spendern werden Mitgestalter In der alten Medienwelt standen eine Reihe von Produzenten einer großen Masse von Konsumenten – Lesern, Zuhörern und Zuschauern – gegenüber, die die Produkte mehr oder weniger passiv rezipierten. Mit dem Internet lösen sich diese Fronten auf. Nachrichten, Wissen, Unterhaltung werden kollaborativ: Sie entstehen im Dialog zwischen Produzenten und Konsumenten und werden von Konsumenten mitgestaltet. In diesem Sinne spricht der amerikanische Journalismusforscher Jay Rosen von „The people formaly known as the audience“.7 Das gleiche Phänomen erleben wir in der Welt des sozialen Engagements. In dem Moment, in dem die Möglichkeit besteht, sich auf einfache Art einzubringen – zum Beispiel mit seinem Know-how – werden auch immer mehr Organisationen in den Dialog mit ihren   7 http://www.huffingtonpost.com/jay-rosen/the-people-formerly-known_1_b_24113.html.
168 Joana Breidenbach Unterstützern (den Menschen, die man früher „Spender“ genannt hat) treten und gemeinsam Strategien entwickeln (müssen). Ein kleines Beispiel aus dem eigenen Haus: Vor einiger Zeit stieß ich auf ein MalariaPräventionsprojekt auf betterplace, welches mir gut gefiel und das ich bespendete. Allerdings interessierte mich, woher die Mückennetze stammten, die die Hilfsorganisation in einem westafrikanischen Land verteilen wollte. Ich wusste von einer effizienten, sozial engagierten Firma in Tansania, AȬZȱTextiles, die in großem Maßstab insektizidimprägnierte Netze vertreibt. Da eines der Hauptkriterien für nachhaltige Entwicklung die Stärkung lokaler Unternehmen und die Schaffung lokaler Arbeitsplätze ist, ist es sinnvoller, wenn die Hilfsorganisation ihre Netze nicht bei einer europäischen Firma bestellt, sondern bei einem lokalen, afrikanischen Unternehmen. In der Offline-Welt wäre es zu mühsam gewesen, diesem Thema nachzugehen: einen Brief schreiben, den richtigen Adressaten in der Hilfsorganisation ausfindig machen, einen Briefumschlag frankieren und zum Briefkasten bringen. Viel zu viel Aufwand für die meisten Menschen. Doch auf betterplace war die Projektverantwortliche nur einen Klick entfernt und ich konnte meine Frage – verbunden mit einem Vorschlag – ganz einfach stellen. Nach nur wenigen Tagen kam von der Organisation eine Antwort, die mich zwar nicht vollständig in meiner Spende bestätigte (die Netze werden nicht in Afrika produziert), jedoch den Eindruck erweckte, als sei ich gehört worden und man werde meinem Vorschlag nachgehen. Man stelle sich jetzt noch vor, die Organisation würde das Thema ernsthaft verfolgen und mich darüber auf dem Laufenden halten! Die Organisation hätte nicht nur eine völlig begeisterte Spenderin gewonnen, die auch weitere Projekte der Organisation unterstützt und in ihrem Bekanntenkreis für diese wirbt. Es wäre auch gemeinschaftlich eine entwicklungspolitisch bessere Lösung zustande kommen. 13.3.4 Mehr Stakeholder bekommen eine Stimme und die Transparenz siegt Online-Fundraising geht mit einer weiteren Chance für Spender einher (die zugleich eine Herausforderung für Hilfsorganisationen darstellt): Projektarbeit kann transparenter dargestellt werden und die Effektivität der Maßnahmen besser eingeschätzt werden. Bislang ist es für Spenderinnen schwer einzuschätzen, wo ihr Spendeneuro effektiver angelegt ist: bei World Vision, den Johannitern oder der Choki Traditional Arts School, einer kleinen Kunstschule für Kinder aus unterprivilegierten Familien in Bhutan? Im Web 2.0 können nicht nur mehr Menschen ihr Wissen beisteuern, sondern eine ganze Reihe von Projektstakeholdern erhält eine Stimme. Begünstigte können bloggen, ob die Arbeit einer Organisation ihr Leben positiv verändert hat oder auch nicht. Besucher können sich Projekte ansehen und über das Gesehene berichten. Spender und ehrenamtliche Mitarbeiter können über ihre Erfahrungen mit einer Organisation berichten.
Revolution im Spendenmarkt: Prinzipien des Online-Fundraisings 169 Auf diese Weise können Interessierte viel darüber erfahren, welche Projekte, Programme oder welche Lobbyarbeit funktioniert und welche nicht. Werden diese Aussagen über Projektqualität mit den herkömmlichen Qualitätssicherungsmethoden verbunden, wie der Gemeinnützigkeitsprüfung, einem Spendensiegel oder dem „guten Namen“ (der Marke) einer Organisation, wird es möglich, realistischer zu bewerten, welche Organisationen besonders effiziente und effektive Arbeit leisten. Auch hier stellen Internetplattformen wie betterplace.org und globalgiving.org, die Bottom-up-Bewertungen nicht nur erlauben, sondern ermutigen, eine potenzielle Bedrohung für NRO und ihre Fundraiser dar, da diese bislang alleine den Spender über die Güte ihrer Arbeit informiert haben und nur wenige Anreize haben, die eigene Arbeit selbstkritisch darzustellen. In einem Experiment zum Stakeholder Feedback sammelte beispielsweise Global Giving so viele negativ-kritische Stimmen von Begünstigten eines kenianischen Sport- und Jugendprojekts ein, dass dieses von der Plattform genommen und damit von einem signifikanten Spendenkanal abgeschnitten wurde.8 Mit dem weiteren Fortschreiten der Kommunikationstechnologie, insbesondere der Ausbreitung von internetfähigen Handys, werden diese Beispiele für real-time reporting massiv zunehmen und dazu führen, dass die Bewertungen der Begünstigten von sozialen Initiativen wesentlich mehr Gewicht erhalten werden, als sie es bislang haben. „Die Menschen, die man früher Spender nannte“, werden diese neue Form der Qualitätssicherung zu schätzen wissen. Schon jetzt geben Unterstützer in Umfragen an, dass sie mehr darüber wissen wollen, wohin ihr Geld geht und welcher Unterschied damit gemacht wird. Viele sind bislang zu faul und machen sich nicht die Mühe, dies genau zu recherchieren. Doch in dem Moment, in dem über das Internet eine einfache, unterhaltsame und punktgenaue Beschäftigung mit der geförderten Organisation möglich ist, werden viele Spender auch eine neue Form der Rechenschaft erwarten. 13.3.5 Das Spendenvolumen wird vergrößert Durch die einfachere Möglichkeit zu spenden, durch besseres Matching zwischen Organisationen und Unterstützern, durch neue Zielgruppen und durch eine größere Glaubwürdigkeit als Folge von Transparenz wird das Spendenvolumen erhöht werden. Online-Fundraising ist unter anderem deshalb so reizvoll, weil Menschen, die schon im Internet sind, sehr niedrigschwellig zum Spenden animiert werden können. Sie verbringen immer mehr Zeit online und können in Sekundenschnelle, mit ein paar Clicks, eine Spende abgeben. Online-Spenden können in viele unterschiedliche Transaktionen eingebunden werden: in die Buchung eines Reisetickets in die Dominikanische Republik (neben dem CO2-Ausgleich kann in Zukunft auch ein Häckchen an die Spende für ein HIVPräventionsprojekt vor Ort gesetzt werden), in die Bezahlung der Stromrechnung (die   8 Maxson, M./Goldstein, J. (2009).ȱ
170 Joana Breidenbach Centbeträge unserer Rechnung werden auf den nächsten Euro aufgerundet, damit sie in ein Umweltprojekt fließen), in die Verkaufaktion bei Ebay: Der Erlös des alten Kinderbuggys wird an die Kita der Kinder um die Ecke gespendet. „Embedded Giving“ ist im Internet so einfach und schmerzlos wie nie zuvor. Zudem ist es im Internet einfach möglich, Nischengruppen punktgenau miteinander zu verbinden und zum Spenden zu animieren. Der oben beschriebene long tail der Organisationen trifft den long tail der Spender. Dazu noch ein Beispiel aus der betterplace.org Community: betterplace.org ermöglicht es Einzelnen sehr einfach, ein Fundraising-Team aufzusetzen. Eines der erfolgreichsten Teams ist das von Pennergame.de, einer der größten deutschen Online-Spiele. Die Macher von pennergame.de, sind sich ihres durchaus umstrittenen Images als politisch unkorrektem Spiels bewusst. Sie legten auf betterplace ein Team an und luden ihre Spieler über die Pennergame-Startseite ein, dort einzutreten und gemeinsam reale Obdachlosenprojekte in Hamburg und Berlin zu bespenden. Innerhalb weniger Tage kamen auf diese Art und Weise bislang über 20.000 Euro zusammen, die zu 100 Prozent an die ausgewählten Organisationen ausgezahlt wurden. Man kann davon ausgehen, dass die wenigsten der zum großen Teil sehr jungen Pennergame-Spieler jemals zuvor in größerem Maßstab gespendet haben. Im Internet dagegen konnte diese Nischengruppe genau dort abgeholt werden, wo sie war (auf der Startseite von Pennergame.de) und zum Spenden für ein Nischenthema (Obdachlose) animiert werden, welches genau ihrer Interessenlage entsprach. Sie hatten zudem das positive Erlebnis, dass viele Menschen, die nur wenig spenden (die Durchschnittsspende war gering), in der Masse bedeutsame Gelder zusammenbekommen und einen wirklichen Unterschied in der Welt machen konnten. Wie dieses Beispiel zeigt, eignet sich das Internet zudem hervorragend dafür, neue Zielgruppen anzusprechen. Auf betterplace.org beträgt das Durchschnittsalter der Spender 37 Jahre, also deutlich jünger als im klassischen deutschen Spendenmarkt. Für diese Zielgruppe gehört es zur Alltagskultur, die eigenen sozialen Netzwerke online zu pflegen, und somit ist es nur ein kleiner Schritt, diese auch für die eigenen sozialen Initiativen zu aktivieren. Online kann jeder einfach zum Fundraiser für ein Projekt, das man selbst gut findet, werden. Beispielsweise kann man das Projekt in sein Facebook-Profil hochladen, über E-Mail, Twitter oder Widgets auf der eigenen Website verbreiten und seinen Freunden zum Bespenden empfehlen. Solche Freundesempfehlungen werden als wesentlich vertrauenswürdiger angesehen als die klassische Werbung von Hilfsorganisationen. Einer US-amerikanischen Studie zufolge vertrauten 78 Prozent der Konsumenten den Empfehlungen von Freunden, während nur 14 Prozent der Werbung vertrauen.9   9 Livingstone, G. (2009).
Revolution im Spendenmarkt: Prinzipien des Online-Fundraisings 13.4 171 Fazit Online-Fundraising steckt noch in den Kinderschuhen. Die hier prognostizierten Entwicklungen basieren auf unserer Kenntnis der Veränderungen, die das Internet in anderen Märkten herbeigeführt hat. Hier hat es bestehende Prozesse und Systeme aufgebrochen und Wertschöpfungsketten verkürzt. Diese Tendenzen können im sozialen Sektor aber auch schon jetzt mit den Erfahrungen von Internetplattformen wie betterplace.org, Global Giving und Just Giving belegt werden. Weiterführende Literatur Anderson, C. (2009): Free. The Future of a Radical Price, Hyperion, New York. Anderson, C. (2006): The Long Tail, Hyperion, New York. Glück, A. (2009): Die verkaufte Verantwortung, Essen. Deutscher Spendenrat e.V. (2008): GfK Consumer Tracking, Bilanz des Helfens. Jarvis, J. (2009): What would Google do?, HarperCollins Publishers, New York. Livingstone, G. (2009): Social Media for Social Causes Study, Zugriff unter http://mashable.com/ 2009/03/26/social-media-nonprofit-study/. Maxson, M./Goldstein, J. (2009): Technology-Aided “Real-Time” Feedback Loops in International Philanthropy, unveröffentlichtes Vortragsmanuskript. Rosen, J. (2006): The People Formally Known as Consumers, Zugriff unter http://www.huffingtonpost. com/jay-rosen/the-people-formerly-known_1_b_24113.html. 
 172 14 Andreas Schiemenz Charity Golf: Spenderbindung und Spenderfindung AndreasȱSchiemenzȱ Unsere Welt ist voller Klischees. Ein Klischee lautet: Golf ist ein elitärer Sport. Und das stimmt, Golf ist in Deutschland, anders als zum Beispiel in Schweden, kein Volkssport. Abbildung 1 14.1 Mitglieder Golfverband Die Entwicklung des Golfsports Entwicklung – Zahlen Immer mehr Menschen spielen Golf. Im Jahr 2008 waren 575.176 Golfspieler in 776 Golfclubs im Deutschen Golfverband organisiert. Das sind 4,1 Prozent mehr als im Jahr davor. Und der Wachstumstrend ist ungebrochen. Von Jahr zu Jahr werden immer mehr Menschen vom Golfvirus infiziert. Vom Golfsport geht eine Faszination aus, der sich nur wenige Menschen entziehen können.
Charity Golf: Spenderbindung und Spenderfindung Abbildung 2 173 Entwicklung Golfclubs Deutschland Das Klischee, Golf sei kein Sport, ist tatsächlich ein Vorurteil von Menschen, die selbst noch nie auf einem Golfplatz waren und versucht haben, den kleinen Ball (Durchmesser: 42,67 mm, Gewicht: 45,93 g) mit einem der 14 Schläger in die Luft zu bringen. Während ein durchschnittlicher Golfer sich über eine Flugstrecke des Balls von 200 Metern freut, liegt der Weltrekord bei 418,78 Meter, Spitzenspieler schaffen die 300-Metermarke bequem. Eine Runde Golf – Vier Stunden auf 18 Löcher mit Handicap Eine sogenannte Runde Golf, bestehend aus 18 unterschiedlichen Spielbahnen, ist etwa fünf bis sechs Kilometer lang. Die Spieler benötigen für diese Distanz etwa vier Stunden und sollten dabei nicht mehr als 100 Schläge benötigen. Bei einem Turnier spielen die Golfer üblicherweise in Vierergruppen, den sogenannten Flights. Diese Gruppen werden so zusammengestellt, dass die unterschiedlichen Spielstärken (Handicap) berücksichtigt werden. Dieses Handicap richtet sich nach der Anzahl von Schlägen, die ein Spieler durchschnittlich für eine Runde benötigt. Die 18 Golfbahnen (verkürzt „Löcher“ genannt) sind unterschiedlich lang. Es gibt Par-3 Löcher, die bis zu 229 Meter lang sind, Par-4 Löcher bis zu 430 Metern und Par-5 Löcher bis zu 615 Metern. Die Bezeichnung Par gibt an, wie viele Schläge idealerweise benötigt
174 Andreas Schiemenz werden, um das Loch zu spielen, also drei Schläge bei einem Par-3 Loch, vier Schläge bei einem Par-4 Loch und fünf Schläge bei einem Par-5 Loch. Die Addition der 18 Löcher ergibt dann die Vorgabe des Platzes. Häufig haben Golfplätze eine Vorgabe von Par-72. Wenn ein durchschnittlicher Golfer diesen Platz mit 100 Schlägen spielt, hat er ein Handicap von 28 (100 – 72 = 28). Ein anderer, besserer Spieler schafft diesen Platz mit 75 Schlägen, also hat er ein Handicap von 3. Während ein Hobbygolfer im Jahr zwischen 800 Euro und 2.500 Euro als Mitgliedsbeitrag zahlt, kassiert Tiger Woods, der absolute Superstar der Szene, eine Milliarde Dollar pro Jahr an Werbeverträgen, Startgeldern und Siegesprämien. 14.2 Die Zielgruppe Struktur der deutschen Golfer Der Anteil der Männer mit fast 62 Prozent liegt deutlich vor dem Anteil der Damen. Etwa zehn Prozent der Golfer sind 21 Jahre und jünger. In den Altersgruppen verteilen sich die Golferinnen und Golfer wie folgt: ႑22 bis 49 Jahre: 35 Prozent ႑50 bis 54 Jahre: 12 Prozent ႑ab 55 Jahre: 42 Prozent Da der Sport zeitaufwändig ist, reduzieren viele Golfer den Sport auf ein Minimum in den Phasen der Familienbildung und Karriere. Wenn dann die Kinder aus dem Haus sind und der Beruf wieder Freizeit ermöglicht, wird der Sport wieder intensiver aufgenommen. Oder neu kennengelernt. Golf ist kein preiswerter Sport und wird verstärkt von älteren Menschen gespielt. Also von einer idealen Spenderzielgruppe. Und Golf ist ein geselliger Sport, da die Spieler in Gruppen unterwegs sind und im Anschluss in der Clubgastronomie (das sogenannte Loch 19) noch beisammen sitzen. Also genau der richtige Ort, um die Sympathie für eine spendensammelnde Organisation zu wecken. 14.3 Die ideale Kulisse: Golf bringt viele Interessengruppen zusammen Charity Golf hat Tradition, ist attraktiv und medienwirksam Seit es den Golfsport gibt, gibt es auch Turniere für den guten Zweck. Golfer sind eben auch nur Menschen wie Skatspieler oder Fußballer und haben durchaus einen repräsentativen Anspruch an die gute Tat.
Charity Golf: Spenderbindung und Spenderfindung 175 Es gibt in nahezu jedem Golfclub in Deutschland mittlerweile Charity-Turniere. Teilweise werden diese Turniere von den Clubs selbst organisiert oder sie werden von Vereinen oder Verbänden, wie zum Beispiel den LIONS, ROTARY, ZONTA oder Businessclubs durchgeführt. Seit einigen Jahren laden aber auch Unternehmen und spendensammelnde Organisationen selbst zu Golfturnieren ein. In den Medien, insbesondere in den Golfzeitschriften, wird lebendig über solche Veranstaltungen berichtet und stolz verkündet, welche berühmten Spieler und Gäste dabei waren und welche Beträge eingenommen werden. Und gern unterstützt deutsche Prominenz wie Franz Beckenbauer, Uwe Seeler, Bernhard Langer, Michael Schumacher, Boris Becker, Mike Krüger, Veronika Ferres, Michael Schanze und viele mehr solche Veranstaltungen. Die richtige Mischung macht es dabei: Prominente Spieler, gutsituierte Bürger und Mäzene, Partner und Interessierte und Netzwerker finden sich zu einem gemeinsamen Ereignis ein. An einem typischen Turnierablauf lässt sich das Miteinander unterschiedlicher Gruppen und Interessen verdeutlichen. Der typische Turnierablauf: Wechselspiel zwischen Sport und Interessensbegegnung Die Abläufe eines Golfturniers sind sehr ähnlich, da die jeweiligen Erwartungen von Veranstalter und Teilnehmer typischerweise nicht variieren. Für den Golfspieler steht ein sportliches Turnier in einem gesellschaftlichen Rahmen im Mittelpunkt. Gemeinsam mit netten Menschen einen Tag auf dem Golfplatz verbringen und vielleicht einen Preis gewinnen. Der Veranstalter möchte nur eins: nämlich die Erwartungen der Golfer zu erfüllen. Da ein Golfer, bevor er auf die Runde geht, sich auf der Übungswiese (Driving Range) warm spielt, wird er frühzeitig vor dem Turnierbeginn anreisen. Da ein Turnier zwischen 10 und 11 Uhr beginnt, kommen die ersten Gäste bereits vor 9 Uhr und freuen sich über ein kleines Frühstücksbuffet. Nach der Übungswiese geht es dann pünktlich zum Abschlag, denn die Abschlagszeiten sind verbindlich für alle Spieler. Da ein Turnier etwa vier Stunden dauert, gibt es nach der Hälfte, also zwischen Loch 9 und Loch 10, eine sogenannte Halfway-Pause mit Fingerfood und Getränken. Nach Beendigung der Runde werden die Ergebnisse auf den Scorekarten der Spielleitung abgegeben, und den Spielern bleibt Zeit zum Duschen und Umziehen. Rechtzeitig zum Abendessen mit Siegerehrung sitzt der Spieler mit seinen Flightpartnern am Tisch und lässt den Tag gesellig ausklingen. Doch auch Noch-nicht-Golfer können am Charity-Turnier teilnehmen. Hierzu werden die Interessierten, wie zum Beispiel die Lebenspartner der Teilnehmer, Kunden von Sponsoren, Fördermitglieder, eingeladen und von einem erfahrenen Golflehrer (Pro) in die Geheimnisse des Golfsports eingewiesen. Ein solcher Schnupperkurs startet um 13 Uhr mit einem kleinen Mittagessen, bei dem sich die Teilnehmer schon einmal kennen lernen können. Dann geht es ab 14 Uhr mit dem Pro auf die Übungswiese, und die Grundlagen des Sports werden erläutert. Hierzu gehört der richtige Griff, um den Golfschläger nicht beim Schwung zu verlieren, der richtige Stand, um den Ball auch wirklich weit abschlagen zu können, und der richtige Golfschwung, um den Ball überhaupt zu treffen. Nachdem diese Grundlagen von allen Schnupperern ausgiebig trainiert wurden, gibt es einen kleinen
176 Andreas Schiemenz Wettbewerb, damit auch die Einsteiger bei der Preisverleihung berücksichtigt werden. Gemeinsam mit den Turnierspielern hat dann auch dieser Kreis die Möglichkeit, sich zu duschen und umzuziehen. Rechtzeitig zum Abendprogramm sitzen dann Turnierspieler und Teilnehmer aus dem Schnupperkurs zusammen im Clubhaus. Sowohl die Spieler als auch der Schnupperkurs werden von einem Fotografen begleitet, der von jedem Spieler Fotos schießt. Diese Fotos werden im Rahmen des Abendprogramms per Beamer an eine Wand geworfen und einige Tage nach dem Turnier den Teilnehmern per Post zugesandt. 14.4 Ziele für ein Charity-Turnier Beim Charity Golf werden verschiedene Ziele verfolgt: So sollen einerseits die Bekanntheit gesteigert und ein Image aufgebaut werden, andererseits sollen Spender gewonnen und auch gebunden werden. Und letztendlich sollen mit der Veranstaltung auch Erlöse für den guten Zweck generiert werden. Abbildung 3 Ziele für ein Charity-Turnier
Charity Golf: Spenderbindung und Spenderfindung 14.5 177 Einnahmen aus dem Turnier Im Vordergrund für die Turniere steht das Sammeln von Geld. Hier gibt es verschiedene Ansätze, um an finanzielle Mittel zu kommen. 14.5.1 Startgebühren (Teilnahmegebühren) der Spieler An einem Golfturnier können etwa 120 Spieler teilnehmen. Darüber hinaus werden separate Angebote für Golfeinsteiger oder Golfinteressierte in sogenannten Schnupperkursen angeboten. Ein solcher Kurs, unterstützt von mehreren Trainern (Pros), kann bis zu 40 Teilnehmer beinhalten. Üblicherweise ist die Startgebühr für Turnierteilnehmer und Schnupperer gleich hoch. Ein gut besuchtes Turnier hat also gut und gerne 160 Teilnehmer. Bei einer Startgebühr in Höhe von 100 Euro kommen allein auf diesem Wege 16.000 Euro zusammen. Doch es gibt auch Turniere, bei denen die Startgebühr deutlich höher liegt. Die Teilnehmer zahlen diesen Beitrag gern. Denn allein das sogenannte Greenfee (Nutzungsgebühr für einen Platz) liegt, je nach Platz, zwischen 60 Euro und 100 Euro. Und wenn der Veranstalter mitteilt, dass die Startgebühr dank der Unterstützung von Sponsoren direkt in ein gemeinnütziges Projekt fließt, ist auch der letzte Zweifler überzeugt. 14.5.2 Spenden der Teilnehmer Die Startgebühr ist natürlich keine Spende, denn es gibt hierfür eindeutig Gegenleistungen. Doch lässt sich der gesellschaftliche Teil des Turniers, zum Beispiel das Abendessen, ideal für einen Spendenaufruf nutzen. Mit einem konkreten Projekt, das idealerweise bereits während des ganzen Turniertages beworben wurde, werden die Teilnehmer eingeladen, eine Spende zu leisten. Und wenn dann noch eine Spendenbox (zum Beispiel ein Sektkühler) von Tisch zu Tisch gereicht wird, kommen locker zwischen 1.000 Euro und 5.000 Euro zusammen. 14.5.3 Sponsoring von Unternehmen Golfer sind für viele Unternehmen eine attraktive Zielgruppe. Sie verfügen über ein überdurchschnittliches Einkommen, sind sportlich und gesellschaftlich aktiv, sind in Führungspositionen oder schon im Ruhestand. Diese Zielgruppe lässt sich für hochwertige Produkte und Leistungen auf dem Golfplatz gut ansprechen. Daher sind viele Unternehmen, wie zum Beispiel Reiseveranstalter, Autohändler, Banken, Versicherungen, Juweliere, bereit, die Durchführung eines Charity-Turniers zu unterstützen.
178 Andreas Schiemenz Die Unterstützung des Turniers sollte in drei Bereichen erfolgen: ႑durch finanzielle Unterstützung ႑durch die Bereitstellung von attraktiven Preisen ႑durch Teilnehmer aus dem Kundenstamm der Unternehmen Damit der Sponsor eine Orientierung für sein Engagement erhält, werden verschiedene Sponsorenpakete geschnürt und angeboten. Die Sponsorenpakete können folgendermaßen aussehen: Paketȱ 1ȱ (Holeȱ inȱ One): Das All-Inclusiv-Paket für den Sponsor enthält sein Logo auf allen Werbeunterlagen (Scorekarte, Einladung) und der Tischdekoration. Darüber hinaus gibt es die Möglichkeit, Produkte auszustellen (zum Beispiel die neuesten Automodelle) und mit Fahnen und Bannern rund ums Clubhaus zu werben. Der „Hole in One-Sponsor“ wird bei der Preisverleihung erwähnt. Die Auslage von Werbematerial ist selbstverständlich. Das Sponsorenpaket sollte mindestens 5.000 Euro betragen. In dem Betrag ist auch die Teilnahme von acht Spielern enthalten. Paketȱ2ȱ(Birdie): Das Paket beinhaltet die Werbung auf allen Werbeunterlagen (Einladung, Scorekarten) sowie die Auslage von Werbematerialien. Der „Birdie-Sponsor“ wird bei der Preisverleihung erwähnt. Im Paketpreis von mindestens 2.500 Euro sind vier Teilnehmer enthalten. Paketȱ 3ȱ (Par): Das kleinste Sponsorenpaket beinhaltet die Erwähnung bei der Preisverleihung und beträgt 1.000 Euro. Teilnehmer sind in diesem Beitrag nicht enthalten. 14.6 Die Kosten im Blick behalten: Ausgaben und Gewinne 14.6.1 Übliche Ausgaben Da es nicht nur Erlöse aus Startgebühren, Spenden und Sponsoring gibt, ist es wichtig, die Kosten für ein Turnier im Blick zu behalten. Denn üblicherweise kosten die Benutzung des Platzes (Greenfee), der Golflehrer für den Schnupperkurs, die Verpflegung, die Preise, der Fotograf und die Werbemittel Geld. Hier eine Übersicht der entstehenden Kosten anhand eines Beispiels:
Charity Golf: Spenderbindung und Spenderfindung Tabelle 1 179 Kostenpunkte Positionȱ Budgetȱȱ Bemerkungȱ Einladungsflyer 650,00 € Pauschal Scorekarten 100,00 € Pauschal Einladungsversand 250,00 € Pauschal Startgeschenke je Teilnehmer: 8,00 € je Teilnehmer insgesamt Golfbälle 6,00 € Tees 1,00 € Kugelschreiber 1,00 € Greenfee; Schnupperkurs; Verpflegung; Getränke 80,00 € 80,00 € je Teilnehmer Fotograf 200,00 € Pauschal Preise 500,00 € Pauschal In diesem Beispiel belaufen sich die Kosten bei 160 Teilnehmern (TN) auf insgesamt 15.780 Euro (Pauschal: 1.700 Euro + 88 Euro x 160 TN). Die Kostendeckung eines Charity-Turniers ist leicht zu erreichen, da der größte Kostenblock in den variablen Kosten für Greenfee und Verpflegung enthalten ist. Bei geringerer Teilnehmerzahl reduzieren sich die Kosten proportional. 14.6.2 Beteiligung von Sponsoren Damit aber auch für das gemeinnützige Projekt genügend Geld bleibt, muss das Ziel sein, die Kosten über Sponsoringeinnahmen zu decken. Bei den oben skizzierten Sponsoringpaketen sind folgende Einnahmekonstellationen Minimum (siehe Tabelle 2).
180 Andreas Schiemenz Tabelle 2 Sponsorenbeteiligungen Paketȱ Anzahlȱȱ Einzelpreisȱ Gesamtȱ Hole-in-One 1 5.000 € 5.000 € Birdie 3 2.500 € 7.500 € Par 5 1.000 € 5.000 € Gesamt 9 17.500 € Die Einnahmen aus dem Turniertag selbst sind natürlich auch nicht zu verachten: Tabelle 3 Einnahmen am Turniertag Einnahmenȱ 160ȱ 100ȱ€ȱ Gesamtȱ Startgebühren 16.000 Spenden 5.000 Gesamt 21.000 14.6.3 Gewinne Insgesamt bleiben also mehr als 22.000 Euro für die Organisation übrig (in unserem Beispiel: 15.780 Euro Kosten, 17.500 Euro Einnahmen aus Sponsorenbeteiligungen plus Startgebühren und Spenden in Höhe von 21.000 Euro). Ein schönes Ergebnis mit einem erlebnisreichen Tag auf dem Golfplatz. 14.7 Fazit Durch die ganztägige Veranstaltung in einem exklusiven Rahmen entsteht ein besonders intensiver Austausch zwischen den Teilnehmern, dem Veranstalter und Sponsoren. Ein solcher Rahmen ist eine riesige Chance für die Organisation, mit diesem Personenkreis in einen engen persönlichen Kontakt zu treten. Der persönliche Kontakt zu einem Spender lässt sich in diesem Rahmen unkompliziert herstellen, auch zur Spendergewinnung eignet
Charity Golf: Spenderbindung und Spenderfindung 181 sich dieser Tag hervorragend. Denn welche Organisation kann man sonst in einem solchen Rahmen kennen lernen? Zwar sind die Überschüsse aus einem Charity-Turnier nicht zu vernachlässigen, jedoch liegt das wirkliche Potenzial eines solchen Events in der Spenderbindung und Spendergewinnung. Denn Golfspieler sind potenzielle Großspender und damit eine wichtige Säule im Fundraising-Mix einer jeden Organisation.
 182 15 Cornelia Blömer Corporate Social Responsibility (CSR): Ein Markt für Non-Profit-Organisationen? CorneliaȱBlömerȱ Der folgende Beitrag befasst sich mit der Bedeutung von Corporate Social Responsibility für das Fundraising in Non-Profit-Organisationen in Deutschland. Hierzu wird zunächst eine Begriffsklärung vorgenommen und im Anschluss daran der durch Corporate Social Responsibility entstehende Markt näher beleuchtet. Die Bearbeitung dieses Marktes setzt für die Zukunft eine zunehmende Professionalisierung nicht nur des Fundraisings, sondern der gemeinnützigen Organisation als Ganzes voraus. Non-Profit-Organisationen, die entsprechend aufgestellt sind, sind kompetente und gleichberechtigte Partner von Wirtschaftsunternehmen im gesellschaftlichen Wandel. 15.1 Corporate Social Responsibility (CSR) – eine Definition Seit einiger Zeit taucht der Begriff Corporate Social Responsibility immer häufiger in Publikationen und auf Veranstaltungen des Non-Profit-Sektors auf. Dabei ist auffällig, dass die Bezeichnung fälschlicherweise häufig als Überbegriff oder sogar Synonym für die Sponsoringaktivitäten eines Unternehmens gebraucht wird. Das weist darauf hin, wie wenig sich der dritte Sektor1 bisher mit der Bedeutung von Corporate Social Responsibility für Wirtschaft und Gesellschaft und damit auch für den eigenen Markt auseinandergesetzt hat. An dieser Stelle soll jetzt nicht ausführlich auf die trennscharfe Abgrenzung der Begriffe Corporate Social Responsibility (CSR) und Corporate Citizenship (CC) eingegangen werden2. Die Begriffe werden in der Praxis häufig synonym gebraucht. In Deutschland wird CSR teilweise auch auf CR verkürzt, da das englische Wörtchen Social im Deutschen suggerieren könnte, dass hier nur das soziale Engagement gemeint sei. Im Englischen verweist Social Responsibility allerdings auf gesellschaftliche Verantwortung. Die Idee des Corporate Citizenship – also des unternehmerischen Bürgertums – stammt aus den USA. Dort ist die Übernahme gesellschaftlicher Verantwortung durch den Staatsbürger eine alte und starke Tradition. Corporate Citizenship meint im europäischen Sprachraum das Engage-   1 Gemeint sind hier die gemeinnützigen Organisationen neben dem Staat (Erster Sektor) und der Wirtschaft (Zweiter Sektor). 2 vgl. Schwalbach, J. (2008)
Corporate Social Responsibility (CSR): Ein Markt für Non-Profit-Organisationen? 183 ment von Unternehmen im Gemeinwesen, traditionell sehr stark im Mittelstand. Aus der Idee des „bürgerschaftlichen Engagements von Unternehmen“ hat sich unter dem Begriff Corporate Social Responsibility dagegen ein Managementkonzept entwickelt, das die Übernahme gesellschaftlicher Verantwortung als selbstverständlichen Teil der Unternehmensführung ansieht. Im Rahmen von Corporate Social Responsibility ist das gesellschaftliche Engagement immer als „Business Case“ im Kerngeschäft des Unternehmens angesiedelt. Im Zuge der Globalisierung ist dieses Konzept inzwischen auch in Deutschland angekommen. Aus Corporate Social Responsibility erwächst den meist global aufgestellten, häufig börsennotierten Unternehmen ein messbarer Vorteil. Wie sieht dieser Nutzen für ein Unternehmen aus? Woher kommt dieses starke Engagement für gesellschaftliche Belange? Das Verständnis hierfür ist für gemeinnützige Organisationen und gerade für den sich auf dem Markt orientierenden Fundraiser essenziell. 15.2 Unternehmen als gesellschaftliche Akteure Unternehmen bewegen sich heute auf einem globalisierten Markt. Sie stehen unter dem Druck ihrer sogenannten „Stakeholder“ (Gruppen, die von der Geschäftstätigkeit eines Unternehmens berührt werden wie zum Beispiel Regierungen, Nichtregierungsorganisationen (NGOs, NPOs), Medien, Kunden, Lieferanten, Kapitalgeber, Arbeitnehmer, Gewerkschaften), die im Zeitalter der neuen Medien so vernetzt sind wie nie zuvor. Nicht erst seit der Wirtschaftskrise erheben diese gesellschaftlichen Gruppen Ansprüche an wirtschaftliche Akteure in Bezug auf soziale und nachhaltige Standards. Dies gilt insbesondere für börsennotierte Unternehmen. Seit Jahren und interessanterweise besonders in der Wirtschaftskrise nimmt das Interesse an ökologischen, ethischen und nachhaltigen Investmentfonds stark zu3. Und das, obwohl auch diese sich dem Absturz an den Börsen nicht entziehen konnten – ihre Verluste fielen allerdings geringer aus als die nicht nachhaltiger Fonds4. Eine Umfrage der DZ-Bank ergab, dass jeder zweite Anleger inzwischen an ökologischen Investments interessiert ist, jeder vierte an ethischen Anlagen5. Börsennotierte Unternehmen werden in sogenannten „Ratings“ anhand von Kriterien bewertet, in denen das gesellschaftliche Engagement eine wachsende Rolle spielt. In Deutschland hat die Stiftung Warentest 2004 „Kernkriterien für die Untersuchung der sozial-ökologischen Unternehmensverantwortung“ bei der Bewertung bestimmter Produkte eingeführt6. Doch es ist nicht nur der Druck der Stakeholder, der ein Wirtschaftsunternehmen dazu bewegt, sich mit gesellschaftlicher Verantwortung auseinanderzusetzen. Im Nachhaltigkeitsbericht 2007 der Volkswagen AG heißt es dazu: „Nachhaltigkeit ist für den Volkswagen Konzern auf   3 Vgl. oekom research AG (2009): S. 7ff. 4 Vgl. Bergius, S. (2009) 5 Vgl. DZ Bank, Hrsg. (2009): Anleger-Index 5, Frankfurt, S. 11. 6 Vgl. Stiftung Warentest (2004)
184 Cornelia Blömer lange Sicht kein Kosten- sondern ein Wertschöpfungstreiber, der dem Unternehmen den Weg weist zu effizienteren Fertigungsprozessen, leistungsbereiten Mitarbeitern und zukunftsfähigen Produkten.“7. Wirtschaftsunternehmen, die langfristig wachsen wollen, sind angewiesen auf ein stabiles gesellschaftliches Umfeld an ihren Produktionsstandorten. Sie brauchen zufriedene und zunehmend nicht nur gut ausgebildete, sondern hochspezialisierte Mitarbeiter. Und unter dem Eindruck des Klimawandels und eines weltweit überdimensional ansteigenden Energie- und Rohstoffverbrauchs benötigen sie auch zukunftsfähige Konzepte für eine nachhaltige und kostensparende Produktion. Daher ist Corporate Social Responsibility als „Business case“ im Kerngeschäft des Unternehmens angesiedelt. Es geht nicht um einzelne Sponsorings, um Mäzenatentum oder einzelne gut gemeinte Spendenprojekte, sondern im Kern um ein Investment des Unternehmens in die (Mit-) Gestaltung der Gesellschaft und damit auch des Marktes, in dem sich das Unternehmen bewegt. Corporate Social Responsibility soll nicht nur dazu dienen, gesellschaftliche Veränderungen zu bewirken, sondern darüber hinaus helfen, strategische Ziele des Unternehmens zu erreichen. Abbildung 1 Gesellschaftliche Einflussfaktoren auf das Kerngeschäft eines Unternehmens   7 Volkswagen Aktiengesellschaft (2008): S. 4.
Corporate Social Responsibility (CSR): Ein Markt für Non-Profit-Organisationen? 185 Ein CSR-Konzept basiert daher auf dem Drei-Säulen-Modell (Triple Bottom Line): Die Performance des Unternehmens wird gemessen daran, in welchem Maße es beiträgt zu wirtschaftlichem Wohlstand (Ökonomie), Umweltqualität (Ökonomie) und Sozialkapital (Soziales)8. Corporate Social Responsibility bezieht sich auf alle Handlungsfelder des Unternehmens, in denen sie gesellschaftlich wirksam wird: Der soziale Umgang mit den Mitarbeitern und die Gestaltung des direkten gesellschaftlichen Umfeldes spielen ebenso eine Rolle wie nachhaltiges ökologisches Wirtschaften und der Erhalt der natürlichen Lebensgrundlagen. Nicht nur der Zugang zu natürlichen Ressourcen und Rohstoffen ist für ein Unternehmen auf dem globalisierten Markt interessant, sondern vielleicht mehr noch der Zugang zu gesellschaftlichen Akteuren und politischen Kontakten. 15.3 Mit Corporate Social Responsibility den globalisierten Markt gestalten Inzwischen hat das Thema auch die politische Agenda erreicht. 2001 nahm sich die Europäische Kommission erstmalig des Themas an und gab das „Grünbuch – Europäische Rahmenbedingungen für die soziale Verantwortung der Unternehmen“ heraus. 2002 gründete sie das „European Multi-Stakeholder-Forum on CSR“. Dahinter steckt nicht weniger als der Anspruch, den globalisierten Markt mit den eigenen Werten zu gestalten. Die EU strebt seit Lissabon im Jahr 2000 (sogenannten Lissabon-Ziel) an, bis 2010 zum „wettbewerbsfähigsten und dynamischsten Wirtschaftsraum der Welt [zu] werden [...], der fähig ist, ein dauerhaftes (sustainable) Wirtschaftswachstum mit mehr und besseren Arbeitsplätzen und einem größeren sozialen Zusammenhalt zu erzielen.“9 In seinem Endbericht fordert das EMS-Forum die politischen Akteure auf, das Bewusstsein für Corporate Social Responsibility zu schärfen, Kapazitäten und Kompetenzen zu CSR zu fördern und zu entwickeln und eine Umgebung sicherzustellen, die ein CSR-orientiertes Unternehmensmanagement ermöglicht. In Deutschland hat sich neben dem Bundesumweltministerium und dem Bundesministerium für Landwirtschaft, Ernährung und Verbraucherschutz, das Bundesministerium für Arbeit und Soziales (BMAS) federführend des Themas angenommen und kündigt die Entwicklung einer nationalen CSR-Strategie an. Die Bundesregierung hat es sich insbesondere zum Ziel gesetzt, nicht nur global agierenden Unternehmen einen politischen Rahmen für ihre CSR-Aktivitäten zu bereiten, sondern auch kleine und mittelständische Unternehmen (KMU) zu befähigen, ihr häufig bereits vorhandenes soziales Engagement in einen Managementprozess einmünden zu lassen, der sie für die Zukunft auf dem Markt konkurrenzfähig macht.   8 Vgl. Europäische Kommision (2001): S. 30. 9 Loew, L. (2005): S.6.
186 Cornelia Blömer Corporate Social Responsibility ist deshalb in der jüngsten Zeit zu einem der wichtigsten Themen in der Wirtschaft geworden. Während international agierende und börsennotierte Unternehmen bereits seit längerem über eigene Abteilungen für Corporate Social Responsibility verfügen, entwickelt der Mittelstand in Deutschland inzwischen eigene Konzepte.10 Im „Handbuch Corporate Citizenship – Corporate Social Responsibility für Manager“ heißt es im Vorwort: „Corporate Citizenship als Dimension verantwortlichen Unternehmenshandelns ist nicht das Feigenblatt des Kapitalismus im 21. Jahrhundert, es vermag vielmehr tiefgreifende Veränderung unseres Zusammenlebens in Wirtschaft und Gesellschaft freizusetzen.“11 Ein hehrer Anspruch, dem sich die Unternehmen stellen wollen – oder müssen. Und ein Prozess, in dem Non-Profit-Organisationen kraft ihrer Kompetenz im dritten Sektor den Unternehmen als Partner zur Seite stehen können. 15.4 CSR als Markt für Non-Profit-Organisationen Man könnte die Frage stellen, welche Bedeutung das bisher Gesagte für gemeinnützige Organisationen hat. Gesellschaftliches Engagement von Unternehmen hat es immer gegeben. 74,7 Prozent der Unternehmen haben 2008 Sponsoring in ihrem Kommunikationsmix eingesetzt. 36,3 Prozent geben an, dass ihr Sponsoringbudget anteilig zugenommen hat. Dabei stellt Sportsponsoring – das als Sonderform hier nicht betrachtet werden soll – nach wie vor die am häufigsten eingesetzte Sponsoringart dar.12. Laut einer Studie des Instituts für Mittelstandsforschung13 unterstützen vier von fünf kleinen und mittelständischen Unternehmen (KMU) wohltätige Zwecke. Ist es da für eine Non-Profit-Organisation nicht gleichgültig, ob das Engagement des Unternehmens in ein CSR-Konzept eingebunden ist? Reicht es für die Non-Profit-Organisation nicht aus, sich als Empfänger von Spenden oder Sponsoringmitteln anzubieten? Das „Handbuch Corporate Citizenship“14, das sich als Nachschlagewerk an Manager von Wirtschaftsunternehmen richtet, widmet der Zusammenarbeit zwischen gemeinnützigen Organisationen und Unternehmen unter der Überschrift „Terra incognita“ ein eigenes Kapitel. Die Suche nach einem geeigneten Partner ist für das Unternehmen wesentlich, wenn es seine mit dem CSR-Engagement verknüpften Ziele erreichen will. Der gemeinnützige Partner muss zum Unternehmen und dessen Strategie passen. Hier spielen neben der Unternehmensphilosophie und -kultur auch Kommunikations- und Markenführungsaspekte eine große Rolle. Die Suche nach einer „passenden“ Non-Profit-Organisation wird hier zum Teil eines Managementprozesses. Mit Corporate Social Responsibility entsteht   10 Siehe zum Beispiel www.tuev-csr.de. 11 Vgl. Habisch A./Schmidpeter R./Neureiter M. (2008): S.VI. 12 Vgl. PLEON Event und Sponsoring (2008): S.8. 13 Maaß, F./Clemens, R. (2002) 14 Habisch, A/Schmidpeter R./Neureiter, M.(2008.): S.420.
Corporate Social Responsibility (CSR): Ein Markt für Non-Profit-Organisationen? 187 ein neuer Markt, für den es nicht mehr ausreichend ist, als NPO einen Serienbrief an Unternehmen herauszuschicken, in der Annahme, das Unternehmen viel Geld haben und froh sein dürfen, damit Gutes zu tun. Die Zeiten ändern sich. 15.5 Professionalisierung von Non-Profit-Organisationen Aus Sicht einer Non-Profit-Organisation gilt gleichermaßen, dass Unternehmenskooperationen nicht nur als kurzfristiges Mittel zum Zweck betrachtet werden können. Eine gemeinnützige Organisation, die am Markt bestehen will, muss heute ihre eigene Strategie und Entwicklung im Auge behalten. Bis heute stellen Wirtschaftskooperationen ein schwieriges Terrain für manche Non-Profit-Organisation dar. Der Unterstützung durch Unternehmen haftet ein „Gschmäckle“ an, man fürchtet, die eigene Unabhängigkeit zu verlieren, von Unternehmen in irgendeine Richtung beeinflusst oder für deren Zwecke missbraucht zu werden. Und natürlich ist die Gefahr, als Greenwashing-Partner missbraucht zu werden, auch nicht von der Hand zu weisen. Dennoch ist es aus Sicht der Autorin keine Frage, dass Unternehmen sich an der gesellschaftlichen Verantwortung beteiligen müssen und wollen. Es kommt also vor allem darauf an, dass dieses gemeinsame gesellschaftliche Engagement so gestaltet wird, dass Wirtschaftsunternehmen und gemeinnützige Organisationen sich in der Wahrnehmung ihrer gesellschaftlichen Verantwortung als gleichberechtigte Partner begreifen. Hier haben auf Dauer nur die Non-Profit-Organisationen eine Chance, die sich im Rahmen eines Managementprozesses ein klares Profil gegeben haben und dieses selbstbewusst vertreten können. Die Anforderungen an eine Professionalisierung sind hoch: Das Management muss eine klare Vision von der zukünftigen Ausrichtung der gemeinnützigen Organisation haben (Institutional readiness). Ein fundiertes Leitbild gibt die Sicherheit, dass die Ziele und Werte der Organisation Bestand haben. Klar formulierte strategische Ziele dürfen nicht aus dem Blickfeld geraten. In der Kommunikation steht neben der bewussten Markenführung eine transparente Darstellung der eigenen Tätigkeit im Vordergrund. Auch die Non-ProfitOrganisation befindet sich in einem ständigen Austauschprozess mit ihren „Stakeholdern“ – seien es die „Nutznießer“ ihres gemeinnützigen Engagements oder die Zuwendungsgeber, Vereinsmitglieder oder Förderer, politische Akteure oder die Medien. Als Empfänger von Spendenmitteln sind sie mehr noch als Unternehmen in der Pflicht, Rechenschaft über ihr Tun und Handeln in der Öffentlichkeit abzulegen. Ein fundiertes Wissen über rechtliche und steuerrechtliche Rahmenbedingungen von Wirtschaftskooperationen sichert den Bestand der eigenen Gemeinnützigkeit. Und nicht zuletzt ist ein Wechsel der Perspektive notwendig: Verständnis für die Ziele und strategische Vorgehensweise eines Wirtschaftsunternehmens gehört zum Know-how einer jeden Non-Profit-Organisation, die über ein kurzfristiges Sponsoring hinaus eine Kooperation mit einem Unternehmen eingehen will.
188 Tabelle 1: 15.6 Cornelia Blömer Grundlagen für eine Wirtschaftskooperation Best Practise – NABU und Volkswagen Ökologie und Nachhaltigkeit sind auf dem Vormarsch. Im Jahr 2008 gaben in einer Sponsoring-Studie15 69,3 Prozent der befragten Unternehmen an, dass Ökosponsoring in der Zukunft an Bedeutung gewinnen wird. In der gleichen Studie wurden die Unternehmen erstmalig dazu befragt, ob sie einzelne Sponsoringmaßnahmen oder ihr gesamtes Sponsoring in ein CSR-Konzept einbinden. 49,1 Prozent bejahten dies, dabei lag das Ökosponsoring mit 56,1 Prozent deutlich vorne. Bei über einem Viertel der Befragten kam es in den vergangenen zwei Jahren zu einer Verschiebung des Sponsoringbudgets zugunsten des CSR-Budgets. In Deutschland haben sich führende global agierende Wirtschaftsunternehmen bereits im Jahr 2000 zum Forum Econsense zusammengeschlossen. Das Forum versteht sich als Dialogplattform und Think Tank, um die Themen Corporate Social Responsibility und Nachhaltigkeit voranzubringen. Neben Mitgliedern wie der Allianz, BASF, Deutsche Bahn, Lufthansa, usw. engagiert sich hier auch die Volkswagen AG. Seit 2004 haben sich NABU und Volkswagen auf der Basis eines Kooperationsvertrages zu einer „Kritischen Dialogpartnerschaft“ zusammengefunden. Die Kooperation gilt in vielerlei Hinsicht als vorbildlich und hat sowohl bei Ratingagenturen als auch in der Nationalen   15 PLEON Event und Sponsoring (2008): S. 29.
Corporate Social Responsibility (CSR): Ein Markt für Non-Profit-Organisationen? 189 Nachhaltigkeitsstrategie der rot-grünen Bundesregierung16 lobende Erwähnung gefunden. Bei Volkswagen ist dieses Engagement eingebunden in ein umfangreiches CSREngagement, in dem Nachhaltigkeit neben so wichtigen Themen wie Corporate Governance, sozialer Verantwortung gegenüber Mitarbeitern, Gesundheitsförderung, usw. einen hohen Stellenwert einnimmt17. Der NABU, 1899 gegründet, ist heute mit 460.000 Mitgliedern und Förderern der traditionsreichste und mitgliederstärkste Umwelt- und Naturschutzverband Deutschlands. In Sachen Unternehmenskooperationen hat er sich in den letzten Jahren gut aufgestellt: In der achtköpfigen Fundraising-Abteilung widmen sich zwei Mitarbeiter dem Bereich Unternehmenskooperationen. Die kritische Dialogpartnerschaft mit der Volkswagen AG umfasst verschiedene Elemente. Im Vordergrund steht der Anspruch, den Partner in Sachen Nachhaltigkeit ernst zu nehmen. Die Kooperation beruht auf drei Säulen: In der Veranstaltungsreihe „Mobil im Dialog“ pflegen die Partner gemeinsam den offenen StakeholderDialog über die kritischen Themen der Mobilität in Deutschland.18 Seit 2004 führen NABU und Volkswagen bundesweit gemeinsam Spritspartrainings durch und bringen so das Thema Kraftstoffverbrauch nah an den Verbraucher. Außerdem unterstützt Volkswagen das NABU-Projekt „Willkommen Wolf“, mit dem der NABU die natürliche Rückkehr der Wölfe in ihren angestammten Lebensraum in Deutschland begleitet. Die Partnerschaft zwischen dem Naturschutzverband und dem Automobilkonzern ist dabei nie frei von Meinungsverschiedenheiten. Jederzeit bleibt die öffentliche Meinungsäußerung des NABU als politischer Umweltschutzverband zu verkehrs- und energiepolitischen Themen unbeeinflusst. Die Kooperation ermöglicht es jedoch, auf Augenhöhe zweier starker Partner die zukunftsweisenden Themen zu diskutieren und damit den gesellschaftlichen Dialog ein Stück voranzubringen. Unternehmenskooperationen sind im NABU wie in vielen gemeinnützigen Organisationen inzwischen selbstverständlicher Teil des Fundraising-Portfolios. Dabei sind mehrere Motive ausschlaggebend: Einerseits natürlich die Möglichkeit, finanzielle Einnahmen zu generieren, andererseits aber auch durch öffentlichkeitswirksame Kampagnen die eigene Bekanntheit zu erhöhen. Mindestens ebenso entscheidend ist aber – insbesondere für eine Umweltschutzorganisation – die Motivation, Unternehmen bei der Wahrnehmung ihrer gesellschaftlichen Verantwortung zu begleiten und gemeinsam in einem kritischkonstruktiven Dialog an der Lösung gesellschaftlicher Herausforderungen zu arbeiten. In der Praxis hat es sich bewährt, in der Anbahnungsphase einer Kooperation viel Zeit darauf zu verwenden, die gegenseitigen Erwartungen und die gemeinsamen Ziele abzuklären. Der NABU führt zu Beginn von Kooperationsgesprächen mit größeren Unternehmen deshalb gerne gemeinsame Workshops durch, um die relevanten Themen zu identifizieren. Auch der Aufwand muss im Vorfeld gut eingeschätzt werden, um eine professio-   16 Vgl. Die Bundesregierung (2008): S. 86. 17 Vgl. Volkswagen AG (2006): S.1ff. 18 Siehe dazu www.nabu.de/themen/verkehr/nabuvolkswagenimdialog.
190 Cornelia Blömer nelle Abwicklung auch über einen längeren Zeitraum gewährleisten zu können. Erfolgt die Ansprache eines Unternehmens meist auf Vorstandsebene, so ist für die Umsetzung Know-how aus den Fachabteilungen (Beratung zu ökologischen Fragen), aus Presse und Öffentlichkeitsarbeit (Veröffentlichungen) ebenso wie aus Marketing und Fundraising (Markenführung) und nicht zuletzt aus der Finanz- und Rechtsabteilung (Gemeinnützigkeit) erforderlich. 15.7 Fazit Unternehmenskooperationen erfordern in der Praxis – wenn sie über ein einmaliges, finanzielles Engagement hinausgehen sollen – ein Höchstmaß an Professionalität auf beiden Seiten. Gemeinnützige Organisationen, die sich neu auf diesen Weg machen wollen, sind gut beraten, sich im Vorfeld über ihre Werte und Ziele und die strategische Markenführung klar zu sein. Die Bereitstellung der erforderlichen (Personal-) Ressourcen ist ebenso unabdingbar wie die Bereitschaft, sich auf einen Dialog mit Unternehmen und deren Stakeholder-Perspektive einzulassen. Gibt es diese Bereitschaft, kann ein für beide Seiten sehr fruchtbarer Prozess angestoßen werden. Corporate Social Responsibility wird zukünftig auch in Deutschland eine stärkere Bedeutung gewinnen. Das gesellschaftliche Engagement von Wirtschaftsunternehmen wird strategischer gebündelt und zielgerichteter sein. Zwar steht diese Entwicklung noch am Anfang, nimmt aber einen raschen Verlauf. Dadurch entsteht ein neuer Markt für NonProfit-Organisationen. Angesichts der großen Herausforderungen Globalisierung und Klimawandel sind gemeinsame Anstrengungen aller gesellschaftlichen Akteure für eine nachhaltige Entwicklung notwendig. Gemeinnützige Organisationen können als starke und kompetente Partner den gesellschaftlichen Wandel entscheidend mit voranbringen. Bereits heute gibt es viele gemeinnützige Organisationen, die Partnerschaften mit Wirtschaftsunternehmen mit Erfolg eingegangen sind. Für die Zukunft ist eine noch stärkere Professionalisierung, sowohl des Managements als auch der Fundraiserinnen und Fundraiser in den Non-Profit-Organisationen, unumgänglich. Das Fundraising in Deutschland sollte sich entsprechend aufstellen und die Wirtschaft beim Wort nehmen: „Wirtschaftliche Macht bringt Verantwortung mit sich – und Verantwortung Chancen.“19#   19 Pischetsrieder, B. (2006): S. 5
Corporate Social Responsibility (CSR): Ein Markt für Non-Profit-Organisationen? 191 Weiterführende Literatur Bergius, S. (2009): Interesse an nachhaltigen Investments steigt in der Krise, in: Handelsblatt.com, Zugriff am 03.08.2009 unter http://www.handelsblatt.com/finanzen/fondsnachrichten/interesse-annachhaltigen-investments-steigt-in-der-krise; 2199860. Die Bundesregierung (2008): Perspektiven für Deutschland – Unsere Strategie für eine nachhaltige Entwicklung, S. 86, Zugriff am 03.08.2009 unter http://www.bmu.de/files/pdfs/allgemein/application/pdf/nachhaltigkeit_strategie.pdf. Europäische Kommision (2001): Grünbuch-Europäische Rahmenbedingungen für die soziale Verantwortung der Unternehmen, Luxemburg. Habisch, A./Schmidpeter R./Neureiter, M.(2008): Handbuch Corporate Citizenship, Heidelberg, S. VI., S. 420. Loew, L. (2005): The results of European Stakeholder Forum in CSR in the View of Business, NGO and Science, Berlin, Zugriff am 03.08.2009 unter http://www.4sustainability.org/downloads/Loew-2005Results-of-the-EMS-Forum-in-the-View-of-Business-N..pdf. Maaß, F./Clemens, R. (2002): Corporate Citizenship - Das Unternehmen als 'guter Bürger', in: Institut für Mittelstandsforschung Bonn (Hrsg.), Schriften zur Mittelstandsforschung Nr. 94 NF, Wiesbaden. oekom research AG (2009): oekom Corporate Responsibility Review, München, Zugriff am 03.08.2009 unter http://www.oekom-research.de/homepage/german/oekom_CR_Review_09.pdf. Pleon Event und Sponsoring (2008): Sponsoringtrends 2008, Bonn, S.8, S.29. Pischetsrieder, B. (2006): Stets aufs Neue am Win-win orientiert, in: Volkswagen AG (Hrsg.), Eins und Eins gleich Drei - Corporate Social Responsibility bei Volkswagen, Wolfsburg, S. 1 ff., S. 5, Zugriff unter www.volkswagen-nachhaltigkeit.de. Schwalbach, J. (2008): Corporate Social Responsibility, in: Schwalbach, J. (Hrsg.), ZfB - Journal of Business Economics, Special Issue 3, Wiesbaden. Stiftung Warentest (2004): Kernkriterien für die Untersuchung der sozial-ökologischen Unternehmensverantwortung durch die Stiftung Warentest, Zugriff am 03.08.2009 unter http://www.test.de/filestore/csr_kernkriterien.pdf?path=/protected/21/67/6177671f-314b-4222-b5d3377673ad5251-protectedfile.pdf&key=4853BA02403C27D6A9B689386B9C875D59D4B4F5. DZ Bank, (Hrsg.) (2009): Anleger-Index 5, Frankfurt, S. 11. Volkswagen AG (2008): Nachhaltigkeitsbericht 2007/2008 – Wir bewegen uns verantwortungsvoll in die Zukunft, Zugriff am 03.08.2009 unter http://www.volkswagenag.com/vwag/vwcorp/ info_center/de/publications/2007/09/nachhaltigkeitsbericht.-bin.acq/qualBinaryStorageItem.Single.File/nachhaltigkeitsbericht_07_08_de.pdf. 

 Corporate Social Responsibility (CSR): Ein Markt für Non-Profit-Organisationen? IV. Optimierungȱderȱ Anspracheȱdurchȱ Marktforschungȱ  193

 Analyse, Management und Controlling von Kommunikationsmaßnahmen 16 195 Analyse, Management und Controlling von Kommunikationsmaßnahmen HenningȱRossaȱ Die Notwendigkeit, hohe Transparenz über die Verwendung von Spenden zu schaffen, führt insbesondere im Hinblick auf die Verwaltungs- und Werbeaufwendungen zu einem ausgeprägten Rechtfertigungsdruck bei Non-Profit-Organisationen (NPOs). Im vorliegenden Beitrag wird aufgezeigt, wie sich die notwendigen Werbeausgaben unter KostenNutzen-Aspekten besser aussteuern lassen. Darüber hinaus liefert das vorgestellte Verfahren eine bessere Vergleichbarkeit von NPOs hinsichtlich ihrer Werbeausgaben und des erzielten Beitrags zur Spendengewinnung. Der effiziente Einsatz der Werbegelder wird über eine Zielgruppenbefragung mit einer Methode ermittelt, die bereits seit vielen Jahren erfolgreich in der Markenartikelindustrie für die Return-On-Investment (ROI) Betrachtung eingesetzt wird. 16.1 Ausgangssituation: Offenes Controlling ist notwendig „Spendenwerbung ist unverzichtbar, denn ohne sie gäbe es erheblich weniger Geld für Hilfsprojekte“.1 Dies ist eine Aussage des Neun-Punkte-Plans für mehr Transparenz zur Verwendung von Spendenmitteln von Non-Profit-Organisationen, den die Deutsche Welthungerhilfe und die Kindernothilfe initiiert haben. Sie, genauso wie 14 weitere Erstunterzeichner des Plans, plädieren für eine niedrigere Obergrenze von Verwaltungs- und Werbungskosten und eindeutige Kriterien für den Wirkungsnachweis von Ausgaben und Erfolg. Die Forderungen der Transparenzinitiative sind verständlich, denn Spender wollen ihr Geld in sinnvollen Hilfsprojekten verwendet sehen. Wenn hieran auch nur der leiseste Zweifel besteht oder Ausgaben im Dunkeln bleiben, sinkt das Ansehen und Vertrauen in Hilfs- und Entwicklungsorganisationen mit der Konsequenz einer geringeren Spendenbereitschaft. Werbeausgaben stehen dabei besonders schnell in der Kritik, weil Werbung in Deutschland mit mehr Zurückhaltung begegnet wird als in vielen anderen europäischen Ländern.   1 Punkt 8 des Neun-Punkte-Plans für mehr Transparenz, Initiatoren: Deutsche Welthungerhilfe und Kindernothilfe, (http://www.wfd.de/wfd/b00424.html).
196 Henning Rossa Die Befürchtung, dass Spenden für Werbung verschwendet werden, kommt schnell auf, wenn Werbemaßnahmen stark ins Bewusstsein dringen und den Spendern die Intention deutlich wird. Es wird dabei gern vergessen, dass Werbung sinnvolle Kommunikation zur Information von Spendern über die Zielsetzung und den Einsatz ihrer Gelder sein soll und, wie die Initiatoren der Transparenzinitiative ausführen, daher auch unverzichtbar ist. Was der generellen Skepsis und der Vermutung, es werde durch Werbung Geld verschwendet, entgegenwirken kann, sind einheitliche Bewertungsmaße für die Wirksamkeit und Effizienz der eingesetzten Werbemaßnahmen. Solche einheitlichen Bewertungsmaße hätten sowohl für den Rechenschaftsbericht als auch für die Steuerung der Kommunikationsmaßnahmen von Non-Profit-Organisationen diverse Vorteile. Die Punkte 5 bis 9 des Neun-Punkte-Plans lauten: 5. Es wird der Nachweis aus Sicht der Spenderzielgruppe erbracht, wieȱüberzeugend über bestimmte Kommunikationsmedien berichtet wird. 6. Erkennbar wird, wieȱaufmerksamkeitsstark einzelne Initiativen sind und welchen Beitrag sie zur Spendengewinnung liefern. 7. Es wird durch die Betrachtung von Überzeugungskraft und Aufmerksamkeitsstärke aller Kommunikationsmedien sehr deutlich, welchen Initiativen es gelingt, sich gegen die Informationskonkurrenz durchzusetzen, um so einen Beitrag zum Spendenaufkommen der eigenen Organisation zu liefern. 8. Der eventuell wichtigste Punkt ist aber die Gegenüberstellung von Wirkung und Kosten aller Initiativen. Sie ermöglicht nicht nur die transparente Kosten-NutzenBetrachtung, sondern liefert Hinweise, an welcher Stelle Non-Profit-Organisationen ihren Werbeeinsatz optimieren können: ȭ ȭ ȭ ȭ Welche Maßnahmen zahlen sich aus und sollten zukünftig sogar noch verstärkt werden? Welche Medien bzw. Kontakte mit Spendern liefern für das eingesetzte Geld einen viel zu geringen Beitrag und sollten besser ganz eingestellt werden? Welche Maßnahmen bieten die Chance zur Differenzierung gegenüber anderen? Welche Aufmerksamkeitsschwelle muss mit einer Kommunikationsinitiative überschritten werden, um überhaupt positiv wirksam werden zu können? 9. Die Festlegung auf einheitliche Bewertungsmaße würde die Möglichkeit einräumen, alle relevanten Initiativen und genutzten Medien aller NPOs hinsichtlich ihres Kommunikationserfolgs in einem System zu vergleichen. In einem offenen Controllingsystem geht es nicht allein um die Rechtfertigung der getätigten Ausgaben, sondern vielmehr um die Identifikation von (versteckten) Möglichkeiten für eine effizientere Kommunikation zwischen Non-Profit-Organisationen und ihren Spendern. Dieses System kann dazu führen, dass für bestimmte Maßnahmen begründet mehr Geld ausgegeben wird und andere zugunsten dieser ganz eingestellt werden; ein System also, das die Chance bietet, bei geringerem Mitteleinsatz effizienter zu kommunizieren.
Analyse, Management und Controlling von Kommunikationsmaßnahmen 16.2 197 Herausforderung: Ein einheitliches Wirkungsmaß für alle Kontakte zwischen Spender und Organisation Betrachtet man die Ausgabenmatrix für Kampagnen-, Bildungs-, Aufklärungs-, Öffentlichkeitsarbeit und Werbung aus dem Informationsblatt des Deutschen Zentralinstituts für 2 soziale Fragen (DZI) , wird sehr schnell deutlich, dass Spenden sammelnde Organisationen eine Vielzahl an Kontakten zu potenziellen Spendern zu managen haben: ႑1:1 Werbung: ȭ ȭ ȭ ȭ ȭ ȭ Mailings (Werbebriefe und Beilagen) Haustür- und Straßenansprachen Telefonmarketing Sammlungen mit Spendendosen Patenschaftsmaterial Zuwendungsbestätigungen ႑Massenmedien: ȭ ȭ ȭ Anzeigen, Plakate Spots (TV, Radio, Kino etc.) Beilagen, Einhefter in Zeitungen etc. ႑Digitale Medien: ȭ ȭ Internetauftritt Blogs & Foren ႑Infomaterial, Broschüren, (Fach-) Publikationen, Pressearbeit: ȭ ȭ ȭ ȭ ȭ ȭ ȭ ȭ ȭ ȭ ȭ Infomaterial über Projekte, Kampagnen etc. Pressemitteilungen TV- und Videodokumentationen Broschüren zu Erbschaften, Nachlässen Jahresberichte Zeitschriften, Magazine etc. Schul-, Lehr- und Bildungsmaterialien Fachpublikationen, Fachbücher Themenhefte, Ratgeber Ausstellungsmaterial Kalender   2 Broschüre des Deutschen Zentralinstituts für soziale Fragen (DZI) zu Werbe- und Verwaltungsausgaben Spenden sammelnder Organisationen.
198 Henning Rossa ႑Veranstaltungen: ȭ ȭ ȭ ȭ ȭ ȭ Galaveranstaltungen Benefizveranstaltungen, Tombolas, Lotterien etc. Stände auf Messen, Kirchentagen Werbekooperationen mit Firmen Vorträge, Tagungsbeteiligungen Journalistenreisen Weitere Kontakte, die Einfluss auf die Spendenbereitschaft nehmen, sind die sogenannten indirekten Kontaktpunkte, die nur über den Umweg der oben genannten Maßnahmen zu beeinflussen sind. ႑Indirekte Kontaktpunkte: ȭ ȭ ȭ ȭ Gespräche unter Freunden und Bekannten über Spendenorganisationen und deren Hilfsprojekte Unabhängige Presseberichterstattung über Hilfsprojekte TV-Berichterstattung über Hilfsprojekte Unabhängige Blogs und Foren im Internet Die Entscheidung, welche dieser möglichen Kontaktpunkte zwischen Spender und Organisation für eine Informations- oder Kommunikationskampagne eingesetzt oder indirekt gefördert werden, hängt von deren genereller Eignung ab. Diese Eignung wird bisher durch die Organisationen subjektiv aus eigenen Erfahrungen, durch einfaches Ausprobieren oder aus Branchenerkenntnissen geschätzt. Ein objektiver Vergleich der Maßnahmen ist dabei schwer möglich, da die Wahrnehmung der Zielgruppe systematisch erfasst werden müsste und der Vergleich nur über ein einheitlich gültiges Maß für alle Maßnahmen erfolgen kann. Um die Voraussetzung für mehr Transparenz zu schaffen, müsste ein Wirkungsmaßstab entwickelt werden, der mehrere für NPOs relevante Faktoren zu berücksichtigen hätte.3 Eignung der Kontaktpunkte für die Darstellung der Kampagneninhalte Hierbei geht es zum einen um die Fähigkeit eines Kontaktes, emotional anzusprechen, zum anderen aber auch darum, rationale Argumente zu vermitteln. Beispielweise ist ein TV-Spot fähig, Stimmungs- bzw. Erlebniswelten aufzuspannen und somit besser geeignet, den Spender emotional einzubinden. Gedrucktes Informationsmaterial über Hilfsprojekte wird dagegen mehr Raum für Argumentationen bereit halten. Hierüber lässt sich der potenzielle Spender rationaler adressieren. Beide Dimensionen sind für die Gewinnung von   3 Der hier vorliegende Vorschlag für diese Faktoren orientiert sich an den Kriterien, die sich in der Konsumgüterindustrie für Werbung, PR und Kommunikation bewährt haben. Sie sind bei TNS Infratest im Forschungsinstrument CPO™ zusammengefasst, das die Systematik des Market Contact Audit von Integration Marketing & Communications nutzt. (Siehe auch: Jamhouri, O./Krause, H.U., (2002).
Analyse, Management und Controlling von Kommunikationsmaßnahmen 199 Spendern wichtig. In die Auswahlentscheidung für einen bestimmten Kontaktpunktmix sollten daher auch beide Dimensionen einfließen. Glaubwürdigkeit der Kontaktpunkte und Vertrauen in die Richtigkeit der Information Je mehr man einer Informationsquelle vertraut, umso stärker wird sie Einfluss auf die Entscheidungsfindung nehmen, ein Hilfsprojekt zu unterstützen. Unabhängige Berichterstattung, das unmittelbare Erleben, Erfahrungsberichte eines Freundes oder das Gespräch mit einem Helfer über seinen erfolgreichen Einsatz, sind solche glaubwürdigen und vertrauensvollen Quellen. Diese Kontaktpunkte sind zwar nicht direkt steuerbar, aber durch bestimmte Kommunikationsmaßnahmen und Veranstaltungen indirekt und positiv zu beeinflussen. Sie haben großen Einfluss und sollten daher auch für Vergleichszwecke mit direkt zu beeinflussenden Kommunikationsmaßnahmen vermessen werden. Eignung für die Darstellung rationaler wie emotionaler Inhalte und für die Glaubwürdigkeit eines Kontaktpunktes sind die wesentlichen drei Dimensionen, die die Einflussstärke eines Kontaktes auf die Spendenbereitschaft definieren. Diese drei Dimensionen lassen sich durch eine Zielgruppenbefragung erfassen, weil der Spender sehr wohl in der Lage ist zu beurteilen, welche Kontaktpunkte mit Spenden sammelnden Organisationen glaubwürdig und ansprechend gewesen sind. Für die Güte der Befragung ist es wichtig, alle relevanten Kontaktpunkte zu erfassen. Abbildung 1 zeigt schematisch, wie sich die Einflussstärke von Kontaktpunkten über die drei relevanten Dimensionen bestimmen lässt. Die Einflussstärke wird aus den drei angesprochenen Dimensionen über einen validierten 4 Algorithmus zum „Contact Clout Factor “ (CCF) verdichtet. Die unterschiedlichen Einflussstärken von Kontaktpunkten auf die Spendenbereitschaft zu kennen, ist der erste Schritt zum richtigen Einsatz von Kommunikationsmitteln. Wie erfolgreich eine Organisation aber mit ihrem Mitteleinsatz für eine Gesamtkampagne ist, lässt sich nur bestimmen, wenn man zusätzlich erfasst, wie häufig eine Organisation an bestimmten Kontaktpunkten von potenziellen Spendern wahrgenommen worden ist. Auch dieses lässt sich befragungstechnisch erfassen. Hierzu wird in einer einfachen Matrix erhoben, mit welcher Maßnahme von welcher Spenden sammelnden Organisation man in Kontakt gekommen ist. Auch dieses zunächst komplex anmutende Konstrukt lässt sich über die Einschätzung der Zielgruppe sehr gut abbilden.   4 Contact Clout Factor (engl.) = Einfluss (= clout) Faktor eines Kontaktpunktes (deut.). Der CCF ist für das Instrument Market ContactAudit (MCA) von Integration Marketing & Communications entwickelt und validiert worden.
200 Abbildung 1 Henning Rossa Bestimmung der Einflussstärke von Kontaktpunkten Abbildung 2 zeigt, wie sich die Wahrnehmung einer Kommunikationsmaßnahme mit der Einflussstärke dieser Maßnahme zu einem Wirkungswert kombinieren lässt. Je häufiger ein Spender an (mehr oder weniger) überzeugungsstarken Kontaktpunkten auf eine Organisation getroffen ist, umso stärker hat sich das Erleben dieser Organisation bei ihm gefestigt und damit Einfluss auf seine Spendenbereitschaft genommen. „Markenerlebnis“ nennt man dieses in der Markenartikel- und Konsumgüterindustrie. Der Umfang dieses Erlebnisses über alle Kontaktpunkte hängt unmittelbar zusammen mit dem Erfolg einer Marke im Konkurrenzumfeld. Abbildung 3 zeigt, dass der Anteil eines Unternehmens am Gesamtmarkenerlebnis der Branche sehr hoch mit dem Marktanteil des Unternehmens korreliert5. Diese Korrelation ist Gütekriterium für die Gültigkeit des Konstrukts und liegt mit über 0,8 auf sehr hohem Niveau.   5 Siehe auch: Chattopadhyay, A./Banerjee S. (2001)
Analyse, Management und Controlling von Kommunikationsmaßnahmen Abbildung 2 Bestimmung der Spendenbereitschaft Abbildung 3 Korrelation von Marktanteil und Markenerlebnis6 0.8 Marktanteil MS% (Value) 0.6 201 All Data Categories: 64 Countries: 37 R = .85 0.4 0.2 0.0 0.0 0.1 0.2 0.3 0.4 0.5 0.6 Anteil am Gesamtmarkenerlebnis BES% ƒ ƒ Konsistenz über alle Produktkategorien und Länder hinweg – unabhängig von der Erhebungsmethode Gesamtkorrelation R = .85; Statistische Signifikanz in fast allen Fällen   6 Entnommen den Unterlagen von TNS Infratest zur Erklärung der Validität von MCA / CPO, einem Instrument von Integration Marketing & Communications.
202 Henning Rossa Da Kommunikation – unabhängig davon, wer sie betreibt – stets darauf ausgerichtet ist, den Empfänger einer Botschaft positiv für seine Entscheidung einzunehmen, folgt jede Kommunikation auch stets den gleichen generellen Wirkungsmechanismen. Ob nun Spender überzeugt werden müssen oder Konsumenten von einer Markenwahl, Kommunikation muss hierfür rational wie emotional involvieren, relevant, glaubwürdig und überzeugend sein. Diesen Mechanismus erfasst das oben beschriebene System valide. 16.3 Umsetzung des einheitlichen Wirkungsmaßes zu einem transparenten Controlling- und Empfehlungssystem für Werbeausgaben Das beschriebene System lässt sich für seine Grundkomponenten (Einfluss und Wahrnehmung von Kommunikationsmaßnahmen) recht einfach in einer zielgruppenspezifischen Befragung in zwei Schritten umsetzen: ႑Schrittȱ1: In einer kleinen qualitativen Untersuchung mit jeweils zehn Teilnehmern in zwei moderierten Gruppendiskussionen wird erfasst, welches die wichtigsten 35 Kontaktpunkte zwischen Spenden sammelnden Organisationen und ihren Spendern sind. Wie diese Kontaktpunkte verständlich beschrieben werden, kann genauso ermittelt werden wie weitere bisher von NPOs noch nicht verwendete Kontaktmöglichkeiten zu ihren Spendern. Beide Informationen dienen der richtigen und zielgruppenadäquaten Formulierung des Fragebogens für die Hauptuntersuchung im zweiten Schritt. ႑Schrittȱ2:ȱIn der Hauptuntersuchung mit mindestens 500 Interviews, zum Beispiel mit repräsentativ rekrutierten Personen ab 14 Jahren, die in den letzten sechs Monaten gespendet haben, wird zum einen die Überzeugungskraft der oben genannten drei Dimensionen für jeden relevanten Kontaktpunkt erhoben und zum anderen die Wahrnehmung von bis zu 15 NPOs an bis zu 35 Kontaktpunkten. Aus dieser Hauptuntersuchung ergeben sich rechnerisch mehrere einheitliche Kennwerte, die ein Gesamtbild über alle relevanten Kommunikationsmaßnahmen im Non-ProfitSegment zeichnen. Tabelle 1 zeigt beispielhaft, wie sich die Wirkung unterschiedlicher Kontaktpunkte zwischen Spendern und NPO ergeben könnten. Der Wirkungsbeitrag (SBPxo) eines Kontaktpunktes (X) ergibt sich für eine Spenden sammelnde Organisation (O) aus der einfachen Multiplikation von Wirkungsstärke (CCFx) und Wahrnehmung (Axo). Der Wirkungsbeitrag pro Kontaktpunkt und Spenden sammelnder Organisation ergibt sich somit wie folgt: SBPXO = CCFX * AXO
Analyse, Management und Controlling von Kommunikationsmaßnahmen Tabelle 1 203 Berechnung der Spenden-Bereitschafts-Punkte (SBP) (Beispiel) Da sich der Wirkungsbeitrag (SBP) einer Maßnahme aus ihrem generellen Einfluss (CCF) und der Häufigkeit der Wahrnehmung (A) ergibt, steht er für den Beitrag einer Maßnahme, die Spendenbereitschaft zu erhöhen. Verkürzt lässt sich dieser Beitrag in SpendenBereitschafts-Punkte (SBP) übersetzen. Es gilt: Je höher die Punktzahl, umso größer der Beitrag einer Maßnahme, die Spendenbereitschaft zu erhöhen. Die Summe aller Spenden-Bereitschafts-Punkte über alle Kontakte, die einer NPO zuzuordnen sind, ist die Gesamtwirkung der Kommunikation einer Organisation (6SBPo). Der Anteil einer NPO an der Gesamtwirkung aller Spenden sammelnden Organisationen des NPO-Sektors zeigt, wie erfolgreich eine Organisation in der Branche unterwegs ist. Das fiktive Beispiel der Tabelle 1 zeigt für die NPOXY, dass sie 38 Prozent aller – durch Kommunikation verursachten – Wirkungen des Gesamtsektors auf sich vereint. Diese Organisation kommuniziert somit zunächst am wirkungsvollsten im Sektor. Welchen Anteil die einzelnen Maßnahmen an dieser Wirkung haben, lässt sich der Tabelle ebenfalls entnehmen. Aus den Kernwerten (Wirkungsstärke CCFx, Wahrnehmung AX) lässt sich ein Kommunikationsprofil des Non-Profit-Sektors erstellen. Es ergeben sich aus dieser Matrix (Tabelle 1) erste Hinweise, an welchen Kontaktpunkten … ႑… Differenzierung im Hinblick auf die (kreative) Gestaltung notwendig ist, um hinrei- chend aufzufallen und in Erinnerung zu bleiben. Diese Kontakte sind reichweitenstark und überzeugend. Hier herrscht der größte „Wettkampf“ um Aufmerksamkeit, was den hohen Anspruch an die Qualität der Ausgestaltung dieser Maßnahmen mit sich bringt.
204 Henning Rossa ႑… man beste Chancen hat sich – auch in Abgrenzung zu anderen Organisationen – zu profilieren und eindeutig zu positionieren. ႑… man nur investieren sollte, wenn sie „preisgünstig“ zu besetzen sind, da diese eventuell noch viele Spender erreichen, aber eben nur auf sehr geringem Niveau überzeugen. Bei diesen Kontakten sollte eine Organisation sehr kritisch hinterfragen, ob sich durch eine andere Ausgestaltung die Überzeugungskraft des Kontaktes erhöhen lässt oder ob dieser wenig Erfolg versprechende Kontakt zumindest auf andere Kontaktmöglichkeiten verweist. Ohne eine dahingehende Optimierung schafft man Reichweite, ohne Spender zu gewinnen. ႑… zumindest zum Zeitpunkt der Messung insgesamt wenig überzeugende Informationen an zu wenige Spender vermittelt worden sind. Hier sollte besonders kritisch geprüft werden, ob gegebenenfalls die eigene Aktion Schwächen in der Aussage und/ oder Lautstärke hat. Wenn kein Optimierungspotenzial gesehen wird, sollten diese Kontaktpunkte aus der zukünftigen Kommunikationsstrategie herausgenommen werden. Abbildung 4 Kommunikationsprofil des Marktes
Analyse, Management und Controlling von Kommunikationsmaßnahmen 205 Um die zentrale Frage nach dem Kosten-Nutzen-Verhältnis abschätzen zu können und Transparenz über die eingesetzten Mittel zu liefern, werden in der Tabelle 2 die Kosten jeder Kommunikationsmaßnahme den jeweils erzielten Spenden-Bereitschafts-Punkten gegenübergestellt. Grundvoraussetzung für eine solche Betrachtung ist das „Activity Based Costing“ (ABC). Unter „Activity Based Costing“ versteht man die Zuordnung aller angefallenen Kosten einer Kommunikationsmaßnahme auf den entsprechenden Kontaktpunkt. Beispielsweise sind dies für den Kontakt „Stände auf Messen“ alle Personal-, Material- und Fremdkosten (zum Beispiel Standgebühren, Messedienstleister), die bis zu dem Zeitpunkt angefallen sind, bis zu dem die Maßnahme „Stände auf Messen“ wirksam geworden sein kann. Tabelle 2 Activity Based Costing Die sich aus dieser Zusammenstellung ergebene Übersicht (siehe Tabelle 2) liefert das zentrale Effizienzmaß. Teilt man die eingesetzten Finanzmittel durch die erreichten Spenden-Bereitschafts-Punkte (SBPX) für jeden betrachteten Kontaktpunkt (X), erhält man den Betrag pro erreichten Spenden-Bereitschafts-Punkt einer Maßnahme. Dieser Betrag gibt im Vergleich Auskunft darüber, welche Maßnahmen besonders effizient sind und welche einer kritischen Überprüfung unterzogen werden sollten, da Kosten-Nutzen in einem vergleichsweise ungünstigen Verhältnis stehen. Das hier fiktiv aufgestellte Beispiel zeigt für den Kontaktpunkt „Stände auf Messen“ ein vergleichsweise ungünstiges KostenNutzen-Verhältnis und muss für einen Spenden-Bereitschafts-Punkt 950 Euro aufwenden. Dieses Verhältnis wirft die kritische Frage auf, was an diesem Kontaktpunkt in der Ausgestaltung und spezifischen Auswahl von bestimmten Messen optimiert werden müsste, um für das aufgewendete Geld mehr SBP zu bekommen.
206 Henning Rossa 16.4 Eignung als Empfehlungssystem und Risiken der mechanistischen Betrachtung Spenden sammelnde Organisationen haben eine Vielzahl unterschiedlichster Kontaktpunkte zu managen. Dabei ist es – wie in der Markenartikelindustrie – die ganzheitliche Kommunikationsstrategie über unterschiedlichste Wege und Medien, die die Bereitschaft des Spenders beflügelt, sich einer Organisation zuzuwenden. Das oben beschriebene System zerlegt diese ganzheitliche Strategie in ihre Einzelteile und vereinfacht so ein ansonsten komplexes und ganzheitlich nur schwer abbildbares Konstrukt. Die Effizienzbetrachtung pro Kontaktpunkt birgt damit die Gefahr, Synergien und Wechselbeziehungen zwischen den Maßnahmen außer Acht zu lassen. Mechanistisches Auswählen nach KostenNutzen-Verhältnissen, ohne intensiv zu diskutieren, wie die Maßnahmen zusammenspielen und auf die Intention einer Gesamtkampagne einwirken, kann somit schnell zu falschen Entscheidungen für den zukünftigen Kommunikationsmix führen. Wenn man die unbestrittenen Vorteile eines solchen Systems nutzen will, ist daher dringend Folgendes zu empfehlen: ႑EineȱintensiveȱDiskussionȱderȱerzieltenȱErgebnisseȱmitȱMediaplanung,ȱMarketing,ȱKommunikaȬ tionsfachleutenȱundȱMarktforschern. Erst durch einen solchen Workshop wird das System zu einer wertvollen Quelle für Empfehlungen zu einer effizienteren Kommunikationsstrategie, weil es mit Erfahrungen der jeweils wichtigen Disziplinen analysiert und beurteilt wird. ႑EineȱergänzendeȱKorrespondenzanalyseȱzurȱErmittlungȱvonȱKontaktpunktȬNetzwerken. Sie deckt – ohne dieses Verfahren hier näher beschreiben zu wollen – Synergien und Wechselbeziehungen von Kommunikationsmaßnahmen auf. Das bessere Verständnis von Zusammenhängen hilft der Empfehlung für zukünftige Strategien von Kampagnen. Das Verfahren ist als sinnvolle Ergänzung des genannten Workshops zu verstehen. 16.5 Fazit Die Herausforderung, Kommunikation über alle relevanten Kontakte zu managen, ist für Non-Profit-Organisationen besonders groß, weil sie viel stärker als alle anderen Werbung treibenden Unternehmen in der Pflicht stehen, sich für ihre Werbeausgaben zu rechtfertigen. Kosten-Nutzen-Betrachtungen des eingesetzten Kommunikationsmixes können gleichzeitig Rechtfertigungs- und Entscheidungshilfe sein. Voraussetzungen hierfür sind: ႑eine einheitliche „Währung“ für die Wirkung unterschiedlicher Kommunikationsmaßnahmen, um die Komplexität des Kontaktpunktmixes zu reduzieren. ႑die Erhebung der Wahrnehmung und Wirkungsstärke in der Zielgruppe für alle Organisationen im gesamten Sektor.
Analyse, Management und Controlling von Kommunikationsmaßnahmen 207 ႑das „Activity Based Costing“ für alle Maßnahmen, um die Kosten-Nutzen-Betrachtung zu realisieren. ႑die inhaltliche Diskussion der Ergebnisse mit allen beteiligten Disziplinen, um „me- chanistische“ Entscheidungen zu vermeiden und Wechselbeziehungen und Synergien der Maßnahmen optimal zu berücksichtigen. Die Realisierung eines solchen Systems kann die geforderte Transparenz über die Mittelverwendung für Werbung für den gesamten Sektor erhöhen. Die Verwendung des Vorgehens als Empfehlungssystem bietet bisher ungenutzte Chancen für jede einzelne NonProfit-Organisation, zukünftig effizienter und noch wirkungsvoller zu kommunizieren und mehr Mittel für Hilfsprojekte zur Verfügung zu haben. Weiterführende Literatur ARF Advertising Research Foundation: First Opinion – An ARF Research Review of Integration Marketing & Communications Limited’s Market ContactAudit Methodology, 20.02.2007, Zugriff unter: www.thearf.org. Deutsches Zentralinstitut für soziale Fragen, DZI (2006): Werbe- und Verwaltungsausgaben Spenden sammelnder Organisationen, Zugriff unter: http://www.dzi.de/downloads/Verwaltungskostenkonzept.pdf. Chattopadhyay, A./Banerjee, S. (2001): „Results of the validation study undertaken for Integration and Young & Rubicam“, Zugriff unter http://www.integrationimc.com/Insead%20validation%20report.pdf. Jamhouri, O./Krause, H.U. (2002): Beyond Media Plans – Brand Experience Strategy, ESOMAR Research Paper, ESOMAR Kongress 2002.
 208 17 Hans Mumme Werbewirkung vorhersagen HansȱMummeȱ Das Thema „Pre-Testing für Non-Profit-Organisationen (NPOs)“ mag auf den ersten Blick etwas verwirren. Sind die aktuellen, hochentwickelten Pre-Test-Verfahren, die justiert sind an den Zielen kommerzieller Unternehmen, für den Non-Profit-Bereich überhaupt anwendbar? Oder müssen passende Untersuchungsmethoden für NPO-Kommunikation erst noch entwickelt werden? Wie im Folgenden dargestellt wird, liefern die (meisten) gebräuchlichen Pre-TestMethoden verlässliche Antworten auch auf die Fragen von NPOs. Sicher: Hier und da sind geringfügige Modifikationen notwendig, aber prinzipiell können die mit Pre-TestVerfahren über Jahrzehnte gesammelten Erfahrungen auch von Non-Profit-Organisationen genutzt werden. Es besteht keine Notwendigkeit, das Rad ein zweites Mal zu erfinden. Vielmehr ergibt sich eine große Chance für NPOs durch den Einsatz von Pre-Tests, denn diese erlauben eine signifikante Steigerung der Kommunikationswirkung. Im Folgenden wird zunächst die Funktionsweise von Pre-Test-Verfahren anhand deren Historie und aktuellem Stand vorgestellt, um danach auf Einsatzmöglichkeiten (aber auch Grenzen) für NPO-Kommunikation einzugehen. Die kurze Checkliste am Ende des Beitrags erlaubt Anwendern eine detaillierte Beurteilung der Eignung angebotener Testverfahren. 17.1 Funktion und Arbeitsweise von Pre-Tests Um die unterschiedlichen Ansätze der heutigen Pre-Test-Landschaft sowie die dahinter liegenden Konzepte besser zu verstehen, hilft ein Blick in die Entwicklungsgeschichte dieser Forschungsrichtung. 17.1.1 Kurzer historischer Abriss Erste Anfänge einer Forschungsrichtung, die sich mit der Beurteilung von Werbung vor ihrer öffentlichen Schaltung in den Medien beschäftigt, finden sich in den Zwanziger Jahren des vergangenen Jahrhunderts. Beim in dieser Zeit entwickelten „Starch-Test“ durchblätterte ein Interviewer zusammen mit einem Befragten ein Heft mit Anzeigen (und eventuell zusätzlichen redaktionellen Beiträgen). Dabei sollte der Proband jeweils schildern, was er bemerkt, betrachtet und gelesen hat. Ähnliche Untersuchungsformen existieren noch heute unter der Sammelbezeichnung „Copy-Test“. Allerdings sind in jüngerer Zeit Zweifel darüber aufgekommen, was diese Messung erfasst, daher zählen wir sie hier nicht zu den „klassischen“ Pre-Test-Verfahren1.   1 Starch, D. (1923): S. 29ff.
Werbewirkung vorhersagen 209 Die fokussierte Pre-Test-Historie beginnt etwa Mitte der Fünfziger Jahre, in denen das Fernsehen und mit ihm die TV-Werbung einen rasanten Aufstieg erlebte. Zunächst wurden hauptsächlich längere Spots geschaltet (mehr als 60 Sekunden waren keine Seltenheit!). Zudem waren die Produktionskosten äußerst gering, sodass die Hersteller gleich eine Vielzahl von Werbefilmen für ihre Produkte drehten und „auf Sendung“ brachten. Mit der steigenden Zahl an Produktionen (und deren Kosten) sowie der Bedeutung der TV-Werbung wuchs der Wunsch der Hersteller, geeignete Auswahlverfahren für die Spots bereits im Vorfeld (das heißt vor ihrer Ausstrahlung) zu entwickeln. Damals wurde der Erfolg der Werbung nicht nur anhand von Abverkaufszahlen der vorgestellten Produkte, sondern auch bereits mittels kontinuierlicher Befragungen während der Laufzeit der „Kampagnen“ ermittelt, sogenannten „Trackings“. Diese Trackings basierten hauptsächlich auf dem Konzept der Erinnerungsleistung und fokussierten, wie gut bereits gesendete Filme behalten wurden. So lag es natürlich nahe, dieses Prinzip auch bei der Entscheidungsfindung bereits vor der Ausstrahlung zu nutzen. Das wohl erste Konzept für PreTests entwickelte George Gallup Sr. unter der Bezeichnung „Day After Recall“ (DAR). Die Messung basierte auf einer Erfragung der Erinnerungsleistung an den Film und das beworbene Produkt einen Tag nach Vorspielen des noch nicht geschalteten Spots bei einer größeren Anzahl von Testpersonen (in der Regel zwischen 100 und 300). Dabei wurden Spots, die gut erinnert wurden, als besonders geeignet angesehen2. Erst Anfang der Siebziger Jahre kamen Zweifel an der Sinnhaftigkeit von DAR auf. Studien belegten, dass DAR kein guter Prädiktor für die Abverkaufsleistungen der Spots war. Damit wuchs der Druck auf die Marktforscher, neue Maße zu entwickeln, die eben dieses Kernkriterium der „prädiktiven Validität“ erfüllten. Resultat dieser Bestrebungen war ein Konzept, das heute „Persuasion“, „Motivation“ oder auch „Überzeugungskraft“ genannt wird. Dabei steht (fast) immer die Kaufbereitschaft der Testteilnehmer für das beworbene Produkt im Vordergrund. Es entwickelten sich zwei unterschiedliche Richtungen, die noch heute existieren: ႑PreȬPostȬShiftȬMessungen, bei denen ein Vergleich der Kaufbereitschaft vor und nach Betrachtung der jeweiligen Spots bezogen wird. Die Differenz wird auf die Leistung des Testfilms zurück geführt. ႑ReineȱPostȬMessungen, bei denen ausschließlich nach der Vorführung des zu testenden Spots befragt wird. Eine Bewertung der Leistungsfähigkeit erfolgt dabei auf Basis von sogenannten Normen oder Benchmarks, also im Vergleich mit Ergebnissen anderer, mit identischem Fragebogen getesteten, Filme. Diese Form des Pre-Testens darf nicht mit „Post-Tests“ verwechselt werden. Post-Tests ermitteln die Wirksamkeit einer Kampagne, nachdem diese geschaltet worden ist!   2 Young, C.E. (2008): S. 1-32.
210 Hans Mumme Für jeden der beiden Ansätze sind eine Reihe verschiedener Argumentationen ins Feld geführt worden, die Diskussion dauert bis heute an. Aber obgleich die beiden Vorgehensweisen auf den ersten Blick recht unterschiedlich erscheinen mögen, sind sie im Kern doch sehr ähnlich, wie später gezeigt werden wird. Es fand parallel zu der beschriebenen, von Werbung treibenden Unternehmen forcierten und von Marktforschungsinstituten umgesetzten Konzeption von zuverlässigen Vorhersageindikatoren eine weitere Entwicklung statt: In größeren Werbeagenturen wuchs ebenfalls der Wunsch nach einer Vorab-Überprüfung. Hierbei stand jedoch das Bestreben im Vordergrund, die eigenen kreativen Arbeiten inhaltlich weiter zu verbessern. So entwickelte zum Beispiel eine Gruppe bei Leo Burnett ein Verfahren mit dem Namen „Communication Workshop“. Dabei handelte es sich zunächst um eine Abfrage vieler inhaltlicher Dimensionen des Films (beispielsweise Glaubwürdigkeit, Unterhaltungswert oder Uniqueness), später ergänzt um offene Fragen zum Verständnis der Werbung. Während dieses Vorgehen individuelle Reaktionen misst, arbeiteten andere Agenturen verstärkt mit Gruppendiskussionen, die auch einen Austausch der Befragten zulassen. An Gruppendiskussionen oder „Focus Groups“ nehmen nur wenige Personen teil (zwischen sechs und zehn). Daher gelten diese heute als rein explorative Verfahren, mit denen sehr gut Ideen für die kreative Gestaltung zusammen mit der jeweiligen Zielgruppe entwickelt werden können. Jedoch ist schwerlich eine abschließende Prognose der Werbeleistung möglich. Daher zählen sie nicht zu den klassischen Pre-Tests. Ergebnisse derartiger Eigenuntersuchungen hielten Werbeagenturen in der Regel unter Verschluss und gaben sie – weil ausschließlich für die Weiterentwicklung der Kreation gedacht – nur äußerst selten an den Auftraggeber weiter. Die Erkenntnisse dieser agenturinternen Forschungsrichtung wurden erst ab etwa Mitte der Achtziger Jahre wiederentdeckt. Aufgrund einer exponentiellen Entwicklung von Schalt- und Produktionskosten für TV-Spots erlebten solche Optimierungsansätze eine Renaissance: Statt ausschließlich verlässliche Maße zur Auswahl der bestmöglichen Alternative zu ermitteln, sollten Pre-Tests auch Hinweise darauf geben, wie die Gestaltung der Werbung verbessert und an welchen Stellen gekürzt werden kann. Als Konsequenz wurden die existierenden Testinstrumente mit inhaltlich-diagnostischen Komponenten angereichert. Der technologische Fortschritt führte auch zur Entwicklung apparativer Verfahren als weitere Quelle für Erkenntnisse zur Wahrnehmung von Werbung (Tachistoskop, Augenkamera/Blickaufzeichung, Messungen der Hautleitfähigkeit und andere). Generell aber gilt, dass die Möglichkeiten derartiger Verfahren wohl überschätzt wurden. Sie eignen sich zwar gut zur Messung der Aufmerksamkeit, geben jedoch kaum Hinweise zur Qualität und subjektiven Interpretation des Wahrgenommenen. Daher empfiehlt sich höchstens ein Einsatz in Kombination mit Befragungen. Außerdem sind diese Verfahren in der Durchführung vielfach sehr aufwendig und führen zu erhöhten Kosten oder zu einer Verringerung der Befragtenzahl. Aus diesen Gründen sparen wir hier die apparativen Verfahren in der weiteren Betrachtung aus.
Werbewirkung vorhersagen 211 Der neueste Trend der Pre-Test-Forschung besteht in der Entwicklung nonverbaler Verfahrung zur Ermittlung nichtbewusster Wirkungen: Welche tiefer liegenden Motive oder Wünsche der Konsumenten werden durch Werbung angesprochen? Und wie lassen sich diese Effekte steigern? Die Marktforschung hat hierzu bereits unterschiedliche Herangehensweisen und Verfahren zur Messung entwickelt, jedoch bislang kein einheitliches Verständnis des Themenfeldes finden können. Insbesondere Optimierungsmöglichkeiten auf dieser Dimension sind noch unklar: Wie kann etwas verbessert werden, das zwar (irgendwie) messbar ist, aber dessen genaue Funktionsweise nicht bekannt ist? Hierin liegt die wahrscheinlich größte Zukunftsaufgabe der Pre-Test-Industrie, konkrete Auslöser von nichtbewussten Reaktionen zu identifizieren. Erst dann lassen sich diese auch wunschgemäß beeinflussen. Aufgrund der weiterhin bestehenden Uneinheitlichkeit möchten wir dieses Forschungsfeld hier ausklammern und uns auf die in unterschiedlichen Pre-TestAnsätzen erprobten Werbewirkungsindikatoren beschränken. 17.1.2 Pre-Tests heute – aktueller Stand und Varianten Die heutige Pre-Test-Landschaft zeigt – entsprechend der historischen Entwicklung – Instrumente, die sich hinsichtlich ihres Anspruchs und der erhobenen Werbewirkungsindikatoren recht ähnlich sind. Sie orientieren sich im Wesentlichen an den von Arnd Florack beschriebenen Aufgaben der Werbung3. ႑Information:ȱWerbung soll den Kunden über Produkte, Neuerungen und Qualitätsmerkmale informieren. ႑Motivation:ȱWerbung soll den Kunden motivieren, ein Produkt zu erwerben oder sich näher mit dem Produkt auseinanderzusetzen (zum Beispiel bei Neueinsteigern in einem Markt). ႑Sozialisation:ȱZiel der Werbung kann es auch sein, Mitgliedern einer Zielgruppe Werte zu vermitteln. Beispiele sind Kampagnen wie „KEINE MACHT DEN DROGEN“ oder Kampagnen zur Aufklärung über Aids. ႑Verstärkung:ȱEin weiteres Ziel der Werbung kann es sein, den Kunden, der motiviert ist, ein Produkt zu erwerben, in seiner Entscheidung zu bestärken. Wichtig ist die Verstärkung darüber hinaus bei der „Nachkaufwerbung“. Bei dieser Form der Werbung versucht man, Kunden möglichst viele Argumente dafür zu liefern, dass sie eine gute Kaufentscheidung getroffen haben, um so mögliche Zweifel an der Kaufentscheidung zu beseitigen.ȱ ႑Unterhaltung:ȱEin sicher peripheres, aber nicht unbedeutendes Ziel kann es sein, Kunden zu unterhalten. Im Vordergrund steht dabei sicher der Versuch zu verhindern, dass Zielgruppenmitglieder sich durch Vermeidungsverhalten (Umschalten, Weiterblättern, ...) der Werbemaßnahme entziehen.   3 Florack, A.
212 Hans Mumme Übersetzt man die Begriffe in messbare Variablen, so erhält man die folgenden Werbewirkungsdimensionen: ႑Durchsetzungsstärkeȱ(=ȱ„Information“): Die Fähigkeit einer Werbung, durch die Informationskonkurrenz zu dringen und den Markennamen sowie Kernbotschaften im Gedächtnis zu verankern. ႑Überzeugungskraft:ȱHierbei sind die drei genannten Ausprägungen zu berücksichtigen, die Verhaltensänderung (= „Motivation“), die Einstellungsänderung (= „Sozialisation“) sowie die Verhaltens- oder auch Einstellungsbestätigung (= „Verstärkung“). Diese Ausprägungen unterscheiden sich zum einen hinsichtlich der zu betrachtenden Zielgruppe: Sollen durch die Werbung Neukunden gewonnen werden (Gewinnungsmarketing, „Motivation“)? Oder bezweckt die Kommunikation Bestandssicherung (Haltemarketing, „Verstärkung“)? Ein weiterer Unterschied bezieht sich auf die zu beeinflussende Variable: Zielt die Werbung direkt auf Verhalten (zum Beispiel im Sinne einer Kaufstimulation)? Oder soll sie späteres Verhalten vorbereiten, indem eine positive Einstellung zum Beispiel zu einem Unternehmen oder dessen Angeboten aufgebaut wird? Die adäquaten Ausprägungen dieser Dimensionen (und damit auch die Messgrößen) werden also durch die jeweilige Marketingstrategie sowie durch das beworbene Angebot bestimmt und sollten im Vorfeld eines Pre-Tests exakt definiert werden. In der Praxis zeigt sich jedoch, dass sich viele Kunden nicht darüber im Klaren sind, ob Verhalten und/oder Einstellung fokussiert werden soll. Zudem ist bekannt, dass Einstellungen (in den meisten Fällen) bedeutende Treiber für Verhalten sind und dass sich tatsächliche Verhaltensänderungen in Pre-Tests kaum abbilden lassen. Denn eine entscheidende Rolle beim tatsächlichen Produktkauf spielt eine Vielzahl weiterer Variablen, die in Pre-Tests gar nicht betrachtet werden können, zum Beispiel die Häufigkeit der Schaltungen und die Erreichung der Zielpersonen, die Aktivitäten von Wettbewerbern, der Preis des Produkts oder die Verfügbarkeit des beworbenen Produkts in den Einkaufsstätten. Selbst die Instrumente, die augenscheinlich Verhaltensänderungen messen (namentlich die Pre-Post-Shift-Verfahren) ermitteln tatsächlich auch „nur“ Verhaltensintentionen, zum Beispiel Kaufabsichten. Die Grenze zwischen Einstellungen und Verhaltensintentionen ist wiederum fließend, sodass wir diese hier synonym benutzen wollen. Trotz der beschriebenen Unsicherheiten aufgrund im Einzelfall nicht berücksichtigter Einflussgrößen ist der prinzipielle Zusammenhang zwischen Testergebnissen und Abverkaufsdaten für alle großen Pre-Test-Instrumente belegt, die sogenannte prognostische Validität an jeweils vielen Fallstudien bewiesen. ႑Involvementȱ(=ȱ„Unterhaltung“): Wenn dies auch kein direktes Ziel werblicher Kommunikation ist, wächst die katalysierende Funktion dieser Variablen aufgrund der zunehmenden Informationsüberflutung und -splittung immer weiter. Nur Kommunikation, die Relevanz oder Wertigkeit für den Zuseher aufzeigt (das kann zum Beispiel auch Humor sein), wird nicht „weggezappt“ oder überblättert. So messen auch die meisten Pre-Tests diese Wirkdimension, wobei die Bezeichnungen jedoch recht unterschiedlich sind.
Werbewirkung vorhersagen 213 Alle bisher genannten Indikatoren ermöglichen eine „harte“ Beurteilung der Werbewirkung, das heißt die Ausprägung der entsprechenden Variable (zum Beispiel Überzeugungskraft) wird in einem Wert erfasst und anhand von Benchmarks oder Normen bewertet. Daneben bestimmen alle bedeutenden Pre-Test-Verfahren mit der Kommunikationsleistung auch eine „weichere“ Dimension. In deren Zentrum steht die Frage, welche inhaltlichen Aussagen die Werbung transportiert. Hier zeigen sich die größten Unterschiede zwischen den Instrumenten. Die Spannbreite reicht von einer gestützten Abfrage, bei der die Probanden gezielt auf einzelne Inhalte angesprochen werden, bis zu ausgefeilten Analysemethoden auf Basis freier Erinnerungen der Testteilnehmer. Darauf aufbauend kann zum Beispiel eine detaillierte „Treiberanalyse“ durchgeführt werden. Sie ermittelt, welche Inhalte der Werbung die Gesamtleistung fördern und welche nicht bzw. welche kontraproduktiv wirken. Aus dieser Betrachtung lassen sich sehr konkrete und effektive Optimierungsempfehlungen ableiten. 17.2 Pre-Tests für NPOs: Anwendungsmöglichkeiten In den vorangegangenen Abschnitten war häufig die Rede vom Abverkauf, von Marken und Produkten etc., all dies findet sich bei NPOs nicht. Sind denn klassische Pre-TestInstrumente überhaupt für diesen Einsatzzweck geeignet? NPOs wollen ja keine Produkte verkaufen, sie haben keine kommerziellen Interessen, sondern wollen informieren, aufklären, Agenda-Setting betreiben und zur aktiven Mithilfe (zum Beispiel in Form von Spenden) aufrufen. Aber sind diese Ziele tatsächlich so weit entfernt von denen profitorientierter Unternehmen? Um diese Fragen zu beantworten, müssen wir uns die Aufgaben für Werbung im Non-Profit-Bereich genauer ansehen. Schneider hat vier Phasen für das Spenderverhalten privater Haushalte evaluiert4 1. Informationsstand und -beschaffung (gezielt oder unbeabsichtigt) 2. Informationsverarbeitung und Entscheidungsfindung 3. Transferverhalten (der Spendenakt) 4. Zufriedenheit der Spender mit dem Spendenergebnis In welchen dieser Phasen kann Werbung unterstützend eingreifen? Zum einen kann Kommunikation potenzielle Spender auf die NPO aufmerksam machen und über deren Ziele informieren (Phase 1) und damit den Verarbeitungs- und Entscheidungsprozess (Phase 2) gestaltend einleiten und beeinflussen. Daneben kann Werbung auch dazu beitragen, das bereits gezeigte Spendenverhalten nachträglich positiv zu bewerten (Phase 4). Im kommerziellen Bereich ist dies als „Reduktion von Nachkauf-Dissonanz“ bekannt; zum Beispiel beginnen ja Bedienungsanleitungen häufig mit den Worten „Herzlichen Glück-   4 Schneider, W. (1996): S. 114ff.
214 Hans Mumme wunsch, dass Sie sich zum Kauf dieses Geräts entschieden haben!“ Diese Floskel soll dazu dienen, mögliche Zweifel an der Richtigkeit der Entscheidung zu zerstreuen. Insgesamt kommt Werbung in dem oben genannten Prozess eine entscheidende Bedeutung zu, da sie ihn initiiert (bei Personen, die sich nicht aktiv informieren) und indem sie hilft, ihn positiv abzuschließen und damit die Bereitschaft für weitere Spenden erhöht. Welches sind nun die Kernkriterien, die eine geeignete Kommunikation erfüllen muss und die somit auch in einem adäquaten Testverfahren abgebildet werden sollten? ႑Um zu informieren ist natürlich die Absenderkennung wichtig. Der Name der NPO bzw. seiner beworbenen Initiative muss in Erinnerung bleiben, um Einstellungen oder (spätere) Handlungen adressierbar zu machen. Dieses Kriterium wurde oben unter dem Begriff „Durchsetzungsstärke“ beschrieben. ႑Weiterhin muss das Gezeigte (rasch) eine geeignete Verbindung zum Betrachter auf- bauen, zum Beispiel durch Ansprache persönlicher Werte oder Moralvorstellungen. Nur auf dieser Basis wird das Thema als individuell wichtig erlebt – und nicht als irrelevant ausgeblendet. Und nur dann ist der Einzelne motiviert, sich eingehender mit den Inhalten zur beschriebenen Initiative oder der Organisation auseinanderzusetzen. Diese Voraussetzung wurde im vorangegangenen Abschnitt als „Involvement“ bezeichnet. ႑Wenn es sich um einen Spendenaufruf handelt, sollte die Werbung darüber hinaus auch das Zielverhalten (zu spenden) vorbereiten, erste Schritte im Entscheidungsprozess steuern. Es geht darum, entweder sofort zu spenden oder ein entsprechendes, späteres Verhalten vorzubereiten – die Bedeutung der Einstellungsdimension haben wir bereits erläutert. Besonders wichtig ist, mittels der kommunizierten „Argumente“ (diese können auch emotionaler Natur sein) der Zielgruppe überzeugend zu vermitteln, dass ein bestimmtes eigenes Verhalten wichtig und richtig ist. Und selbst wenn auf diesen Aufruf keine Spende erfolgt, kann die Werbung erfolgreich sein: Wenn sie nämlich ein positives Bild der NPO hinterlässt, auf das folgende Aufrufe später aufbauen können (Imagewirkung). Ähnlich ist es, wenn ausschließlich das Image einer NPO beworben wird. Dann entfällt lediglich die verhaltensbezogene Wirkdimension. Es wurde erwähnt, dass Werbung auch genutzt werden kann, um ein bereits gezeigtes Verhalten zu bestätigen und zu weiterem Verhalten anzuregen. Im vorangegangenen Abschnitt wurde dies unter dem Schlagwort „Haltemarketing“ beschrieben. Alle Pre-Test-Kenngrößen zur Bewertung von Werbung sind also auch für die Kommunikation von NPOs von Bedeutung und sollten in entsprechenden Verfahren geprüft werden, um zum Beispiel den beschriebenen Prozess des Spenderverhaltens bestmöglich zu unterstützen. Daneben müssen in einem geeigneten Pre-Test natürlich auch inhaltliche Facetten der Werbung beleuchtet werden, zum Beispiel werden die Kernaussagen über die NPO bzw. das konkrete Angebot kommuniziert: Was steht im Vordergrund, welche „Argumente“ sind besonders überzeugend und welche nicht? Entsprechende Vorgehensweisen in klassischen Pre-Tests haben wir bereits beschrieben.
Werbewirkung vorhersagen 215 Insgesamt gesehen eignen sich die für kommerzielle Werbung entwickelten Verfahren durchaus auch für NPOs. Aber lohnt sich auch die hohe Investition in diese Verfahren? Denn der durchschnittliche Preis für die Durchführung eines Pre-Tests beträgt in Deutschland etwa 16.000 Euro (eigene Schätzung). Neben der Sicherheit, eine geeignete Kampagne zu schalten (und der damit möglichen internen Rechtfertigung der getroffenen Entscheidungen), liefern moderne Pre-Tests auch eine Fülle an Erkenntnissen zu Wahrnehmungsinhalten und deren Qualitäten. Diese sollen dazu dienen, die Werbemaßnahme bezüglich Gestaltung und Aussagekraft zu verbessern. Erfahrungen mit unserem Pre-Test-Verfahren mit Namen AdEval™ zeigen, dass die Werbewirkung durch Umsetzung der ausgesprochenen Optimierungsempfehlungen um durchschnittlich etwa 20 Prozent verstärkt werden kann. Bei derartigen Steigerungsmöglichkeiten lohnt sich ein Einsatz von Pre-Tests im Sinne eines Return-On-Investment. Kommerziell agierende Unternehmen haben dieses Potenzial längst erkannt, auch wenn der unmittelbare Nutzen dieser Untersuchungen nicht sofort ermittelt werden kann. Abbildung 1 Wirksamkeit der AdEval™ Empfehlungen
216 Hans Mumme 17.3 Checkliste: Kriterienkatalog Pre-Tests für NPOs Wie gezeigt wurde, eignen sich klassische Pre-Test-Instrumente generell für den Einsatz bei NPO-Werbung. Dennoch unterscheiden sich die angebotenen Ansätze hinsichtlich Schwerpunktsetzung und Erkenntnistiefe. Daher möchten wir hier eine kurze Checkliste zur Auswahl eines geeigneten Pre-Test-Instruments für NPO-Werbung aufstellen. ႑BasiertȱderȱTestȱaufȱeinerȱaussagekräftigenȱFallzahl? Erfahrungsgemäß sind mindestens 100 Befragte notwendig, um verlässliche Aussagen treffen zu können. ႑KannȱderȱTestȱdieȱrelevanteȱZielgruppeȱderȱWerbungȱabbilden?ȱDem Marktforschungsinsti- tut sollte vorab die Zielgruppe der NPO sowie der Kampagne skizziert werden. Und nur solche Personen sollten in der Untersuchung befragt werden. Bei der Zielgruppendefinition ist auch zu berücksichtigen, welche Personen überhaupt in Kontakt mit der Werbung kommen können. ႑WerdenȱalleȱrelevantenȱWirkungsdimensionenȱimȱTestȱerfasst? Um eine umfassende Stär- ken-Schwächen-Analyse der Testwerbung zu liefern, sollte die Untersuchung (zumindest) folgende Kernmaße beinhalten: Durchsetzungsstärke / Branding – Überzeugungsleistung für das intendierte Verhalten (zum Beispiel Spenden); wenn die Werbung einen Aufforderungscharakter besitzt; – Imagewirkung auf den Absender – Involvement: Erzeugung von persönlicher Relevanz durch die Werbung. ႑WerdenȱdieȱunterschiedlichenȱWerbezieleȱimȱRahmenȱdesȱEntscheidungsprozessesȱberücksichȬ tigt?ȱWie bereits gezeigt wurde, sollte Werbung grundsätzlich zwei Funktionen erfüllen (es sei denn, die Kommunikation soll eine ganz neue NPO ankündigen): Gewinnungs- und Haltemarketing. Ein geeignetes Verfahren sollte also die beiden dahinter stehenden Zielgruppen abbilden (siehe Punkt 2) sowie beide Wirkdimensionen ermitteln können. ႑GibtȱesȱBelegeȱfürȱdieȱValiditätȱdesȱVerfahrensȱfürȱNPOȬWerbung?ȱWenn ein Pre-Test- Verfahren ausschließlich an Abverkaufszahlen für Produkte validiert ist, sagt dies wenig über die Eignung für NPO-Ziele aus. Zu erfragen ist daher, ob es auch Beweise für die Prognosegüte bei Werbung für NPOs oder Dienstleistungen gibt. ႑StehenȱadäquateȱBenchmarksȱzurȱVerfügung?ȱEs sollten länderspezifische Vergleichswerte aus dem Bereich „NPO“ oder zumindest „Dienstleistungen“ zur Verfügung gestellt werden können, um eine verlässliche Bewertung der Testergebnisse gewährleisten zu können. Wenn diese nicht vorliegen: Gibt es eine (kostengünstige) Möglichkeit, solche Benchmarks zu beschaffen? ႑LiefertȱdasȱVerfahrenȱinhaltlicheȱErkenntnisseȱundȱOptimierungsempfehlungen?ȱEinige Testverfahren legen einen besonderen Schwerpunkt auf die Bewertung der Kernindikatoren und liefern nur wenige Insights. Zu fragen ist auch, ob belegt werden kann, dass die Handlungsempfehlungen tatsächlich eine Leistungssteigerung zur Folge haben.
Werbewirkung vorhersagen 217 ႑LassenȱsichȱdieȱHauptergebnisseȱdesȱVerfahrensȱeinfachȱundȱverständlichȱdarstellen?ȱDies ist ganz sicher ein wichtiger Punkt, um die Testergebnisse auch anderen schnell zugänglich zu machen. Wenn das Verfahren komplexe Modelle verwendet, die Kunden erst „lernen“ müssen, kann dies den Zugang erschweren und in internen Akzeptanzproblemen münden. ႑IstȱdasȱVerfahrenȱuniversellȱeinsetzbar?ȱUngünstig ist es, wenn das Testinstrument nur auf wenige Medien festgelegt ist (zum Beispiel nur TV und Print). Stehen zukünftig andere Medien im Fokus (zum Beispiel Handzettel), müsste die Methode mit einigem Aufwand adjustiert oder ein anderes Testinstrument gesucht werden. Auch, um medienübergreifende Ergebnisvergleiche anstellen zu können, sollte das Verfahren universell einsetzbar sein. ႑IstȱderȱUntersuchungsaufbauȱdesȱVerfahrensȱforschungsökonomisch?ȱManche Verfahren arbeiten mit recht komplexen Untersuchungsszenarien und unter Hinzunahme von technischen Apparaturen. Hierbei ist immer zu hinterfragen, welchen Zusatznutzen dieser Aufwand erbringt und ob dies in einer (subjektiv) „vernünftigen“ Relation zu den Mehrkosten steht. 17.4 Fazit In der vorliegenden Diskussion konnte gezeigt werden, dass der Einsatz klassischer PreTest-Instrumente auch für NPOs sinnvoll ist. Die Kernindikatoren solcher Verfahren sind auch für die Zielsetzungen von NPO-Kommunikation adäquat und anwendbar. Allerdings sollte jeweils geprüft werden, ob ein angebotenes Verfahren bestimmte Kriterien erfüllt. Eine entsprechende Checkliste liegt vor. Neben der validen Beurteilung der Leistungsfähigkeit der Werbemaßnahme sind die aus solchen Untersuchungen gewonnenen inhaltlichen Verbesserungsvorschläge besonders wertvoll, eine Umsetzung dieser Empfehlungen kann die Werbewirkung signifikant steigern und so die für die Marktforschung eingesetzte Investition mehr als amortisieren. Weiterführende Literatur Florack, A.: Kleine Einführung in die Werbepsychologie, Zugriff unter www.werbepsychologieonline.de, http://www.werbepsychologie-online.de/html/einfuhrung.html#Ziele.. Schneider, W. (1996): Die Akquisition von Spenden als eine Herausforderung für das Marketing, 2. Aufl., Berlin, S. 114 ff. Starch, D. (1923): General Considerations, in: Starch, D. (Hrsg.), Principles of Advertising, London, S. 739 ff. Young, C.E. (2008): A Short History of Television Copytesting, in: Young, C.E. (Hrsg.), The Advertising Research Handbook, 2. Aufl., Seattle, Washington Ideas in Flight, S. 1-32.
 218 18 Walter Freese Erfolgskontrolle bei Corporate Publishing im Non-Profit-Sektor WalterȱFreeseȱ Das Corporate Publishing hat sich in den vergangenen Jahren als wichtiges Marketinginstrument etabliert. Sowohl Unternehmen als auch NPOs nutzen die kontinuierliche Kommunikation mit ihren Kunden, Mitgliedern, Spendern und Förderern, um in einer bestimmten Weise positiv auf die jeweiligen Zielgruppen einzuwirken. Der folgende Beitrag beschäftigt sich im ersten Teil mit den Grundlagen und Zielen des Corporate Publishings. Im zweiten Teil geht es um die Möglichkeiten und Erfahrungen, die Wirkung des CP mithilfe von geeigneten Methoden der Markt- und Medienforschung zu ermitteln. Es werden die verschiedenen methodischen Ansätze mit ihren Vor- und Nachteilen dargestellt. Zudem wird anhand eines Beispiels gezeigt, wie sich die Frage nach der langfristigen Wirkung von Mitgliedermagazinen durch ein geeignetes Studiendesign beantworten lässt. 18.1 Was versteht man unter Corporate Publishing (CP)? Wenn Organisationen – etwa Unternehmen, Institutionen wie Behörden, Forschungsinstitute, Kommunen, aber auch Verbände, Gewerkschaften und sonstige Non-ProfitOrganisationen – professionelle Medien für die Kommunikation mit ihren wichtigen internen und externen Zielgruppen einsetzen, um bestimmte kommunikative oder marketingorientierte Ziele zu erreichen, so spricht man von Unternehmenskommunikation, Corporate Communication oder eben CorporateȱPublishingȱ(CP). Klassisches und weit verbreitetes Medium ist die gedruckte Zeitschrift, die sich an Kunden, Mitarbeiter oder Mitglieder wendet. Organisationen werden hierbei verlegerisch tätig und lassen Magazine entweder selber (Inhouse) oder aber federführend mit einem oder mehreren externen Dienstleister produzieren. Neben der Gattung Print ist auch eine Ansprache über andere Medien möglich, etwa mithilfe audiovisueller Medien oder Bücher. Es gibt keine allgemein akzeptierte Definition des Begriffs Corporate Publishing, um diesen etwa von anderen Marketing- und Kommunikationsdisziplinen wie klassische Werbung oder Public Relations (PR) abzugrenzen.
Erfolgskontrolle bei Corporate Publishing im Non-Profit-Sektor 219 Als gemeinsamen Nenner beinhalten fast alle Definitionsansätze die folgenden Aspekte: CPȱMedien:ȱ ႑sind in der Regel journalistisch aufgemacht, ႑erscheinen periodisch (Kontinuitätsmedien), ႑sind inhaltlich meistens breit aufgestellt und gehen über eine reine Produkt- oder Dienstleistungsdarstellung hinaus, ႑werden jeweils für spezielle Zielgruppen eingesetzt und ႑dienen den Organisationen zur Unterstützung beim Erreichen von definierten kommunikativen und ökonomischen Zielen. Anders als originäre, verleger-getriebene Medien bewegt sich das CP in einem Spannungsfeld zwischen den spezifischen Informations- und Unterhaltungsbedürfnissen der Rezipienten und den (legitimen) Interessen der herausgebenden Organisation. 18.2 Trends im Corporate Publishing Viele Verlage, Agenturen oder sonstige Dienstleister, die im CP als Anbieter tätig sind, haben sich im Branchenverband Forum Corporate Publishing e.V (FCP) organisiert. Die jüngste Mitgliederbefragung für 2009 ergab, dass die CP-Branche immer noch mit Wachstum rechnet.1 Neben dem Gesundheits- und Pharma-Sektor und dem Sektor Industrie, Technologie, Energie rechnen die Mitglieder mit dem höchsten Wachstumspotenzial bei den Non-Profit-Organisationen (NPOs). Wie eingangs erwähnt, ist die gedruckte Zeitschrift bzw. das Magazin das originäre Medium im CP, das gemessen an den benötigten und zur Verfügung gestellten Budgets auch aktuell einen wichtigen Stellenwert im Konzert der CP-Maßnahmen einnimmt. Vor diesem Hintergrund gab es 2008 zwei fast zeitgleich erschienene Studien, die sich mit der Situation des Corporate Publishing im Allgemeinen und der Rolle von Print im Besonderen in dieser Form der Unternehmenskommunikation beschäftigen. Befragt wurden jeweils Verantwortliche aus dem Bereich der Unternehmenskommunikation zur derzeitigen und zukünftigen Kommunikationsstrategie. Beide Untersuchungen kommen zu ähnlichen Ergebnissen: ႑Dem CP wird ein in Zukunft wachsender Stellenwert im Kommunikationsmix der Unternehmen prognostiziert.   1 Forum Corporate Publishing e.V. (2008)
220 Walter Freese ႑Digitale Medien sind auf dem Vormarsch und werden auch im CP an Bedeutung ge- winnen. Zurzeit sind vom allem e-journals oder e-magazines populär, während Podcasts, Blogs und Co. noch sehr zurückhaltend eingesetzt werden. ႑Gedruckte Magazine und Zeitschriften für die verschiedenen Stakeholder-Gruppen (Kunden, Geschäftspartner, Shareholder, Mitglieder oder auch Mitarbeiter) bleiben dennoch auch in Zukunft das zentrale Tool in der Unternehmenskommunikation. ႑Zur Erhöhung der Wirkung der Kommunikation insgesamt sollen alle eingesetzten Instrumente optimal miteinander verzahnt sein (crossmediale Wirkung). Die Ergebnisse dieser Studien deuten darauf hin, dass die neuen digitalen Medien den „Klassiker“ Print eher ergänzen als ersetzen. In der Medienforschung spricht man dann von einem komplementären – statt substitutiven – Einsatz der Medien unter Berücksichtigung ihrer spezifischen Stärken. Ein wesentlicher Grund für viele Organisationen, auch in Zukunft auf Print zu setzen, ist wohl die Überzeugung, dass Kundenmagazine einen wichtigen Beitrag zur Erreichung ihrer Kommunikationsziele leisten. Aus den genannten Gründen beziehen sich die folgenden Ausführungen vorrangig auf gedruckte Magazine. 18.3 Non-Profit-Organisationen (NPOs) und CP CP ist für Wirtschaftsunternehmen ein wichtiges Instrument zur Kundenansprache. Darüber hinaus spielt aber auch für Non-Profit-Organisationen (NPOs) der kontinuierliche Dialog mit Mitgliedern, Spendern und Förderern, insbesondere mithilfe gedruckter Magazine und Zeitschriften, eine immer wichtigere Rolle. Über zehn Millionen Menschen in Deutschland sind Mitglied in einer Hilfsorganisation, ob als aktives oder „ruhendes“ Mitglied, ehrenamtlich tätig oder in einer Fördermitgliedschaft. Da verwundert es nicht, dass es eine große Anzahl und Vielfalt an Magazinen und Zeitschriften gibt, mit denen ehrenamtliche und vor allen Dingen die Fördermitglieder angesprochen werden sollen. Nach Einschätzung des Branchendienstes CPȱMonitorȱ–ȱPortalȱfürȱKundenmedien2 hat in den letzten Jahren die Anzahl der Mitglieder- und Fördermitgliedermagazine der Hilfsorganisationen zugenommen, wobei sich folgende Entwicklungen feststellen lassen: ႑eine zunehmende Professionalisierung und höherer journalistischer Qualitätsanspruch der Magazine durch ansprechendes Layout und eine eigenständige Bildsprache sowie interessante und gut verständliche Texte, ႑gestiegene Ansprüche der Leser,   2 www.cp-monitor.de, (2007).
Erfolgskontrolle bei Corporate Publishing im Non-Profit-Sektor 221 ႑ein Trend zu nutzwertorientierten Magazinen, ႑ein Trend zu zielgruppenspezifischen Magazinen. Schon seit Jahren gibt es beim Wettbewerb BestȱofȱCorporateȱPublishingȱ(BCP) – wahrscheinlich der wichtigste Wettbewerb für CP-Medien, der vom Branchenverband FCP organisiert wird – auch einen Preis in der Kategorie „Kundenmagazine, B2C: Non-Profit, Verbände, Institutionen“. Auch hiermit wird die Relevanz, die CP im Segment der NPOs einnimmt, deutlich. Zusammengefasst kann also gesagt werden, dass auch die NPOs stark auf gedruckte Magazine setzten und die Verantwortlichen auch hier gezwungen sind, auf die Wirkung und Effizienz der Medien und damit die Legitimation der Budgets zu achten. 18.4 Wirkungsforschung 18.4.1 Theoretische Grundlagen Setzt man sich mit der Frage der Wirkung von Medien auseinander, so stößt man im Laufe der Recherche unweigerlich auf die wohl bekannteste Formel der Wirkungsforschung, die Lasswell-Formel, die 1948 von Harold D. Lasswell veröffentlicht wurde.3 Im vorliegenden Fall soll diese Formel nicht genutzt werden, um etwas zu erklären oder zu belegen, sondern um den Sachverhalt zu strukturieren. Die Lasswell Formel lautet: „Who says what in which channel to whom with what effect?“ Angewendet auf CP lässt sich die Formel wie folgt auflösen: ႑Who: Die herausgebende Organisation ႑Saysȱwhat: Die Inhalte und kommunikativen Botschaften der Medien ႑InȱwhichȱChannel: Die eingesetzten Instrumente (Print, Online, Bewegtbild etc.) ႑Toȱwhom: Alle relevanten externen und internen Zielgruppen ႑WithȱwhatȱEffect: Erreichung definierter kommunikativer oder marketingorientierter Ziele Die ersten vier Aspekte sind Gegenstand der Entscheidungen der jeweils Verantwortlichen in den Organisationen. Im Rahmen der geltenden Kommunikationsstrategie wird entschieden, welche Zielgruppen über welche Medien mit welchen Botschaften erreicht werden sollen.   3 Lasswell, H. D., (1948)
222 Walter Freese Im Folgenden ist allerdings die Frage nach dem Effekt oder der Wirkung von CP von herausgehobenem Interesse. Die Auseinandersetzung mit der Frage nach dem Erfolg, der Wirkung oder Effizienz des CP (‚gemäß Lasswell: With what Effect’) ist nicht nur von akademischem Interesse, sondern oft essenziell für die Legitimation der produzierten und vertriebenen Medien. Es ist gerade in der heutigen Zeit kaum noch denkbar, dass Organisationen in Marketing und Kommunikation investieren, ohne nach der Wirksamkeit der eingesetzten Mittel zu fragen. Es sollte mit möglichst geringem Mitteleinsatz ein möglichst hohem Nutzen erzielt werden. Fragt man im CP nach der Wirkung, geht es immer um eine positive Wirkung der Kommunikation im Hinblick auf die Ziele in der definierten Zielgruppe. Die Herausforderung für die Verantwortlichen ist es, eben diese Wirkung mithilfe von Kennzahlen – sogenannten KPI (Key Performance Indicator) – messbar zu machen. Da Erfolgskontrolle immer einen Abgleich zwischen dem, was erreicht werden soll, und dem, was erreicht wurde (Soll-Ist-Abgleich) erfordert, lautet die Aufgabe, (1.) das „Soll“ zu definieren und (2.) das „Ist“ messbar zu machen. Denn ohne die Festlegung der zu beeinflussenden Wirkungsdimensionen, also der Kommunikationsziele, ist die valide Messung einer Wirkung nicht möglich. 18.4.2 Ziele des CP Welche Ziele (= Soll) werden nun aber mithilfe von Kunden- und Mitgliedermagazinen verfolgt? Es existieren zahlreiche Untersuchungen, die sich mit dieser Frage beschäftigen. Ohne den Anspruch auf Vollständigkeit oder das richtige Ranking dieser Ziele sehen die Ergebnisse häufig ähnlich aus. Kunden- und Mitgliedermagazine sollen: ႑zum Dialog anregen, ႑Informationen liefern und Transparenz schaffen, ႑die spezifischen Kompetenzen der Organisation vermitteln und Vertrauen aufbauen, ႑„Agenda Setting“ betreiben, das bedeutet Aufmerksamkeit und Interesse für bestimmte Themen schaffen, ႑die Bekanntheit steigern, ႑das Image aufbauen und verankern, um die Positionierung zu stützen, ႑den Vertrieb unterstützen (direkter Produktabsatz, Verkaufsförderung, Akquisition neuer Spender und Förderer), ႑bestehende Kunden, Mitglieder, Spender und Förderer emotional ansprechen und binden (Haltmarketing) sowie ႑neue Zielgruppen gewinnen (Gewinnungsmarketing).
Erfolgskontrolle bei Corporate Publishing im Non-Profit-Sektor 223 Eines belegt diese Auflistung ganz deutlich: Die Erwartungen an die Leistungsfähigkeit der verschiedenen CP-Instrumente – und ganz besonders an die Printobjekte – sind hoch. Das „Soll“ ist vielfältig und anspruchsvoll gesteckt. Hat eine Organisation für sich definiert, welche Ziele erreicht werden sollen, stellt sich im nächsten Schritt zwangsläufig die Frage nach der Erreichung dieser Ziele – also die Messung des „Ist-Zustandes“. Welche Möglichkeiten und Instrumente stehen zur Verfügung, um den Erfolg zu messen? 18.4.3 Instrumente der Erfolgskontrolle im Überblick Eine der Möglichkeiten, um Indikatoren für den Erfolg zu sammeln, sind BranchenwettbeȬ werbe, bei denen die Medien durch eine Experten-Jury ausgezeichnet werden. Es wird den Verantwortlichen von neutraler Seite bescheinigt, einen guten Job gemacht zu haben. Der wahrscheinlich wichtigste Wettbewerb für CP-Medien ist der Bestȱ ofȱ Corporateȱ Publishingȱ (BCP), der vom Branchenverband Forum Corporate Publishing (FCP) organisiert wird. Beim BCP gibt es unter anderem einen Preis in der Kategorie „Non-Profit, Verbände, Institutionen“. Im Jahr 2009 waren zum Beispiel das Amnesty Journal von ai, Chrismon der evangelischen Kirche oder auch Liga, das Magazin der Österreichische Liga für Menschenrechte, nominiert – gewonnen hat „Vielwald“ der Bayerische Staatsforsten. Diese Auszeichnungen sind sehr prestigeträchtig, sagen aber eher wenig über die Wirkung des Magazins auf den Leser aus. Eine weitere Möglichkeit der Erfolgskontrolle sindȱ technischeȱ Verfahren bzw. die Messungȱ vonȱResponse.ȱViele CP-Medien werden als Dialog-Plattform gesehen. Ob dieser Dialog mit der Zielgruppe auch funktioniert, kann der Herausgeber messen, indem die Reaktionen auf den medialen Stimulus erfasst werden. Diese Responseerfassung von Gewinnspielen, Leserbriefen, Leserforen oder auch von Leserbefragungen kann Hinweise auf die Interessen und Wünsche der Leser geben. Ähnliches gilt, wenn Magazine in der Vertriebsunterstützung eingesetzt werden. Kommt es aufgrund von Anregungen in einem Magazin zu einer Steigerung der Nachfrage, zu direktem Abverkauf von Produkten, zu gesteigertem Spendenaufkommen oder zu einer weiteren Kontaktaufnahme mit dem Herausgeber, arbeitet das Medium erfolgreich. All diese Reaktionen – direkter und indirekter Response aus der Zielgruppe – sollten datentechnisch erfasst und optimalerweise in ein CRMSystem eingepflegt werden. Sind Erfolge bei Wettbewerben oder das Messen und Auswerten des Responses noch direkt und damit vergleichsweise einfach zu ermitteln und darzustellen, wird es schwieriger, wenn die angestrebten Wirkungsdimensionen eher im Bereich der „Soft facts“, also Image oder Kundenbindung liegen. Hier lautet die Frage: Hat die Nutzung der Kundenzeitschrift langfristig eine positive Wirkung auf die Kunden-Herausgeber-Beziehung? Um dieser Frage nachzugehen, nutzen viele Unternehmen die Instrumente der MarktȬȱundȱMedienforȬ schung, die den Erfolg oder Misserfolg objektiv messen sollen. Das gängigste Instrument ist dabei die Leserbefragung. Diese soll im Folgenden näher beleuchtet werden.
224 Walter Freese 18.5 Die Leserbefragung als Instrument der Erfolgskontrolle Hat man sich dafür entschieden, eine Leserbefragung durchzuführen, muss man sich sowohl mit den methodischen als auch mit den inhaltlichen Aspekten einer solchen Untersuchung befassen. Im Folgenden wird ein Überblick über die zur Verfügung stehenden Methoden der Umfrageforschung (Wieȱ kannȱ gemessenȱ werden?) und die wichtigsten Inhalte (Wasȱ sollȱ gemessenȱ werden?)ȱ von Leserbefragungen für Kunden- und Mitgliedermagazine gegeben. 18.5.1 Methodisches: Wie wird gemessen? Üblicherweise werden die benötigten Informationen über die Leser mithilfe von BefragunȬ gen erhoben. Im Rahmen einer solchen Befragung werden in der Regel durch standardisierte, geschlossene Fragen alle notwendigen Informationen direkt von den Zielpersonen erhoben. Bei einer Leserbefragung sind InterviewsȱmitȱundȱohneȱdenȱEinsatzȱvonȱInterviewernȱ möglich. 18.5.1.1 Die nicht-interviewergeführte Befragung: Der Selbstausfüller (self-completion) Ein sehr beliebter – weil auf den ersten Blick sehr günstiger – Weg, um an Daten zu kommen, ist der Fragebogen als Selbstausfüller. Hier bieten sich zwei Varianten an: ႑FragebogenȱimȱHeft:ȱAm häufigsten wird auf den Fragebogen im Heft zurückgegriffen. Bei dieser Methode wird der gesamten Auflage oder einem Teil der Auflage ein gedruckter Fragebogen beigelegt. Die ausgefüllten Fragebögen werden dann vom Befragten per Post oder Fax zurückgeschickt. ႑Onlinebefragung:ȱDer Fragebogen wird auf der Homepage des Herausgebers oder auf der eigenen Homepage zur Verfügung gestellt und mit einem Pop-up oder einem sogenannten Layer verlinkt. Stehen E-Mail-Adressen zur Verfügung, können die Zielpersonen auch ganz gezielt über eine Einladungs-E-Mail zum Fragebogen geführt werden. Die Befragung selber wird dann mithilfe eines CAWI (= Computer Assisted Web Interviewing) durchgeführt. Vorteile dieser Methoden sind: ႑Es findet kein Einfluss eines Interviewers beim Ausfüllen des Fragebogens statt. ႑Es fallen (relativ) geringe Kosten an, da keine Kosten für Interviewerhonorare notwendig werden. Allerdings sollten die internen Kosten nicht unterschätzt werden. ႑Bei hoher Auflage bzw. hohen Nutzungszahlen der Homepage sind auch hohe Fallzahlen erreichbar.
Erfolgskontrolle bei Corporate Publishing im Non-Profit-Sektor 225 ႑Neben der Datenerhebung kann eine solche Befragung auch als Maßnahme zur Kundenbindung eingesetzt werden („Ihre Meinung ist uns wichtig“). ႑Diese Erhebung funktioniert ganz gut, wenn es um das Sammeln von Hinweisen und Anregungen für die Redaktion bezüglich der thematischen Wünsche der Leser geht. Die Nachteile der Befragung mithilfe eines Selbstausfüllers überwiegen deutlich: ႑Bei Heftbeilage des Fragebogens sind keine komplexen Fragebögen möglich (zum Beispiel Filterfragen). ႑Die Datenqualität ist häufig gering, da in der Regel nicht alle Fragen beantwortet werden (hoher Anteil an „keine Angabe“). ႑Der Rücklauf ist nicht kontrollier- und steuerbar (Füllen die ಱrichtigenಯ Personen den Fragebogen aus?). ႑Es gibt in der Regel nur einen geringen prozentualen Rücklauf, dieser liegt erfahrungsgemäß zwischen zwei und maximal sieben Prozent. ႑Die methodischen Kriterien einer repräsentativen Leserbefragung sind somit nicht zu erfüllen. Die Ergebnisse lassen keine Rückschlüsse auf die tatsächliche Nutzung des Magazins oder die Struktur der Leserschaft zu. ႑Das bedeutet gleichzeitig, dass keine validen ದ und damit glaubwürdigen und akzeptierten – Daten für das Anzeigenmarketing vorliegen. ႑Es gibt keine allgemeingültigen Erkenntnisse über die Wirkung der Kundenzeitschrift auf die Kundenbindung. Sollte sich der Herausgeber dennoch zu einer solchen Befragung entschließen, müssen folgende Hinweise zur Durchführung beachtet werden: ႑Die Gestaltung des Fragebogens sollte lese- und ausfüllfreundlich sein (Schriftart, Kästchengröße, Anordnung der Skalen etc.). ႑Für die inhaltliche Konzeption des Fragebogens sollte man unbedingt professionelle Unterstützung einholen. ႑Bei der Erstellung des Fragebogens ist zu achten auf: Formulierungen / Art der Frage (ja/nein – Skala etc?) / eindeutige Hinweise zum Ausfüllen / Umfang des Fragebogens insgesamt. ႑Zur Erhöhung der Teilnehmerzahl sollte der Einsatz von Incentives geprüft werden. ႑Bei Heftbeilage des Fragebogens sollte die Rücksendung des Fragebogens ohne großen Aufwand und kostenfrei für den Befragungsteilnehmer zu organisieren sein. ႑Bei einer Onlinebefragung sollte der Fragebogen aufgrund der bei Kundenmagazinen zumeist geringen Erscheinungsfrequenz einige Tage nach Erscheinen eines aktuellen Heftes zugänglich gemacht werden.
226 Walter Freese ႑Schon bei der Konzeption sollte klar sein, wie und von wem Datenerfassung und Auswertung durchgeführt werden. ႑Es sollte geklärt werden, ob und wo das notwendige Know-how zur Interpretation der Daten vorhanden ist. Als Gesamtbewertung ist festzuhalten, dass die Methode der nicht-interviewergeführten Interviews nur sehr eingeschränkt empfehlenswert ist. Es gibt allerdings Situationen, in denen der Selbstausfüller die einzige Möglichkeit der Befragung ist, etwa weil aufgrund der Vertriebsart der Magazine (freie Auslage) keinerlei Adressen von Lesern oder Empfängern zur Verfügung stehen. 18.5.1.2 Interviewergeführte Befragung Bei den sogenannten interviewergeführten Interviews unterscheidet man zwischen persönlichen und telefonischen Interviews. ႑Persönlichesȱ(FaceȬtoȬFaceȬ)ȱInterview:ȱHier wird das Interview zu Hause oder am Ar- beitsplatz geführt, entweder mithilfe der CAPI-Technik (= Computer Assisted Personal Interviewing) oder mit einem Papierfragebogen. Die Face-to-Face-Methode wird hauptsächlich dann eingesetzt, wenn die Vorlage von Materialien während des Interviews notwendig ist. 4 ႑TelefonischesȱInterview:ȱBei den üblichen Leserbefragungen oder Leserstrukturanalysen ist ein persönlicher Besuch in der Regel nicht notwendig. Interviews können telefonisch mithilfe der CATI-Technik (= Computer Assisted Telephone Interviewing) durchgeführt werden. Vorteileȱdieser Methoden sind:ȱ ႑Kontrollen hinsichtlich der korrekten Durchführung sind möglich (stichprobenartige Kontrolle der Interviewer). ႑Bei CATI und CAPI sind komplexe Fragebögen mit Filterfragen und Teilgruppen möglich. ႑Durch eine Random-Stichprobe wird Repräsentativität erzielt. Eine Hochrechnung der Ergebnisse auf alle Empfänger des Magazins ist machbar (Projektion). ႑Eine hohe Ausschöpfung der Stichprobe (=Responsequote) ist möglich. Diese liegt bei der telefonischen Befragung höher als bei der persönlichen Befragung.   4 Die Vorlage des Originalheftes ist zum Beispiel bei redaktionellen Copytests oder AnzeigenCopytests nötig, da die Nutzung und Bewertung der einzelnen redaktionelle Beiträge oder der zu testenden Anzeigen direkt anhand der Ausgabe erhoben wird („Through the book“-Verfahren).
Erfolgskontrolle bei Corporate Publishing im Non-Profit-Sektor 227 ႑Die Anzahl an erfolgreichen Interviews ist genau festzulegen und zu steuern. ႑Interviewergeführte Befragungen liefern höhere Datenqualität als SelbstausfüllerBefragungen. Die Nachteile bzw. Einschränkungen dieser Methode sind: ႑Es entstehen (relativ) hohe Kosten: Die gesamten Kosten für eine repräsentative telefo- nische Leserbefragung mit den erforderlichen 250 Interviews und einer durchschnittlichen Interviewdauer von rund 20 Minuten liegen bei 15.000 bis 16.000 Euro. ႑Diese Art der Befragung ist nur möglich, wenn Empfänger- bzw. Kundenadressen vorhanden sind und damit eine Dateistichprobe erstellt werden kann. Die Auswahl der Befragten erfolgt nach einem Zufallsprinzip und ist damit repräsentativ für die gesamte Empfängerschaft. Ausnahme: Wird ein Magazin hauptsächlich regional vertrieben, wie es zum Beispiel bei den Kundenmagazinen vieler Stadtwerke der Fall ist, kann auch eine repräsentative Flächenstichprobe einer bestimmten Region erstellt werden. Folgende Hinweise zur Durchführung und Analyse müssen beachtet werden: ႑Es sollte ein geeignetes Markt- und Medienforschungsinstitut beauftragt werden. Aus professioneller Sicht erscheint ein reines Call-Center weniger geeignet als ein FullService-Institut, welches über alle Phasen des Projektes hinweg kompetente Beratung liefert. ႑Die Feldarbeit ದ also die Durchführung der Interviews ದ sollte gerade bei Kunden- und Mitgliedermagazinen aufgrund der geringen Erscheinungsfrequenz (in der Regel vier Ausgaben pro Jahr) wenige Tage nach dem Versand einer Ausgabe erfolgen. Nur dann ist mit validen Daten zu rechnen. ႑Es sollte die Qualität der vorhandenen Empfängeradressen geprüft werden. Sind zum Beispiel keine Telefonnummern vorhanden, müssen diese recherchiert werden. Sind Nummern gesperrt, müssen diese entfernt werden. ႑Wenn die Daten gemäß den Konventionen der Werbeträgerforschung (ZAW- RahmenschemaȱfürȱWerbeträgeranalysen) in Deutschland erhoben wurden, sollten unbedingt professionelle Mediadaten erstellt werden, die im Anzeigenmarketing eingesetzt werden können. Unabhängig davon, für welche der genannten Erhebungsmethoden man sich entscheidet, sollten generell immer im Vorfeld einer Untersuchung alle beteiligten Abteilungen der Organisation involviert werden, um die Ziele einer Befragung gemeinsam festzulegen. Weiterhin empfiehlt es sich, die Ergebnisse und Handlungsempfehlungen in einem Workshop zu präsentieren und mit allen involvierten Personen zu besprechen. Aufgrund des guten Preis-Leistungs-Verhältnisses ist die Durchführung einer repräsentativen Leserbefragung mithilfe telefonischer CATI-Interviews der Königsweg. Zudem sind nur durch saubere Ziehung der Stichprobe, durch eine hohe Ausschöpfung und durch eine Mindestanzahl an erfolgreichen Interviews die Anforderungen von Werbungtreibenden
228 Walter Freese und anderen Nutzern der Befragungsergebnisse zu erfüllen. Die CATI-Befragung erlaubt zudem als einzige Methode die Durchführung von repräsentativen Leserbefragungen gemäß ZAW-Rahmenschema. Die Zusammenarbeit mit einem geeigneten Institut gewährleistet nicht nur die professionelle technische Durchführung der Untersuchung, sondern auch – und das ist genauso wichtig – die richtige Interpretation der Ergebnisse – optimal anhand von Benchmarks. Die Ableitung von Handlungsempfehlungen für die Optimierung des Magazins sollte ebenfalls Bestandteil der Beratungsleistung sein. 18.5.2 Inhaltliches: Was wird gemessen? Key Performance Indicators (KPI) Mindestens genauso relevant wie die Entscheidung für die geeignete Methode ist es, die Inhalte einer Leserbefragung im Corporate Publishing zu bestimmen. Es geht in der Regel darum, die positive Wirkung der Kommunikation auf die Ziele in der definierten Zielgruppe zu belegen. Die Herausforderung für die Verantwortlichen ist es, eben diese Effizienz mithilfe von Kennzahlen – den KPIȱ(KeyȱPerformanceȱIndicators) – messbar zu machen. Diese Kennzahlen sind im Prinzip für alle kommunikativen Maßnahmen ähnlich: ႑KPIȱ1ȱ–ȱReichweiteȱundȱNutzung: Es muss der Nachweis erbracht werden, dass die Medien ihre Zielgruppe auch tatsächlich erreichen und regelmäßig und intensiv genutzt werden. ႑KPIȱ2ȱ–ȱAkzeptanz: Nur wenn die Medien von der Zielgruppe positiv bewertet und akzeptiert werden, ist eine langfristig positive Wirkung möglich. ႑KPIȱ3ȱ–ȱKommunikativeȱWirkung: Werden die redaktionellen Inhalte und die kommunikativen Botschaften so vermittelt, dass diese auch überzeugend beim Nutzer bzw. Leser ankommen? ႑KPIȱ4ȱ–ȱBeitragȱzumȱökonomischenȱErfolgȱderȱOrganisation: Erzeugt die Kommunikation die vom Herausgeber intendierte Wirkung? Die Kennzahlen 1 bis 3 sind durch geeignete Methoden der Markt- und Medienforschung relativ leicht in Prozentwerten oder absoluten Zahlen zu bestimmen. Schwieriger ist es da schon mit dem Beitrag der Kommunikation zum wirtschaftlichen Erfolg. Da dieser in der Regel nicht direkt zu messen ist, greift man auf Indikatoren zurück, die wichtige Voraussetzungen für den wirtschaftlichen Erfolg darstellen: Kundenbindung, Corporate Reputation oder auch Mitarbeiterzufriedenheit. Durch ein geeignetes Studiendesign kann beispielsweise ermittelt werden, ob die Leser eines Kundenmagazins eine höhere Bindung an die Marke haben als die Nichtleser.
Erfolgskontrolle bei Corporate Publishing im Non-Profit-Sektor 229 Inhalte des Fragebogens Ein Forschungsansatz, der speziell für die Anforderungen im CP entwickelt wurde, ist der CP Standard der TNS Emnid Medien- und Sozialforschung GmbH in Bielefeld. Mit diesem Ansatz wurden bereits 56 Studien zu Kunden- und Mitgliedermagazinen mit insgesamt mehr als 29.000 Befragten durchgeführt. Neben den Magazinen von Gewerkschaften und Verbänden wurde beispielsweise Chrismonȱ–ȱdasȱevangelischeȱMagazin getestet. Beim CPȱStandard handelt es sich im Kern um eine klassische Leserbefragung zur Nutzung und Bewertung von Kunden- und Mitgliedermagazinen. ႑Durch den Einsatz eines teilweise standardisierten Fragebogens können Benchmarks ausgewiesen und generalisierbare Erkenntnisse gewonnen werden. ႑Neben den üblichen Fragen der Leserschaftsforschung werden auch relevante Frage- stellungen aus der Werbewirkungsforschung und der Kundenzufriedenheitsforschung integriert. Durch diese Vorgehensweise können nicht nur die Nutzung, sondern auch die kommunikative Wirkung und der Beitrag zum Unternehmenserfolg ermittelt werden. ႑Durch die Orientierung an den geltenden Konventionen der Medienforschung und insbesondere der Werbeträgeforschung in Deutschland werden die Daten so erhoben, dass diese auch im Anzeigenmarketing eingesetzt werden können. Der „typische“ Fragebogen für die Befragung der Leser und Leserinnen von Magazinen sollte entsprechend der Erfordernisse zur Messbarkeit drei Bestandteile enthalten: ႑NutzungȱundȱBewertungȱdesȱMagazins: ȭ ȭ ȭ ȭ ȭ Nutzungsdaten (Frequenz, Seitenkontaktchance, weitere Leser) Titelprofil (informativ, glaubwürdig, aktuell, fachlich kompetent etc.) Leser-Blatt-Bindung (Vermissensfrage, Weiterempfehlung) Fitting zum Herausgeber Zufriedenheit mit dem Magazin und seinen Einzelmerkmalen (Optik, Themenauswahl etc.) ႑FragenȱzurȱherausgebendenȱOrganisation: ȭ ȭ Bewertung der relevanten Image-Dimensionen durch die Zielgruppe (ist die jeweilige NGO vertrauens- und glaubwürdig, modern, effizient etc.) Ermittlung der Bindung der Mitglieder, Spender oder Förderer an die Organisation ႑StrukturdatenȱderȱLeser: ȭ Relevante persönliche Strukturdaten (soziodemografische Daten wie Alter, Geschlecht, Schulbildung, Haushaltseinkommen etc.) Führt man eine solche Leser-Befragung durch, so erhält man die Antworten auf die wichtigsten Fragen:
230 Walter Freese ႑Wird mein Magazin in der richtigen Zielgruppe genutzt und akzeptiert? ႑Treffe ich mit den redaktionellen Inhalten die Interessen meiner Zielgruppe? ႑Haben die Leser ein positives Bild von der Organisation und sind sie an die auch gebunden? Messen der Wirkung auf Image und Kundenbindung Die Frage, ob ein Magazin positiv auf Image und Bindung wirkt, ist mit einem „einfachen“ Studiendesign, das heißt, einer Leserbefragung zum Zeitpunkt x, nicht zu beantworten. Für eine solche Fragestellung gibt es zwei Studiendesigns: ႑Querschnittsanalyse (Studiendesign mit einer Hauptgruppe und einer Kontrollgruppe) sowie ႑Längsschnittsanalyse (durch das Design mit zwei Messzeitpunkten). Bei der Durchführung einer Querschnittsanalyseȱwird in der Regel die Haupt- bzw. Experimentalgruppe (= Leser) und eine Kontrollgruppe (= Nicht-Leser) befragt. Zu beachten ist dabei, dass die beiden Gruppen möglichst ähnlich oder strukturgleich sind und sich hauptsächlich durch den Erhalt und die Nutzung des jeweiligen Magazins unterscheiden. In der Analyse der Befragungsergebnisse wird geprüft, ob sich Haupt- und Kontrollgruppe in der Bindung an den Herausgeber unterscheiden. Haben also Leser des Magazins, die Mitglied oder Kunde des Herausgebers sind, eine stärkere Bindung an die herausgebende Organisation als die Nichtleser, die ebenfalls Mitglied oder Kunde des Herausgebers sind? Durch ein solches Studiendesign können Indikatoren für die Wirksamkeit des Magazins gesammelt werden. Mithilfe statistischer Verfahren können Zusammenhänge (Korrelationen) zwischen Nutzung und Bindung ermittelt werden. Soll aber die sprichwörtliche „Henne-Ei-Frage“ beantwortet werden („Ist der Leser stärker gebunden, weil er das Magazin liest oder liest er das Magazin, weil er stärker an den Herausgeber gebunden ist?) bietet sich ein Studiendesign per Längsschnittsanalyse mit mindestens zwei Messzeitpunkten an. Dieses Studiendesign ist immer dann geeignet, wenn zum Beispiel neue Kunden, Mitglieder oder Förderer akquiriert und daraufhin neu mit dem Magazin beliefert werden. In einem solchen Fall sähe der Ablauf wie folgt aus: ႑Die Erste Messung (T0-Messung) findet vor Erhalt der ersten Ausgabe statt, die die Hauptgruppe erhält. Die Bindung an den Herausgeber, die noch nicht durch das Magazin beeinflusst ist, kann gemessen werden. ႑Nach der T0-Messung wird die Hauptgruppe über einen definierten Zeitraum (in der Regel zwölf Monate) mit der Zeitschrift beliefert. ႑Nach diesem Lieferzeitraum findet eine zweite Messung (T1-Messung) statt. Anhand eines Vergleichs mit den Ergebnissen der T0-Messung kann festgestellt werden, ob sich die Bindung an das herausgebende Unternehmen verbessert hat.
Erfolgskontrolle bei Corporate Publishing im Non-Profit-Sektor 18.5.3 231 Exkurs: Wirkungsanalyse des evangelischen Magazins chrismon Zur Veranschaulichung dieses Studiendesigns werden im Folgenden beispielhaft Untersuchungsanlage und Kernergebnisse einer 2003 und 2004 telefonisch durchgeführten Leserbefragung des Magazins chrismon dargelegt. Die Untersuchung wurde mit den Instrument CPȱStandard von TNS Emnid in Bielefeld durchgeführt. chrismon ist ein evangelisches Magazin, das monatlich als Beilage zu Dieȱ Zeit,ȱ Frankfurterȱ AllgemeineȱZeitung,ȱMitteldeutscheȱZeitung,ȱSchwerinerȱVolkszeitung,ȱSüddeutscheȱZeitung und DerȱTagesspiegel mit PotsdamerȱNeuesteȱNachrichten erscheint. Auswahleinheiten dieser Untersuchung waren alle Abonnenten der genannten Trägermedien, denen chrismon als Supplement monatlich beigelegt wird. Die Untersuchung verbindet durch ein Design mit einer Haupt- und einer Kontrollgruppe sowie mit zwei Messzeitpunkten die Querschnittsmit der Längsschnittanalyse. Gewählt wurde ein Panelansatz, das heißt, zu beiden Messzeitpunkten wurden dieselben Personen befragt. Tabelle 1 Leserbefragung chrismon als Beispiel für Verknüpfung von Längs- und Querschnittsanalyse ȱ Hauptgruppeȱ Kontrollgruppeȱ T0-Messung (Frühjahr 2003) Bestandsabonnenten der Trägermedien, die Leser von chrismon sind (Leser im WLK5) Neuabonnenten der Trägermedien, die noch keine Ausgabe von chrismon erhalten haben T1-Messung (Frühjahr 2004) Bestandsabonnenten Trägermedien aus der Messung, die Leser chrismon sind (Leser WLK) Neuabonnenten aus der T0Messung, die chrismon in den letzten zwölf Monaten gelesen haben (Leser im WLK) der T0von im Durch diese Untersuchungsanlage können Effekte des Magazins auf die Bindung an den Herausgeber – in diesem Fall an die evangelische Kirche – gemessen werden. Hierzu dient zum einen der Vergleich von Haupt- und Kontrollgruppe in der T0-Messung. Hier ist zwar ein Effekt messbar, der jedoch strenggenommen keine Rückschlüsse auf die Richtung des Effektes zulässt. Solch ein Rückschluss lässt sich jedoch durch den Vergleich von T0-   5 WLK = Weitester Leserkreis (hier: mindestens eine Ausgabe in den letzten zwölf Monaten).
232 Walter Freese und T1-Messung innerhalb der Kontrollgruppeȱ ziehen. Einflussfaktoren, zum Beispiel gesellschaftliche oder politische Ereignisse, die unabhängig von chrismon eine Veränderung der Bindung nach sich ziehen könnten, sind durch den Vergleich von T0- und T1Messung in der Hauptgruppeȱmethodisch kontrollierbar. Während die Einstellungen und Meinungen der Befragten in der Hauptgruppe im Zeitverlauf stabil blieben, konnte zwischen Haupt- und Kontrollgruppe sowie innerhalb der Kontrollgruppe zwischen den beiden Messzeitpunkten ein Effekt des Magazins nachgewiesen werden. Die Lektüre von chrismon führt: ႑zu einem größeren Interesse an den Kernthemen des Magazins wie zum Beispiel Ethik, Lebensgestaltung, Kirche, ႑zu einer höheren Relevanz des Themas Religion im Lebenszusammenhang sowie ႑zu einer stärkeren Bindung an die evangelische Kirche. Abbildung 1 Themeninteresse 2003 - 2004 (Top-Two Werte einer Vierer-Skala) Basis: Neue Leser 2004* 36,2 Ethik, Theologie und Philosophie 20,1 33,5 38,2 Soziale und gesellschaftspolitische Themen 41,7 51,2 53,5 42,1 35,0 Lebensentwürfe und Lebensgestaltung 9,1 20,5 45,7 33,9 Familie und Kinder 9,8 18,5 42,1 Themen aus dem kirchlichen Bereich 24,4 7,5 10,6 38,2 30,7 Kirchenkritische Berichterstattung 11,0 22,0 41,7 0 * Personen, die 2004 chrismon gelesen, aber 2003 noch nicht gelesen haben 20 40 60 2003: interessiert sehr interessiert 2004: interessiert sehr interessiert 80 100 2 Beschreibung: Zum Messzeitpunkt T1 (= nach zwölf Monaten mit zwölf erhaltenen Ausgaben von chrismon) hat sich in der Gruppe der Neuabonnenten das Interesse an der Kernthemen von chrismon im Vergleich zum Messzeitpunkt T0 signifikant erhöht. Die regelmäßige Auseinandersetzung mit den Themen hat die Aufmerksamkeit der Neuabonnenten beeinflusst. Diese Funktion von Medien nennt man „Agenda Setting“.
Erfolgskontrolle bei Corporate Publishing im Non-Profit-Sektor 233 Diese drei Indikatoren sind in der Hauptgruppe auch zum zweiten Messzeitpunkt (T1) ausgeprägter als in der Kontrollgruppe. Das lässt den Schluss zu, dass die positiven Effekte von chrismon in der Kontrollgruppe mit der Zeit noch weiter wirken. 18.6 Fazit Wie bei allen anderen Kommunikations- und Marketingmaßnahmen auch, wird im CP der Ruf nach Erfolgs- und Wirkungsnachweisen – und damit dem „Return-on-communication“ – immer lauter. Wer auf der Suche nach belastbaren Ergebnissen für die Wirkung von CP-Maßnahmen ist, kommt an den Methoden der Medienforschung nicht vorbei. Nur durch professionelle Befragungen und ein geeignetes Studiendesign lässt sich über die Nutzung und Akzeptanz in der Zielgruppe hinaus auch die Wirkung dieser Form der kontinuierlichen Kommunikation nachweisen. Die Ergebnisse und Erkenntnisse aus diesen Untersuchungen liefern Daten sowohl für die Evaluation (= Bewertung) als auch für die Evolution (= Weiterentwicklung) der Magazine oder Zeitschriften. Das bedeutet, sie bieten neben den relevanten KPI auch Hinweise für die Optimierungsmöglichkeiten der Objekte, um noch gezielter die Bedürfnisse und Lesegewohnheiten der Zielgruppe bedienen zu können. Nur wer seine Zielgruppe kennt, kann mit ihr langfristig erfolgreich kommunizieren. Weiterführende Literatur EICPȱEuropeanȱInstituteȱforȱCorporateȱPublishing, ein Projekt des Forum Corporate Publishing e.V. (2009): CP-Barometer: Corporate Publishing-Budgets bleiben stabil, in: EICP European Institute for Corporate Publishing, Zugriff unter http://www.eicp.de/pdf/090326_PM_EICP_CP-Barometer09.pdf, Pressemitteilung vom 26. März 2009, München. FCP (Forum Corporate Publishing) (2008): Auswertung FCP Mitgliederumfrage, Zugriff unter http://www.forum-corporate-publishing.de/CP_Themen/Studien/documents/Praesentation_FCP_ Studie2008.pdf. Lasswell, H. D. (1948): The analysis of political behaviour: an empirical approach, Kegan Paul, Trench, Trubner and Co. Ltd. (Hrsg.), London. Strahlendorf, P. (2007): Magazine sprechen gezielt die jeweilige Zielgruppe an, in: Strahlendorf, P. (Hrsg.), CP Monitor Portal für Kundenmedien, Ausg. 01/2007, Hamburg, Zugriff unter http://www.cpmonitor.de/mod_newsletter/preview.php?action=preview&nr=1075. www.chrismon.de
 234 19 Maik Stücken Ist Servicequalität auch für NonProfit-Organisationen relevant? MaikȱStückenȱ In privatwirtschaftlichen Unternehmen ist eine Wettbewerbsdifferenzierung über das Produktangebot oder eine Dienstleistung zunehmend schwieriger geworden. Neue oder sogar innovative Ideen werden in immer kürzeren Zeiträumen kopiert, und dies häufig dann sogar noch zu deutlich günstigeren Preisen. Unternehmen, die sich im Markt nicht über eine Preisführerschaft positionieren, erkennen in der Strategie einer Qualitätsführerschaft zunehmend eine Chance. Sie wollen dem Kunden ein hohes Maß an Service entgegenzubringen und ihn mittels kompetenter sowie lösungsorientierter Beratung überzeugen. Die Serviceorientierung stellt einen Bindungsfaktor in der Beziehung zwischen dem Unternehmen und dem Kunden dar. Ob diese Rechnung der gesteigerten Kundenbindung aufgeht, hängt in entscheidendem Maße davon ab, ob die zu erwartende Qualität hinsichtlich aller Kriterien an allen Kundenschnittstellen auch umgesetzt wird. Kaum etwas ist schädlicher, als wenn ein in den Medien besonders sympathisch und innovativ dargestelltes Unternehmen per Telefon erst nach einer zehnminütigen Warteschleife erreichbar ist und anschließend eher durch Unfreundlichkeit und Inkompetenz besticht. Für den Unternehmenserfolg ist eine überzeugende Performance auf allen Vertriebskanälen unabdingbar. Es stellt sich nun die Frage, welche Rolle das Thema Servicequalität bzw. -orientierung für Non-Profit-Organisationen spielt. Im Gegensatz zu privatwirtschaftlichen Unternehmen, die Produkte oder Dienstleistungen anbieten, die unmittelbar vom Kunden ge- oder verbraucht werden, sind die „Kunden“ der NPO Spender, Förderer oder Ehrenamtliche, die jedoch als eigentliche Kunden der Organisation deren Leistung nicht unmittelbar selbst in Anspruch nehmen. Wenn die Leistung für den Kunden nicht spürbar ist, setzt dies eine überzeugende Information darüber voraus, wie das gespendete Geld eingesetzt wird. Die Überzeugungsleistung für das Ziel der Organisation ist dann umso wichtiger. Dies gilt insbesondere in der Phase der Beziehung, in der der potenzielle Spender für die Organisation und deren Zielen gewonnen werden muss. Neben den kommunikativen Maßnahmen in den Medien kommt damit den Mitarbeitern, die im direkten Kontakt mit den Kunden stehen, eine besondere Bedeutung zu. Die Mitarbeiter von Non-Profit-Organisationen müssen besonders überzeugend auftreten, da sie den Nutzen einer für den (potenziellen) Spender nicht selbst erlebbaren Leistung positiv vermitteln müssen. Sie müssen einerseits von ihrem Auftritt und andererseits auch von der Argumentation und der richtigen Weitergabe der Informationen zu dem Unternehmen passen. Dies gilt sowohl für Mitarbeiter, die von einem Spender kontaktiert werden, beispielweise bei einer Telefonhotline, als auch für diejenigen, die aktiv auf potenzielle Spender und Mitglieder zugehen.
Ist Servicequalität auch für Non-Profit-Organisationen relevant? 235 Mitarbeiter von Non-Profit-Organisationen, die im „Kundenkontakt“ stehen, müssen daher besonders überzeugend und kundenorientiert auftreten sowie die entscheidenden Inhalte richtig kommunizieren können. Der hohe Abstraktionsgrad der Leistung darf bei der Argumentation jedoch nicht dazu verleiten, Argumente zu liefern, die in Wirklichkeit nicht eingehalten werden. Dies können beispielsweise falsche Auskünfte im Hinblick auf die Verwendung von Spendengeldern sein. Sofern Spender im Nachhinein feststellen, dass sie falsch informiert worden sind, so wird dieser Spender zukünftig sicherlich sein Geld anderweitig verteilen. Es kommt zur Verärgerung und das Image der Organisation wird beschädigt. Bei Non-Profit-Organisationen ist daher ein „kundenorientierter“ und vertrauenswürdiger Auftritt der Mitarbeiter in Kombination mit einer überzeugenden Argumentation besonders wichtig: Wie kann dies sichergestellt werden? Im ersten Schritt ist es notwendig, dass eine Non-Profit-Organisation den eigenen Anspruch in Bezug auf die Kundenkommunikation und Serviceorientierung definiert. Dabei muss festgelegt werden, welche Kompetenzen der Organisation durch die Mitarbeiter vermittelt werden sollen und wie sich der eigene Anspruch an die Kunden- und Serviceorientierung gestaltet. Um den Mitarbeitern die Umsetzung im täglichen Kundenkontakt zu erleichtern, sollten zur Orientierung eine überschaubare Anzahl an Verhaltensgrundsätzen und Argumentationshilfen bereitgestellt werden. Entscheidend ist dann natürlich, dass die postulierten Verhaltensweisen stabil gelebt und vom Kunden auch wahrgenommen werden. Häufig scheitert der Anspruch an eine serviceorientierte Organisation schon in diesem Schritt, falls Erwartungen an die Mitarbeiter an keiner Stelle explizit kommuniziert worden sind. Die Mitarbeiter benötigen jedoch verbindliche Regeln, an denen sie sich orientieren können. Die Kommunikation dieser Regeln kann auf unterschiedliche Art und Weise erfolgen, sollte jedoch so gestaltet sein, dass diese Regeln im Arbeitsalltag auch abgerufen werden können. Verschiedene Herangehensweisen vom klassischen Plakat, das an zentralen Stellen der Organisation ausgehängt wird, bis hin zum bedruckten Mousepad oder auch regelmäßigen internen Coachings, in denen die zentralen Verhaltensweisen an praktischen Beispielen dargestellt werden, sind möglich. 19.1 Was ist Servicequalität? Die Erwartungen an die Serviceorientierung einer Organisation lassen sich am besten verdeutlichen, wenn man die Rolle bzw. Sichtweise eines Spenders oder eines Förderers einnimmt. Die Erwartungshaltungen lassen sich einerseits aus Befragungen ableiten, die in der Regel aus einem Abgleich der Erwartungen dieser Stakeholdergruppe an die Leistungen der Organisation und der Zufriedenheit mit der Umsetzung dieser Leistungen bestehen. Andererseits ist auch eine ganz pragmatische Sichtweise möglich – letztendlich möchte jeder Spender oder Förderer als solcher ernst genommen und freundlich behandelt werden sowie die für ihn relevanten Informationen einer Organisation in korrekter Form erhalten. Dementsprechend setzt sich die Servicequalität aus zwei Dimensionen zusammen: der Kundenorientierung (Serviceorientierung) und der kompetenten Informationsweitergabe.
236 Maik Stücken Um die relevanten Einzelkriterien für eine hohe Servicequalität im Kontakt mit dem Spender zu identifizieren, empfiehlt es sich, deren wichtigste Anliegen und die dazugehörigen Prozesse von der Kontaktaufnahme bis zur Verabschiedung zu betrachten. Dabei sind alle relevanten Kontaktwege zu berücksichtigen. Dies können sowohl persönliche Gespräche, Inbound- als auch Outbound-Telefonate als auch schriftliche Kontakte in Form von Briefen oder E-Mails sein. Generell ist bei allen Prozessen zu überlegen, was für einen Anspruch eine Organisation an die eigene Servicequalität stellt – aber auch die Erwartungen der Spender sind dabei nicht außer Acht zu lassen. In der Regel existieren daraus abgeleitet in jeder Organisation geschriebene und ungeschriebene Verhaltensregeln, die in der Praxis umgesetzt werden. Für die bewusste Ausrichtung einer Organisation in Bezug auf die Servicequalität ist jedoch eine Systematisierung der eigenen Standards erforderlich. Neben der Auswahl der für den eigenen Serviceanspruch relevanten Kriterien, (zum Beispiel jeder Spender erhält bei der Kontaktaufnahme eine freundliche Begrüßung), ist auch deren Ausprägung zu bestimmen. Dass bei einem serviceorientierten Verhalten eine Begrüßung erfolgen sollte, ist sicherlich selbstverständlich – in welcher Form diese erfolgen soll, ist in vielen Unternehmen und Organisationen jedoch nicht festgelegt. Dies zeigt sich immer wieder in der Diskussion mit Auftraggebern, wenn für eine Testreihe die relevanten Kriterien und die gewünschten Ausprägungen abgestimmt werden. Häufig sind die Standards nicht explizit ausgesprochen oder nur unzureichend an die Mitarbeiter an den Schnittstellen kommuniziert worden. Vieles wird dann von den Mitarbeitern im Kontakt zum Spender oder Förderer instinktiv richtig gemacht, allerdings läuft auch manches schief. Denn selbst bei einer Begrüßung ist die Variationsmöglichkeit recht groß – diese kann aus der Nennung des Organisationsnamens, der Nennung des eigenen Namens, einem Tagesgruß und auch einem Hilfsangebot bestehen. Eine freie Entscheidung des Mitarbeiters, welche Elemente der Begrüßung verwendet werden, führt erfahrungsgemäß zu einer großen Vielfalt an Umsetzungsvarianten. Die Systematisierung der Kriterien und Ausprägungen ist für eine Organisation ein erster Schritt, einen einheitlichen Außenauftritt zu demonstrieren. Im Zuge der Systematisierung kristallisieren sich die folgenden Dimensionen der Servicequalität heraus: ႑Auftritt bzw. Einhaltung der Servicestandards – Beispiel: Begrüßung und Verabschiedung ႑Soft Skills der Mitarbeiter – Beispiel: Höflichkeit der Mitarbeiter, Wertschätzung gegenüber dem Kunden ႑Beratungs-/Betreuungskompetenz – Beispiel: Strukturiertheit des Gesprächs, Verständlichkeit der Beratung, richtige Weitergabe der relevanten Informationen Für die Umsetzung einer serviceorientierten Strategie werden Kennziffern benötigt, die als Entscheidungsgrundlage für den systematischen Optimierungsprozess in der Organisation dienen. Vor der Umsetzung der Strategie wird ein möglichst detailliertes und objektives Bild von der derzeitigen Umsetzung der Servicequalität im Kontakt mit den Spendern benötigt. Auf den Ergebnissen aufbauende Optimierungsmaßnahmen sollten hinsichtlich ihrer Wirksamkeit geprüft werden. Neben Zufriedenheitsbefragungen liefern Mystery
Ist Servicequalität auch für Non-Profit-Organisationen relevant? 237 Tests Informationen über die erbrachte Leistung im Kundenkontakt. Mystery Research liefert die Kennziffern zur gezielten Optimierung der Serviceorientierung. Abbildung 1 19.2 Servicekriterien im telefonischen Kontakt Mystery Research als Messinstrument für Servicequalität Mystery Research hat sich in den letzten Jahren als ein relativ neues Instrument der Marktforschung bewährt. Das Ziel der Forschung besteht darin, mittels geschulter Testkunden typische Anliegen von Kunden und Interessenten eines Unternehmens oder einer Organisation darzustellen. Die Beobachtungen werden in möglichst objektiver Form in einem Bewertungsbogen festgehalten. Die Ergebnisse sollen Optimierungsmaßnahmen an den Schnittstellen zu den Spendern und Förderern aufzeigen. Neben individuellem Schulungsbedarf stehen dabei die generellen Prozesse eines Unternehmens im Fokus. Nicht selten werden einzelne Kriterien im Kundenkontakt systematisch von einer großen Anzahl der Mitarbeiter nicht erfüllt. Dann gilt es, die Gründe für das systematische Fehlverhalten zu identifizieren und Maßnahmen für eine Verbesserung abzuleiten. Seinen Ursprung hat der Forschungsansatz Mystery Research in der Konsumgüterbranche, dort wird anhand von Testkäufen die Qualität des Point of Sale getestet. Übertragen auf Non-Profit-Organisationen bedeutet dies, dass speziell geschulte Tester die Mitarbeiter mit typischen Anliegen kontaktieren, sich dabei jedoch nicht als Testkunden zu erkennen ge-
238 Maik Stücken ben. Dies können einerseits telefonische Inbound- oder Outbound-Kontakte sein oder auch persönliche Kontakte, beispielsweise im Rahmen eines Informationsstandes in einer Fußgängerzone. Zur Überprüfung der Performance all dieser Schnittstellen sind entsprechende Mystery-Research-Erhebungsmethoden entwickelt worden: Mystery Shopping, Mystery Calls, Mystery E-Mailing sowie Mystery Letter / Fax. Im Anschluss an die Testdurchführung hält der Tester während des Kontaktes die gemachten Beobachtungen in einem ausführlichen Protokoll fest, in dem die Fragen zu den relevanten Kriterien der Servicequalität enthalten sind. Mystery Tests sind Instrumente zum Qualitätscontrolling, die die Erfüllung von Servicestandards messen, Stärken und Schwächen offenlegen und damit Ansatzpunkte für Verbesserungsmaßnahmen liefern. Sie geben ferner Input für die Personalentwicklung, da „rund laufende“ Prozesse die Mitarbeiter in ihrer Motivation bestärken, sich für die Organisation und die Belange der Spender und Förderer einzusetzen. Identifizierte Mängel geben den Mitarbeitern ein konstruktives Feedback und schaffen Impulse, wie sie ihr Auftreten gegenüber den (potenziellen) Spendern verbessern können. Die Ergebnisse von Mystery Tests liefern den Input für Optimierungsprozesse. Allerdings muss vor der Testdurchführung in der bereits beschriebenen Form bestimmt werden, welche Servicekriterien relevant sind und in welcher Form diese von den Mitarbeitern im Kontakt umgesetzt werden sollen. 19.2.1 Was ist bei der Durchführung eines Mystery Projekts zu beachten? Am Anfang der Mystery Checks steht die Festlegung, welche Serviceprozesse überprüft werden sollen. Es empfiehlt sich, bei einer ersten Messung zunächst die häufigsten Anliegen, die an eine Organisation gerichtet werden, zu testen. Einerseits haben Optimierungen, die auf den Ergebnissen von Mystery Tests aufbauen, bei den häufigsten Anliegen die größte Wirkung, und andererseits steigt die Akzeptanz der Ergebnisse bei den Mitarbeitern, wenn die Testanliegen keinen konstruierten Charakter aufweisen, sondern alltägliche Situationen beschreiben. Entscheidend ist auch, dass die Tests sich an den am häufigsten gewählten Kontaktwegen orientieren. Werden beispielsweise Zweitschriften von Spendenbescheiden in der Regel telefonisch angefragt und nicht schriftlich, so sollte der Fokus auf der telefonischen Bearbeitung dieser Anliegen beruhen. Wenn jedoch bekannt ist, dass eine Organisation insbesondere bei Prozessen, die nur selten auftreten, Probleme bei der Bearbeitung besitzt, so können natürlich auch solche speziellen Prozesse betrachtet werden, die vom Volumen eine eher geringere Bedeutung besitzen.
Ist Servicequalität auch für Non-Profit-Organisationen relevant? 19.2.2 239 Wer führt die Tests durch? Neben den Faktoren wie Studiendesign, Szenarienwahl und Stichprobengröße hängt die Qualität der Ergebnisse entscheidend von den eingesetzten Testkunden ab. Mystery Analysen enthalten Qualitätsurteile über die Leistung einzelner Mitarbeiter. Dies setzt voraus, dass die Testkunden sorgfältig auf ihren Testkundeneinsatz vorbereitet werden. Bei der Testdurchführung sind von dem Testkunden drei Dinge zu beachten: eine objektive Beobachtung und Beurteilung, ein authentischer Auftritt wie ein realer Kunde sowie eine gute Vorbereitung. Der letzte Punkt setzt eine sorgfältige Schulung des Testkunden voraus. Es reicht in der Regel nicht aus, lediglich eine schriftliche Schulung durchzuführen, sondern es sollte immer auch eine Schulung geben, die telefonisch oder persönlich stattfindet, um im direkten Kontakt die individuellen Fragen des Testkunden zu seinem Einsatz klären zu können. Neben der Erläuterung der zu spielenden Rolle des Testkunden, dem sogenannten Szenario, müssen auch die Beurteilungskriterien geklärt sein und dürfen keine Fragen mehr aufwerfen. Um die Qualität der inhaltlichen Beratung beurteilen zu können, ist es für den Testkunden – anders als für den realen Kunden – notwendig, detaillierte Informationen zu dem zu testenden Unternehmen bzw. der Organisation und dem Inhalt des Anliegens zu erhalten. Nur dies ermöglicht ihm im Nachhinein, die Bearbeitung des Anliegens auch inhaltlich bewerten zu können. Der letzte Aspekt deutet bereits daraufhin, dass ein Testkunde auch zu dem zu testenden Unternehmen, der Organisation passen sollte. Bei der Auswahl sind Testkunden zu bevorzugen, die sich grundsätzlich für die Arbeit der zu testenden Organisation interessieren. Nur dies stellt sicher, dass der Testkunde auch in der Lage ist, seine Szenariorolle authentisch zu spielen. 19.2.3 Wie werden die Tests durchgeführt? Der Kontaktweg, über den die Tests durchgeführt werden, sollte sich daran orientieren, auf welchem Weg auch die realen Kontakte von Spendern und Förderern stattfinden. In den Testszenarien werden deren häufigsten Anliegen aufgegriffen und überprüft. Die Anzahl der Tests orientiert sich an den Organisationseinheiten, über die eine Aussage getroffen werden soll. Hat eine Organisation zum Beispiel regionale oder lokale Einheiten (Landesverbände, Geschäftsstellen auf Kreisebene, Büros in Städten) und möchte diese überprüfen, so empfehlen sich pro Standort mindestens fünf bis zehn Tests. Bei dieser Anzahl an Tests lassen sich Verbesserungspotenziale bereits identifizieren. Allerdings sollte bei diesen Fallzahlen nicht der Fehler begangen werden, die Ergebnisse für einen prozentualen Standortvergleich heranzuziehen. Bei zehn Tests kann ein einziger Fall das Ergebnis um 10 Prozent beeinflussen. Vielmehr geht es darum, die Tendenz bei der Umsetzung eines Servicekriteriums zu beurteilen. Sofern bei 5 von 10 Tests ein Kriterium nicht erfüllt wurde, bedeutet dies, dass jeder zweite Kunde hinsichtlich dieses Kriteriums nicht die Serviceorientierung erhalten hat, die von der Organisation erwartet wird.
240 Abbildung 2 19.2.4 Maik Stücken Beurteilungsniveaus Was ist bei der Realisierung zu beachten? Unternehmen und Organisationen mit wenig oder fehlender Mystery-Research-Erfahrung stellen sich häufig die Frage, was bei der Implementierung eines solchen Systems auf rechtlicher Ebene zu beachten ist. Es ist wichtig zu wissen, bis auf welche Ebenen eine Auswertung möglich ist, ohne mit Gesetzen zum Schutz des Persönlichkeitsrechts in Konflikt zu geraten. Ist es möglich, Auswertungen auf Mitarbeiterebene zu erstellen, um besonders gezielte Maßnahmen ergreifen zu können? Hat der Betriebsrat ein generelles Mitbestimmungsrecht oder ist dieses von bestimmten Modalitäten der Studie abhängig? Generell ist dabei das Datenschutzgesetz zu beachten. Auch die nationalen und internationalen Berufsverbände von Marktforschungsinstituten haben für die Durchführung von MysteryProjekten Richtlinien aufgestellt, die sich an den Datenschutzgesetzen orientieren. Bei der Durchführung ist immer darauf zu achten, dass die Ergebnisse nicht in Zusammenhang mit einzelnen Mitarbeitern stehen dürfen. Sofern ein Betriebsrat vorhanden ist, sollte dieser immer rechtzeitig über das Projektvorhaben informiert werden. Wenn der Betriebsrat sieht, dass ein Mystery-Projekt sorgfältig konzipiert wurde und nicht gegen die datenschutzrechtlichen Bestimmungen verstößt, so steigt erfahrungsgemäß auch die Akzeptanz der Ergebnisse bei den getesteten Mitarbeitern.
Ist Servicequalität auch für Non-Profit-Organisationen relevant? 19.2.5 241 Welche Ergebnisse liefern die Tests? Die Art der Auswertung und vor allem die Form der Darstellung müssen immer in enger Zusammenarbeit zwischen durchführendem Institut und Auftraggeber erfolgen. Besonderes Augenmerk sollte dabei einer auf den einzelnen Empfänger hin ausgerichteten Reportingstruktur gelten: Während Mitarbeiter detailliert wissen möchten, welche Defizite bei ihnen selbst oder zumindest im Team bestehen und an welchen Punkten für sie persönlich noch Verbesserungsbedarf besteht, so wünschen sich Entscheidungsträger häufig Ergebnisse mit stärker aggregierten Auswertungseinheiten bis hin zur „One Number“ und einer Gesamtbetrachtung von Organisationsprozessen. Eine Auswertungsmöglichkeit zur Verdichtung der Ergebnisse ist die Darstellung in Form der Typologisierung der Kontakte. Nur wenn ein Kontakt kundenorientiert war auch die Informationen kompetent vermittelt worden sind, kann von einem Beratungserlebnis gesprochen werden. Der prozentuale Anteil an positiven Erlebnissen kann als eine entscheidende und sehr plastische Kennziffer definiert werden. Abbildung 3 Typologie
242 Maik Stücken 19.3 Von der Messung zur Umsetzung 19.3.1 Implementierung in der Fläche Für die Umsetzung der Ergebnisse auf Standortebene ist es wichtig, dass bei den Ergebnisempfängern eine Verbindlichkeit bei der Umsetzung von Verbesserungsmaßnahmen geschaffen wird. Nach einer ersten Analyse von Ergebnissen auf Projektleitungsebene empfiehlt es sich, die Mitarbeiter in die Ergebnisanalyse einzubeziehen. Die Diskussion in der Gruppe liefert erfahrungsgemäß wertvolle Hinweise für Gründe, warum es bei einzelnen Kriterien zu Performancedefiziten kommt. Erfolgreiche Lösungsansätze sind damit leichter zu identifizieren und mit einer nachhaltigen Wirksamkeit umzusetzen. Für den kontinuierlichen Verbesserungsprozess benötigen sowohl die Führungskräfte als auch die Mitarbeiter im direkten Kundenkontakt ein kontinuierliches Feedback über den Leistungsstand. Ein positives Feedback bei sehr guten Leistungen und nicht nur Kritik bei einer schlechten Performance zeigen erfahrungsgemäß die beste Wirkung. Zusätzlich zum Vergleich von Teams sind die Indizes ein gutes Instrument, um bei einer kontinuierlichen Messung die Entwicklung der Servicequalität und die Wirksamkeit von Optimierungsmaßnahmen aufzuzeigen. Die verdichteten Kennziffern und die Detailergebnisse bilden ein Analysesystem, mit dem sich aus den Mystery Checks konkrete Handlungsempfehlungen zur Serviceoptimierung ableiten lassen. 19.3.2 Wo liegt der Mehrwert einer Mystery Analyse im Vergleich zu einer Befragung von Spendern und Förderern? Mystery Checks sind „die eine Seite der Medaille“, die eine objektive Analyse der Serviceprozesse ermöglicht und den aktuellen Stand der Erfüllung von Servicestandards aufzeigt. Die andere Seite der Medaille sind die Beurteilungen und Meinungen der Spender und Förderer einer Organisation, die in einer Befragung erfasst werden. Eine solche Befragung liefert Informationen über die subjektive Qualitätswahrnehmung der Zielgruppe. Diese ist, anders als bei den Mystery Checks, nicht nur durch einen singulären unmittelbaren Kontakt mit der Organisation geprägt, sondern auch durch die langfristigen Erfahrungen mit der Organisation, durch das Image und die individuellen Erwartungen, die an eine Organisation gestellt werden. Spender berichten in der Befragung über ihre subjektiven Erfahrungen in der Vergangenheit, Mystery Checks geben objektiv Auskunft über den derzeitigen Zustand der Servicequalität. Zusammengefasst liefert die Zufriedenheitsbefragung Hinweise auf die Wichtigkeit der einzelnen Messdimensionen der Servicequalität. So können die einzelnen Servicekriterien auf Basis der Meinungen in ihrer Bedeutung gewichtet werden. Zeigen die Mystery
Ist Servicequalität auch für Non-Profit-Organisationen relevant? 243 Checks mehrere Ansatzpunkte für Optimierungen, können die einzuleitenden Maßnahmen anhand der aktuellsten Bedürfnisse auf Seiten der Spender und Förderer priorisiert werden. Mystery Checks und Zufriedenheitsbefragung bilden eine optimale Kombination, um Servicequalität ganzheitlich zu erfassen und zu optimieren. Abbildung 4 19.4 Zufriedenheitsbefragung versus Mystery Research Fazit Ein service- und kundenorientierter Unternehmensauftritt bildet die Grundlage für eine hohe Zufriedenheit an den Schnittstellen einer Organisation. Serviceorientierung funktioniert in den seltensten Fällen einfach so, sondern erfordert eine systematische Herangehensweise: ႑Servicestandards und -levels müssen festgelegt und an die Mitarbeiter kommuniziert werden. ႑Mystery Tests ermöglichen eine objektive und detaillierte Messung der Stärken und Schwächen an den Schnittstellen einer Organisation und bieten die Möglichkeit, Entwicklungsschritte zu beobachten. ႑Eine nachhaltige Verbesserung der Serviceorientierung wird nur dann erzielt, wenn die Mitarbeiter in den Prozess einbezogen werden und verbindliche sowie motivierende Ziele gesetzt bekommen.
 244 20 Andreas Pohle Die optimale Spende AndreasȱPohleȱ Die Möglichkeiten zu Spenden sind schier grenzenlos. Spender in Deutschland haben die Wahl zwischen Tausenden von Projekten in unterschiedlichen Ländern auf allen Kontinenten der Erde zu unterschiedlichsten Zwecken. Dazu kommt noch die Wahl der richtigen Non-Profit-Organisation. Wie viele andere Märkte auch ist der Spendenmarkt in den letzten Jahren komplexer geworden: sowohl für den Spender als auch für die agierenden Organisationen. Der Wettbewerb um den Spenden-Euro steigt. Um hier auch in Zukunft ein hohes Maß an Zuwendungen zu erhalten, sollte die Ausrichtung der Organisation und der damit verbundenen Projekte die Ziele potenzieller Spender berücksichtigen. Dazu ist es notwendig, den sogenannten Spendennutzen zu ermitteln. Er gibt Aufschluss darüber, ob der Nutzen einer Spende bzw. eines Spendenprojektes für den potenziellen Spender positiv oder negativ ist. Nur bei positiven Vorzeichen kommt es zur Spende. Zur Messung von Nutzenbeiträgen haben sich marktforschungsbasierte Ansätze unter Verwendung trade-off-basierter Befragungssysteme durchgesetzt. Der vorliegende Beitrag soll die Anwendungsmöglichkeiten und den Nutzen derartiger Vorgehensweisen im Spendenmarkt verdeutlichen. 20.1 Die Integration der Spender bei der Gestaltung von Spendenbeiträgen Viele Branchen machen es bereits vor: Ihre Produkte und Dienstleistungen werden konsequent an den Bedürfnissen ihrer Kunden ausgerichtet. Das ist bei dem harten Wettbewerb auch nicht anders vorstellbar. Denn werden Produkte und Leistungen „am Markt vorbei“ konzipiert, hat dies fatale Folgen: Absatzrückgänge und Marktanteilsverluste bis hin zur Insolvenz. Ursache hierfür sind vor allem hohe Investitionskosten und der Zeitverlust, der entsteht, bis Produkte wieder an die Marktbedürfnisse angepasst werden. Häufig ist es dann jedoch zu spät. Bevor daher Produkte und Dienstleistungen am Markt platziert werden, werden diese auf unterschiedlichste Art und Weise getestet. Der Varianz ist dabei keine Grenze gesetzt. Vom „Kollegentest“ bis hin zum realen Einsatz in Testmärkten ist alles in der Praxis zu beobachten. Folgende Erfahrung haben viele Unternehmen bei der Entwicklung von Produkten und Dienstleistungen gemacht: Interne Einschätzungen über die Erfolgswahrscheinlichkeit eines Produktes oder einer Dienstleistung unterscheiden sich häufig von denen der potenziellen Nutzer. Ursache hierfür ist die Fehleinschätzung des Nutzenbeitrags einzelner Produktbestandteile oder Servicekomponenten. Nicht anders ist es bei der Vermarktung und Entwicklung von Spendenprojekten und Förderbeiträgen. Auch hier gilt: Der Wurm muss dem Fisch schmecken und nicht dem
Die optimale Spende 245 Angler. Das heißt, das Produkt „Spende“ muss den Vorstellungen und Bedürfnissen der potenziellen Spender entsprechen. Nur wenn es gelingt, diese mit den Zielen der NonProfit-Organisation in Einklang zu bringen, kann mit einer nachhaltigen Spendenbereitschaft für die Organisation gerechnet werden. Dazu ist es notwendig, den Spender in den Gestaltungsprozess mit einzubeziehen und ihn zu seinen Bedürfnissen und Erwartungen zu befragen. 20.2 Die Bedeutung des Spendennutzens Ziel ist die Ermittlung des sogenannten „Spendennutzens“, das heißt die Quantifizierung des Vor- bzw. Nachteils einer Spende, der ihr durch einen potenziellen Spender zugeschrieben wird. Nur wenn die Nutzenbilanz positiv ist und höher als bei alternativen Spendenmöglichkeiten, wird es zur Spende kommen. Denn letztendlich wägt jeder Spender ab, welche Spende aus seiner Sicht bei welcher Organisation und zu welchem Zweck am besten angelegt ist. Und welche Gegenleistungen erhält er eventuell dafür? Die Entscheidung für oder gegen eine Spende hängt von einer Vielzahl von Faktoren ab: der Organisation, dem Zweck, der Art und dem Inhalt der Information und vieles mehr. Für die optimale Gestaltung und Ausrichtung einer Organisation hinsichtlich ihrer Spendenprojekte und -ziele sowie ihrer Vermarktung müssen daher eine Vielzahl von Fragen beantwortet werden: ႑Welchen Einfluss hat der Organisationsname auf die Spendenbereitschaft? ႑Welche Themen und Zwecke werden von den meisten potenziellen Spendern präferiert? ႑Welche dieser Themen und Zwecke werden mit welchen Organisationen in Verbindung gebracht? ႑Welche Kontinente und Länder sind aus Sicht der potenziellen Spender von größter Bedeutung? ႑Gibt es Länder, Themen bzw. Zwecke, die sich negativ auf das Spendenverhalten auswirken? ႑Welche Informations- und Serviceleistungen wünschen sich Spender? ႑Welche Transparenz hinsichtlich der Mittelverwendung wird gefordert? ႑Welchen Nutzen stiften Spendensiegel und wie beeinflussen sie das Verhalten? ႑Auf welche Projekte sollte der Kommunikationsschwerpunkt liegen, um den Spendenbeitrag zu maximieren? ႑Lassen sich die Spender anhand ihrer Präferenzen segmentieren, sodass eine zielgruppenspezifische Ansprache möglich ist?
246 Andreas Pohle Werden diese Fragen valide beantwortet, steht einer optimalen Ausrichtung nichts im Wege. Die Gestaltung und Kommunikation kann dann gezielt an den Bedürfnissen und Erwartungen von potenziellen Spendern ausgerichtet werden. Letztendlich wird damit auch die beste Mittelverwendung gewährleistet. Eine Forderung, die alle Spender immer wieder aufstellen. Wie es möglich ist, valide den Nutzen einer Spende zu messen, soll im Folgenden erläutert werden. 20.3 Marktforschungsbasierte Ansätze zur Messung des Spendennutzens Bei der Ermittlung des Spendennutzens können unterschiedliche Wege eingeschlagen werden. Das Wichtigste bei allen Vorgehensweisen ist jedoch, dass der Spender selbst Auskunft über seine Wünsche und Vorstellungen gibt. Marktforschungsbasierte Ansätze sind daher zur Quantifizierung des Nutzens auch im Spendenmarkt die objektivsten Verfahren. Je nach Themenschwerpunkt, Zielrichtung, Genauigkeitsgrad und Marktforschungsbudget eignen sich unterschiedliche Verfahren. Im Folgenden wird eine Auswahl vorgestellt. 20.3.1 Qualitative Untersuchungen (Fokusgruppen) Bei Fokusgruppen werden circa acht bis zehn Personen zu einer Diskussionsrunde über ein definiertes und allen bekanntes Thema eingeladen. Ein Moderator führt mithilfe eines Gesprächsleitfadens durch die in der Regel zweistündigen Veranstaltungen. Fokusgruppen ermöglichen einen breiten, offenen Einstieg in die Thematik des Spendens: Motivlagen, Bedürfnisse und Anforderungen der Teilnehmer lassen sich rasch und gründlich ausleuchten. Intensive Explorationsmöglichkeiten, die Unmittelbarkeit des Forschungsprozesses (Forscher = Moderator), der Einsatz projektiver Techniken und die anregende Interaktivität von Gruppen sind besondere Stärken des Verfahrens. Die Teilnehmer regen sich gegenseitig zum intensiven Meinungs- und Erfahrungsaustausch an. Individuelle Haltungen zu zentralen Fragen lassen sich durch Niederschrift absichern, bevor man in die Diskussion einsteigt. Die Beobachter der Gruppen erhalten einen direkten, plastischen Eindruck von den Reaktionen der Teilnehmer – die Gesprächsrunden lassen sich in speziellen Studios von einem Nebenraum aus live via Einwegscheibe oder Monitor verfolgen. Gruppendiskussionen werden dann eingesetzt, wenn man Erkenntnisse über die generelle Akzeptanz von Organisationen, Leistungen und Projekten gewinnen möchte. Da jedoch die Anzahl an teilnehmenden Personen sehr begrenzt ist, es zu gegenseitigen Beeinflussungen kommt und der Nutzen einzelner Komponenten nur direkt abgefragt werden kann, erlauben sie nur eine grobe Schätzung des Nutzens. Sie werden daher häufig als Vorstufe für darauf folgende, quantitative Verfahren eingesetzt.
Die optimale Spende 20.3.2 247 Quantitative Kundenbefragungen potenzieller Spender Bei quantitativen Kundenbefragungen wird eine Vielzahl von Personen hinsichtlich ihrer Spendenpräferenzen befragt. Meistens verwendet man auch hier die klassische, direkte Befragung. Zum Beispiel: „Wie wichtig ist Ihnen bei einer Spende, dass die Organisation über ein unabhängiges Spendensiegel verfügt?“ Dies hat jedoch häufig die Folge, dass alle abgefragten Spendenkomponenten undifferenzierbar wichtig werden. Man spricht in diesem Fall von einer „Anspruchsinflation“. Des Weiteren sind die Ergebnisse abhängig von der Interpretation der verwendeten Skalen. Diese sind jedoch von sozio-kulturellen und demografischen Faktoren wie Bildung, Religion, Lebensraum, Alter usw. abhängig. Zur validen Beurteilung von Spendenalternativen und der möglichst genauen Abbildung des Wahlverhaltens bei Spenden kommen daher eigentlich nur sogenannte Trade-offVerfahren (Discrete-Choice-Modelle oder Conjoint Measurement) in Frage. In vielen anderen Branchen haben sich Discrete-Choice-Modelle und Conjoint Measurement zur Optimierung von Leistungsangeboten durchgesetzt. Sie sind in vielen Phasen der Produktentwicklung nicht mehr wegzudenken. Im Unterschied zu der klassischen Befragung werden bei Trade-off-Befragungen nicht einzelne Leistungskomponenten betrachtet, sondern mehrere gleichzeitig. Der Name Conjoint stammt daher auch aus der Wortzusammensetzung CONsidered JOINTly („ganzheitlich betrachtet“). Je nach Zielsetzung der Forschung eignen sich unterschiedliche Methoden und Verfahren.1 Bei der Untersuchung von Spenden, bei denen der Schwerpunkt auf der Beurteilung von Organisationen und deren Spendenalternativen bzw. -komponenten liegt, sind besonders Discrete-Choice-Modelle zu empfehlen. Discrete Choice-Modelle unterstellen einen multi-attributiven Entscheidungsprozess. Das bedeutet, dass der Spender die Spende als „Bündel” von unterschiedlichen Spendenkomponenten (auch Attribute oder Merkmale genannt) ansieht. Die Entscheidung für eine Spende ist das Resultat des Trade-offs zwischen den verschiedenen Komponenten. Während des Trade-offs weist der Spender den Komponenten Nutzenwerte zu. Er entscheidet sich für die Spendenalternative, die aus seiner Sicht den Gesamtnutzen maximiert. Bei Discrete-Choice-Modellen werden dem Befragten gleichzeitig mehrere komplette Spendenalternativen zur Auswahl vorgelegt. Die Präferenz wird durch die Wahl einer Spendenalternative ausgedrückt. Alternativ gibt es auch die Option „Keine davon“. Die Spendenalternativen selbst werden anhand eines experimentellen Designs auf Basis einer vorher definierten Merkmalsliste konstruiert. Derartige Auswahlsituationen werden im Rahmen eines Interviews mehrfach wiederholt.   1 Vgl. zum Beispiel Orme, B. (2003)
248 Andreas Pohle Abbildung 1 Beispiel einer Befragungssituation Für welche dieser Spendenalternativen würden Sie sich entscheiden? Organisationȱȱ X Y Z Kinderhilfe Sofort-/Nothilfe Umweltschutz Kontinentȱbzw.ȱLandȱȱ Tansania Asien Deutschland AufwandȱVerwaltung < 20% < 10% <10% Informationȱüberȱ Mittelverwendungȱȱ Auf Nachfrage Website und auf Nachfrage Monatl. kostenlose Zeitung Spendensiegelȱ Keins vorhanden DIZ Stiftung Warentest 1 2 3 Zweckȱȱ (in % der Spendengelder)ȱ ȱ Keine davon 4 Bitte geben Sie die entsprechende Zahl ein! Discrete-Choice-Modelle ermöglichen im Gegensatz zu Conjoint-Verfahren eine größere Flexibilität hinsichtlich der Konstruktion der Spendenalternativen. So sind zum Beispiel organisationspezifische Komponenten oder auch alternativenspezifische Attribute möglich. Sie bieten noch weitere Vorteile: ႑Es werden Interaktionen zwischen den Spendenkomponenten berücksichtigt. Das heißt, dass zum Beispiel ein Spenden-Siegel in Abhängigkeit der Organisation unterschiedlich wirken kann. ႑Die Wahlsituation entspricht am ehesten der realen Entscheidung. Auch hier entscheidet sich der Spender aus einer Vielzahl von Möglichkeiten. ႑Durch die Einbeziehung der Option „Keine davon” bleibt dem Spender auch immer die Möglichkeit, „nicht zu spenden“. ႑Die Modelle erlauben die Schätzung sowohl individueller als auch aggregierter Präferenzen, sodass beliebige Zielgruppen analysiert werden können.
Die optimale Spende 249 Aufgrund der Vielzahl komplexer Entscheidungssituationen mit zahlreichen Entscheidungsparametern können derartige Modelle nur im Rahmen von persönlichen Interviews bzw. Online-Interviews durchgeführt werden. Zwar sind die Verfahren grundsätzlich auch bei schriftlichen Erhebungen anwendbar, sie kommen jedoch insbesondere durch den zunehmenden Onlineeinsatz kaum noch zur Anwendung. 20.4 Ergebnisbeispiele bei quantitativen Kundenbefragungen potenzieller Spender Wurden die Interviews durchgeführt, kann dann mittels mathematisch-statistischer Verfahren die Analyse des Präferenzverhaltens beginnen. Hierzu werden Marktsimulationsmodelle entwickelt, die eine Vielzahl von Ergebnissen liefern und damit Antworten auf die zentralen Fragestellungen in Bezug auf die Spendenalternativen geben: ႑ Wichtigkeiten:ȱ ȭ ȭ Wie stark beeinflussen die verschiedenen Spendenkomponenten die Spendenbereitschaft? Welchen Einfluss hat der Organisationsname? ႑ Nutzensegmentierung:ȱ ȭ Lassen sich die Spender anhand ihrer Präferenzen segmentieren, sodass eine zielgruppenspezifische Ansprache möglich ist? ႑ Präferenzanteile:ȱȱ ȭ ȭ Welche Themen und Zwecke werden von den meisten Spendern präferiert? Welche dieser Themen und Zwecke werden mit welchen Organisationen in Verbindung gebracht? Welcher Nutzen wird den verschiedenen Organisationen beigemessen? ႑ Strategieprofile:ȱ ȭ ȭ ȭ Welche Kontinente und Länder sind aus Sicht der potenziellen Spender von größter Bedeutung? Gibt es Länder, Themen bzw. Zwecke, die sich negativ auf das Spendenverhalten auswirken? Welche Informations- und Serviceleistungen wünschen sich Spender? Wie wirkt sich die Mittelverwendung und deren Transparenz auf das Verhalten aus? Welchen Nutzen stiften Spenden-Siegel? Mit diesem Wissen ist es möglich, den Fokus bzw. die Kommunikation auf die Projekte zu lenken, die die größte Spendenbereitschaft generieren. Nachfolgend wird etwas näher auf die einzelnen Ergebnisse eingegangen. Dazu werden Beispiele zur Veranschaulichung verwendet. Sie sind frei erfunden und daher unabhängig vom heutigen Spendenmarkt.
250 20.4.1 Andreas Pohle Wichtigkeiten Zunächst werden unabhängig von einer bestimmten Markt- und Wettbewerbssituation die Einflussfaktoren auf die Wahlentscheidung berechnet. Dabei wird festgelegt, dass alle Faktoren die Gesamtsumme von 100 Prozent ergeben. Ein Wert von zum Beispiel 33 Prozent für die „Organisation“ (siehe Abbildung 2) bedeutet daher, dass im Durchschnitt ein Drittel der Spendenwahl durch die Organisation bestimmt wird. Wichtigkeiten können sowohl auf Gesamt- als auch auf Zielgruppenebene betrachtet werden. Sie geben einen ersten Eindruck über die zentralen Spendentreiber und damit Hinweise in Bezug auf die Kommunikationspolitik. Abbildung 2 Ergebnisbeispiel Wichtigkeiten Da Wichtigkeiten losgelöst von tatsächlichen Spendenalternativen sind, müssen bei der Interpretation der Ergebnisse jedoch einige Punkte beachtet werden. Interaktionen zwischen den einzelnen Komponenten werden bei den Wichtigkeiten noch nicht sichtbar. Abhängig von einer bestimmten Organisation könnte nämlich die Bedeutung eines Spenden-Siegels steigen oder sinken. Auch müssen Attribute, die zunächst beim Durchschnitt aller Befragten nur einen niedrigen Rangplatz aufweisen, per se nicht unwichtig sein. In bestimmten Zielgruppen kann sich dieser Wert deutlich erhöhen, sodass es sich eventuell anbieten würde, eine bestimmte Zielgruppe anzusprechen. Um Erkenntnisse darüber zu erlangen, ob es bei den Wichtigkeiten segmentspezifische Unterschiede gibt, werden sogenannte Nutzensegmentierungen durchgeführt.
Die optimale Spende 20.4.2 251 Nutzensegmentierung Bei der Nutzensegmentierung werden auf Grundlage der individuellen Wichtigkeiten Kundensegmente identifiziert, die sich durch in sich homogene, untereinander aber möglichst heterogene Präferenzen auszeichnen. Zum Beispiel Organisationsfixierte (siehe Abbildung 3, Segment 1) oder Personen, die nur für ganz bestimmte Zwecke spenden wollen (siehe Abbildung 3, Segment 2). Abbildung 3 Ergebnisbeispiel Nutzensegmentierung Wird die Trade-off-Befragung um weitere Fragen zu Einstellungen, Einschätzungen, Bewertungen und Demografie ergänzt, besteht zusätzlich die Möglichkeit, die identifizierten Segmente umfassend zu beschreiben. Die Nutzensegmentierung kann somit Aufschluss darüber geben, ob es sinnvoll ist, bestimmte Zielgruppensegmente aufgrund der Größe oder Themen in den Vordergrund der Marketingaktivitäten zu stellen, andere dagegen zu vernachlässigen. Des Weiteren liefert sie Ansatzpunkte dafür, welche Personen sich hinter den Segmenten verbergen, welche Informationskanäle und Medien sie nutzen und welche Einstellungen sie haben. Dies ermöglicht eine zielgruppengerechte Ansprache und die Konzeption von besonders attraktiven Spendenmöglichkeiten.
252 20.4.3 Andreas Pohle Präferenzanteile Präferenzanteile zeigen, wie sich die Spender voraussichtlich in unterschiedlichen Auswahlsituationen verhalten werden. Dadurch kann das Wahlverhalten von bestehenden und potenziellen Spendern in Abhängigkeit verschiedener Spendenalternativen identifiziert werden. Ausgangspunkt für alle Analysen ist hierbei ein sogenanntes Basisszenario. Es stellt den Status quo, also die Präferenzen bei den zurzeit verfügbaren Spendenalternativen dar. Abbildung 4 Ergebnisbeispiel Präferenzanteile In dem Beispiel kann Organisation Z ein Drittel aller Spender auf sich vereinigen. 19 Prozent würden sich für die Spendenalternativen der Organisation A entscheiden. Weitere Analysen geben Aufschluss darüber, welche Spendenarten bei welchen Organisationen besonders bevorzugt werden und welchen Einfluss der Organisationsname dabei hat. Bei Anbieter A spricht zum Beispiel das Thema Umweltschutz die meisten Spender an. Präferenzanteile können sowohl auf Gesamt- als auch auf Zielgruppenebene betrachtet werden. Des Weiteren ist es möglich, die bevorzugten Spendenalternativen der in der Nutzensegmentierung ermittelten Segmente zu identifizieren. So können die Spenden zielgruppengerecht gestaltet und vermarktet werden. 20.4.4 Strategieprofile und Szenarien Um die Konzeption möglichst effizient zu gestalten, bedient man sich des Strategieprofils. Durch dieses kann aufgezeigt werden, ob sich Spendenmodifikationen (zum Beispiel die Einführung eines Spenden-Siegels) positiv oder negativ auf den Präferenzanteil auswirken.
Die optimale Spende Abbildung 5 253 Strategieprofil-Beispiel Durch die Analysen wird beispielsweise sichtbar, ob es zur Attraktivitätssteigerung sinnvoller ist, den Aufwand für die Verwaltung zu reduzieren oder ein Spenden-Siegel zu erhalten. Im Beispiel (siehe Abbildung 5) ist die Wirkung des Spenden-Siegels B gleich hoch wie die Reduzierung des Verwaltungsaufwandes auf unter 5 Prozent. Die Wirkung des Spendensiegels A ist jedoch zu vernachlässigen, sodass hierauf verzichtet werden könnte. Strategieprofile zeigen zunächst Auswirkungen einzelner Maßnahmen auf und geben damit wesentliche Hinweise zur Angebotsoptimierung. Allerdings bleiben alle anderen Elemente gleich, sodass noch keine Wechselwirkungen sichtbar werden. Diese werden erst durch „Szenarien“ sichtbar, bei denen mehrere Maßnahmen miteinander kombiniert werden können. Durch sie sind alle möglichen Kombinationen von Spendenalternativen simulierbar. 20.5 Fazit Wie in anderen Märkten auch, werben die Non-Profit-Organisationen um Kunden. Dabei bieten Sie eine Vielzahl von Produkten bzw. Spendenmöglichkeiten an. Diese gilt es auf die Interessen der potenziellen Spender abzustimmen. Zur Analyse von Kundenbedürfnissen werden in der Praxis erfolgreich Trade-off basierte Marktforschungsstudien eingesetzt.
254 Andreas Pohle Die Analysemöglichkeiten bei Trade-off-basierten Befragungen sind durch die Anwendung computergestützter Simulationssoftware fast grenzenlos. Allerdings können bei der Analyse auch nur die Merkmale und Kombinationen betrachtet werden, die vorher im Design berücksichtigt wurden. Bei der Konzeption derartiger Befragungen ist daher unbedingt darauf zu achten, alle wichtigen Elemente zu integrieren und die Wahl des Verfahrens auf die Ziele der Befragung abzustimmen. Richtig angewendet können die Verfahren einen wesentlichen Baustein bei der Konzeption von Spendenalternativen und der strategischen Ausrichtung einer Non-Profit-Organisation darstellen. Sie sind hilfreich, um ႑frühzeitig auf Spenderpräferenzen zu reagieren, ႑die aus Sicht der Spender wichtigsten Argumente gezielt im Marketing zu nutzen, ႑„Flops“ zu vermeiden, ႑das Spendenangebot effizient zu gestalten, ႑Kosten zu reduzieren und ႑Wettbewerbsvorteile zu sichern bzw. aufzubauen. Sie ersetzen bzw. ergänzen damit sinnvoll das eigene „Bauchgefühl“, welches an vielen Stellen richtig aber an vielen Stellen auch falsch liegen kann. Eine Erkenntnis, die in vielen Branchen bereits gewonnen wurde. Der harte Wettbewerb hat manches Unternehmen dazu bewogen, neue Wege zu gehen, um die Präferenzen seiner Kunden zu verstehen und seine Angebote darauf abzustimmen. Davon profitieren letztendlich sowohl die Kunden als auch die Anbieter. Eine Chance, die auch im Spendenmarkt besteht. Weiterführende Literatur Orme, B. (2003): Which Conjoint Method Should I Use?, in: Sawtooth Software Research, Inc. (Hrsg.), Washington 2003. 
 Die optimale Spende V.ȱImageȱundȱStrategieȱ  255

 Erfolgreiches Fundraising steht auf drei Säulen 21 257 Erfolgreiches Fundraising steht auf drei Säulen KatharinaȱSievertȱ Mailingversand, E-Mail-Newsletter, Telefon-Fundraising, Charity-Gala, Online-Spendenportal oder Corporate Giving: Die Fundraising-Instrumente sind zahlreich. Unterschiedliche Zielgruppen werden mit unterschiedlichen Kommunikationstools auf viele verschiedene Arten angesprochen. Was alle Instrumente gemeinsam haben oder haben sollten, ist ein strategischer Unterbau. Denn nur die richtige Fundraising-Strategie führt zu zielgerichtetem Wachstum. Was zeichnet also ganz grundlegend das Fundraising von Spenden sammelnden Organisationen aus? Ist es die Art der Spendenbitte? Ist es die Botschaft? Oder ist es die Personengruppe, die angesprochen wird? Wie so häufig, macht es die richtige Mischung. Erfolgreiche Fundraising-Strategien stehen auf einem soliden Fundament, das alle beeinflussenden Faktoren ausbalanciert. Besondere Relevanz erhält dieser stabile Unterbau in Zeiten der Krise – wenn sicher geglaubte Finanzierungsquellen ins Wanken geraten oder wenn Skandale den guten Ruf der Organisation selbst in Gefahr bringen. In solchen Zeiten sind solide Grundlagen für ein erfolgreiches Fundraising besonders wichtig. Nicht nur die Finanzierung von Projekten steht auf dem Spiel, sondern auch ein glaubwürdiger Auftritt bei den Spendern und potenziellen Spendern. Abbildung 1 Aufeinander abgestimmte Zielrahmen des Fundraising Es gilt, klare Ziele für die Organisation (zum Beispiel Wachstum, wirtschaftliche Stabilität, Erweitern der Spenderbasis) zu formulieren und diese für das Fundraising und die Kommunikation mit Spendern und potenziellen Spendern zu übersetzen. Alle Handlungsebe-
258 Katharina Sievert nen müssen eine einheitliche Richtung haben und dürfen sich inhaltlich nicht widersprechen. Das Mission Statement, also die Grundhaltung der Organisation, darf als Versprechen gegenüber Projektpartnern und Spendern durch keine Handlung in Frage gestellt werden. Besonders nicht durch das Fundraising, das nur auf der Grundlage von Vertrauen erfolgreich agieren kann. 21.1 Ein klares Markenbewusstsein schärft das Selbstverständnis Die erste Voraussetzung für eine erfolgreiche Neuspendergewinnung und eine wirtschaftliche Spenderbindung bildet die Marke der Organisation. Hier geht es nicht in erster Linie um das Corporate Design, um Logo oder Gestaltungsvorlagen. Das Corporate Design dient dazu, den Wiedererkennungswert zu erhöhen und die Glaubwürdigkeit zu steigern. Doch der Inhalt einer Marke steht im Mittelpunkt: „Eine klare Markenidentität und die sachlich-funktionale Kompetenz einer Marke schaffen das notwendige Vertrauen beim Konsumenten, auf dem die Stärke einer Marke basiert. Denn nur diejenigen Marken, bei denen der Konsument über längere Zeit eine klare, in sich gefestigte Identität wahrnimmt, können dauerhaft Kunden an sich binden und somit Markentreue erreichen.“1 Doch was ist eigentlich die Markenidentität? Was macht eine erfolgreiche Marke zum Bestseller und was macht den Erfolg einer Non-Profit-Marke aus? Während die reine Marketinglehre davon ausgeht, dass die Marke eine deutliche Differenzierung zum Wettbewerb haben muss und das Alleinstellungsmerkmal – der sogenannte USP (unique selling proposition) – im Vordergrund stehen sollte, geht es bei NPO-Marken um deutlich mehr. Die gängige Markendefinition der American Marketing Association lautet: „Brand: A name, term, design, symbol, or any other feature that identifies one seller’s good or service as distinct from those of other sellers.“2 Eine Spenden sammelnde Organisation grenzt sich jedoch im Unterschied zu dieser gängigen Definition nicht nur von ihren Wettbewerbern – also den „other sellers“ – im NonProfit-Sektor ab, sondern wirbt und argumentiert für „den guten Zweck“ an sich. Die Marke erfüllt keinen Selbstzweck, das heißt, sie bietet „dem Kunden“ keine materielle Gegenleistung. Sie formuliert einen gesellschaftlichen Nutzen, den es klar herauszuarbeiten gilt und der für jede Organisation einzigartig ist. Es geht also um die Geschichten hinter der Marke. Gerade diese Geschichten sind es, die die Emotionalität, die Nähe zu den Spendern und die Glaubwürdigkeit der Projekte ausmachen. Warum gibt es die Organisation? Was motiviert die Gründer? Was bewegt die   1 Meffert, H./Burmann, C./Koers, M. (2002) 2 American Marketing Association, Dictionary: http://www.marketingpower.com.
Erfolgreiches Fundraising steht auf drei Säulen 259 Mitarbeiter? Fragen, deren Antworten beim Spender Vertrauen und somit die Grundlage für eine Spende bilden. Und dieses Vertrauen bildet den Kern der Markenidentität einer NPO. 21.2 Die Zielgruppe im Visier 21.2.1 Zielgruppenanalyse Ein gut strukturiertes und gut etabliertes Selbstbewusstsein der Organisation ist der erste Schritt in Richtung positive Fremdwahrnehmung. Nach dem Motto: Wir wissen, wer wir sind und wofür wir stehen! Doch auch die eigene Einschätzung der Organisationsumwelt ist für das Fundraising entscheidend. Genau wie im klassischen Marketing lässt sich beides nicht voneinander trennen. Eine zukunftsgerichtete Fundraising-Strategie muss sich damit befassen, welche Zielgruppen künftig angesprochen werden sollten und inwiefern diese langfristig die Finanzierung von Zielen und Projekten der Organisation sichern können. Es geht um Zielgruppenprofile, Potenziale und die richtige Ansprache. Doch es geht auch um das Image der Organisation, die Wertschätzung und Beziehungsintensität, die der Spender bereit ist, einzugehen. Hierbei gilt es zu beachten, dass die Betrachtung einer Zielgruppe weit über die verbreitete Kategorisierung nach Spendenart und Häufigkeit hinaus geht. Eine differenzierte Zielgruppenanalyse unterteilt Spender nicht bloß in die Kategorien: private Einzelspender, Dauerspender, Fördermitglieder, Unternehmensspender oder Großspender. Diese Einteilung dient eher der pragmatischen Ausrichtung von Inhalten und Instrumenten. Die Zielgruppenanalyse als Säule der Fundraising-Strategie hingegen gibt Anhaltspunkte über die tatsächliche Verortung der Organisation im Spenderkontext. Mit wem wird kommuniziert und mit wem sollte entsprechend der Markenprägung und Projektausrichtung kommuniziert werden? Dies sind hierbei die zentralen Fragen. In der Neuspendergewinnung orientieren sich die Fundraiser gemeinhin an den vorhandenen Spenderprofilen und suchen Adressen, die zu diesen Profilen passen. Auch wenn diese Profile regelmäßig hinsichtlich ihrer Zielgenauigkeit überprüft werden, stellt sich die Frage, ob die vorhandene Spenderstruktur auch in der Zukunft tragfähig ist. Gerade Organisationen mit einem überdurchschnittlich hohen Spenderalter müssen sich die Frage nach der Verjüngung der Spender stellen. Denn gerade die teure Neuspendergewinnung rentiert sich nur, wenn die anvisierten Spender lange bei der Organisation bleiben. In solchen Fällen liegt es also nahe, die Spenderstruktur positiv zu verändern und jüngere Spender mit höherem Einkommen anzusprechen. Andere Organisationen erfahren einen geringen Identifikationsgrad der Spender mit der NPO und haben Schwierigkeiten, Spender langfristig an sich zu binden. Auch hier gilt es zu hinterfragen, ob die richtigen Spendergruppen mit den richtigen Argumenten angesprochen werden oder ob eine Optimierung des Kommunikationsprozesses notwendig ist.
260 Katharina Sievert Doch welche Vorstellung haben die künftigen Spender von der Marke? Ist die Marke überhaupt bekannt, und weckt sie positive Assoziationen? Es ist wichtig, den Markenkern für die jeweilige Zielgruppe zu übersetzen und in die Kommunikation einzubauen. Gleichzeitig interessiert nicht jeden Spender jedes Projekt, und es ist nicht jeder durch dieselben Medien anzusprechen. Abbildung 2 Die Zielgruppe bedingt Botschaft und Instrument Besonders bei der Ansprache von neuen Zielgruppen kann es daher relevant werden, mit differenzierten Botschaften auf unterschiedlichen Kanälen – aber immer dem selben Markenkern – in den Markt hinein zu kommunizieren. 21.2.2 Kommunikation mit den Zielgruppen Im Rahmen des oben beschriebenen Kommunikationsprozesses ist es hilfreich zu wissen, mit welchen Instrumenten die Zielgruppen erreichbar sind. Welche Zeitschriften werden gelesen, welche Newsportale genutzt und welche Fernsehformate werden bevorzugt? Nur durch diese detaillierten Informationen sind die Fundraiser in der Lage, eine gezielte Kommunikationsstrategie für die potenziellen Neuspender zu entwickeln und gleichzeitig die Spenderbindung zu erhöhen. Das Mediennutzungsverhalten von Zielgruppen lässt sich beispielhaft folgendermaßen strukturieren: ႑Printmedien: überregionale Tageszeitungen, regionale Tageszeitungen, Magazine, Fachmagazine (berufliches Umfeld oder privates Umfeld/Hobbys), Illustrierte und andere ႑Webnutzung: Art der Seiten (zum Beispiel News, Communities, Blogs), Häufigkeit (täglich, gelegentlich, selten/nie), Anlass (überwiegend privat oder beruflich)
Erfolgreiches Fundraising steht auf drei Säulen 261 ႑EȬMailȬ/Mailingaffinität: Welcher Kommunikationsweg wird bevorzugt? ႑AmbientȱMedia: Sonderwerbeformen und Spendenaufrufe (zum Beispiel Plakate, CityCards, Infoscreens) positioniert an für die Zielgruppe geeigneten Orten ႑TV: Infotainment (Nachrichten, Magazine, Talkshows), Unterhaltung (Shows, Spiel- film, Vorabend-Serien/Soaps), Edutainment (Wissenssendungen, Quiz-Shows) und andere Praxistipp: Als fundierte Grundlage für diese Ergebnisse dienen Marktuntersuchungen zum allgemeinen Mediennutzungsverhalten (Studien und Statistiken), die mit den Profilen der definierten Zielgruppen abgeglichen werden können. Es ist sinnvoll, zunächst für die Clusterung der Zielgruppen nach Projekten und inhaltlichen Impulsen idealtypische Spenderprofile zu entwickeln. Hier werden alle Faktoren, die Spendermotivation und -typus ausmachen (zum Beispiel Wohnsituation, Beruf, Familienstand, politische oder religiöse Orientierung, Freizeitverhalten), im Rahmen eines Brainstormings zusammengetragen. Anhand des daraus entstehenden Bildes erkennt man, mit wem man kommunizieren möchte und in welcher Umgebung man den potenziellen Spender am ehesten antreffen kann. Anhand dieser ersten Idee lassen sich dann gezielte Wege der Ansprache, aber auch Botschaften ableiten. 21.3 Marke und Projekt müssen passen Wofür gibt der Spender sein Geld? Eher nicht für eine Marke – sprich NPO –, sondern vielmehr für eine Geschichte oder ein konkretes Projekt, das ihn emotional berührt, das für ihn wichtig ist. Das zeigt die steigende Zahl sogenannter „Wechselspender“ deutlich, die nicht nur an eine Organisation spenden, sondern ihr Spendenbudget auf eine Mehrzahl von Projekten und Themen aufteilen. Der Großteil der Spender spendete 2008 an zwei oder mehr Organisationen (56 Prozent). Und dieser Anteil nimmt im Vergleich zu den Vorjahren zu. Allein der Anteil der Spender, die an zwei bis drei Organisationen spenden, liegt bei 31 Prozent. Der Anteil der Menschen, die vier bis fünf Organisationen bedenken, liegt immerhin noch bei 21 Prozent.“3 Der Wettbewerb der Organisationen um die Gunst der Spender wird dadurch noch einmal deutlich verschärft. Hierbei spielt nicht zuletzt die Marke eine Rolle. Es gilt wie im klassischen Konsumgütermarketing: Die Kunden kaufen ein Produkt, weil sie dem Hersteller zutrauen, dass das Produkt den geweckten Anspruch erfüllt. Die Marke prägt im Non-Profit-Sektor jedoch nicht nur das Vertrauen in die Zuverlässigkeit des Managements und die Qualität der Arbeit, sondern darüber hinaus auch das Vertrauen in die Problemlösungskompetenz und Sinnhaftigkeit der Projekte.   3 GfK Consumer Tracking (2009)
262 Katharina Sievert Einer etablierten Marke zum Beispiel im Bereich Tier- und Umweltschutz werden die Spender demzufolge zutrauen, darüber entscheiden zu können, welche Themen drängen und welche Lösungsansätze funktionieren. Und doch haben die Spender eine eigene Wahrnehmung und springen auf medienwirksame Themen (zum Beispiel Klimakatastrophe) oder emotionale Themen (zum Beispiel Rettung von Tierbabys) besser an als auf viele andere sachlich fundierte Spendenaufrufe. Es gilt, die Psychologie der Spender zu begreifen und aufmerksam zu beobachten, was in der eigenen Spenderschaft und darüber hinaus geschieht. Natürlich hat jede Organisation ihre eigenen Projekte und führt diese erfolgreich durch. Daher ist es nicht sinnvoll, diese über Bord zu werfen und nur noch solche Projekte zu entwickeln, die den künftigen Spendern gefallen. Es geht vielmehr darum, die bestehenden Projekte den Zielgruppen so zu präsentieren, dass diese die Möglichkeit haben, sich mit den Fundraising-Projekten zu identifizieren.ȱUnd es ist auch wichtig, die Projekte den richtigen Zielgruppen gezielt zu präsentieren. Wer ist also potenzieller Spender für Projekt A, und wen interessiert eher Projekt/Lösungsansatz B? 21.4 Fazit Wenn der Dreiklang zwischen Marke, Zielgruppe und Projekt entwickelt wurde, dann haben die NPOs die Möglichkeit, ihre Fundraisingkonzepte zu optimieren und die richtigen Strategien für die Zielgruppenansprache zu entwickeln. Denn nur ein klares Profil der Zielgruppe ermöglicht die richtige Darstellung der Projekte und eine positive Akzeptanz der Marke. Nur ein klares Branding spricht die Zielgruppen an und macht die Projekte glaubwürdig. Und nur die richtigen Projekte passen zur Marke und sind für die Zielgruppe relevant. Werden in einer Organisation neue Fundraising-Ziele definiert, bieten die drei Säulen des Fundraising eine pragmatische Hilfestellung, die richtige Strategie zur Zielerreichung zu definieren. ႑Schrittȱ1ȱ–ȱdieȱMarke:ȱErarbeiten des eigenen Markenkerns und Entwicklung verschie- dener inhaltlicher Impulse, die diesen Markenkern beschreiben und die für unterschiedliche Zielgruppen relevant sind: Wie definiert sich der Markenkern? Welche Geschichten werden zur Marke kommuniziert? ႑Schrittȱ2ȱ–ȱdieȱZielgruppe:ȱDefinitionȱderȱZielgruppen:ȱWelche Zielgruppen müssen zur Zielerreichung ins Boot geholt werden? Welche Relevanz hat die Marke innerhalb dieser Gruppen für den Einzelnen? Welche Themen interessieren die Zielgruppen? ႑Schrittȱ3ȱ–ȱdasȱProjekt/dieȱProjekte:ȱFestlegen konkreter Projekte und Geschichten, die zu Marke und Zielgruppe gleichermaßen passen: Wird die Marke als Träger für die Projekte akzeptiert? Sind die Projekte für die Zielgruppen interessant?
Erfolgreiches Fundraising steht auf drei Säulen 263 ႑Schrittȱ4ȱ–ȱdieȱUmsetzung: Entwickeln einer Kommunikationsstrategie, um die Ziel- gruppen mit den richtigen Impulsen, den richtigen Projekten und richtigen Instrumenten zu überzeugen. Abbildung 3 Die drei Säulen des Fundraising Weiterführende Literatur American Marketing Association: Dictionary, Zugriff am 24.07.2009 unter http://www.marketingpower.com. GfK Consumer Tracking (2009): GfK Charity*Scope, Nürnberg. Meffert, H./Burmann, C./Koers, M. (2002): Markenmanagement: Grundfragen der identitätsorientierten Markenführung, Wiesbaden.
 264 22 Andreas Dinkelmeyer Kampagnenplanung AndreasȱDinkelmeyerȱ Bei jeder Kampagne – egal, ob es sich um eine Presse-, politische oder FundraisingKampagne handelt – sind einige Grundlagen zu beachten. Der vorliegende Beitrag enthält die Grundlagen für eine erfolgreiche Kampagnenplanung und betont die zwei entscheidenden Elemente für ein erfolgreiches Projekt: Planung und Evaluation. 22.1 Ziele definieren Natürlich muss zunächst einmal geklärt werden, was mit einer Kampagne erreicht werden soll. Zu häufig werden die Ziele nur sehr unscharf formuliert. Entweder weil vermeintlich keine Zeit für eine genaue Zieldefinition vorhanden ist oder der Auftrag deutlich erscheint, aber im Grunde ungenau ist oder von den Mitwirkenden unterschiedlich interpretiert wird. Die Erfahrung bestätigt, dass eine saubere und klare Zieldefinierung spätere Komplikationen in der Kampagne verhindern helfen kann. Investierte Zeit in eine genaue Zieldefinition ist also keine verlorene Zeit. Man sollte klare, messbare Ziele definieren. Um das zu erreichen ist die SMART-Regel sehr hilfreich. Die Ziele sollten folgende Kriterien erfüllen: Tabelle 1 Spezifisch + Konkretȱ SMART-Ziele Eine eindeutige, unmissverständliche Formulierung ermöglicht einen gemeinsamen Ausgangs- und Ankerpunkt für die weiteren Aktivitäten. Messbar Wie wird das Erreichen des Ziels festgestellt? Klare messbare Ereignisse oder Ergebnisse sind für ein „gutes“ Ziel Voraussetzung. Akzeptiert Ein schnell unterschätzter Punkt: Sind alle Mitarbeiter von dem Ziel überzeugt? Werden sie das Ziel mit ihrer vollen Arbeitskraft unterstützen? Nur wenn alle überzeugt sind und mitarbeiten, kann das Ziel erreicht werden. So können interne Widerstände vermieden werden. Realistisch Die Welt zu retten ist hoffentlich realistisch, aber wir nähern uns dem lieber in kleinen überschaubaren Schritten. Das Ziel sollte in einer angemessenen Zeit tatsächlich erreicht werden können.
Kampagnenplanung Terminiert 265 Wann soll das Ziel erreicht sein? Dafür sollte ein genauer und realistischer Zeitpunkt festgelegt sein, der andere Arbeitsbelastungen mit einbezieht. Trotz allen Termindrucks ist es ratsam, genügend Zeit auf das Erarbeiten der Zieldefinition und der genauen Zielformulierung zu verwenden. Offensichtlich sollte das „abgesegnete“ Ziel auch gut dokumentiert sein, damit es im weiteren Verlauf der Kampagne zur Orientierung herangezogen werden kann. Missverständnisse, die im Laufe der Kampagne immer wieder auftreten können, lassen sich durch die wiederholte, möglicherweise sogar durch eine regelmäßige Betrachtung der SMART-Ziele ausräumen. 22.2 Zielgruppen definieren An wen richtet sich die Kampagne? Wer soll durch die Kampagne motiviert werden, was zu tun? Das „Was“ sollte eigentlich schon bei der Zieldefinition geklärt worden sein. Nun muss eine klare Definition des „Wer“ erarbeitet werden. Auch hier ist die Versuchung groß, eine unscharfe, letztlich willkürliche Masse zu benennen. Je genauer es aber gelingt, die Gruppe einzukreisen, die für das Erreichen des definierten Ziels benötigt wird, umso zielgerichteter und erfolgreicher kann mit ihr kommuniziert werden. Die Pressestelle wird naturgemäß andere Kommunikationswege und damit Mittler wählen als die FundraisingAbteilung. Nur sollten die Empfänger der Kommunikation letztendlich dieselben sein. Bei der Eingrenzung und genauen Definition der Zielgruppe ist eine Marktforschung sehr hilfreich. Obgleich eine umfangreiche Marktforschung recht kostspielig ist, kann sie sich jedoch bezahlt machen. Organisationen mit schmalem Budget können Basisinformationen zur Marktsegmentierung in Büchern wie „Marktsegmentierung1“ oder „Marketing2“ finden. Frei zugänglichen Gesellschaftstudien wie beispielsweise die Shellstudie3 über Jugendliche können bei der eigenen Kundensegmentierung hilfreich sein. Eine weitere Recherche im Internet kann weitere Hinweise geben. Manche großen PR-Agenturen wie Pleon4 bieten zu dem Themenkomplex immer wieder interessante Studien an.   1 Siehe Pepels, W. (2007) 2 Siehe Scharf, A./Schubert, B. (1997) 3 Siehe dazu unter: http://www.shell.de/home/content/deu/aboutshell/our_commitment/shell_youth_study/2006/. 4 Siehe dazu unter: http://www.pleon.de.
266 Andreas Dinkelmeyer Eine Umfrage unter den eigenen Spendern liefert oft schon sehr hilfreiche Hinweise. Solch eine Umfrage kann in die direkte Kommunikation mit der eigenen Fördererbasis eingebunden werden. Will man neue Zielgruppen erschließen, kann eine Meinungsumfrage schon erste Hinweise geben. Je besser wir die Zielgruppe unserer Kommunikation kennen, desto genauer ist es möglich, mit ihr zu kommunizieren und die geeigneten Kommunikationskanäle zu wählen. Die Segmentierung der Zielgruppe in Untergruppen hilft dabei, die große unbekannte Masse in überschaubare Gruppen zu unterteilen. Die Teilgruppen der Zielgruppe lassen sich erfolgreicher ansprechen, wenn sie beispielsweise nach den präferierten Kommunikationskanälen segmentiert werden. Abbildung 1 Exemplarische Segmentierung nach Kommunikationskanälen Internetaffine Briefbegeisterte intensive Handynutzer klassische Medien 22.3 Das Drehbuch für die Kampagne entwickeln Ist die Zielgruppe definiert und, wenn nötig, segmentiert, muss nun der für sie am besten geeignete Kommunikationskanal gefunden sowie das „Drehbuch“ für die Kampagne entworfen werden. Um die geeigneten Kommunikationskanäle für die Teil-Zielgruppe zu finden, kann eine Marktforschung hilfreich sein. Auch hier gibt es frei zugängliche Studien, die zumindest Anhaltspunkte geben, aber natürlich nicht so genau sein können wie eine selbst beauftragte Analyse der eigenen Zielgruppe. Sind die Zielgruppe und ihre Segmente klar definiert, die Kanäle gewählt, muss nun das „Drehbuch“ entworfen, also die Abfolge der einzelnen Maßnahmen festgelegt werden. Dabei sollte man beachten, dass die Maßnahmen aufeinander abgestimmt sind und auch einen gewissen Spannungsbogen aufbauen. Hier können sich auch Fundraising und politisches Campaigning gegenseitig unterstützen. Überhaupt sollte darauf geachtet werden, dass keine zwei unterschiedlichen Kommunikationen entstehen, auch wenn die Zielsetzungen von Fundraising und politischem Campaigning unterschiedliche Schwerpunkte haben. Optimalerweise sind beide Ziele in eine übergreifende Kommunikationsstrategie integriert.
Kampagnenplanung 267 Fundraising kann sich der direkten und der indirekten Kommunikation bedienen. Die indirekte Kommunikation findet über Werbeträger statt, eine direkte Reaktion der Rezipienten ist nur schwer möglich (siehe Abbildung 2). Abbildung 2 Kommunikationsstrategie – indirekte Kommunikation Die direkte Kommunikation hat den Vorteil, dass man mit den Rezipienten in Kontakt treten und ein Dialog entstehen kann. Die Kommunikation wird dadurch sehr viel intensiver (siehe Abbildung 3).
268 Andreas Dinkelmeyer Abbildung 3 Kommunikationsstrategie – direkte Kommunikation  Fundraising DirekteKommunikationmit PrintͲMailingmitAktionsaufͲ forderungundAntwortkarte EͲMailͲMailingmit Antwortaufforderung Telefongespräche Empfänger 22.4 Den Plan abarbeiten, dokumentieren und evaluieren Der so entstandene Plan, abgestimmt mit den budgetären Vorgaben, muss nun „nur noch“ abgearbeitet werden. Schon bei der Planung sollen allerdings Zwischenpunkte/Meilensteine gesetzt werden, die bei der späteren Evaluierung der Maßnahmen helfen. Für eine aussagekräftige Evaluation ist eine gute Dokumentation während der Phase des „Abarbeitens“ Voraussetzung. Sie sollte folgende Punkte erfüllen: ႑vollständig sein ႑über den gesamten Kampagnenverlauf geführt werden ႑für alle nachvollziehbar sein ႑wichtige Kampagnendokumente enthalten ႑strukturiert sein
Kampagnenplanung 22.5 269 Evaluation Evaluation ist ein umfangreiches Gebiet, das hier nur angerissen werden kann.5 Mehrere Teilbereiche sollten separat evaluiert werden. Darunter die Konzeptionsevaluation, die Prozessevaluation und eine Evaluation der Maßnahmen und ihrer Wirksamkeit. Die Wirksamkeit der Maßnahmen soll zeigen, ob die richtigen Kommunikationskanäle für die gewählte Zielgruppe genutzt wurden. War die Ansprache zielgruppengerecht? Konnten die geforderten Handlungen/Aktionen die Zielgruppe mobilisieren? Die Prozessevaluierung soll den organisatorischen Ablauf beleuchten. Wurde alles im Zeitplan fertig? Waren genügend Ressourcen vorhanden? Waren die Abläufe detailliert genug geplant oder zu detailliert? Gab es genügend Flexibilität, um auf Unvorhergesehenes zu reagieren? Ein Fragebogen und eine Checkliste sind hilfreiche Instrumente dafür. Und natürlich lohnt es sich mit der Konzeptionsevaluation zu betrachten, ob die richtigen Strategien gewählt wurden. Auch die Evaluation wird, wie die präzise Zieldefinition, oft unterschätzt. Meist benötigen beide Aufgaben Zeit, die oft rar ist. Es lohnt sich allerdings, diese zu investieren. Eine ehrliche Evaluation ist hilfreich, zukünftige Kampagnen effektiver zu planen und erfolgreicher umzusetzen. Sie verhindert, dass gleiche oder ähnliche Fehler wiederholt werden. Eine gründliche Evaluation und damit das wachsende Wissen einer Organisation liefert eine fundierte Grundlage für zukünftige Kampagnen. Gemachte Erfahrungen werden objektiviert und vermindern die Abhängigkeit von Entscheidern und Mitarbeitern von ihrem „Bauchgefühl“. 22.6 Fazit Eine gründliche Planung und Aufarbeitung einer Kampagne sind wichtige Elemente für ein effektives und erfolgreiches Projekt. Die sorgfältige Aufarbeitung ermöglicht einer Organisation ein dynamisches Lernen und damit idealerweise eine kontinuierliche Verbesserung ihrer Kampagnenfähigkeit. Die Evaluation unterstützt uns auch dabei, unsere Zielgruppe besser zu verstehen und damit auch immer zielgerichteter auf den richtigen Kanälen anzusprechen. Deswegen sollten auch die Rezipienten bei einer Evaluation mit einbezogen werden.   5 Besson, N. (2004)
270 Andreas Dinkelmeyer Weiterführende Literatur Besson, N. (2004): Strategische PR-Evaluation, in, Rommerskirchen, H. (Hrsg.), PR-Magazin, Ausgabe Nr. 9, Remagen 2004, S. 45-52. http://www.pleon.de. http://www.shell.de/home/content/deu/aboutshell/our_commitment/shell_youth_study/2006/. Pepels, W. (2007): Marktsegmentierung, 2. aktualisierte und erweiterte Auflage, Düsseldorf. Puttenat, D. (2007): Praxishandbuch Presse- und Öffentlichkeitsarbeit, Wiesbaden. Scharf, A./Schubert, B. (1997): Marketing, 2. aktualisierte Auflage, Stuttgart.
 Marktforschung und Web 2.0 23 271 Marktforschung und Web 2.0 DirkȱSteffenȱ Der vorliegende Beitrag beleuchtet den Veränderungsbedarf sowie die neuen Möglichkeiten der Marktforschung, die sich aus der technologischen Entwicklung und insbesondere dem Fortschreiten der Internet-Technologien wie Web 2.0 usw. entwickeln. Hierbei wird einerseits der aktuelle Handlungsbedarf gegen historische Veränderungen der MafoMethodenlandschaft abgegrenzt und andererseits werden die neuen Verfahren, die sich durch Nutzung der neuen Technologien ergeben, exemplarisch vorgestellt. Der Artikel schließt mit einem Plädoyer für eine sinnvolle Integration von neuen in etablierte Marktforschungsmethoden. 23.1 Historische Quantensprünge? Seit Beginn der Marktforschung ist die Auswahl eines kostenadäquaten und validen Ansatzes zur Lösung einer Forschungsfrage eine der primären Herausforderungen. Die ersten persönlich durchgeführten Befragungen waren Face-to-Face-Interviews. Die fortschreitende Technik ermöglichte dann telefonische Interviews sowie die Interviewerführung mittels Computereinsatz (CATI, CAPI). Seit geraumer Zeit ist die Onlinebefragung (CAWI) auf dem Vormarsch, die sich nach und nach zur wichtigsten Säule der befragungsorientierten Marktforschung entwickelt. Entscheidungskriterien für die weitere Verbreitung neuer Verfahren waren einerseits Überlegungen hinsichtlich der Repräsentativität dieser Verfahren, also die Frage, wie viel Prozent der Bevölkerung durch ein neues Medium erreichbar sind, und andererseits Kosten-Nutzen-Abwägungen beim Einsatz der neuen Technologie. Heutzutage sind in Deutschland knapp 70 Prozent der Bürger online, insbesondere jüngere Zielgruppen, sodass für eine Vielzahl von Fragestellungen durch Onlineverfahren eine repräsentative Zielgruppe erreichbar ist – wenn auch nicht für alle. Unterschieden sich diese Verfahren im eingesetzten Medium, so waren und sind sie doch in einem Paradigma stetig unverändert: Sie befragen den Konsumenten, Kunden oder Bürger. 23.2 Änderungen durch das Web Durch das Internet und die fortschreitende Technisierung ändert sich nun die Kommunikation oder vielmehr die Reichweite der individuellen Kommunikation: Bürger und Konsumenten artikulieren sich offen im Web, sie schreiben Tagebücher, Journale in Blogs, sie diskutieren miteinander oder arbeiten zusammen an Lösungen für typische Probleme in Foren, sie schließen Freundschaften und drücken Beziehungen in Communities aus. Twitter – als typischer Vertreter der Kurznachrichtendienste (Microblogs) – führt zu einer erheblichen Steigerung der Geschwindigkeit in der Nachrichtenverbreitung, Preis- und
272 Dirk Steffen Bewertungsportale fassen die öffentliche Meinung zu Produkten, Dienstleistungen sowie Themen übersichtlich und für alle sichtbar zusammen. Abbildung 1 Web 2.0 Technologien Mit der steigenden Information, die über das Web verfügbar wird, sinkt auch die Bedeutung der traditionellen Medienkanäle – sicherlich in unterschiedlichem Maße was die verschiedenen traditionellen Nachrichtenkanäle anbetrifft. Werden Kommunikations- und Werbemaßnahmen nur noch in singulären traditionellen Medien durchgeführt, so sinkt deren Wirksamkeit. 23.3 Neue Herausforderungen für die Forschung Für die Forschung ergeben sich so folgende neue Herausforderungen: ႑Das Verhalten der Bürger und Konsumenten wird zu einem immer größeren Teil Onlineverhalten, welche das Verhalten in der realen Welt (Offlineverhalten) ergänzt und mit ihm in Beziehung steht. Bürger recherchieren Sachverhalte im Web, sie besuchen Nachrichtenportale und suchen nach weiterführenden Informationen mittels Suchmaschinen. Onlineverhalten ist aber nur zu einem gewissen Teil über Befragung ermittelbar (Welche Webseiten haben sie in den vergangenen drei Monaten besucht? Zu welchem Anteil beziehen sie ihre Informationen aus Social-Media-Seiten versus redaktionellen Seiten?).
Marktforschung und Web 2.0 273 ႑Bürger warten nicht, ihre Meinung zu artikulieren oder über ein Thema zu diskutieren, bis sie das nächste Mal befragt werden, sondern sie tun es einfach. Das „Mitmach“Web 2.0 gibt ihnen diese Möglichkeit. Durch eine Verfolgung der öffentlichen Diskussion können Trends frühzeitig aufgespürt werden und die Meinungswelt der Bürger anstelle oder zwischen Befragungen kontinuierlich gemonitort werden. Ein Monitoring der öffentlichen Diskussion kann so einerseits Vorteile gegenüber einer direkten Befragung haben (Kommunikation dort abgreifen, wo sie passiert; zuhören), andererseits ergeben sich dadurch neue Fragestellungen, wie beispielsweise die valide Bildung einer Grundgesamtheit und nachvollziehbare Regeln zum Ziehen einer Stichprobe. ႑Das Web agiert in vielen Bereichen wie eine Theaterbühne. Einige wenige Schauspieler spielen und kommunizieren, aber das große Publikum hört und sieht zu. In der Wirklichkeit ist es genauso: Schlechte Nachrichten stellen ein nicht zu übersehendes Reputationsrisiko dar, die Art und Weise, wie mit diesen Themen in der Öffentlichkeit umgegangen wird, prägt darüber hinaus die Meinungen vieler. Insbesondere für Spendenorganisationen sind eine Vertrauensbeziehung zu den Bürgern und ein positives Image wichtige Voraussetzungen dafür, dass Spenden realisiert werden können. Ein Monitoring des Images und der Reputation zusammen mit dem Anstoßen von sinnvollen Maßnahmen sollte daher Teil einer jeden Mediastrategie von Spendenorganisationen sein. ႑Ein weiterer wichtiger Punkt ist die Marketing- und Kommunikationseffizienz von Organisationen. Bereits in der traditionellen Welt gab es drei Formen der Medien: „Own Media“ (Eigenkommunikation), „Bought Media“ (Werbung) sowie „Earned Media“ (Drittkommunikation). So wurde insbesondere die Earned-Media-Kommunikation als redaktionelle Kommunikation in Zeitschriften, Zeitungen und Radio- wie Fernsehberichterstattung adressiert. Das Web bietet nun für Earned-Media-Kommunikation eine völlig neue Komponente: Konsumenten schreiben ihre eigenen WebTagebücher (Blogs) und werden so zu Journalisten. Die Diskussion in Communities und Foren trägt mit zur allgemeinen Meinungsbildung bei und wird über Suchmaschinen genauso gelistet wie redaktionelle Berichterstattung etablierter Medien. Häufig ist die Glaubwürdigkeit von Berichten von Betroffenen im Internet sogar höher als offizielle Berichte dazu, insbesondere wenn die Pressefreiheit in den betreffenden Ländern eingeschränkt ist. Für die Erzielung einer gewünschten Außenwirkung und eines Images ist daher die Earned-Media-Kommunikation in den Kommunikationsmix mit einzubeziehen, dies kann sogar zu einer Senkung der entsprechenden Kommunikationsbudgets führen. Andererseits ist natürlich insbesondere bei Kommunikationsmaßnahmen im Internet zu beachten, dass die Rezipienten von Kommunikation dem Absender vertrauen müssen, um beispielsweise Geld zu spenden oder sonstige Anteilnahme zu zeigen. Mailkampagnen werden in diesem Zusammenhang häufig als SPAM oder Viren (HOAX) eingruppiert, was natürlich nicht zuletzt am weit verbreitenden Missbrauch gerade für gemeinnützige Organisationen oder Spendenaufrufe etc. zutrifft.
274 23.4 Dirk Steffen Social-Media-Strategie Um diese neuen Möglichkeiten zu nutzen und der neuen Medianlandschaft gerecht zu werden, wird daher Organisationen empfohlen, eine Social-Media-Strategie zu entwickeln, die neue soziale Medien in den Kommunikationsmix mit integriert und zu gesteigerter Beteiligung der Bürger wie auch zu höherer Glaubwürdigkeit führt. Die externen Kosten für eine Social-Media-Beteiligung sind zwar häufig noch gering, „Schaltkosten“ wie bei traditioneller Werbung gibt es in diesem Sinne kaum, doch überwiegen interne Kosten, beispielsweise Aufwände für Mitarbeiter, die dazu abgestellt sind, an Social-Media-Diskussionen teilzunehmen, immer deutlich die externen Kosten. Auch ist für ein ernst gemeintes Social-Media-Engagement häufig eine Anpassung der Kommunikationsstrategie (wer darf extern kommunizieren?) erforderlich, was entsprechende Änderungen der Prozesse und der Organisation nach sich zieht. Auch aus diesem Grund ist es sinnvoll, eine übergeordnete Strategie zu entwickeln, die die Maßnahmen in den Organisationen verankert und in einen größeren Kontext einbettet. Für die Entwicklung einer Social-Media-Strategie bietet sich folgende Vorgehensweise an: ႑Schrittȱ1:ȱKreativeȱSammlungȱvonȱmöglichenȱAngeboten,ȱThemenȱundȱInhaltenȱ Kommunikation im Web 2.0 ist Kommunikation zwischen Menschen und nicht die Vermittlung von Botschaften einer Marke an die Konsumenten. Organisationen sollten sich daher überlegen, mit welchen Angeboten, mit welchen Themen und Inhalten sie Menschen abholen können und ob sie deren Bedarf an Kommunikation, Verbindung oder Engagement adressieren könnten. Mit der Möglichkeit von Online-Communities und Diskussionsforen bietet das Web nun diverse Möglichkeiten, den Bürger an dieser Diskussion zu beteiligen und so auf die Kreativität der Bürger zurückzugreifen. Bürger können so miteinander diskutieren, welche Angebote sie sich von einer Organisation vorstellen könnten, welchen Informationsbedarf sie haben und in welcher Form sie sich in welche Maßnahme einbringen könnten und würden. Auch Mitarbeiter und andere beteiligte Stakeholder sollten an dieser kreativen Phase beteiligt sein, um eine möglichst umfangreiche Sammlung potenzieller Ideen sicherzustellen. Diese werden im weiteren Verlauf bewertet und auf eine untersuchbare Zahl von Ideen reduziert. Hierbei können Web 2.0-Instrumente wie Marktforschungscommunities sowohl zur Ideengenerierung als auch zur Ideenfilterung eingesetzt werden. ႑Schrittȱ2:ȱErstellungȱvonȱdigitalenȱProfilenȱfürȱdieȱausgewähltenȱIdeenȱ Im zweiten Schritt werden nun die ausgewählten Ideen näher untersucht: Auf welchen Internetseiten surfen Bürger, wenn sie entsprechende Informationen suchen oder sich an Diskussionen beteiligen wollen? Welche Wettbewerberangebote sind zu berücksichtigen, welche Inhalte konkurrieren um dasselbe Spenden- oder Zeitbudget? Welche öffentlichen Seiten gibt es bereits, auf denen eine ähnliche Diskussion läuft? Was tun Konsumenten oder Bürger auf diesen Seiten konkret, erstellen sie selber Inhalte, reagieren sie auf andere Beiträge, suchen sie Verbindungen, wollen sie Netzwerke bilden oder recherchieren sie
Marktforschung und Web 2.0 275 eher Daten und Informationen? Aus welchen Motiven heraus tun sie dies, und welche Wirkung haben Angebote oder Kommunikationen, mit denen sie in Kontakt kommen, auf ihre Einstellungen, Motivationen und Verhaltensweisen? Antworten auf alle diese Fragen werden in digitalen Profilen zusammengestellt, sodass auf dieser Basis eine digitale Strategie entwickelt werden kann. ႑Schrittȱ3:ȱDetaillierungȱderȱMaßnahmenȱ Im anschließenden Schritt werden die Maßnahmen nun auf Basis des digitalen Profils näher ausgestaltet, und es werden geeignete Messverfahren und Metriken definiert, die auch für eine Zieldefinition herangezogen werden. Wie soll der Erfolg der Social-MediaMaßnahmen gemessen werden, und in welchen Zeiträumen will man welche Werte erreicht haben? ႑Schrittȱ4:ȱAuswahlȱderȱTechnologieȱ Nach Definition der Maßnahmen müssen nun letztendlich die entsprechenden Web 2.0Gestaltungsformen ausgewählt werden: Erstellt eine Organisation ihren eigenen Blog oder beteiligt sie sich an öffentlichen Forendiskussion? Sollen virale Videos produziert und auf YouTube geschaltet werden? Oder sollen gar eigene Communities oder Foren aufgebaut werden, um ein Thema auf einer eigenen „Branded“ Seite zu adressieren? Weiterhin sollte man planen, wie man eigene Angebote mit den Angeboten des Internets verlinkt, einerseits um selber einen Beitrag zu einer transparenten, offenen Diskussion zu leisten und andererseits um an Reichweiten anderer Seiten zu partizipieren. Der Grad der Verlinkung ist typischerweise eine der wesentlichen Treibergrößen in der Positionierung der Angebote in Ergebnisseiten von Suchmaschinen. ႑Schrittȱ5:ȱMonitoringȱȱ Bei allen Maßnahmen sollte ein entsprechendes Monitoring nicht vergessen werden: Einerseits macht es Sinn, alle Kommunikationsmaßnahmen zu messen, um Steuerungsgrößen zu erhalten, die auch als Frühwarnsystem für unerwünschte Entwicklungen eingesetzt werden können, andererseits benötigen auch gerade Social-Media-Engagements die Möglichkeit der Erfolgskontrolle und Bewertung, ob das eingesetzte (Spenden-)Geld dort gut angelegt ist. Moderne Verfahren des Webmonitoring in Ergänzung zu Direct-ResponseVerfahren liefern hierbei gute Ergebnisse. 23.5 Die veränderte Rolle von öffentlich verfügbaren Daten War im traditionellen Befragungsmodell die Erzeugung von Daten durch Befragung einer der Hauptgegenstände der Forschungsvorhaben, stehen in der heutigen Zeit vermehrt Informationen und Daten bereits zur Verfügung. Zusätzlich werden durch moderne Technologie häufig Plattformen zur Verfügung gestellt, die es Organisationen erlauben, Dinge nun selber zu tun, die sie vormals extern vergeben mussten oder sich gar nicht leisten konnten.
276 Dirk Steffen Doch wo kommen diese Daten her, was bewegt die Bereitsteller von Informationen, diese häufig kostenfrei zur Verfügung zu stellen? Als Vertreter der traditionellen Wertschöpfung könnte man sich fragen, warum tun die Leute im Web 2.0 das, warum arbeiten sie und machen kostengünstige oder kostenlose Angebote? Was haben sie davon? Generell ist es wichtig zu verstehen, dass die Internetwelt zu einem großen Teil mit anderen Motivatoren funktioniert als die traditionelle Geschäftswelt. Indirekte Geschäftsmodelle setzen nicht auf eine direkte Bezahlung eines angebotenen Produktes oder einer Dienstleitung, sondern schaffen zunächst eine Plattform mit möglichst vielen Nutzern, um dann in einem zweiten Schritt die hohe Nutzerzahl zu monetarisieren. Häufig hat man während des Plattformaufbaus noch überhaupt keine konkrete Idee zum Vermarktungsmodell, sondern baut darauf, dass sich schon etwas ergeben wird (Beispiele: Youtube und Twitter). Als Vermarktungsmöglichkeiten einer Plattform gibt es zunächst die Werbevermarktung. Weitere Optionen sind die Einführung weitergehender kostenpflichtiger Services bzw. die Vermittlung von Diensten, für die dann eine Provision anfällt. Nicht zuletzt lassen sich auch die Daten selber in aggregierter oder Rohform wieder zu Geld machen oder durch den Plattformbetreiber selber nutzen. Plattformbasierte Dienste zielen häufig darauf ab, sich mit möglichst vielen anderen Diensten zu vernetzen, sich zu integrieren, um gefunden zu werden und Nutzerzahlen zu erhöhen oder referenzieren zu können. Durch den Abbau von Hürden, den Thomas Friedman in seinem Buch „The World is flat“1 so anschaulich beschrieben hat, steigt die Möglichkeit, eine massive Zahl von Nutzern mit Onlineangeboten zu erreichen. Hierdurch werden Massengeschäftsmodelle möglich, bei denen minimalste Preise bei einer massiven Zahl von Nutzern auch zu hohen Erlösen für die jeweiligen Anbieter führen. Beispiele hierfür wären die (schon betagte) Million Dollar Homepage, bei der ein Student einen Pixel für je einen Dollar zu Werbezwecken verkauft hat, was ihm eine Million Dollar als Finanzierung seines Studium eingebracht hat, oder als aktuelles Beispiel die Vermarktung von Spielen und Applikationen in Apples „App Store“ für Beträge unter 5 Euro, die bei entsprechender Nutzerzahl schnell zu sechs- bis siebenstelligen Umsätzen auch für private Softwareentwickler führen können. Zuletzt darf auch der Open-Source-Bereich nicht unerwähnt bleiben, bei dem es Softwareentwicklern primär darum geht, ihrem Hobby nachzugehen bzw. sich als Softwareentwickler international einen Namen zu machen. Als Beispiele seien genannt Torvald Linus, der „Erfinder“ von Linux, oder Brian Behlendorf, einer der Entwickler des Web-Servers Apache, der heutzutage einer der Standardwebserver in der Industrie geworden ist. Während in der Vergangenheit der Entwicklungsfokus von Open Source Software sehr häufig auf Softwareinfrastruktur (wie Betriebssystemen und Serverprodukten) lag, werden in Zukunft wohl zunehmend mehr Anwendungen und Geschäftssoftware entwickelt werden.   1 Friedmann, T. (2005)
Marktforschung und Web 2.0 277 Generell bedeutet dies, dass Organisationen immer mehr Daten zu immer günstigeren Konditionen bis hin zum Nulltarif zur Verfügung haben werden. Die Wertschöpfung für traditionelle Marktforschung wird sich daher immer stärker auf die Bewertung, Verdichtung, Fusion sowie Integration von Daten einerseits und auf Ableitung von Handlungsempfehlungen und Beratung andererseits erstrecken müssen. 23.6 Neue digitale Angebote der Marktforschung Digitale Forschung hat heute zwei Facetten: Zum einen erlauben digitale Technologien neue Wege der Datenerhebung. So stehen einige Daten kontinuierlicher, kostengünstiger, granularer, vollständiger und mit besserer Qualität zur Verfügung, als dies über Befragung möglich wäre. Zum anderen stellt das Medium Internet neue Herausforderungen an Markenführung und Kommunikation; neue Geschäftsmodelle werden ermöglicht. Digitale Forschung in diesem Sinne bedeutet, zu den neuen Fragen die richtigen Entscheidungen zu treffen und Organisationen zu helfen, die digitalen Geschäftsmöglichkeiten bestmöglich zu nutzen. 23.6.1 Webmonitoring Durch das Web 2.0 haben Konsumenten die Möglichkeit, sich intensiv über Marken, Produkte und Unternehmen auszutauschen, ihre Meinung zu artikulieren und dabei Ärgernisse wie auch Ideen und Bedürfnisse zu formulieren. Diese Aussagen haben häufig einen hohen Stellenwert bei der Recherche, da sie als „Empfehlungen aus der Praxis“ wahrgenommen werden, die dem Verbraucher oft glaubwürdiger erscheinen als Werbung. Ein kontinuierliches Monitoring der Webdiskussion ist daher ein wesentlicher Beitrag zur Erkennung von Reputationsrisiken auf Organisations- und Markenebene, was die frühzeitige Einleitung von Kommunikationsmaßnahmen der PR-Abteilungen ermöglicht. Für Marketing und Markenführung bietet sich durch Webmonitoring die Möglichkeit, Impulse für die Kommunikation zu generieren und ein Feedbackinstrument zu laufenden Kampagnen zu haben – insbesondere, wenn Social-Media-Marketing als Teil des Kommunikationsmix eingesetzt wird. Nicht zuletzt sind die gewonnenen Daten über Bedürfnisse und Insights natürlich auch zur Fortschreibung der Markenstrategie und für die Leistungsinnovation einsetzbar.
278 Dirk Steffen Abbildung 2 Auswertung von Informationsquellen im Web Der derzeitige Markt von Webmonitoring-Lösungen ist außerordentlich dynamisch, es drängt eine Vielzahl von Anbietern mit unterschiedlichen Lösungen auf den Markt. Wagt man eine Strukturierung, könnten die verschiedenen Anbietersegmente wie folgt eingeteilt werden: ႑Datenanbieter: In diesem Segment sind Anbieter zusammengefasst, die sich auf die Aggregation und Bereitstellung von Daten bzw. Datenfeeds fokussieren. Häufig liefern diese Lösungen Links zu Dokumenten im Web bzw. Listen der zu bestimmten Filtern passenden Texte, die mit Excel oder anderen Applikationen bereitgestellt werden. Auch API-Schnittstellen oder Feeds gehören in das Angebot dieser Lösungsgruppe. ႑Technologieplattformen: Anbieter dieser Gruppe konzentrieren sich auf die Bereitstellung einer technischen Analyse und Darstellungsplattform, an die häufig eine Datenbank oder ein Warehouse mit vorgeladenen Social-Media-Quellen angebunden ist. Die Applikationen sind zumeist im Internet gehostet (ASP), sodass der Zugriff über einen Browser erfolgt. Interessant für Spendenorganisationen: Einige Anbieter verfügen über Billigangebote oder kostenfreie Einstiegsangebote, sodass ein erstes Experimentieren mit dem Thema Webmonitoring auch zu günstigen Konditionen möglich ist. ႑FullȱServiceȱAnbieter: Unternehmen dieser Gruppe fokussieren auch auf weitergehende Dienstleistungen wie Berichte oder speziell an Kundenbedürfnisse angepasste Dashboards. Häufig sind die verschiedenen Schritte des Webmonitoring individuell ausgerichtet, und die gemessenen Inhalte werden durch Business-Analysten gesichtet und bewertet. Einige Anbieter machen den Schulterschluss zu aktivem Management der Social-Media-Kommunikation, das heißt, sie beschränken sich nicht auf die Identifika-
Marktforschung und Web 2.0 279 tion eines Reputationsrisikos, sondern erarbeiten Handlungsempfehlungen und begleiten oder unterstützen Kunden bei deren Umsetzung. Nicht alle dieser Anbieter setzen eine umfangreiche technische Plattform ein. Es gibt durchaus Anbieter, die manuelle Stichproben und manuelle Codierungen einsetzen, um eine Basis für die Auswertung von Analysten zu schaffen. ႑FreieȱAngeboteȱimȱWeb: Nicht unerwähnt bleiben soll auch die zunehmende Zahl kleiner Applikationen, die Teilaspekte von Webmonitoring übernehmen. Google bietet mit seinem Alert-Dienst in Verbindung mit Google Blog Search beispielsweise eine Vorgehensweise an, mit der man einfache Anfragen bearbeiten und kontinuierlich monitoren kann. Für den praktischen Einsatz, insbesondere bei komplexeren Suchaufgaben, bieten diese Lösungen allerdings derzeit noch keine ausreichende Abdeckung. Spendenorganisationen sollten sich mit dem Thema Webmonitoring beschäftigen, schon allein um Reputationsrisiken, die Spendenaufkommen stark beeinflussen können, frühzeitig zu erkennen und entsprechende Reaktionen einzuleiten. Webmonitoring vermittelt darüber hinaus aber zusätzliche Erkenntnisse rund um die Entwicklung und Steuerung von Kommunikationskampagnen. 23.6.2 Marktforschungscommunities Online-Communities bieten Marken- und Produktverantwortlichen neue und spannende Möglichkeiten: Sie erlauben ႑den direkten Kontakt zwischen Produktmanagement und Endnutzern, ႑die flexible und einfache Einbindung der Stimme der Verbraucher in eine Vielzahl von Entscheidungen, ႑die Nutzung des innovativen Potenzials und der Ideen der Konsumenten. Marktforschungs-Communities sind dabei speziell für einen Kunden aufgebaute Communities zum Zwecke der Marktforschung. Durch gezielte Rekrutierung kann eine Zielgruppe genau abgebildet werden und das „Mithören“ von Wettbewerbern beispielsweise bei innovativen Prozessen vermieden werden. Marktforschungscommunities bieten eine moderne Plattform für eine Vielzahl von Anwendungen: von spontanen Online-Gruppendiskussionen bis zur Generierung von Insights über kollaborative Entwicklungsprozesse bis hin zu einem abgeschlossenem Testraum für virale Kommunikation.
280 Dirk Steffen Abbildung 3 Online-Communities Man kann sich Marktforschungscommunities so vorstellen, als hätte man beispielsweise 400 Bürger seiner Zielgruppe ständig in seinem Büro sitzen, die permanent fragen, was man mit ihnen diskutieren möchte. Eine Marktforschungscommunity ist quasi eine Diskussionsmaschine. Gespräche finden dabei in drei Dimensionen statt: ႑Organisationen können aktiv Themen in die Community hineinbringen, sie können kleine Umfragen schalten, Brainstormings durchführen, Mitglieder bitten, Videos und Bilder hochzuladen oder Tagebücher auszufüllen. ႑Mitglieder geben der Organisation ungefragt Empfehlungen, Tipps und weisen auf interessante Sachverhalte hin. ႑Mitglieder kommunizieren untereinander über ihre jeweiligen Themen, Fragen und gegebenenfalls Probleme. Durch das Management einer Marktforschungscommunity gewinnt eine Spendenorganisation die Möglichkeit, einen permanenten Dialog mit ihrer Zielgruppe zu führen und dabei auch kritische Themen diskutieren zu können, ohne dass sofort das ganze Internet davon weiß. Der derzeitige Markt in Europa ist noch in einem frühen Stadium, eine echte Segmentierung der Anbieter hat sich noch nicht endgültig ergeben. Zu unterscheiden sind: ႑Plattformanbieter, die im wesentlichen die technische Communityplattform bereitstellen, das Management und die Moderation aber ihren Kunden überlassen. ႑OnlineȬPanelanbieter, die sukzessive Communityfunktionen in ihre Panels einbringen.
Marktforschung und Web 2.0 281 ႑FullȬServiceȬAnbieter, die die komplette Verantwortung für Rekrutierung, Aufbau, Moderation und Reporting für ihre Kunden zur Verfügung stellen. Auch spezielle Innovations- oder Co-Creation-Communities sind eine spezielle Variante der Marktforschungscommunities, bei denen die gemeinschaftliche Entwicklung von Ideen und Innovation im Vordergrund steht. Spendenorganisationen, die zusammen mit einer Zielgruppe neue Ansätze entwickeln wollen oder kritische Themen über eine Zeitdauer mit einer Zielgruppe besprechen möchten und dabei auch „Zuhören“ wollen, sollten sich mit Marktforschungscommunities näher beschäftigen. 23.6.3 Messungen von Onlineverhalten und Onlinemotivationen Das Internet spielt eine stetig wachsende Rolle bei Markenführung, Kommunikation, Vertrieb und auch im Zusammenhang mit CRM. Liegt die Relevanz des Onlinemediums beim E-Commerce noch klar auf der Hand, so darf aber auch die Bedeutung der OnlineRecherche für einen späteren Kauf im Geschäft nicht übersehen werden. Nicht zuletzt ist es für die Platzierung von Onlinewerbung oder der Durchführung von Social-MediaMarketing-Aktivitäten wichtig zu verstehen, was die Zielgruppe online tut, welche Seiten aus – welchen Gründen – besucht werden und welche Relevanz einzelne Kontaktpunkte beispielsweise in Bezug auf Parameter wie Marken- und Kundenbindung haben. Online-Verhaltensmessungen basieren auf einem digitalen Messpanel, in dem Onlineverhalten der Panelisten beobachtet wird und zusätzlich die Panelisten bei Eintreten bestimmter Ereignisse befragt werden können. Somit ist eine Kombination aus passiven und aktiven Messverfahren möglich. Durch diese Messverfahren können so nicht nur eine vom Kunden vorgegebene Zielgruppensegmentierung durch die entsprechenden Onlineverhaltens- und Einstellungskennwerte angereichert werden, es kann auch eine neue digitale Zielgruppenclusterung gerechnet werden. Durch die Möglichkeit, Webseiten und Onlinewerbung in Verbindung mit aufgabenbezogenen Testszenarien zu manipulieren, können komplexe Verhaltens- und Wirkungszusammenhänge analysiert werden und die relevanten Entscheidungsparameter für den Kunden aufgezeigt werden. Wichtig hierbei ist immer die Möglichkeit, durch Befragung auch das Offlineverhalten sowie die relevanten Einstellungen in die Analyse mit einzubeziehen. Online-Verhaltensmessung sollte nicht mit Website-Analytik verwechselt werden, bei der es im Wesentlichen um die Messung der Bewegungspfade von Besuchern auf einer Seite geht, also eine Site-zentrische Messung. Diese Messmethode hat den Nachteil, dass nicht das Gesamtverhalten eines Bürgers im Vordergrund steht, sondern nur der Teil, der sich auf der Seite eines Anbieters oder einer Organisation befindet. Hierdurch ist es schwierig, ein holistisches Bild zu entwickeln. Zusätzlich ist die parallele Befragung der Surfenden
282 Dirk Steffen schwierig, da sie durch Methoden wie Popups oder Layer zu einer Befragung eingeladen werden müssten – ein Modell, bei dem typischerweise nur 0,5 Prozent der Eingeladenen partizipieren. Abbildung 4 Prozess der Messung von Internetaktivitäten Online-Verhaltensmessung aus Marktforschungsperspektive sollte daher immer konsumentenzentriert laufen, das heißt, Online- wie auch Offlineverhalten mit enthalten und Motivationen, Einstellungen und Wirkungen mit erfassen. 23.7 Tradigital – die Integration von Alt und Neu Durch die neuen Möglichkeiten werden die traditionellen Ansätze der Marktforschung allerdings nicht über Nacht obsolet. Vielmehr ergänzen sich traditionelle und neue digitale Verfahren zu dem Tradigital-Ansatz. Organisationen sollten die Stärken sowie Schwächen beider Verfahrenswelten verstehen und gezielt auszuwählen, welches Verfahren der beste Ansatz für eine bestehende Forschungsfrage ist. Alternativ schaffen es die Big Player der Marktforschung, diese Integration für ihre Kunden vorzudenken, um so ihre führende Rolle als Marktforschungsinstitute zu behalten und behaupten. Weiterführende Literatur Friedmann, T., L. (2005): The World is flat, Farrar, Straus & Giroux, Zugriff unter http://www.thomaslfriedman.com/bookshelf/the-world-is-flat.
 NPOs im Social Web: Status quo und Entwicklungspotenziale 24 283 NPOs im Social Web: Status quo und Entwicklungspotenziale KatrinȱKieferȱ Der Beitrag verdeutlicht zunächst auf theoretischer Ebene die Potenziale von Social Media für Stakeholderkommunikation und Fundraising von Non-Profit-Organisationen. Daran anknüpfend wird der Status quo des Social-Media-Einsatzes von 60 gemeinnützigen Organisationen in Deutschland beschrieben. Die deskriptive Darstellung veranschaulicht die Stärken und Schwächen bestehender Dienste und verdeutlicht zugleich Handlungsempfehlungen für die Umsetzung von Social-Media-Angeboten. Der Artikel schließt mit Entwicklungspotenzialen für den dritten Sektor im Vergleich zu internationalen Aktivitäten von gemeinnützigen Organisationen sowie zukünftigen Herausforderungen für das Kommunikationsmanagement und Fundraising im Social Web. 24.1 Die Kommunikationswelt im Wandel Die Medienlandschaft erfährt mit der Etablierung verschiedener Social-Web-Dienste, auch als Web 2.0, Social Software oder Social Media bekannt, eine grundlegende Veränderung. Durch den Ausbau und die Stärkung partizipativer Möglichkeiten im Netz entwickeln sich bislang passive Empfänger zu aktiven Sendern, die ihre Inhalte und Ideen, den sogenannten „User Generated Content“, online stellen. In Weblogs (Blogs) berichten Menschen individuell und subjektiv über ihre Erfahrungen und Sichtweisen, Politisches oder Weltgeschehen. In YouTube werden Videos hochgeladen, in Flickr Bilder ausgetauscht und in sozialen Netzwerken wie Facebook, Wer-kennt-wen oder XING vernetzen sich Internetnutzer weltweit. Popularität und Wachstum der sozialen Netzwerke – so sind beispielsweise 50 Prozent der deutschen Online-Nutzer in sozialen Netzwerken aktiv1 – verändern die öffentliche Meinungsbildung und prägen einen Strukturwandel der Öffentlichkeit. Klassische Konsumenten wachsen zu „Prosumenten“ heran2, die als Rezipienten eigenständig die Produktion und Verteilung von Medien in digitalen Netzwerken übernehmen. In Folge bilden sich neben den klassischen Medien etablierte Meinungsbildner als MikroGatekeeper heraus, die über partizipativem Journalismus Einfluss auf die Agenda gesellschaftspolitischer Themen nehmen und Gegenöffentlichkeiten herausbilden. Deren „Selbststeuerung“ stellt eine bedeutende Herausforderung für die Kommunikationsstrategien von Non-Profit-Organisationen dar3 und erfordert ein Umdenken im Kommunikati-   1 The Nielsen Company (2009) 2 Winter, C. (2006) 3 Zerfaß, A./Sandhu, S. (2008)
284 Katrin Kiefer onsmanagement abseits der klassischen Öffentlichkeitsarbeit bzw. Public Relations in Richtung eines Beziehungsmanagement und Dialogen mit den relevanten Bezugsgruppen. Neben dem Kommunikations- und Medienwandel unterliegt der dritte Sektor einem wachsenden Konkurrenzdruck um finanzielle Ressourcen, Mitglieder, Kooperationspartner und öffentliche Aufmerksamkeit. Die veränderten Wettbewerbsbedingungen erfordern vor allem von traditionellen gemeinnützigen Organisationen eine Professionalisierung ihrer Fundraising- und Kommunikationsarbeit4. In der damit verbundenen Marktorientierung kommt der gesellschaftspolitischen Kommunikation von gemeinnützigen Organisationen eine tragende Rolle zu. Über den Dialog mit verschiedenen Stakeholdern mittels eigener Kommunikationskanäle können zivilgesellschaftliche Organisationen die Aufmerksamkeit auf sich lenken, ihre Existenz legitimieren, um Vertrauen werben und im Wettbewerb untereinander bestehen. Dabei nimmt die öffentliche Aufmerksamkeit in Folge der Herausbildung netzwerkbasierter gemeinnütziger Organisationen oder Projekte kontinuierlich ab. Im Social Web kann jeder mit einfachen Mitteln und ohne großen Aufwand ein eigenes soziales Projekt einrichten und nach Helfern sowie finanzieller Unterstützung suchen. Auf Online-Spendenportalen wie Weltretter, Betterplace oder Amazee können sich Menschen untereinander verbinden und unabhängig von traditionellen Organisationen des dritten Sektors aktiv werden. Dabei decken diese Portale das Bedürfnis der Spender nach Klarheit über den Einsatz der Spendengelder ab. Zivilgesellschaftliche Organisationen müssen sich diesem Kommunikationswandel annehmen und im Social Web ebenfalls Präsenz zeigen. Einzelne Organisationen haben sich bereits strategisch neu ausgerichtet und Angebote im sozialen Netz entwickelt. So treten Organisationen wie die Welthungerhilfe, World Wide Fund for Nature (WWF) oder Caritas über Blogs in direkten Kontakt zu ihren Stakeholdern. Im Caritas-Blog „Soziale Manieren“5 berichten beispielsweise sowohl Angestellte des Wohlfahrtsverbandes als auch Leistungsempfänger persönlich und authentisch aus ihren von Alkohol, Inhaftierung oder Armut geprägten Lebenssituationen am Rande der Gesellschaft. Eine wachsende Anzahl gemeinnütziger Organisationen hat ihre gesellschaftspolitische Kommunikation auch um den Microblogging-Dienst Twitter erweitert. Die Hilfsorganisation Ärzte ohne Grenzen Österreich sammelte 2008 über ihren Internetauftritt Spenden per SMS, deren Verwendung direkt über Flickr, YouTube und Google Maps nachverfolgt werden konnte. Insgesamt jedoch werden die Vernetzungschancen und Social-Media-Angebote vor allem im sozialen und kulturellen Bereich kaum eingesetzt.6 Stattdessen sind die Internetauftritte häufig auf einseitige Informationsvermittlung ausgerichtet. Dabei ist die zukünftige Bedeutung von sozialen Netzwerken, Online-Videoportalen, Blogs und RSS-Feeds unter PR-Praktikern unbestritten7.   4 Zimmer, A./Priller, E. (2007) 5 http://blog.soziale-manieren.de/ 6 Reiser, B. (2009) 7 Zerfaß, A./Moreno, A./Tench, R./Ver²i², D./Verhoeven, P. (2009)
NPOs im Social Web: Status quo und Entwicklungspotenziale 24.2 285 Potenziale von Social Media für Stakeholderkommunikation und Fundraising Gemeinnützige Organisationen bewegen sich in komplexen und stark differenzierten Beziehungsgefügen. Abhängig von ihrer gesellschaftspolitischen Funktion und thematischen Ausrichtung ist jede Organisation des dritten Sektors mit verschiedensten Stakeholdern verbunden, die wiederum individuelle Bedürfnisse, Erwartungen und Einstellungen mitbringen8. Ziel der Stakeholderkommunikation ist ein intensiver Austausch und Dialog mit allen Bezugsgruppen zur Aushandlung ihrer mitunter gegensätzlichen Interessen. Über das Internet im Allgemeinen und die Social Web-Anwendungen im Besonderen kann dieser Dialog einfacher, direkter und persönlicher gestaltet werden.9 Zentrale Grundlagen des Beziehungsmanagements sind mittels der Netzwerkmedien ermöglichte Interaktivität, das Zuhören und die Wahrnehmung der Bedürfnisse von Stakeholdern. Vor allem jedoch bilden die Beziehungen zu den Stakeholdern das soziale Kapital von gemeinnützigen Organisationen in Form von ehrenamtlichem Engagement, finanziellen Zuwendungen, Informationen, Ideen, Wissen und Know-how sowie politischer Unterstützung.10 Insbesondere auf Fundraising angewiesene gemeinnützige Organisationen können von den kostengünstigen Dialogmöglichkeiten profitieren und über Social Media sowohl mit engagierten Förderern als auch neuen Spendern kommunizieren. Für den Austausch mit den verschiedenen Stakeholdern eignen sich vor allem soziale Netzwerke wie Facebook oder MySpace. Offenheit und flache Hierarchien fördern einen leichten Zugang und Austausch mit interessierten Menschen. Die starke Vernetzung vergrößert für gemeinnützige Organisationen zudem die Möglichkeit, Interessierte und Unterstützer anzusprechen, die sie über klassische Wege nicht erreichen können. Über Microblogs wie Twitter lässt sich mit Stakeholdern zudem in einer sehr direkten und persönlichen Form in Echtzeit in Kontakt treten. Darüber hinaus nehmen auch Blogger als Mikro-Gatekeeper eine bedeutsame Stellung in der öffentlichen Aufmerksamkeit und Übermittlung von Organisationsbotschaften ein.11 Sie können zum einen als Multiplikatoren und Meinungsführer individuelle Empfehlungen im Sinne von glaubwürdigem Peer-to-Peer-Marketing vermitteln, zum anderen aber auch bei kritischen Themen und Krisen durch die vernetzte Blogosphäre in kurzer Zeit hohe Aufmerksamkeit erzeugen. Aus diesen Gründen ist es für gemeinnützige Organisationen sinnvoll, sowohl Beziehungen mit Bloggern aufzubauen und zu pflegen, als auch Blogmonitoring zu betreiben, um Gegenöffentlichkeiten zu identifizieren, die den Kommunikationszielen der Organisation entgegen laufen oder öffentliche Kritik üben können (siehe hierzu den Beitrag von Christine Gerbracht).   8 Bornholdt, M./Noll, C./Ruckh, M. (2006) 9 Meffert, H./Burmann, C./Kirchgeorg, M. (2008) 10 Reiser, B. (2009) 11 Pleil, T./Zerfaß, A. (2007)
286 Katrin Kiefer Die Stakeholderkommunikation bildet zudem die Grundlage für erfolgreiches Fundraising. Gemeinnützige Organisationen können über Social Media dem erhöhten Informationsbedürfnis der Spender gerecht werden. Soziale Netzwerke und eine authentische Projektberichterstattung in Blogs oder über Twitter können Direct Mailings ablösen, die häufig unbeachtet gelöscht werden.12 Stattdessen können Organisationen im Social Web direkt von Katastropheneinsätzen oder Aktionen berichten. Die Bereitstellung beispielhafter Geschichten kann das Vertrauen stärken und die Bindung zur Organisation fördern.13 Über Online-Portale können zusätzlich besonders junge, internetaffine Stakeholder – die Spender von morgen – angesprochen und emotionalisiert werden. Desweiteren fördert der Einsatz von Social Media zur Dokumentation der Projekttätigkeit die Offenheit und Transparenz als Grundlage zur Schaffung von Vertrauen, auf dessen Basis wiederum Spenden generiert werden können. Ein im Hinblick auf Transparenz erfolgreiches Fundraising-Projekt stellt „Aktion Uwe“14 dar. Initiiert von Seidenberg helfen zahlreiche Unterstützter einem Hamburger Obdachlosen, seinen Traum zur Eröffnung eines Nacht-Cafés für Obdachlose umzusetzen. Dafür sammelt Seidenberg seit Januar 2009 über seinen Blog Sach- und Geldspenden, über dessen Verwendung ausführlich berichtet wird. Der Begünstigte meldet sich zusätzlich regelmäßig per Videobotschaften über YouTube an seine Förderer. Den grundsätzlichen Erfolg von Onlinespenden belegt eine Studie des GfK AG Panel Deutschland, wonach die online erzielte Durchschnittsspende mit circa 61 Euro doppelt so hoch ausfällt wie der durchschnittliche Betrag per Überweisung oder Dauerauftrag mit rund 30 Euro.15 Auch auf externen Plattformen wie dem sozialen Netzwerk Facebook können Spenden gesammelt werden. Die bekannteste Form für Online-Fundraising ist die CausesApplikation. Die Anwendung ermöglicht individuellen Facebook-Nutzern, ihre Spenden einer selbstgewählten, auf der Plattform registrierten Non-Profit-Organisation zu spenden und innerhalb ihres Nutzerprofils den entsprechenden Cause zu integrieren. Durch die Verknüpfung auf individuelle Nutzerprofile findet glaubwürdiges Empfehlungsmarketing statt. Das direkte Einwerben von Spenden funktioniert zwar in Deutschland bislang nicht, allerdings können gemeinnützige Organisationen über Causes die Aufmerksamkeit auf ihre sozialen Ziele erhöhen und über einen Verweis auf ihre Online-Spendenmöglichkeit finanzielle Ressourcen einnehmen. Zurzeit fallen laut einer Studie zum Social-MediaEinsatz von über 900 amerikanischen Non-Profit-Organisationen die über Facebook erzielten Einnahmen mit Beträgen größtenteils unter 500 US Dollar recht niedrig aus.16 Doch in Zukunft wird die Spendengewinnung in sozialen Netzwerken eine größere Rolle spielen (siehe dazu den Beitrag von Joana Breidenbach).   12 Hohn, B. (2001) 13 Reichenbach, T. (o.J.) 14 http://socialaction20.wordpress.com/aktion-uwe/ 15 GfK Panel Services Deutschland GmbH (2006) 16 Nonprofit Technology Network (2009): Nonprofit Social Network Report.
NPOs im Social Web: Status quo und Entwicklungspotenziale 287 Schließlich können gemeinnützige Organisationen ihre Projekte auf OnlineSpendenportalen wie Helpedia, Betterplace, Spenden.de, Spendenportal.de oder Helpdirect eintragen. Neben der Selbstdarstellung der Organisationen können Privatpersonen dort eigene Charity-Aktionen für auf der Plattform registrierte Organisationen einstellen und Freunden einen Link mit der Bitte um Spenden zuschicken. Dadurch steigt die öffentliche Präsenz der gemeinnützigen Projekte. Gleichzeitig wird eine Gemeinschaft zwischen Aktivisten, Spendern und Spendenempfängern gefördert, die sich Spender wünschen, bislang aber kaum auffinden können.17 Zudem ermöglichen Spendenportale eine Bündelung der Interessen von NPOs, aber auch die Vergleichbarkeit der Projekte für Förderer. Diese Art des Beziehungsmanagements und Stakeholderdialogs erfordert seitens gemeinnütziger Organisationen ein Umdenken der klassischen Kommunikation hin zu einer Öffnung und einem aktivem Dialog mit den Stakeholdern.18 24.3 Status quo des Social-Media-Einsatzes von Non-Profit-Organisationen In der Praxis werden die Potenziale von Social Media für Stakeholderkommunikation und Fundraising durch Non-Profit-Organisationen noch längst nicht ausgeschöpft. So wurden in einer empirischen Untersuchung die Social-Media-Aktivitäten von 60 deutschen gemeinnützigen Organisationen im März 2009 untersucht19. Die Auswahl der Organisationen aus den drei Bereichen „Umwelt- und Naturschutz“, „Internationale Entwicklungshilfe“ und „Soziale Dienste“ erfolgte anhand der Mitgliedergröße auf Grundlage einschlägiger Nachschlagewerke des dritten Sektors. Ferner wurden die Daten der Mitgliederdatenbank des Verbandes Entwicklungspolitik deutscher Nichtregierungsorganisationen e. V. (VENRO) und der Beratungsstelle für private Träger in der Entwicklungszusammenarbeit (BENGO) berücksichtigt. Die Bandbreite der in die Untersuchung eingeschlossenen Organisationen reichte von der Aktionsgemeinschaft Artenschutz e. V. (AGA) bis zum WWF, von action medeor e. V. bis World Vision e. V. sowie vom Arbeiter-Samariter-Bund e. V. bis zur Zentralwohlfahrtsstelle der Juden e. V. Hinsichtlich der betrachteten Applikationen im Social Web wurde zwischen zwei grundlegenden Social-Web-Konzepten (RSS-Feed, Tag-Cloud) und sechs expliziten Social-Media-Anwendungen (Blog, Podcast, Twitter, Facebook, MySpace, YouTube) differenziert. Im Ergebnis bietet nur jede zweite Organisation eigene Social-Media-Angebote an, wobei sich ein Großteil der NPOs auf die Umsetzung eines einzelnen Social-Media-Kanals be-   17 Patolla, B. (2005) 18 Voss, K. (2008) 19 Kiefer, K. (2009)
288 Katrin Kiefer schränkt. Abbildung 1 veranschaulicht, dass YouTube (37 Prozent), Twitter (23 Prozent), Blogs (22 Prozent) und soziale Netzwerke (18 Prozent) zu den beliebtesten Anwendungen zählen. Dabei wird YouTube am häufigsten eingesetzt. Über ein Drittel der Organisationen nimmt die Möglichkeit wahr, auf dem Online-Portal Videofilme zu veröffentlichen und somit Millionen von Internetnutzern weltweit zugänglich zu machen. Die Bereitstellung der produzierten Videos kann häufig mit geringem Betreuungsaufwand erfolgen. Auffallend ist auch die starke Nutzung des Microblogging-Dienstes Twitter, auf dem von knapp einem Viertel aller Organisationen ein Profil angeboten wird. Soziale Netzwerke werden nur halb so oft frequentiert wie das Online-Videoportal. Darüber hinaus pflegen fünf Organisationen eine organisationseigene, mit Social-Web-Elementen ergänzte Community, die in der Konzeption und Umsetzung einerseits sehr kostenintensiv und in der regelmäßigen Betreuung andererseits sehr zeitintensiv anzusehen ist. Abbildung 1 Anzahl der Social-Media-Angebote in absoluten Häufigkeiten AnzahlderOrganisationen 60 50 40 30 22 20 14 13 11 10 10 5 4 0 YouTube Twitter Blog Facebook MySpace Eigene Podcast/ Community Vodcast AngebotederNPOimMärz2009,Mehrfachnennungmöglich,N=60 Insgesamt sind die Organisationen der internationalen Entwicklungshilfe und des Umwelt- bzw. Naturschutzes im Social Web besonders häufig vertreten, allen voran die Organisationen Greenpeace, Amnesty International und PETA. Der Einsatz von Social Media steigt zudem mit der Anzahl der hauptamtlichen Beschäftigten. Die Wohlfahrtsorganisationen hingegen sind trotz ihrer Größe, langjährigen Erfahrung und finanziellen Stärke kaum im Social Web aktiv und haben großen Nachholbedarf. In den vergangenen Monaten des Jahres 2009 ist die Zahl der Social-Media-Profile deutlich angestiegen. Vor allem wurden zahlreiche neue Twitter- und Facebook-Profile sowie wei-
NPOs im Social Web: Status quo und Entwicklungspotenziale 289 tere organisationseigene Communities wie das Klimaschutz-Portal GreenAction, WWF Jugend oder DRK-Blutspender gegründet. Dennoch fehlen zahlreichen Organisationen sowohl finanzielle und zeitliche Ressourcen als auch innerorganisatorische Voraussetzungen für ein größeres Social-Media-Engagement. In einer detaillierten Betrachtung der verschiedenen Social-Media-Angebote der gemeinnützigen Organisationen lässt sich darüber hinaus feststellen, dass die Potenziale häufig nicht erkannt bzw. ausgeschöpft werden. 24.3.1 Interaktion und Dialog spielen eine untergeordnete Rolle Insbesondere die Dialogmöglichkeiten der verschiedenen Social-Media-Anwendungen werden selten umgesetzt. So lassen sich verschiedene formale und inhaltliche Schwächen der Angebote identifizieren: ႑FehlendeȱDarstellungȱderȱAutorenȱundȱModeratoren: Jedes Social-Media-Angebot, ob Twitter-Profil oder Facebook-Fanseite, bietet die Möglichkeit, die konkreten Ansprechpartner hinter den Social-Media-Profilen darzustellen. Die fehlende Auflistung der Autoren bzw. Moderatoren von Gruppen schränkt die Transparenz erheblich ein und erschwert es interessierten Followern bzw. Freunden, die Organisation direkt anzusprechen. Vor allem bei Non-Profit-Organisationen mit über 100 Mitarbeitern ist demzufolge schnell unklar, wer konkret für das Social-Media-Profil verantwortlich ist und es redaktionell betreut. Demzufolge können Glaubwürdigkeit und Authentizität des Profils verloren gehen. ႑EingeschränkteȱProfilzugänge:ȱSoziale Netzwerke wie Facebook oder MySpace bieten die Möglichkeit, auf den entsprechenden Portalen Fanseiten und Gruppen einzurichten, die vor dem externen Zugriff geschützt werden können. Vereinzelte Non-ProfitOrganisationen nutzen diese Möglichkeit (un-)bewusst, sodass ihre Profile erst nach einer Registrierung des Nutzers auf der entsprechenden Plattform vollständig eingesehen werden können. Dies schränkt den offenen Zugang ein, wodurch der Austausch und die Vernetzung mit der Organisation erschwert werden. ႑UnregelmäßigerȱDialog: Die Untersuchung der Social-Media-Profile zeigte zudem, dass einerseits Blog- oder Podcast-Angebote aufgrund fehlender zeitlicher Ressourcen eingestellt, andererseits bestehende Dienste nur unregelmäßig bedient werden. Insbesondere auf Twitter sind viele Organisationen nur sporadisch aktiv, weshalb der Aufbau einer Community beeinträchtigt wird: Erstens fordern Twitter-Nutzer Regelmäßigkeit und einen schnellen Dialog, zweitens müssen Organisationen mit ihren Inhalten und Themen kontinuierlich präsent sein, um im Informationsfluss von Twitter wahrgenommen werden zu können. ႑GeringeȱCommunityȬGrößen: Im Rahmen der Studie wurden zur Betrachtung der Stakeholderkommunikation auch die Community-Größen ausgewertet, die sich aus der durchschnittlichen Anzahl der Follower bei Twitter, der Freunde auf Facebook und MySpace sowie der Abonnenten bei YouTube ergeben. Abbildung 2 veranschaulicht,
290 Katrin Kiefer dass die Communities der gemeinnützigen Organisationen in dem sozialen Netzwerk MySpace mit deutlichem Abstand am größten sind. Die Anzahl der Follower bzw. Freunde auf Twitter und Facebook ist annähernd identisch. Innerhalb des VideoPortals YouTube wurden die kleinsten Communities gefunden. Die Umweltschutzorganisationen PETA und Greenpeace verfügen über die stärksten Communities mit häufig über 1.000, mitunter auch 10.000 Mitgliedern. Der Großteil der NPOs erreicht lediglich Netzwerke bis zu 500 Freunden auf MySpace, 100 Freunden auf Facebook, 100 Followers auf Twitter und 50 Abonnenten auf YouTube. Zwar ist die Größe der Community kein Garant für mehr Beziehungen, Aufmerksamkeit oder Relevanz, da nur ein kleiner Anteil der Beziehungen in einem echten zweiseitigen Dialog geführt wird, wie eine Beziehungsanalyse auf Facebook verdeutlichte.20 Allerdings fördert eine hohe Anzahl an Freunden oder Followern eine schnellere und größere Bekanntheit innerhalb des gesamten Netzwerkes. Abbildung 2 Durchschnittliche Größe der Social-Media-Communities MitgliederanzahlimDurchschnitt 1800 1663 1600 1400 1200 1000 800 600 400 201 200 174 39 0 MySpa ce(10) Twi tter(14) Fa cebook(11) YouTube(22) Soci a l Medi a ͲProfi l ederNPOi mMä rz2009,N=57 ႑WenigȱKommentareȱundȱInteraktionen: Als weiteres Maß für den Dialog mit Stakeholdern wurden in der Studie auch die Anzahl der Dialoge in Form von Kommentaren, Trackbacks, Retweets und Replies untersucht. Trackbacks als Nachrichten in Form einer Verlinkung, wenn Inhalte eines Blogs in einem anderen Blog referenziert werden,   20 Marlow, C./Byron, L./Lento, T./Rosenn, I. (2009)
NPOs im Social Web: Status quo und Entwicklungspotenziale 291 wurden nicht gefunden. Daraus ist zu schließen, dass die Blogs der gemeinnützigen Organisationen entweder nicht in der Blogosphäre vernetzt sind oder die Funktion der Trackbacks auf administrativer Ebene der Blogs nicht unterstützt wird. Die meisten Kommentare finden sich auf MySpace, wobei sich die überwiegende Anzahl der Kommentare inhaltlich auf das Bedanken für die Aufnahme in die Freundesliste der Organisation bezieht. Auffallend gering sind die Anzahl der Kommentare bei Blog-Posts und Podcast-Episoden. So wurden beispielsweise von insgesamt 134 BlogBeiträgen nur 18 Beiträge kommentiert. Eine Kommentarfunktion auf der Plattform Twitter ist nicht vorgesehen. Allerdings können Organisationen über ihr Twitter-Profil Nachrichten von anderen erneut veröffentlichen (Retweet) oder auf Nachrichten anderer Twitter-Nutzer antworten (Reply). Diese beiden Kommunikationsformen sind die zentralen Möglichkeiten, um auf Twitter Netzwerke aufzubauen, Dialoge zu führen und Diskussionen anzuregen. Allerdings macht nur ein Bruchteil der Organisationen davon Gebrauch, um mit den Stake-holdern eine intensive Beziehung als Grundlage für erfolgreiches Fundraising aufzubauen. Am intensivsten setzt WWF die Kommunikationsform der Retweets und Replies um. 24.3.2 Online-Fundraising ist kaum ein Thema Die verschiedenen Social-Media-Angebote der Non-Profit-Organisationen sind sowohl inhaltlich als auch in der Ansprache der verschiedenen Stakeholder überwiegend an die allgemeine Öffentlichkeit gerichtet. ႑SeltenȱdirekteȱAnspracheȱvonȱSpendern: Die Möglichkeiten zur authentischen Projektbe- richterstattung über den Spendeneinsatz in den Social-Media-Angeboten bleiben häufig ungenutzt. Lediglich in Podcasts werden Förderer verstärkt angesprochen sowie der Einsatz von Spendengeldern thematisiert. Dabei kann die Bereitstellung beispielhafter Geschichten das Bedürfnis der Spender nach Transparenz und Information abdecken, wodurch das Vertrauen in die Organisation gestärkt wird. Beispielsweise begleitet Greenpeace seine Aktivitäten kontinuierlich innerhalb der Netzwerke. So konnten im Frühjahr 2009 Interessierte die Aktion „Wenn die Welt eine Bank wäre, hättet ihr sie längst gerettet“ unmittelbar über Twitter und Twitpic21 verfolgen. Später wurde die Aktion auf YouTube dokumentiert und verlinkt. Insbesondere über Twitter kann eine große Öffentlichkeitswirkung erzeugt werden. Das Netzwerk bietet eine ideale Plattform für Social Media Campaigning und Mobilisierung von Unterstützern. ႑WenigȱSpendenaufrufeȱinnerhalbȱderȱNetzwerke:ȱÄhnlich der Ansprache von Förderern innerhalb der Social-Media-Profile werden auch selten Spenden-Buttons eingesetzt. Abbildung 3ȱzeigt den prozentualen Anteil der Social-Media-Profile, in denen zum Spenden aufgerufen wird. Am häufigsten werden Online-Spenden-Buttons auf Blogund Podcast-Webseiten sowie MySpace-Profilen eingesetzt. Auf Twitter und YouTube   Dabei handelt es sich um einen Internet-Dienst, mit dessen Hilfe Fotos und Grafiken ins Netz gestellt und über Twitter veröffentlicht werden können. 21
292 Katrin Kiefer wird jeweils nur von einer NPO ein Spendenhinweis in der Kurzbiografie des Profils in Form der Bankverbindung umgesetzt. ႑CausesȬApplikationȱnichtȱimȱEinsatz:ȱZusätzlich gibt es auf Facebook die Möglichkeit, die Applikation Causes einzubinden, um darüber Spenden zu generieren. Zwar funktioniert für deutsche Organisationen der direkte Geldtransfer noch nicht, aber die Anwendung kann dennoch eingesetzt werden, um die Aufmerksamkeit auf die Spendenmöglichkeit und die sozialen Ziele der Organisation zu erhöhen. Bei der Analyse der Facebook-Profile und Gruppen stellte sich jedoch heraus, dass alle Organisationen auf die Applikation Causes oder andere Spendenaufrufe innerhalb des Netzwerks verzichten. Abbildung 3 Häufigkeit der Spendenaufrufe innerhalb der Social-Media-Angebote 30 AnzahlderSpendenaufrufe vorhanden nichtvorhanden 25 20 15 10 5 7 2 4 2 1 1 0 Blogs (13) Podcasts MySpace Facebook Twitter YouTube (4) (10) (11) (14) (22) SocialMediaProfilederNPOimMärz2009,N=79 ႑GeringeȱNutzungȱvonȱSpendenportalen:ȱFerner wurde auch die Präsenz der gemeinnützi- gen Organisationen auf den Spendenportalen Helpedia und Betterplace betrachtet. 52 Prozent der betrachteten NPOs sind auf Helpedia, 28 Prozent auf Betterplace vertreten. Lediglich 18 Prozent der Organisationen sind auf beiden Plattformen aktiv. Auffallend ist, dass Organisationen mit einem Profil auf Helpedia selten auf Betterplace registriert sind. Im umgekehrten Fall ist diese Tendenz nicht erkennbar. Ursächlich hierfür könnte die Tatsache sein, dass auf Betterplace nicht zwischen rechtlich gemeinnützig anerkannten und gemeinnützig tätigen Vereinen bzw. Personen differenziert wird. Doch auch auf Helpedia ist die Anzahl der registrierten Organisationen als gering einzustufen. Entweder fehlt den NPOs das Wissen über diese Möglichkeiten oder einzelne Organisationen wollen sich nicht neben anderen Organisationen des gleichen Tätigkeits-
NPOs im Social Web: Status quo und Entwicklungspotenziale 293 bereichs präsentieren. Die Spendeneinnahmen fallen trotz des generell hohen OnlineFundraising-Erfolgs teilweise sehr niedrig aus, was vermutlich auch auf eine fehlende Kommunikation der Unterstützungsmöglichkeiten zurückzuführen ist. 24.3.3 Alte Kommunikation in neuen Kanälen Das unregelmäßige Senden von Beiträgen, die geringe Interaktion mit den Usern oder die fehlende Ansprache von konkreten Stakeholdern wie Spendern oder Freiwilligen lässt einerseits die Frage offen, inwiefern die Social-Media-Angebote von den Stakeholdern überhaupt wahrgenommen und rezipiert werden. Andererseits vermitteln diese Beobachtungen den Eindruck, dass gemeinnützige Organisationen sich (noch) nicht genügend für einen aktiven Dialog mit ihren Stakeholdern öffnen. Vielmehr setzt eine Vielzahl der betrachteten NPO Social Media für die einseitige Informationsvermittlung und klassische PR-Arbeit ein, obwohl diese zukünftig immer weiter an Bedeutung verlieren wird. Sie betreiben also lediglich „alte Kommunikation in neuen Kanälen“ und konzentrieren sich auf die Darstellung ihrer allgemeinen Projekttätigkeit. Manche Twitter-Profile gleichen einem Pressekanal, der dem Dialogpotenzial des Mediums in der direkten und persönlichen Interaktion mit den Bezugsgruppen nicht gerecht wird. Insgesamt werden Elemente einer differenzierten Stakeholderkommunikation, der Vermittlung spezifischer Themen, Projekte und Aktionen oder des E-Campaignings und Fundraising selten ausgeschöpft. Dagegen liegt die eigentliche Chance von Social Media genau darin, mit den Stakeholdern direkt in Kontakt zu treten, deren Feedback einzufordern, zuzuhören und in einen intensiven Dialog zu treten. Möglicherweise fehlen gemeinnützigen Organisationen konkrete Hilfestellungen für die Konzeptionierung ihrer Online-Strategien oder sie scheuen den Kontrollverlust sowie die Auflösung traditioneller hierarchischer Strukturen, die mit einem intensiven Social-Media-Einsatz einhergehen. So müssen Organisationen zum Beispiel lernen, einzelnen Mitarbeitern zu vertrauen, dass sie eigenverantwortlich Kommentare, Tweets oder Beiträge veröffentlichen, ohne dass diese in einem mehrstufigen Prozess autorisiert werden können. Schließlich werden auch die grundlegenden Vernetzungschancen des Social Webs kaum wahrgenommen. Die Social-Media-Angebote der Organisationen sind überwiegend einzeln im Netz verstreut und nicht miteinander verknüpft. Stattdessen müssen sie von interessierten Stakeholdern regelrecht gesucht oder zufällig gefunden werden. Die geringen Community-Größen verdeutlichen ebenfalls, dass die Organisationen es mit wenigen Ausnahmen nicht schaffen, die Aufmerksamkeit auf sich zu lenken und die einzelnen Angebote strategisch gewinnbringend zu verknüpfen. Generell können dagegen die unterschiedlichen Kanäle mittels Social Bookmarks, Feedbackmöglichkeiten und sozialen Netzwerken die öffentliche Aufmerksamkeit erhöhen und das Ranking in Suchmaschinen verbessern.
294 Katrin Kiefer 24.4 Entwicklungspotenziale – ein Blick auf die internationalen Aktivitäten von NPOs Ein Blick in die Vereinigten Staaten oder nach Großbritannien verdeutlicht, dass die SocialMedia-Entwicklungen dort generell, aber auch im zivilgesellschaftlichen Sektor wesentlich weiter vorangeschritten sind als hierzulande. So zeigte die Befragung von 409 gemeinnützigen Organisationen in den USA, dass rund 55 Prozent der Organisationen in sozialen Netzwerken und über 50 Prozent in Video-Portalen aktiv sind sowie knapp 50 Prozent Blogs anbieten.22 Die Online-Aktivitäten der Organisationen wachsen dabei zunehmend, wie die jüngste Studie von Nonprofit Technology Network in Zusammenarbeit mit Common Knowledge und The Port verdeutlicht. Laut der Online-Befragung von 929 USamerikanischen Non-Profit-Organisationen sind 74 Prozent der Organisationen auf Facebook vertreten und erreichen Communities mit durchschnittlich mehr als 5.000 Mitgliedern.23 Diese Zahl entspricht circa der 30-fachen Größe im Vergleich zu den deutschen gemeinnützigen Communities. Auch das Engagement auf YouTube (47 Prozent), Twitter (43 Prozent) und MySpace (26 Prozent) fällt wesentlich höher aus. Im britischen Raum befragte das Beratungsunternehmen nfsSynergy in seiner jährlichen Internet-Nutzungsstudie „Virtual Promise“ 187 gemeinnützige Organisationen.24 Im Ergebnis zeigte die Studie, dass die Hauptfunktionen des Internetauftritts einer Organisation in den Bereichen Marketing, Information und Kommunikation gesehen werden. Nur 22 Prozent bzw. 24 Prozent der Organisationen stufen eine Webseite als einen Erfolgsfaktor für Fundraising und E-Campaigning ein. 77 Prozent der großen und 14 Prozent der kleinen Organisationen sind dagegen auf der am weitesten verbreiteten Fundraising-Plattform Justgiving registriert. Bereits die Pflege eines Profils innerhalb von Spendenportalen erhöht die Sichtbarkeit im Wettbewerb um Fundraisingeinnahmen mit einer steigenden Anzahl von gemeinnützigen Organisationen. Im Bereich der externen Social-Media-Portale sind 34 Prozent der Organisationen auf Facebook, 29 Prozent auf Ebay for Charity, 16 Prozent auf Flickr, 13 Prozent auf MySpace und neun Prozent auf YouTube aktiv. 24.5 Herausforderungen für die Zukunft Für den dritten Sektor in Deutschland stellen sich mit Hinblick auf die wachsende Bedeutung der Online-Kommunikation vor allem drei Herausforderungen. ႑AusbauȱderȱSocialȬMediaȬAngebote:ȱUnter der Bereitstellung zusätzlicher finanzieller und personeller Ressourcen ist es für gemeinnützige Organisationen unerlässlich, ihr SocialMedia-Angebot auszubauen und klassische Fundraising-, Marketing- und Öffentlich-   22 Curtis, L./Edwards, C./Elmore, E./Fraser, K./Gudelsky, S./Holmquist, J./Thornton, K. (2008) 23 Nonprofit Technology Network (2009) 24 nfpSynergy (2009)
NPOs im Social Web: Status quo und Entwicklungspotenziale 295 keitsmaßnahmen um entsprechende Onlineaktivitäten zu erweitern. Der von vielen Organisationen befürchtete Kontrollverlust findet unabhängig davon statt, ob eine Organisation im Social Web aktiv oder passiv ist. „You cannot ignore this trend. You cannot sit this one out. […] You may go a little slower or a little faster, but you have to move forward”25. ႑UmsetzungȱderȱDialogȬȱundȱVernetzungspotenziale:ȱDie Existenz eines Social-Media-Profils allein reicht nicht aus, um die Potenziale auszuschöpfen und Spenden zu generieren. Es muss auch intensiv gepflegt, crossmedial kommuniziert und vernetzt werden. Social-Media-Anwendungen stellen nur die technischen Hilfsmittel dar. „Den Willen zum Dialog, zur Öffnung nach außen hin und zur Vernetzung mit anderen müssen die zivilgesellschaftlichen Akteure selbst mitbringen“26. ႑EntwicklungȱeinerȱSocialȬMediaȬStrategie:ȱFür die Umsetzung der Potenziale von Social Media für die Stakeholderkommunikation und Fundraising ist die Entwicklung einer Social-Media-Strategie erforderlich (siehe dazu den Beitrag von Christine Gerbracht). Bislang scheinen NPOs jedoch lediglich einzelne Angebote auszuprobieren, was sich in sporadischen Statusaktualisierungen sowie fehlenden Gesprächen mit den Stakeholdern und einer geringen Vernetzung der Angebote niederschlägt. Für den erfolgreichen Einsatz von Social Media ist es jedoch notwendig, die für eine Organisation jeweils spezifischen Themen und Zielgruppen zu bestimmen, um daran anknüpfend entsprechende Social-Media-Kanäle auszuwählen und zu bedienen. In Abhängigkeit von der öffentlichen Wahrnehmung, von Informationen, Wissen und finanziellen Ressourcen ist es für zivilgesellschaftliche Organisationen unerlässlich, das Netzwerkpotenzial auszuschöpfen und zukünftig den professionellen Austausch mit den relevanten Stakeholdern auszubauen, um Legitimation für ihr Handeln zu erhalten und im allgemeinen Wettbewerbsdruck des dritten Sektors erfolgreich zu bestehen. Weiterführende Literatur Bornholdt, M./Noll, C./Ruckh, M. (2006): Zur Weiterentwicklung des Sozialmarketings. Warum Marketing im Non-Profit-Bereich als das Management von Stakeholdern verstanden werden sollte, in: M. Ruckh, C. Noll, M. Bornholdt (Hrsg.), Sozialmarketing als Stakeholder-Management. Grundlagen und Perspektiven für ein beziehungsorientiertes Management von Non-Profit-Organisationen, Bern, S. 2137. Curtis, L./Edwards, C./Elmore, E./Fraser, K./Gudelsky, S./Holmquist, J./Thornton, K. (2008): Profiting Public Relations: A Look at Social Media Use in Non-Profit-Organizations, Zugriff am 08.12.09 unter http://www.mynmi.net/student/kristenfraser/Web%20Portfolio/coursework/ prresearch/final_utaut_paper.pdf. GfK Panel Services Deutschland GmbH, GfK Charity*Scope – GfK DirektMarketing Panel. Spendenverhalten in Deutschland, Zugriff am 08.12.2009 unter http://www.gfk.com/imperia/md/content/   25 Li, C./Bernoff, J. (2008) 26 Kiefer, K. (2009): NGOs im Social Web
296 Katrin Kiefer ps_de/consumerscope/spenden.pdf. Hohn, B. (2001): Internet-Marketing und -Fundraising für Non-Profit-Organisationen, Wiesbaden. Kiefer, K. (2009): NGOs im Social Web. Eine inhaltsanalytische Untersuchung zum Einsatz und Potential von Social Media für die Öffentlichkeitsarbeit von gemeinnützigen Organisationen, unveröffentlichte Masterarbeit am Institut für Journalistik und Kommunikationsforschung Hannover. Li, C./Bernoff, J. (2008): Groundswell. Winning in a world transformed by social technologies, Mcgraw-Hill Professional, Boston u.a., S. 75. Marlow, C./Byron, L./Lento, T./Rosenn, I. (2009): Maintained Relationships on Facebook, Zugriff am 08.12.09 unter http://www.facebook.com/note.php?note_id=55257228858. Meffert, H./Burmann, C./Kirchgeorg, M. (2008): Marketing. Grundlagen marktorientierter Unternehmensführung. Konzepte – Instrumente – Praxisbeispiele (10., vollst. überarb. u. erw. Aufl.), Wiesbaden. nfpSynergy (2009): Virtual Promis 2008. Full results, Zugriff am 08.12.2009 unter Š––’ǣȀȀ™™™Ǥˆ’•›‡”‰›Ǥ‡–Ȁ‹ Ž—†‡•Ȁ†‘ —‡–•Ȁ ̴†‘ •ȀʹͲͲͻȀȀˆ’•›‡”‰›̴˜‹”–—ƒŽ̴’”‘‹•‡̴ʹͲͲͺ̴ˆ— ŽŽ̴”‡•—Ž–•Ǥ’†ˆ. Nonprofit Technology Network (2009): Nonprofit Social Network Report. In Zusammenarbeit mit Common Knowledge und The Port, Zugriff am 08.12.2009 unter http://www.commonknow.com/html/ white-papers/NonprofitSocialNetworkSurveyReport.pdf. Patolla, B. (2005): Fundraising im Internet. Potentiale – Inhalte – Spenderwünsche, Dissertation, Philosophischen Fakultät der Universität des Saarlandes. Pleil, T./Zerfaß, A. (2007): Internet und Social Software in der Unternehmenskommunikation, in: M. Piwinger/A. Zerfaß (Hrsg.), Handbuch Unternehmenskommunikation, Wiesbaden, S. 511-532. Reichenbach, T.: Online-Fundraising. Instrumente, Erfolgsfaktoren, Trends, Zugriff am 08.12.2009 unter http://www.online-fundraising.org/files/online-fundraising.pdf. Reiser, B.: Social Media und die Bürgergesellschaft – wie können gemeinnützige Organisationen vom Mitmach-Internet profitieren, in: BBE-Newsletter, 2/2009, S. 2, Zugriff am 08.12.2009 unter http://www.b-b-e.de/fileadmin/inhalte/aktuelles/2009/03/nl02_reiser.pdf. The Nielsen Company (2009): Global Faces and Network Places. A Nielsen report on Social Networking’s New Global Footprint, Zugriff am 08.12.2009 unter http://blog.nielsen.com/nielsenwire/wpcontent/uploads/2009/03/nielsen_globalfaces_mar09.pdf. Winter, C. (2006): Medienentwicklung und der Aufstieg einer neuen Beziehungskunst, in: M. Karmasin & C. Winter (Hrsg.), Konvergenzmanagement und Medienwirtschaft, München, S. 183-216. Voss, K. (2008): Nichtregierungsorganisationen und das Social Web: Mittel der Zukunft oder Bedrohung?, in: A. Zerfaß/M. Welker/J. Schmidt (Hrsg.), Kommunikation, Partizipation und Wirkungen im Social Web, Band 2: Strategien und Anwendungen: Perspektiven für Wirtschaft, Politik und Publizistik, Köln, S. 231-247. Zerfaß, A./Moreno, A./Tench, R./Ver²i², D./Verhoeven, P. (2009): European Communication Monitor 2009. Trends in Communication Management and Public Relations – Results and Findings, Zugriff am 08.12.2009 unter http://www.communicationmonitor.eu/ECM2009-Results-ChartVersion.pdf). Zerfaß, A./Sandhu, S. (2008): Interaktive Kommunikation, Social Web und Open Innovation: Herausforderungen und Wirkungen im Unternehmenskontext, in: Zerfaß, A./Welker M./ Schmidt J. (Hrsg.), Kommunikation, Partizipation und Wirkungen im Social Web, Band 2: Strategien und Anwendungen: Perspektiven für Wirtschaft, Politik und Publizistik, Köln, S. 283-310. Zimmer, A./Priller, E. (2007): Gemeinnützige Organisationen im Wandel. Ergebnisse der DritteSektor-Forschung (2. Aufl.), Wiesbaden.
 Webmonitoring: Internetinhalte erfassen und gezielt nutzen 25 297 Webmonitoring: Internetinhalte erfassen und gezielt nutzen ChristineȱGerbrachtȱ Das Internet bietet viel Potenzial, einerseits als Non-Profit-Organisation (NPO) selbst aktiv zu werden – und andererseits vorhandene Webinhalte für sich nutzbar zu machen. Insbesondere das Web 2.0, das sogenannte „Mitmach-Web“, eröffnet neue Möglichkeiten, mit (potenziellen) Spendern in Dialog zu treten, im Internet geäußerte Meinungen und Beurteilungen zu erfassen und daraus Optimierungsansätze für die Spenderkommunikation abzuleiten. Bevor der Beitrag das Instrument des Webmonitorings zur Erfassung und Nutzung von Internetinhalten im Detail darstellt, wird zum Einstieg auf die Grundlagen des Online-Fundraisings eingegangen. 25.1 Das Internet im Fundraising-Mix – als NPO selbst aktiv werden Das Internet hat sich zu einem der wichtigsten Informations- und Kommunikationsmedien entwickelt: Waren 2001 lediglich 37 Prozent der deutschen Bevölkerung ab 14 Jahren online, sind es in 2009 bereits 69 Prozent. Da es eine zentrale Aufgabe des Fundraising ist, mit den (potenziellen) Spender in Kontakt zu treten und sie dort „abzuholen“, wo sie aktiv sind, sich aufhalten und bewegen, kommen gemeinnützige Organisationen nicht umhin, das Internet und seine Chancen für sich zu nutzen. Und viele tun dies bereits – OnlineFundraising wird ein zunehmend wichtigerer Bestandteil des Fundraising-Mix (siehe auch den Beitrag von Kathrin Kiefer in diesem Buch). Für ein stärkeres Engagement im World Wide Web spricht ferner, dass nicht nur die junge Zielgruppe online zu finden ist, sondern vermehrt auch ältere Personen, die bei vielen Organisationen die Hauptspenderzielgruppe ausmachen. Von den 60- bis 69-Jährigen surft mittlerweile fast die Hälfte im Internet, und diese Gruppe hat das größte Anteilswachstum bei der Onlinenutzung. Zwar wird der Hauptteil der Spenden „offline“ eingeworben, aber der Anteil der Onlinespenden wächst und kann zum Beispiel bei Organisationen aus dem Arbeitsfeld der Katastrophenhilfe ein deutlich überdurchschnittliches Ergebnis erreichen. Die Instrumente des Online-Fundraisings sind vielfältig: ႑Die professionell gestaltete eigene Homepage mit der Möglichkeit zur Onlinespende ist die Basis für ein erfolgreiches Online-Fundraising. ႑E-Mail-Marketing (Spendenaufrufe, Newsletter etc.) ergänzt das postalische Direktmarketing. ႑Onlinewerbung wird als integrierter Bestandteil der Marketingstrategie zum Auf- und Ausbau der Markenbekanntheit und -positionierung eingesetzt.
298 Christine Gerbracht ႑Affiliate-Marketing und Onlinekooperationen: Hierbei werden Links und Werbung der NPO auf Partnerwebseiten auf Grundlage einer erfolgsbasierten Vergütung eingebunden. Der Partner erhält die Provision nach verschiedenen Modellen, beispielsweise: Pay per click (pro Click auf den Link/die Werbung), Pay per lead (pro Kontaktaufnahme durch den – potenziellen – Spender, zum Beispiel bei Bestellung eines Newsletters) oder Pay per sale (wenn eine Spende erfolgt ist). ႑Suchmaschinenmarketing und -optimierung: Hierunter versteht man Optimierungs- maßnahmen, die zu einer Listung auf einem der oberen Plätze innerhalb der Ergebnislisten von Suchmaschinen führen bzw. gezielte Anzeigeneinblendungen bei der Abfrage von bestimmten Suchbegriffen (sogenannte „sponsored links“, zum Beispiel Google AdWords). Darüber hinaus bieten die neuen Möglichkeiten des Web 2.0ȱPotenzial für gezielte Fundraising-, Marketing und PR-Aktivitäten, die schon von einigen Organisationen eingesetzt werden: ႑EinrichtungȱeinesȱeigenenȱBlogs: Mitarbeiter berichten in einzelnen Blogeinträgen wie in einem Tagebuch über Neuigkeiten der Organisation, über Projekte und Aktionen und geben der Organisation so ein persönliches Gesicht. Über Kommentare zu einzelnen Blogeinträgen findet direkte Kommunikation mit den Lesern statt. Beispiele finden sich unter anderem bei Greenpeace, der Welthungerhilfe oder Ärzte ohne Grenzen. ႑Engagementȱaufȱ„Twitter“:ȱBei „Twitter“ handelt es sich um einen Microblog, bei dem für jeden Eintrag nur 140 Zeichen zur Verfügung stehen, ähnlich einer SMS/Kurznachricht. So können schnell und effektiv Nachrichten zur Organisation oder über Projekte verbreitet werden. Twitter wird mittlerweile intensiv von NPOs genutzt, beispielsweise von der Kindernothilfe, AWO oder NABU. ႑EngagementȱinȱsozialenȱNetzwerken: Social Communities wie facebook, myspace, studiVZ oder YouTube bieten die Möglichkeit, sich dort zu präsentieren, wo sich die (vor allem junge) Zielgruppe bewegt und agiert. Die Organisation wird für (potenzielle) Spender sichtbar und kann mit ihnen Kommunikation auf Augenhöhe betreiben. Ferner lassen sich die viralen Effekte der Netzwerke nutzen, indem Inhalte und Markenbotschaften der NPOs über die Community-Teilnehmer an andere Nutzer weiterverbreitet werden (dies ist insbesondere erfolgreich bei Einsatz von multimedialen und kreativ gestalteten Inhalten). Organisationen, die in sozialen Netzwerken aktiv sind, sind unter anderem das Deutsche Rote Kreuz, die Deutsche AIDS-Hilfe oder WWF. Einen Schritt weiter ist Greenpeace gegangen und hat eine eigene Kampagnen-Community „GreenAction“ für Umweltthemen initiiert. ႑EngagementȱaufȱSpendenplattformen:ȱSpendenportale wie ammado, betterplace, Helpedia oder HelpDirect bieten nicht nur Privatpersonen die Möglichkeit, Unterstützer für ihre Projekte zu finden, sondern auch für NPOs, sich mit ihrer Arbeit zu präsentieren und Spender zu gewinnen. Auch diese Plattformen werden intensiv genutzt, beispielsweise von action medeor, cbm Christoffel-Blindenmission oder Plan.
Webmonitoring: Internetinhalte erfassen und gezielt nutzen 299 Neben dem Engagement in Form von selbst erstellten Webinhalten und Webkommunikation lohnt es sich, den Blick auch auf die von anderen erzeugten Inhalte zu werfen: auf den „user generated content“ von Internetnutzern, die Meinungen und Erfahrungen austauschen und Beurteilungen abgeben, auf die Inhalte von Mitbewerbern und die allgemeine Onlineberichterstattung. Dies ist Gegenstand des nächsten Abschnitts. 25.2 Webmonitoring - das Internet als Informationsquelle nutzen Das Internet als Daten- und Erkenntnisquelle für Fundraising, Marketing sowie für PR und Kommunikation systematisch nutzbar zu machen, ist Aufgabe eines Webmonitorings. 25.2.1 Was ist Webmonitoring? Beim Webmonitoring handelt es sich um eine Inhaltsanalyse von Internetkommunikation und die Beobachtung und Auswertung von Kommunikationsentwicklungen. Die Erfassung und Analyse der Internetinhalte erfolgt zielgerichtet, um tiefere Einblicke darüber zu erhalten, was, wie intensiv in bestimmten Themenfeldern, bei bestimmten Zielgruppen und für bestimmte Anbieter online aufgegriffen und diskutiert wird. Eine NPO kann mit einem Internetmonitoring verfolgen, was zu ihrer Organisation, ihren Arbeits- und Projektfeldern (Entwicklungshilfe, Naturschutz, Tierschutz, Hilfe für Kinder oder im Bereich von Krankheiten und Behinderungen etc.), aber auch zu Mitbewerbern im Sinne einer Spendenmarktübersicht online berichtet, an Meinungen geäußert und an Themen diskutiert wird. 25.2.2 Was bringt ein Webmonitoring? Mit einem Webmonitoring kann eine Reihe von Zielsetzungen in Kommunikation und Public Relations sowie in Marketing und Fundraising verfolgt werden. 25.2.2.1 Kommunikation und Public Relations ႑Was wird in welcher Form über die eigene NPO im Internet berichtet? Gibt es Meldungen, auf die im Sinne eines Risikomanagementsȱreagiert werden sollte? Das Webmonitoring kann hier als Frühwarnsystem fungieren und die Reaktionszeiten bei ungünstigen Kommunikationsentwicklungen, die sich im Onlinekanal oft deutlich schneller ausbreiten als in den traditionellen Offlinemedien, verkürzen. ႑Wie entwickelt sich die Kommunikationȱzur eigenen Organisation im Zeitverlauf? Wann ist die NPO mit welchen Themen wie intensiv online vertreten? Gibt es Themenverschiebungen oder neue Felder, die im Zusammenhang mit der Organisation auftauchen? Das Monitoring kann Hinweise für ein optimiertes Themenmanagement geben: Welche Themen sind bereits gut von der NPO besetzt und welche gilt es zu intensivieren?
300 Christine Gerbracht ႑Wie stark werden die eigenen PR-Meldungen und Kommunikationsinhalte aufgegriffen und weiter verbreitet, wie gut ist die Durchdringung im Onlinebereich? Die Internetanalyse deckt Kommunikationsdefizite und -lücken auf und liefert wiederum Optimierungsansätze. ႑In welchen Onlinequellen – News, Blogs, Foren und Communities, sonstigen Websei- ten – wird über die NPO in welchem Umfang berichtet/gesprochen? Gibt es bestimmte Meinungsmacher – in positivem wie im negativen Sinne? Wichtige Onlinequellen, Multiplikatoren und Stimmungsmacher (zum Beispiel bestimmte Blogverfasser) können identifiziert und in der Kommunikationsstrategie berücksichtigt werden. ႑Wie intensiv und mit welchen Themen sind andere NPOs, die im gleichen Arbeitsfeld tätig sind, online präsent? Die Beobachtung der Mitbewerber gibt einen Marktüberblick und hilft dabei, die eigeneȱKommunikationsstärke einzuschätzenȱund neue Trends nicht zu verpassen. ႑Wie beurteilen die Internetnutzer aktuelle Entwicklungen? Dies liefert Erkenntnisse, die für eine optimierte Spenderkommunikation genutzt werden können (siehe Abbildung 1). Abbildung 1 Beispiel für „User Generated Content“: Kommentare zu einem Artikel 1   1 Quelle: Zugriff unter: http://www.faz.net/s/Rub594835B672714A1DB1A121534F010EE1/Doc~ED8D 6B7A863124725B4C475D25B43903B~ATpl~Ekom~SKom~Ak~E.html.
Webmonitoring: Internetinhalte erfassen und gezielt nutzen 25.2.2.2 301 Marketing und Fundraising ႑Was bewegt die Onlinezielgruppe? Worüber wird bezüglich bestimmter Spendenfelder (zum Beispiel Dritte Welt, Umweltschutz, Tierschutz, kirchliche Themen) diskutiert, welche Meinungen werden vertreten? Die Webanalyse kann Anregungen liefern, wie (potenzielle) Spender zu adressieren sind, welche Themen hervorgehoben werden können, um „den Nerv“ der Internetuser zu treffen. ႑Welche Worte, Begriffe und Formulierungen werden verwendet? Dies hilft dabei, die Spenderansprache/Werbung zu optimieren und mehr auf die „Sprache der (potenziellen) Spender“ auszurichten. ႑Wie wird die eigene NPO beurteilt? Wie sieht das eigene Image aus? Stimmt es mit dem überein, wie sich die Organisation positionieren möchte? Die Internetanalyse kann Hinweise darauf geben, ob intendiertes und dem tatsächliches Image übereinstimmen oder ob sich Lücken zeigen. ႑Gibt es konkrete Erfahrungen, positiver wie negativer Art, mit der NPO? Welche Bereiche betreffen diese Erfahrungenȱ(Spendenabwicklung, Spenderbetreuung/Service, Verwendung der Spenden etc.)? Hier zeigen sich Stärken, aber auch Potenziale, an denen gearbeitet werden kann. ႑Wie werden andere NPOs gesehen, welche Stärken und Schwächen tauchen bei ihnen auf? Mit diesen Informationen kann überprüft werden, ob die Schwächen anderer auch im eigenen Haus auftauchen bzw. ob im positiven Falle von anderen gelernt werden kann. ႑Gibt es Hinweise auf bisher unerfüllte Bedürfnisse und damit Anregungen für verän- derte oder neue Angebote, Projekte oder Tätigkeitsfelder? Wie die Diskussion (siehe Abbildung 2) zum Thema Kinderpatenschaft zeigt, gibt es Bedürfnisse, die zuvor in dieser Richtung nicht artikuliert wurden: die Anregung einer „geteilten Patenschaft“, um diese auch für Unterstützungswillige mit geringen Geldmitteln erschwinglich zu machen. Die Organisation könnte zum Beispiel auf der Homepage den Finanzierungsstand der Patenschaft angeben und für die Vollfinanzierung werben (im Sinne von „Patenschaft ist momentan zur Hälfte finanziert – möchten Sie die andere übernehmen?“).
302 Abbildung 2 25.2.3 Christine Gerbracht Beispiel einer Onlinediskussion zum Thema Kinderpatenschaft2 Durchführung des Webmonitorings Die Durchführung des Webmonitorings kann auf zwei Arten realisiert werden: durch manuelle und automatisierte Recherche. 25.2.3.1 Manuelle Recherche durch den Einsatz von eigenen Mitarbeiterkapazitäten Die eigenhändige Recherche über (Blog-) Suchmaschinen bietet sich zum Einstieg in das Thema Internetmonitoring an, um sich einen ersten Überblick über mögliche Themen und interessante Internetquellen zu verschaffen. Hilfreich ist hierbei das Abonnieren von RSSFeeds, um über neue Websiteinhalte automatisch informiert zu werden, oder von Alerts (zum Beispiel Google Alerts), die den Recherchierenden Bescheid geben, sobald neue In-   2 Zugriff unter: http://www.wer-weiss-was.de/app/archive/show/5318137?archived=1;sr=#5318137, http://www.wer-weiss-was.de/app/archive/show/5319041?archived=1;sr=#5319041, http://www.wer-weiss-was.de/app/archive/show/5325436?archived=1;sr=#5325436, http://www.wer-weiss-was.de/app/archive/show/5322502?archived=1;sr=#5322502.
Webmonitoring: Internetinhalte erfassen und gezielt nutzen 303 halte zur eigenen NPO gefunden worden sind. Die manuelle Recherche stößt schnell an ihre Grenzen – weil einerseits die Quellenlandschaft zu unübersichtlich ist, um alle relevanten Inhalte ausfindig machen zu können, und weil andererseits die Mitarbeiterkapazitäten oft nicht in ausreichendem Maße vorhanden sind. 25.2.3.2 Automatisierte Recherche mittels einer Software oder Suchplattform Hierbei wird das Internet systematisch mittels einer automatisierten Technik durchsucht, und die Suchergebnisse und gefundenen Web-Dokumente werden in eine Datenbank geladen, die über ein Interface analysiert werden können. Am Anfang der automatisierten Recherche steht die der Festlegung des Monitoringziels: Welche Fragestellungen soll das Monitoring beantworten? Sollen Organisationen oder Themen oder eine Kombination aus beiden ausgewertet werden? Wer ist Nutzer der Monitoringergebnisse innerhalb der Organisation (PR/Kommunikation, Fundraising, Marketing)? Liegen diese Grundparameter fest, dann geht es daran, die entsprechenden Suchbegriffeȱ zuȱ definieren, nach denen die Software das Internet gezielt durchsucht. Möchte eine NPO zum Beispiel das Thema „Entwicklungshilfe“ monitoren, sollten als Suchdefinitionen neben dem Wort „Entwicklungshilfe“ alle Begriffe, Umschreibungen und Unterthemen aufgenommen werden, die mit dem Oberthema in Verbindung stehen, um das Analysefeld möglichst umfassend abzudecken. Zu berücksichtigen wären hierbei Dritte Welt, Armutsbekämpfung, Hungerbekämpfung, gesundheitliche und schulische Versorgung, Versorgung mit sauberem Trinkwasser, Nachhaltigkeit, Hilfe zur Selbsthilfe etc. Da bei einer automatisierten Internetsuche die Technik nur so gut arbeiten kann, wie sie entsprechend guten Input, sprich Suchbegriffe, erhält, liegt hier der Kern der Setup-Arbeiten, die beim Aufsetzen des Webmonitoring nötig sind. Die Finalisierung der Suchbegriffsdefinitionen und damit der Vorgaben für die Software erfolgt meist in einem mehrstufigen Prozess: Anhand der ersten Definitionen wird mit dem Herunterladen der Internetquellen begonnen. Die Suchergebnisse werden kontrolliert, um Fehlzuschreibungen auszuschließen, um dann mit den aktualisierten Begriffen erneut mit der Suche zu starten. Im Bedarfsfall wird dieser Schritt so lange wiederholt, bis man scharf trennende, alle möglichen Schreibweisen (inklusive eventuell vorliegender gängiger Schreibfehler) berücksichtigende Suchbegriffe vorliegen hat. Im Laufe eines länger laufenden Monitorings können neue Themen und Begriffsdefinitionen auftauchen, die dann in das Monitoring aufgenommen werden – das Ganze bleibt also ein „lebender Prozess“. Bei der Analyse der heruntergeladenen Ergebnisse bieten Suchplattformen verschiedene Auswertungsmöglichkeiten an: ႑QuantifizierungȱderȱInternetkommunikationȱundȱLieferungȱvonȱKennzahlen: Wie hoch ist der Anteil der Online-Kommunikation zur eigenen NPO insgesamt im Verhältnis zu den Mitbewerbern (organisationsspezifischer „Share of Voice“)? Wie stark werden welche Themen und Unterthemen im Internet aufgegriffen und diskutiert (themenspezifischer
304 Christine Gerbracht „Share of Voice“)? Wie stark wird die eigene NPO mit bestimmten Themen verknüpft, wie stark die Mitbewerber? ႑Zeitreihenanalysen, um die Entwicklung der Internetkommunikation über den Monitoringzeitraum zu verfolgen und entsprechend reagieren zu können. Zeitreihen können sowohl für die NPO selbst, für Mitbewerber oder für Themen erstellt werden. ႑Quellenanalysen: In welchen Quellen (News, Blogs, soziale Netzwerke, sonstige Webseiten) ist die eigene/sind andere Organisationen wie stark präsent? Welche Themen werden in welchen Quellen wie intensiv aufgegriffen? Um bestimmte Kommunikationsentwicklungen oder bestimmte Themenfelder intensiver analysieren zu können, wird auf die manuelle Recherche zurückgegriffen, da hierfür die intellektuelle Leistung eines Menschen erforderlich ist. Auf der Basis der automatisiert und systematisch heruntergeladenen Einzeldokumente lassen sich über eine qualitative, inhaltlich tiefgehende Analyse die quantitativen Ergebnisse weiter mit Leben füllen. So gelangt man zu wichtigen Detailerkenntnissen, wie zum Beispiel bei der Analyse von Diskussionssträngen in Foren oder sozialen Netzwerken. Für die Durchführungȱ des automatisierten Webmonitorings und der Analyse der Ergebnisse stehen der NPO verschiedene Möglichkeiten offen: ႑Ein Technikanbieter stellt die Suchplattform zur Verfügung, alle Auswertungen und Analysen werden aber von der NPO selbst durchgeführt. ႑Neben der technischen Lösung wird auch die Analyse durch den Dienstleister erstellt. Empfehlenswert ist hierbei, einen Anbieter auszuwählen, der Branchenexperten mit Know-how im Bereich der NPO hat, wie zum Beispiel Marktforschungsinstitute oder Beratungsunternehmen, die mit einer eigenen Software oder einem Technikpartner im Hintergrund die „Full Service-Leistung“ anbieten. 25.2.4 Ergebnisbeispiele einer Webmonitoring-Lösung Das Marktforschungs- und Beratungsunternehmen TNS Infratest hat in Zusammenarbeit mit dem Technikanbieter Netbreeze ein Internetmonitoring zum Thema Klimaschutz und Klimawandel aufgesetzt. Im Monitoring sind auch Umweltorganisationen, wie beispielsweise Greenpeace, WWF, BUND und NABU mit einer entsprechenden Suchabfrage eingebunden. Beispiel: Quantifizierung der Internetkommunikation und Quellenanalyse Im Zeitraum vom 1. Januar bis 31. Oktober 2009 erreichten Greenpeace und WWF im Themenbereich Klimaschutz und Klimawandel unter den vier betrachteten Umweltorganisationen insgesamt einen etwa gleich hohen „Share of Voice“, wobei Greenpeace mit einem Anteil von 41 Prozent leicht vor dem WWF mit 39 Prozent lag. Während der WWF in Blogs am häufigsten aufgegriffen wurde, lag Greenpeace bei sonstigen Webqellen vorn.
Webmonitoring: Internetinhalte erfassen und gezielt nutzen 305 Beispiel für einen „Share of Voice“ mit Quellenanalyse3 Abbildung 3 Total News 12% 12% Greenpeace n=4'010 8% 41% Greenpeace n=1'249 8% 40% WWF n=3'777 B.U.N.D. n=822 B.U.N.D. n=240 Naturschutzbund n=1'191 Naturschutzbund n=364 39% 41% Web (sonstige Quellen) Blogs 4% WWF n=1'269 7% 14% Greenpeace n=2'059 Greenpeace n=702 41% WWF n=816 10% 41% B.U.N.D. n=513 B.U.N.D. n=69 48% WWF n=1'692 Naturschutzbund n=711 Naturschutzbund n=116 34% Beispiel: Zeitreihenanalyse Die Kommunikationsentwicklung kann im täglichen, wöchentlichen oder monatlichen Verlauf visualisiert werden. Im März 2009 gibt es insbesondere für den WWF einen deutlichen Anstieg an Webinhalten (siehe Abbildung 4).   3 Quelle: TNS Infratest/Netbreeze.
306 Christine Gerbracht Abbildung 4 Beispiel für eine Zeitreihenanalyse4 Was genau steht hinter diesem Anstieg? Mit welchen Themen ist der WWF im März 2009 online präsent? Diese Fragen können über Themenclusters beantwortet werden, die visualisieren, welche Begriffe und damit Themen im Zusammenhang mit dem WWF in diesem Monat in den verschiedenen Onlinequellen am häufigsten vorkamen (siehe Abbildung 5). Dabei symbolisiert die Größe der Schriftfelder, in wie vielen Dokumenten die Themen vorkamen (je größer, desto mehr Quellen). Anhand der Farbe wird deutlich, welche Begriffe im Trendvergleich (im Vergleich zwischen den ersten und letzten beiden Märzwochen) am aktuellsten online aufgegriffen werden: je mehr Rot, desto aktueller („heißer“).   4ȱQuelle: TNS Infratest/Netbreeze.
Webmonitoring: Internetinhalte erfassen und gezielt nutzen 307 Abbildung 5 Beispiel für ein Themencluster5 Abbildung 6 Beispiel für eine Verknüpfungsanalyse von Themen und Organisationen6   5 Quelle: TNS Infratest/Netbreeze. 6 Quelle: TNS Infratest/Netbreeze.
308 Christine Gerbracht Die „Earth hour“, die am 28. März 2009 stattfand, war eines der Top-Themen im Zusammenhang mit dem WWF. Der WWF hatte in Deutschland zu der weltweiten Aktion „Licht aus“ (im internationalen Zusammenhang „Earth hour“ genannt) aufgerufen, um durch das Löschen des Lichts für eine Stunde, 20.30 bis 21.30 Uhr Ortszeit, symbolisch die Betroffenheit bezüglich des Fortschreitens des Klimawandels zu zeigen. Wie sich zeigt, findet das Thema tatsächlich großen Niederschlag im Internet und zeigt damit den Kommunikationserfolg. Wie die Verknüpfungsanalyse zwischen Themen und Organisationen aufschlüsselt, wird fast ausschließlich der WWF mit der Aktion „Licht aus“ in Verbindung gebracht. Neben der Verbreitung in Onlinenews berichten auch Blogs und Foren darüber. Hier setzt nun die qualitative, inhaltlich tiefgehende Analyse an: Was genau wird aufgegriffen und diskutiert? Ein Beispiel für eine Onlinediskussion zeigt die Abbildung 7. Abbildung 7 Beispiel für eine Onlinediskussion zur Aktion „Licht aus“ 7   7 Zugriff unter: Quelle: http://www.foren4all.de/showthread.php?t=28842.
Webmonitoring: Internetinhalte erfassen und gezielt nutzen 25.3 309 Fazit Mit dem Medium Internet und dem Web 2.0 ergeben sich neue Herausforderungen, denen sich die NPOs stellen müssen. Die bisherige Form der Kommunikation in „Push“-Manier, bei der Inhalte ohne eine Rückkopplungs- und Feedbackmöglichkeit der Kommunikationsempfänger in den Markt gegeben werden, wird mehr und mehr ergänzt durch einen wechselseitigen Dialog. Kommunikation auf Augenhöhe mit den (potenziellen) Spendern kann dazu beitragen, bestehende Spender stärker zu binden und neue Unterstützer persönlicher anzusprechen, um die Distanz zur Organisation ein Stück weit zu verkleinern. Online-Kommunikation findet aber nicht nur auf der eigenen Homepage oder im eigenen Profil bei facebook & Co. statt. Um sich die Informationen und Erkenntnisse zum Themenumfeld der eigenen Arbeit und zur eigenen NPO aus anderen Quellen nicht entgehen zu lassen, bietet sich die Etablierung eines Webmonitorings an. Fundraising und Marketing profitieren dabei von Hinweisen zu Verbesserungsmöglichkeiten für die Spenderansprache. PR und Kommunikation erhalten einen Überblick über die eigene Kommunikationspositionierung im Vergleich zu den Mitbewerbern und Anregungen für ein optimiertes Themenmanagement. Weiterführende Literatur Greenpeace-Community GreenAction, Zugriff unter http://beta.greenaction.de/. Fundstellen Blogs, Zugriffe unter http://blog.greenpeace.de, http://www.welthungerhilfe-blog.de, http://www.aerzte-ohne-grenzen.de/informieren/mitarbeiterblogs/index.html. Fundstellen Spendenplattformen, Zugriffe unter action medeor: http://www.helpdirect.org /index.php?p_lnk=fast_search&art=project_detail&id=2598&spendenpool=, cbm ChristoffelBlindenmission: http://www.ammado.com/nonprofit/cbm-germany, Plan: http://helpedia.org/ organisationen/plan. Fundstellen Twitter, Zugriffe unter http://Twitter.com/Kindernothilfe, http://Twitter.com/AWOHdh,, http://Twitter.com/Nabu_de. Fundstellen Soziale Netzwerke, Zugriffe unter http://www.facebook.com/roteskreuz, Deutsche AIDS Hilfe: http://www.facebook.com/group.php?v=wall&gid=59370489864, WWF: http://www.facebook. com/pages/WWF-Deutschland/218786540044 /. Initiative D21 e.V./ TNS Infratest Holding (Hrsg.): (N)ONLINER Atlas 2009, S. 12. Initiative D21 e.V./ TNS Infratest Holding (Hrsg.): (N)ONLINER Atlas 2009, S. 14. Reichenbach, T. (2009): Online-Fundraising-Trends 2010, in: fundraiser-magazin.de, Ausgabe Herbst 2009. Reichenbach, T. (2009): Online-Fundraising: Instrumente, Erfolgsfaktoren, Trends, 2009, eBook, Zugriff unter: http://www.online-fundraising.org. 
 310 26 Christina Müller und Lisa Schmees Tue Gutes und rede darüber: PR kann mehr ChristinaȱMüllerȱundȱLisaȱSchmeesȱ Ungefähr 20.000 Public-Relations-Fachleute arbeiten in Deutschland. Sie erdenken Konzepte und Strategien, bringen Tastaturen und Telefone zum Glühen und polieren Images auf Hochglanz. Sie wollen vor allem eins: ihre Organisation zum Leuchten bringen und die Öffentlichkeit für ihre Themen gewinnen. Die „Dunkelziffer“ an PR-Personal liegt aber vermutlich immens höher. In Institutionen, im Industriebereich und in der Politik ist PR seit Langem Teil der Kommunikationsstrategie. Doch ohne den Dialog mit der Öffentlichkeit, die Pflege von Kontakten zu Multiplikatoren – wie beispielsweise den Medien – hat heute kaum noch jemand eine Chance, im Wettbewerb um die Aufmerksamkeit und Gunst der Bevölkerung wahrgenommen zu werden. Dies haben zunehmend auch die kleinen und mittelständischen Unternehmen, Organisationen und Vereine erkannt. Nicht nur bekannte Akteure wie Greenpeace, UNICEF oder das Deutsche Rote Kreuz beschäftigen heute Kommunikationsfachkräfte, auch kleinere Hilfsorganisationen, Vereine und Stiftungen müssen sich professionell aufstellen, wollen sie Unterstützer für ihre Anliegen gewinnen. Gerade im Non-Profit-Bereich beschäftigt sich eine ständig wachsende Klientel meist nebenamtlich mit Kommunikation – Tendenz steigend. Sei es ein Jugendobmann im lokalen Sportverein, der den Lokalsport-Redakteur zum nächsten Spiel der Herrenmannschaft einlädt, oder die Vorstandsvorsitzende einer Stiftung, die zwischen der Organisation von Weihnachtsfeiern für einsame Menschen noch den Bürgermeister und die Journalistin mit Hintergrundinformationen zum Thema „Würdevoll leben im Alter“ versorgt – genau diese oft zeitintensiven Aktivitäten tragen wesentlich zum Erfolg bei. „Tue Gutes und rede darüber“, lautete einst der Leitspruch der Public Relations. Heute kann PR viel mehr für eine Organisation leisten als das Reden und Schreiben über die gute Sache. PR-Menschen wirken auch intern durch Information und Transparenz auf die Identifikation und das Selbstverständnis der Mitarbeiter oder Vereinsmitglieder. Denn nur ein einheitliches Verständnis von den Zielen und Anliegen der Organisation sowie ihrer Möglichkeiten schafft Qualität in der Arbeit und Glaubwürdigkeit in der Öffentlichkeit. Die Botschaft muss einfach und verständlich sein, das Erscheinungsbild den Inhalt angemessen so zum Ausdruck bringen, dass Absender und Anliegen positiv in den Köpfen hängen bleiben.
Tue Gutes und rede darüber: PR kann mehr 26.1 311 Wissen, wo die Reise hingeht: Leitbild und Corporate Identity Ein eindeutiges Profil und eine klare Positionierung sind wichtig, denn gerade im sozialen Bereich buhlen viele Organisationen um Medienaufmerksamkeit und Spendengelder. Der erste Schritt auf dem Weg zum professionellen Auftritt ist daher die Beschäftigung mit sich selbst. Corporate Identity (CI) ist längst kein Zauberwort mehr. Gemeint ist die strategisch geplante Einheit und Geschlossenheit der Selbstdarstellung einer Organisation. Eine Maßgabe, die sich durch alle Organisationsbereiche zieht: Vom Verhalten der Mitarbeiter und Ehrenamtlichen (Corporate Behaviour), über die gelebte Organisationskultur (Corporate Culture) bis hin zur Wahl passender Kommunikationsinstrumente (Corporate Communications) und schließlich dem Erscheinungsbild der Organisation (Corporate Design). Kernaufgabe ist zunächst, den jeweiligen Daseinszweck zur Marke zu gewichten. Beispiele für etablierte gemeinnützige „Markenorganisationen“ sind Greenpeace, Brot für die Welt oder amnesty international. Doch auch auf Stadt- oder Stadtteilebene kann sich eine Initiative oder Organisation ihren Namen machen und so Mitglieder, Unterstützer und Spender langfristig an sich binden. 26.1.1 Leitbild „Wer das Ziel nicht weiß, kann den Weg nicht haben“, schrieb der Dichter Christian Morgenstern. Bevor der erste Spendenbrief versandt, das erste Pressegespräch geplant wird, sollte zunächst ein Leitbild als fassbares Kernstück der Identität der Organisation entwickelt werden. Das vereinfacht die einheitliche Äußerung aller Beteiligten über den selbst gesteckten Auftrag und schafft nach innen und nach außen Transparenz und Orientierung darüber, wo die Reise hingehen soll. Letztlich muss sich die Organisation an diesen definierten Zielen messen lassen, weshalb sie realistisch sein sollten. Zu einem Leitbild gehören Aussagen über ႑dieȱMission (Organisationszweck): Was sind Aufgabe und Auftrag der Organisation? Welchen Werten und Grundsätzen fühlt sie sich verpflichtet? ႑dieȱVision: Welche Ziele verfolgt sie? ႑dieȱVorgehensweise: Welche Mittel benutzt sie, um ihre Ziele zu erreichen? Was bietet sie konkret an? ႑dieȱMethoden: Welchen Umgang pflegt sie mit Mitgliedern, Förderern und Freiwilligen? ႑dieȱPositionierungȱamȱMarkt: Was macht die Organisation einzigartig, unterscheidet sie von anderen? Schriftlich fixiert dienen die Antworten als Leitplanken auf dem Weg zu professionellen Sponsoring- und Kommunikationskonzepten. Idealerweise schafft ein klares Leitbild intern mehr Verantwortungsbereitschaft, verbessert den Zusammenhalt und lenkt das
312 Christina Müller und Lisa Schmees selbstständige kreative Tun in eine gemeinsame Richtung mit vereinbarten Spielregeln und Werten. So half beispielsweise bei der eingangs erwähnten Stiftung die Schriftfassung bei der Klärung eines internen Konfliktes: Als Stiftungszweck hatten die Stifter festgalten „Wir kümmern uns um alte Menschen für ein würdevolles Leben.“ Als ein Vorstandsmitglied die Idee hatte, ein Schulprojekt zum Thema zu starten, konnten sich die Mitglieder durch das gemeinsame Leitbild und mit Blick auf die geringen personellen Ressourcen auf den vereinbarten Schwerpunkt einigen, sich zunächst um die alten Menschen selbst zu kümmern, beispielsweise durch organisierte Weihnachtsfeiern. Nach außen profiliert die Corporate Identity die Organisation gegenüber der Gesellschaft und den Bezugsgruppen, schafft also ein klar definiertes Markenbild. Das unverwechselbare Image soll der Organisation helfen, aus der Anonymität zu treten, Vertrauen und Sympathie zu erlangen. Für die PR-Arbeit stellt die Organisationsidentität die Grundlage der Kommunikation nach außen dar. So ist das Besondere der bereits erwähnten Stiftung, dass sie in allen Stadtteilen Weihnachtsfeiern organisiert und jährlich einen Preis für ehrenamtliches Engagement für alte, einsame Menschen vergibt. Diese Aktivitäten bleiben in den Köpfen, man erinnert sich positiv. Tipp: Viele Organisationen geben über ihr Leitbild im Internet Auskunft (Menüpunkt „Über uns“, „Selbstverständnis“, „Philosophie“). Ein Blick auf die Seiten ähnlicher oder konkurrierender Organisationen vermittelt einen Eindruck, wie ein Leitbild aussehen kann. 26.1.2 Corporate Design Ein einheitlicher visueller Auftritt auf allen Kommunikationsmedien ist neben dem Leitbild ein wichtiger Teil der Organisationsidentität. Ob Kindergarten, Sportverein oder kirchliche Einrichtung, ein einheitliches Erscheinungsbild stützt die Wiedererkennung, die Erinnerung an die Organisation, ihren Zweck oder an ein Projekt. Auf einen Blick wird der Absender klar. Im Corporate Design sind das Logo, Schriftart, Papierart und Farben festgelegt. Vorlagen für den Schriftverkehr, Präsentationen, Flyer und Broschüren erleichtern die Anwendung der Gestaltungsrichtlinien. Ein Corporate Design sollte auf Dauer angelegt und auch auf digitale Kommunikationsmedien (Website) anwendbar sein. „Nur durch die Wiederholung und Nutzung der visuellen Elemente des Corporate Designs wird Wiedererkennbarkeit kreiert“, so Detlef Rahe, Professor für 3-D-Design und Leiter des Instituts für Integriertes Design an der Hochschule Bremen.1   1 Hoffmann, B./Müller, C. (2008), S. 179.
Tue Gutes und rede darüber: PR kann mehr 26.2 313 Mehr als ein Fahrplan: Kommunikations- und Fundraising-Konzepte Soziale und kulturelle Ziele und Anliegen brauchen öffentlichkeitswirksame Maßnahmen, um Einstellungen zu verändern oder Ideen in den Köpfen der Adressaten zu verankern. Ein detaillierter, nachvollziehbarer Fahrplan ist ausschlaggebend für den Erfolg. Das gilt sowohl für eine punktuelle Aktion wie für ein langfristiges Engagement. Das Fundraising-Konzept ist meist Teil des Kommunikationskonzeptes. Den Weg zu einem passenden Plan findet man über die folgenden Schritte: 1. Schritt: Wen wollen wir für was gewinnen? ႑Zielgruppenbestimmung: Welche Personengruppen und Milieus sind für das Vorhaben wichtig? ႑Zielsetzung: Was soll die Zielgruppe tun (eine Geldsumme X spenden, Freiwilligenar- beit leisten, Fördermitglied werden)? Sollen die Adressaten für ein Problem sensibilisiert werden, sollen sie im Nachhinein etwas wissen? Wie sähe ein messbarer Erfolg der Aktion aus (Einwerbung einer bestimmten Summe, Finanzierung eines konkreten Projekts)? ႑Zielgruppenanalyse: Wie verhalten sich die Adressaten? Was wissen sie über die zu kommunizierenden Inhalte? Warum spendet die Zielgruppe nicht? Was hindert sie bisher, ähnliche Projekte zu unterstützen? Wie informieren diese Menschen sich (Medien, Interaktion, Plakate)? 2. Schritt: Mit welchen Chancen und Risiken haben wir es zu tun? ႑Situationsanalyse: Welche Stärken hat die Organisation und wie können sie besser genutzt werden? Welche Schwächen hat die Organisation, wie können sie minimiert werden? Welche internen und externen Chancen bestehen, wie können sie genutzt werden? Welche möglichen Risiken müssen kalkuliert werden? ႑Erfahrungswerte: Welche Aktionen waren besonders erfolgreich und warum? Welche nicht und warum? Können Elemente adaptiert werden? 3. Schritt: Wie kommen wir dorthin? ႑Strategie: Wie soll sich die Zielgruppe konkret verhalten? Was kann man dafür tun, dass sie das gewünschte Verhalten zeigt (eine angenehme Atmosphäre schaffen, aufrütteln, informieren)? Wie kann das Verhalten positiv unterstützt werden (Würdigung auf einer Spendertafel, Einladung zu einer Feier, Werbegeschenke)? ႑Zielerreichung:ȱWelche Botschaft soll den Adressaten mit welchen Maßnahmen kommuniziert werden (Druck einer Info-Broschüre, Mailing an ehemalige Spender, Planung eines Events)?
314 Christina Müller und Lisa Schmees ႑Lokalisierung:ȱWo erreiche ich den Adressaten (Internet, persönlicher Kontakt, Zei- tung)? Wo soll er sich anders verhalten? Wo ist er für die Botschaft besonders empfänglich? Tipp: Am schnellsten geht es und am meisten Spaß macht es, wenn Kollegen, Mitarbeiter oder Mitglieder in die Entwicklung von Kommunikationsideen einbezogen werden. Das motiviert einerseits, die Strategie mitzutragen, vergrößert andererseits das kreative Potenzial und eröffnet nicht selten neue Perspektiven für die Unternehmung. So setzen sich beispielsweise die Mitglieder einer Produzentengalerie einen Tag lang mit professioneller Unterstützung zusammen und erarbeiten eine Strategie für die nächsten drei Jahre. Auch der Vorstand eines Freundeskreises entwickelt eine neue Beitrags- und Angebotsstruktur, in dem man sich in die Interessen der Mitglieder hinein versetzt. Neue Angebote und Events entstehen, gleichzeitig werden Aufgaben entsprechend der im Vorstand vertretenen Stärken neu verteilt. Nachfragen im Bekanntenkreis hilft, die nötige Unterstützung für diese Vorgehensweise zu finden: Meist gibt es im Umfeld Menschen, die einen solchen Workshop professionell und zielgerichtet moderieren können und Spaß daran haben, dies für einen guten Zweck zu tun. 4. Schritt: Wie können wir den Erfolg kontrollieren? ႑Evaluation:ȱWie kann ich den Erfolg überprüfen (Erreichung einer Summe, Gewinnung 50 neuer Mitglieder, Presseresonanz)? ႑Budgetfrageȱklären: Wie hoch ist das verfügbare Budget? Können weitere Ressourcen (Ehrenamtliche, Sponsoren, Fördermittel, Medien- oder CSR-Kooperationen) erschlossen werden? ႑MaßnahmenȬȱundȱZeitplanȱerstellen: Welche Schritte stehen an? Wer übernimmt welche Aufgaben? Wie sind die Kommunikationswege? Wer muss sich mit wem abstimmen? Tipp: Je konkreter die einzelnen Schritte des Konzepts gefasst sind, desto leichter fällt deren Umsetzung. Gewünschte Sponsoren, einzuwerbende Geldsummen und Adressaten können konkret benannt werden. Das Konzept ist zunächst für die interne Orientierung gedacht, kann daher auch heikle Themen und den Umgang damit beinhalten. Für die Adressaten gibt es eine individuelle, abgespeckte Version mit den für die Zielgruppe wichtigen Informationen. 26.3 Was eignet sich? Möglichkeiten der PR Sind die Inhalte klar, alle zuständigen Personen informiert, beginnt die Umsetzung der erdachten Strategie. Einige Beispiele für Maßnahmen fördert der Blick in den Werkzeugkoffer zutage.
Tue Gutes und rede darüber: PR kann mehr 315 Garantierte Qualität: Das Spendensiegel „So wie ein Unternehmen von seinem Profit lebt, ist Basis einer NGO ihre Glaubwürdigkeit“, formuliert Günter Lutschinger, ehemaliger Geschäftsführer des WWF Österreich den Kern der Öffentlichkeitsarbeit gemeinnütziger Organisationen.2 Förderern, Partnern oder Pressevertretern ein glaubwürdiges und transparentes Bild der Organisation zu vermitteln ist die wichtigste Aufgabe der PR-Verantwortlichen. Beim Schritt in die Öffentlichkeit gilt es, den Eindruck zu vermeiden, dass Spendengelder nicht dem eigentlichen Zweck, sondern lediglich kostspieligen PR-Aktionen zugute kommen. Eine Orientierungshilfe für Unternehmen, die nach zur eigenen Identität passenden Projekten suchen, ist das Spendensiegel des Deutschen Zentralinstituts für soziale Fragen/DZI. Es garantiert, dass die Spenden „nachprüfbar, sparsam und satzungsgemäß“3 verwendet werden. Nach den Kriterien des DZI sind Werbe- und Verwaltungsausgaben von zehn bis 20 Prozent der Gesamtausgaben angemessen, 20 bis 30 Prozent vertretbar. Das Spendensiegel muss jedes Jahr neu beantragt werden. Im Jahr 2008 trugen 236 Organisationen das Spendensiegel. Informationen dazu sind auf der Homepage des DZI zusammengestellt: www.dzi.de. 26.4 Den richtigen Partner finden: Kooperation und Sponsoring Das Musikfest Bremen wird seit 20 Jahren mit der Unterstützung zahlreicher Sponsoren veranstaltet, darunter Banken, Lebensmittelkonzerne, Energieversorger, Auto- und Hightechkonzerne. Jeder Sponsor steht exklusiv Pate für ein Konzert in der Metropolregion Bremen/Oldenburg. Die Sponsorenwerbung und -betreuung ist Chefsache, der Intendant hält den Kontakt zur Führungsetage. Ein Einsatz, der sich auszahlt: Es sind langfristige Beziehungen entstanden, 50 Prozent des Festivaletats werden durch die Sponsoren bestritten. Der Oldenburger Energieversorger EWE beispielsweise ist seit 2001 dabei. „Die finanzielle Seite ist natürlich notwendig, entscheidend ist aber etwas ganz anderes: Dass sich Menschen inhaltlich für eine Sache erwärmen“, sagt der EWE-Vorstandsvorsitzende Werner Brinker.4 Förderer und Sponsoren möchten in den seltensten Fällen als reine Geldgeber in Erscheinung treten, es ist ihnen wichtig, dass auch die inhaltliche Überzeugung vom gemeinsamen Projekt kommuniziert wird. Finanzielle Vorteile stehen für das Engagement der EWE nicht unbedingt im Vordergrund: „Wir verstehen uns ja nicht nur als Energieversorgungsunternehmen sondern haben auch eine klare Auffassung, dass wir eine Verantwortung für unsere Region übernehmen müssen. Und zwar im sozialen, sportlichen und kulturellen Bereich“, so Brinker.5   2 Lutschinger, G. (2004), S. 162. 3 Zugriff unter http://dzi.de/downloads/Was-kommt-von-der-Spende-an.pdf 4 Marzulf, A. (2009), S. 3. Marzulf, A. (2009), S. 3. 5
316 Christina Müller und Lisa Schmees Wichtig: Nicht jedes Wirtschaftsunternehmen und jedes Anliegen eignen sich für Kooperationen. Glaubwürdigkeit und Authentizität sollten auf beiden Seiten bei der Partnerwahl entscheidungsleitend sein. Bei der Suche nach Sponsoren oder Stiftungsgeldern hilft der Blick in die Satzungen der Stiftungen, einsehbar zum Beispiel über eine regionale Stiftungsbroschüre, erhältlich bei der Kommune, oder auf die Homepage von Unternehmen, die sich in ihrem eigenen Leitbild/Philosophie häufig auch zu ihrem gesellschaftlichen Engagement äußern. ȱ Folgende Überlegungen helfen bei der Partnersuche: ႑Nutzen: Was haben Förderer davon, sich für das Projekt zu engagieren? ႑Kommunikation: Haben wir eine griffige Botschaft, ein pfiffiges Motto, einen glaubwürdigen Slogan? ႑Ziel: Was soll durch den Sponsor erreicht oder gesichert werden? Wer ist auf diesem Gebiet besonders profiliert? ႑Publikum: Wer ist unsere Zielgruppe? Wer hat ähnliche Zielgruppen im Blick? ႑Motive: Was bewegt unsere Zielgruppe, was interessiert sie? 26.5 Schätze heben mit Konzept Und: „Ein gutes Konzept zeigt auf, wie das Unternehmen glaubwürdig und innovativ in das Projekt eingebunden werden kann. Die Gegenleistungen müssen verlockend sein. Die Erwähnung in der Sponsoring-Leiste und in der Pressemitteilung wirken wenig motivierend. Da müssen schon andere Ideen her“, erklärt Rolf Sauerbier, ehemaliger PR-Leiter von Kraft Foods.6 Das kann zum Beispiel ein exklusives Event nur für Gäste des Sponsors oder ein Stand des Partners auf einer Veranstaltung sein. Ein Beispiel aus der Praxis: Zum alljährlichen Klassik-Open-Air „Sommer in Lesmona“ legt Die Deutsche Kammerphilharmonie Bremen potenziellen Unterstützern ein detailliertes Sponsoring-Konzept vor. Einleitend wird das Festival vorgestellt: ein stimmiges Gesamtkonzept für vielseitig interessierte Besucherschichten, ein liebevoll gestaltetes Familienprogramm, ein durchdachtes Marketingkonzept, bekannte Gastmusiker und die konsequente Einbindung der Sponsoren. Auch zum Thema „Nutzen für den Sponsor“ äußert sich die Kammerphilharmonie: Der Partner profitiert von der Verbindung zu einem kulturellen Sommerhighlight und einem weltbekannten Kammerorchester (Imagetransfer), Kundenbindung und Mitarbeitermotivation (Ehrenkarten für Sponsoren), Presseaufmerksamkeit, „Get Together“ in einem eigenen Festzelt und Engagement für den Standort Bremen.   6 Hoffmann, B./Müller, C. (2008), S. 225.
Tue Gutes und rede darüber: PR kann mehr 317 Die Gegenleistungen sind nach Höhe der Fördersumme in einem Katalog gestaffelt. Dieser dient als Orientierungsrahmen und wird im Einzelfall gerne angepasst: „Bitte betrachten Sie daher unsere Sponsoring-Vorschläge als Einladung zum Dialog und sprechen Sie uns an!“ heißt es im Begleitbrief zum Konzept. Tabelle 1 Beispiel eines Sponsoring-Leistungskataloges für das Klassik Open Air Sommer in Lesmona 20037 Leistungskatalog FestivalȬ sponsoring KonzertȬ präsentation PartnerȬ schaft Basicȱȱ Sponsoring Betrag 100.000 Euro zw. 12.500 und 35.000 Euro 15.000 Euro 8.000 Euro Platzierung des Logos alle Konzerte konzertbezogen klein klein Erwähnung in Pressekonferenzen und -mitteilungen exklusiv konzertbezogen Logo und „Partner von SiL“ nein Grußwort in der Festivalzeitung exklusiv konzertbezogen nein nein Präsenz auf dem Festivalgelände prominent wähkonzertbezogen rend des Festivals Über 3 Tage, kleiner als 2 klein Werbenutzung des Festivals exklusiv ja ja nein Ehrenkarten 400 100 50 50 Empfang möglich ja ja ja ja Programmeinführung Ja ja ja ja   7 Hoffmann, B./Müller, C. (2008), S. 230.
318 Christina Müller und Lisa Schmees Ganz gleich, ob es sich um eine punktuelle Unterstützung oder eine längerfristige Partnerschaft handelt, ein überzeugendes Sponsoringkonzept sollte stets die in der Checkliste genannten Punkte beinhalten. Checkliste Sponsoringkonzept8 ႑das genaue Ziel ႑die anvisierten Zielgruppen ႑die Botschaften ႑die zentralen Inhalte, das Besondere ႑den Zeitrahmen und eine Ablaufplanung ႑die Höhe der anvisierten Fördermittel ႑die Form der erhofften Unterstützung (Sach- oder Geldleistungen, Personal) ႑die geplanten Maßnahmen ႑den Nutzen für den Sponsor Firmen und Stiftungen unterstützen selten Organisationen als Ganzes, daher empfiehlt sich zunächst eine Zusammenarbeit im Rahmen eines Projekts. Dies ist zeitlich und finanziell überschaubar und kann nach Abschluss auf ihren Erfolg geprüft werden. Ist das Ergebnis für alle Seiten zufriedenstellend, so kann es auch zu einer längerfristigen Zusammenarbeit kommen. Tipp: Zwischen September und November entscheiden die meisten Firmen über die Förderungsbudgets. Wer sich rechtzeitig über die Vergaberegeln potenzieller Förderer informiert, ist hier im Vorteil. Persönliche Kontakte können bei der Einreichung des Konzepts helfen, die Tür zu öffnen. Fehlen diese, sollte zumindest ein gezieltes Anschreiben die Sponsoringanfrage begleiten. Wie in einem Bewerbungsgespräch entscheidet eine gute Vorbereitung und Kenntnis der Sponsoringaktivitäten über Zusage oder Ablehnung. Kommt eine Zusage zustande, helfen Absprachen über die Zusammenarbeit, den Grad der Förderung und die Aktionen der Öffentlichkeitsarbeit eventuelle Enttäuschungen zu vermeiden. Ganz gleich, in welcher Höhe, Vereinbarungen sollten vertraglich geregelt oder schriftlich fixiert werden. Sponsoringpartner freuen sich, wenn sie ernst genommen werden. Während der Projektlaufzeit pflegen Zwischenberichte und Informationen über den Stand des Projekts die gute Beziehung zum Sponsor. Nach dem Projekt wird der Sponsor für die Unterstützung ge-   8 Hoffmann, B./Müller, C. (2005), S. 75.
Tue Gutes und rede darüber: PR kann mehr 319 würdigt, beispielsweise durch ein Dankeswort in einer geförderten Publikation oder einen Verweis in der Einladung zu einer geförderten Veranstaltung. Ein zufriedener Förderer unterstützt vielleicht auch das nächste Projekt. Einen Sponsor zu behalten ist einfacher, als einen neuen zu gewinnen. 26.5.1 Mehrwert für beide Seiten: Medienkooperationen Eine besondere Form der Zusammenarbeit ist die Medienkooperation. Von dieser Zusammenarbeit verspricht man sich, Kosten für Werbung zu sparen und Image und Aufmerksamkeit zu gewinnen. Eine gründliche Vorbereitung ist von Vorteil, wenn man einen Verlag zur Kooperation bewegen will. Auch hier muss klar sein: Was soll mit der Kooperation erreicht werden? Was nützt wem? Wer ist zuständig? Was ist möglich? Medienkooperationen sind Angelegenheit der Marketingabteilung. Manche Redaktionen reagieren verärgert, wenn sie auf Medienkooperationen angesprochen werden. Außerdem ist zu beachten: Offiziell hat eine kooperierende Organisation kein Recht auf redaktionelle Berücksichtigung. Dennoch wird in den meisten Fällen über das Projekt oder die Aktion berichtet. Zunächst bezieht sich eine Medienkooperation auf gegenseitige Präsenz. Das Logo des Mediums taucht in Programmheften, Informationsbroschüren, Pressemitteilungen und sonstigen Kommunikationsmedien auf. Bei Veranstaltungen kann das Medium als Mitveranstalter oder mit einem Infostand präsent sein. Im Gegenzug erhält der Partner meist Werberaum im entsprechenden Gegenwert, je nach Absprache kostenfrei oder zu einem Sonderpreis. Hörfunk- und Printmedien reagieren unterschiedlich auf Kooperationsanfragen. Je näher das Projekt an der eigenen Zielgruppe ist, desto besser stehen die Chancen für eine Einigung. Grundsätzlich gilt es, die Kooperationsanfrage mit spannenden Ideen und Themen für das Medium zu begleiten und sich serviceorientiert zu zeigen. 26.5.2 Mit Schirm, Charme und Melone: Paten gewinnen Schirmherrschaften sind gerade im sozialen und kulturellen Sektor ein beliebtes Mittel, um Aufmerksamkeit und Sympathie zu generieren. Wenn bekannte Gesichter aus Kultur, Wirtschaft, Politik oder Sport kommen, um ein Projekt zu adeln, folgt ihnen meist bereitwillig ein Tross Journalisten. Der Promibonus verspricht reichlich Presseresonanz, die Wahl sollte jedoch gut überlegt und auf die Zukunft ausgerichtet sein. Denn auch Prominente sind nicht unfehlbar und können im schlechtesten Fall dem Projekt mehr schaden als nützen.
320 Christina Müller und Lisa Schmees In jedem Fall sollten im Vorhinein geprüft werden, ob bestimmte Richtlinien für Schirmherrschaften bestehen und welche Aufgaben auf den Prominenten zukommen. Ist die Teilnahme an Aktionen gewünscht oder reicht ein Grußwort? Die Bitte um eine Schirmherrschaft sollte von Vertrauten an die gewünschte Person herangetragen werden.9 26.6 Das tägliche Brot: Presse- und Medienarbeit Ohne Öffentlichkeit keine Aufmerksamkeit: Medienarbeit zählt nach wie vor zu den Kernelementen der PR. Journalisten sind wichtige Multiplikatoren, daher ist die Pflege guter, persönlicher Beziehungen zu Pressevertretern ratsam. Für PR-Kräfte heißt dies vor allem, für Nachfragen jederzeit verfügbar zu sein und verbindlich gegenüber Redakteuren aufzutreten. Dass die Kontaktdaten der Presseverantwortlichen auf der Organisationshomepage vollständig angegeben werden, sollte selbstverständlich sein. Gute Erreichbarkeit ist das A und O. Journalisten lassen sich ungern vor „einen Karren“ spannen – egal, ob es um Gemeinwohl oder Einzelinteressen geht. Die gute Sache allein reicht heute oft nicht mehr, um wohlwollende Presse und Aufmerksamkeit zu generieren. Wichtig ist es daher, sich vor der Ansprache ein Bild vom anvisierten Medium zu machen: Wie ist es aufgebaut? Welche Themen gibt es? Welches Publikum bedient das Medium? Was könnte dieses Publikum interessieren? 26.6.1 Wissen, wie Redaktionen ticken: der Aufhänger Für die Suche nach Themen und Anlässen zur Berichterstattung ist es hilfreich, ein journalistisches Gespür zu entwickeln. Eine Nachricht hat dann die besten Chancen, im hektischen Redaktionsalltag nicht unterzugehen, wenn sie eine (oder besser mehrere) der folgenden Kriterien erfüllt.10 1. Neu. Zum Beispiel ein Verein hat sich einem bundesweiten/internationalen Netzwerk angeschlossen. Es gibt eine neue Jugendgruppe. 2. Aktuell. Das kann eine Veranstaltungsankündigung sein, aber auch ein bundesweiter Jahresgedenktag („Tag des Kindes“, „Weltfrauentag“). 3. Wichtig. Hier geht es um den Service am Leser, wie die Mitteilung geänderter Beratungszeiten, Schließung während der Ferien oder neue rechtliche Entwicklungen. 4. Interessant. Selbstverständlich findet nicht nur Hochaktuelles den Weg in die Nachrichten. Auch Kurioses oder Unterhaltsames, Überraschendes oder Anrührendes hat Platz   9 siehe Brömmling, U. (2007), S. 49 f. 10 Hoffmann, B./Müller, C. (2008), S. 134.
Tue Gutes und rede darüber: PR kann mehr 321 im Weltgeschehen. Beispiel: Im Tierheim ist ein exotisches Tier abgegeben worden. Es gibt eine Erfolgsgeschichte zu erzählen oder ungewöhnlichen Besuch aus Übersee. Geschichten brauchen gerade dann ein Gesicht, wenn es darum geht, den Nachahmungscharakter von finanziellen oder freiwilligen Engagements zu unterstreichen. Testimonials zum Beispiel prominenter Fürsprecher für ein Projekt oder ein ehrenamtliches Engagement funktionieren in zwei Richtungen: Rezipienten nehmen sie die Hemmschwelle, selbst aktiv zu werden. Journalisten erhalten eine konkrete Geschichte, die „menschelt“. Etwa: Ein Journalist begleitet freiwillige Sanitäter beim Einsatz auf einem Musikfestival. Auch mit einem Expertenstatement können gemeinnützige Organisationen auf aktuelle Themen reagieren (Agenda Surfing) und in der öffentlichen Diskussion Position beziehen. So veröffentlichte Die Deutsche Seemannsmission eine Stellungnahme zu den Piratenüberfällen auf deutsche Schiffe: „Seemannsmission erleichtert über Freilassung der HANSA STAVANGER-Crew“. Weiterhin wird in der Meldung darauf eingegangen, wie Seeleute ihre traumatischen Erlebnisse verarbeiten können. Die notwendige Seelsorge und psychologische Betreuung leistet die Seemannsmission im Rahmen des Aktionsprogramms „Piraten: Bedrohung auf hoher See“, Spendengelder sind erwünscht. Gerade kleinere Vereine oder Initiativen können leicht einen lokalen Bezug herstellen, ein Thema „runterbrechen“, wie Journalisten sagen. Zum Thema „Übergewicht bei Kindern“ bezieht beispielsweise der Vorsitzende eines Sportvereins Stellung und gibt Hinweise auf Bewegungsangebote für Kinder. Oder: Ein Umweltschutz-Verein nimmt zu einem Lebensmittelskandal Stellung und lädt auf einen Biohof ein. 26.6.2 Weg mit der Gießkanne: der Presseverteiler Gut gepflegte und aktuelle Verteiler sind das Herzstück jedes PR-Projekts. Dort finden sich die Adressen von Agenturen, Redaktionen mit den jeweiligen Ansprechpartnern und Ressorts, freie Journalisten und wichtige Multiplikatoren. Bei der Recherche kann man verschiedene Wege beschreiten: Lokal helfen oft die Pressestellen der Kommunen weiter. Hier kann man nach einer Medienliste fragen. Wenn es um ein größeres Einzugsgebiet geht oder Fachpublikationen gefragt sind, bieten spezialisierte Datenbanken (zum Beispiel news aktuell, Zimpel, Oeckl) eine aktuelle Übersicht über Redaktionsadressen und Ansprechpartner über gezielte Suchfunktionen. Auch wer mit offenen Augen dem Zeitschriftenkiosk besucht, findet nicht selten neue Anregungen, wer noch in den Verteiler aufzunehmen ist. Bevor eine Redaktion in den Verteiler aufgenommen wird, lohnt sich ein Anruf, um die Namen der richtigen Ansprechpartner herauszufinden, die erste Kontaktaufnahme persönlich zu gestalten und die Präferenzen der Redaktion abzuklopfen. Wann passen welche Themen, in welcher Form sind Presseinformationen gewünscht? Das Gießkannenprinzip – alle werden nass, ob sie es wollen oder nicht – hat in der Pressearbeit ausgedient: Wer einen Verteiler zusammenstellt, sollte überlegen, in welcher Redaktion, welchem Ressort die Nachricht am besten aufgehoben ist. Eine Meldung über eine geplante Kunstausstellung hat im Kulturressort genauso Platz wie im Lokalen. Über eine
322 Christina Müller und Lisa Schmees Weihnachtsfeier in einem bestimmten Stadtteil informiert man am besten die zuständige Lokalredaktion bzw. die für den Stadtteil zuständige Redakteurin. Auch das Format des jeweiligen Mediums ist zu beachten. Für Berichte benötigen Tageszeitungen aussagestarke Fotos. Radioredakteure brauchen Menschen, die bereit sind, sich am Mikrofon zu äußern, und Fernsehleute ansprechende, bewegte Bilder. Sinnvoll ist daher, die Medien im Verteiler nach Verbreitungstechnik (Print, Hörfunk, TV, Internet), Erscheinungsrhythmus (vierteljährlich, monatlich, wöchentlich, täglich), Reichweite (lokal, regional, überregional, international) und thematischer Ausrichtung (Fachmedium, Zeitungsressort, Boulevard) zu sortieren. Darüber hinaus können überregional relevante Pressemeldungen und -fotos auf speziellen Onlineportalen eingestellt werden: Zugriff unter: www.openpr.de, www.dailynet.de oder www.deutschepresse.de. 26.6.3 Pressemitteilungen schreiben, aber richtig! Täglich landet eine Flut von Pressemitteilungen auf den Schreibtischen der Redaktionen. Meist geschieht dies heute per Mail oder per Post. Im Idealfall erleichtert sie den Redakteuren die Recherche, animiert sie zum Nachfragen oder gelangt unverändert ins Medium. Im Regelfall allerdings landet ein Großteil aller Pressemitteilungen ungelesen im Papierkorb. Das gilt auch für Projekte, die für das Medium spannend sein könnten. Unverständlich, nebulös, kein eindeutiger Nachrichtenkern, reine Eigenwerbung, Sprachschrott, Worthülsen – viele Pressemitteilungen verletzten journalistische Standards und kosten beide Seiten Zeit und Nerven. Insbesondere Zeit haben Redaktionen immer weniger. Einige Grundregeln erhöhen die Chance, wahrgenommen zu werden: ႑DasȱWichtigsteȱzuerst:ȱSindȱalleȱWȬFragenȱmitȱdenȱerstenȱSätzenȱbeantwortet?ȱ In den ersten Sätzen sollten die berühmten sechs W-Fragen beantwortet werden: Was tut wer, wann, wo, wie und warum? Ebenso wie journalistische Texte folgt der Aufbau einer gelungenen Pressemitteilung dem Prinzip der „umgekehrten Pyramide“. Die Dichte der Information ist zu Textbeginn hoch und nimmt zum Ende hin weiter ab. Ein solcher Aufbau erleichtert im Redaktionsalltag das Kürzen der Texte, sodass sie in das vorgegebene Layout passen. Zum Beispiel: „Über Möglichkeiten und Grenzen minimal-invasiver Chirurgie informieren am 30. September 2009 ab 18 Uhr die Chefärzte der Roland-Klinik. In jeweils zehnminütigen Vorträgen berichten die Chefärzte der vier Fachzentren der Klinik am Werdersee über die Chancen der sogenannten Knopfloch-Chirurgie. Im Anschluss geben die Ärzte die Möglichkeit, offen gebliebene Fragen in einer moderierten Fragerunde zu klären.“ ႑IstȱdieȱMitteilungȱfolgerichtigȱaufgebautȱundȱnachvollziehbarȱgeschrieben?ȱ Der gedankliche Aufbau eines Pressetextes muss für den Leser nachvollziehbar sein. Gedankliche Sprünge verwirren den Leser.
Tue Gutes und rede darüber: PR kann mehr 323 ႑Istȱsieȱprägnantȱundȱeinfachȱformuliert?ȱȱ Bandwurm- oder Schachtelsätze erschweren das Lesen und die Verständlichkeit eines Textes. Es empfiehlt sich, Sätze zu entzerren und lieber einen Punkt mehr zu setzen als einen zu wenig. Adjektive sind in Pressetexten sparsam zu verwenden. Auch auf organisationsinternen Slang und Fachsprache sollten Pressetexte möglichst verzichten. Ausnahmen bilden Texte für Fachmedien, deren Redakteure und Leser Experten sind. Sind Fachbegriffe unvermeidbar, müssen sie erklärt werden. ႑WirktȱdieȱMitteilungȱlebendig?ȱ Aktiv schreiben: Statt Substantiven lieber Verben verwenden. Wörtliche Zitate beleben den Text. Zitate müssen von den jeweiligen Urhebern gegengelesen und freigegeben werden. Werden Personen zitiert, sollte ein Hinweis auf die jeweilige Position nicht fehlen. Jedoch Vorsicht vor Geschwafel: Journalisten haben eine feine Nase für Verlautbarungen und Nullsätze! ႑SindȱalleȱFaktenȱkorrektȱwiedergegeben?ȱ Faktentreue und sachliche Richtigkeit sollten in allen Kommunikationsmedien selbstverständlich sein. Im Zweifelsfall können Experten, wie beispielsweise ein Technischer Leiter, die inhaltliche Richtigkeit von Aussagen prüfen. Auch Namen und Telefonnummer sollten auf Tippfehler überprüft werden. ႑KannȱeinȱBildȱdieȱMeldungȱstützen?ȱ Idealerweise transportieren Pressefotos den Inhalt der Information. Pfiffige Fotos, die Aktion, Bewegung oder Entstehung zeigen, sind dabei statischen Motiven vorzuziehen. Vorsicht: Alle Abdruckrechte müssen bei der Organisation liegen! ႑SindȱdieȱformalenȱAspekteȱberücksichtigt?ȱ ȭ ȭ ȭ ȭ ȭ ȭ Firmenpapier und Logo sorgen auf einen Blick für Wiedererkennung. Ist die Rechtschreibung korrekt? Sind die Kontaktdaten eines Ansprechpartners in der Organisation angegeben, der über das Thema der Pressemitteilung Auskunft geben kann? Ist die Mitteilung als pdf-Dokument angehängt und als Text im E-Mail-Feld? Ist der Betreff eindeutig? Alle Empfänger gehören im Sinne des Datenschutzes in das Feld „Blindkopie“ (BCC). 26.7 Mit Sahnehäubchen: Anlässe und Events Aufgabe der Öffentlichkeitsarbeit ist es, für ihre Organisation Aufmerksamkeit bei den Bezugsgruppen zu erregen und sich positiv ins Gespräch zu bringen. Events sind eine gute Möglichkeit, in direkten Kontakt zu treten. Eine gelungene Veranstaltung bleibt im Gedächtnis. Kreativität ist gefragt, wenn ein Event auch Journalisten begeistern soll. Routine-
324 Christina Müller und Lisa Schmees veranstaltungen wie Tage der offenen Tür sind für Journalisten „daily business“ und dementsprechend lieblos können die Berichte ausfallen. Durch ungewöhnliche Aktionen lassen sich auch eine Jubiläumsveranstaltung oder ein Spatenstich aufpeppen und zu einem Erlebnis machen. Klare Ziele sind wichtig: Sollen Informationen an ein Fachpublikum vermittelt werden, kommen Symposien, Podiumsdiskussionen oder Vortragsreihen in Frage. So veranstaltete das Nordbremer Netzwerk „Zu Hause Leben“ einen Bürgerkongress zum Thema „Leben im Alter“ unter der Schirmherrschaft des ehemaligen Bürgermeisters Henning Scherf, um mit Fachleuten, Medien und Betroffenen ins Gespräch zu kommen. Sollen wohlhabende Großspender aktiviert werden, eignet sich eher ein exklusives Dinner oder eine BenefizGala. Je nach Ziel und Ausrichtung kann eine Veranstaltung ႑Informationen vermitteln, ႑motivieren, ႑Unterstützung aktivieren, ႑Emotionen auslösen. 11 Einige Anregungen aus der Praxis: ႑Zum Weltstilltag lädt ein Geburtshaus eine prominente Befürworterin des Stillens ein. Im Foyer wird eine Ausstellung zum Thema installiert. Interessierte Frauen, Familien und Medien lernen das Haus kennen. ႑Für alle, denen an kalten Winternachmittagen die „Decke auf den Kopf“ fällt, stellt eine Stadtteilinitiative im Winter einen Familiennachmittag mit Spielen für Groß und Klein auf die Beine. ႑Eine Hochschule organisiert einen Karrieretag, bei dem sich Studierende und Personaler kennen lernen können und Bewerbungstipps geben. Begleitend halten Professoren und Alumni Fachvorträge. Den Studierenden eröffnen sich Karriereperspektiven, die Unternehmen stellen sich als attraktive Arbeitgeber dar, werden langfristige Partner. ႑Um Spenden für Schulobst zu gewinnen, organisiert eine Elterngruppe ein Show- Kochen mit einem prominenten Koch im Kindergarten. Die Kinder tragen Lieder über gesunde Ernährung vor. Eingeladen sind Eltern und Unternehmer aus der Nachbarschaft.   11 Hoffmann, B./Müller, C. (2008), S. 233.
Tue Gutes und rede darüber: PR kann mehr 325 Checkliste Eventplanug: ႑Was ist der Anlass bzw. der zu schaffende Anlass? ႑Welches Ziel soll mit der Veranstaltung erreicht werden (Spendengewinnung, Mitgliederwerbung)? ႑Wo soll das Event stattfinden? Die Location kann das Event positiv unterstützen. Eine Umweltorganisation könnte auf einen Biohof einladen, eine Kinderschutzgruppe in einen Kindergarten oder einen Spielplatz. ႑Gibt es einen vorgegebenen Zeitpunkt? Überschneidet sich der Termin mit anderen Großereignissen (Fußball-Länderspiele, städtische Veranstaltungen)? ႑Steht das Event in Zusammenhang mit anderen Kommunikationsmitteln, unterstützt es die Botschaft der Organisation? ႑Was ist angemessen? Ebenso wie im Falle der Kooperationen gilt auch hier: Event und Kernbotschaft müssen zueinander passen. Ein Umweltschutzverein beispielsweise, der auf einer Veranstaltung Getränke in Plastikbechern ausschenkt, macht sich schnell unglaubwürdig. ႑Welches Budget steht zur Verfügung? Zu Beginn der kreativen Phase sollte der Budgetrahmen abgesteckt sein. Wenn die kreativen Ideen des Projektteams aus Budgetgründen nicht umgesetzt werden, leidet die Motivation. 26.8 Fazit Die Wirkung von PR entfaltet sich nicht erst in der Öffentlichkeit. Auf der Grundlage eines fassbaren Leitbildes und konkreter Konzepte verleiht sie Organisationen eine unverwechselbare Identität. Wichtig dabei: überzeugte und zufriedene Mitarbeiter und Ehrenamtliche, die den gemeinsamen Gedanken auf die Straße tragen. Deshalb steht eine gut funktionierende interne Kommunikation an erster Stelle. Erfahren die Mitglieder erst über die Tageszeitung von einer PR-Aktion, hinterlässt das einen fahlen Beigeschmack. Mit einer kurzen, informativen Mail an die Mitglieder oder einem Aushang in der Geschäftsstelle tragen PR-Fachkräfte intern zur Transparenz der Organisation bei. Klar ist: Professionelle Kommunikation kann zwar das Image verbessern, den Dialog anregen, jedoch keine Wunder bewirken. Kontinuierliche, transparente und an den Organisationszielen orientierte PR kann die Glaubwürdigkeit und Akzeptanz erhöhen und Anliegen in der Öffentlichkeit positionieren. Drei Fragen sollten sich Kommunikationsverantwortliche bei jeder öffentlichkeitswirksamen Maßnahme stellen: Passt die Aktion zum Image und den Anliegen, die die Organisation vertritt? Ist die Maßnahme ihrem Ziel und Zweck angemessen? Wirkt die Aktion glaubwürdig? Gerade in kleinen und mittelgroßen Organisationen zeigen begrenzte Ressourcen schnell Grenzen auf. Was eine Organisation alleine nicht schafft, kann sie in vielen Fällen mit
326 Christina Müller und Lisa Schmees Partnern besser erreichen. Medienkooperationen, Sponsoring, inhaltliche Kooperationen sind hier nur einige Möglichkeiten, die in diesem Beitrag geschildert werden. Seien Sie kreativ und finden Sie gemeinsam mit Ihren Partnern die für Sie passenden Kommunikationsansatze und Wege. Viel Erfolg dabei! Weiterführende Literatur Brömmling, U. (2007): 4. Dimensionen der Kommunikation, in: Brömmling, U. (Hrsg.): Non-ProfitPR., Konstanz, S. 35 – 68. Hoffmann, B./Müller, C. (2008): 5.: Die Klaviatur beherrschen II – Instrumente der Öffentlichkeitsarbeit, in: Hoffmann, B./Müller, C., Public Relations kompakt, Konstanz, S. 171 - 280. Hoffmann, B./Müller, C. (2005): 1.7: Sponsoring und Kooperationen – Schätze heben und Netze knüpfen, in: Laumer, R. (Hrsg.), Bücher kommunizieren. Das PR-Arbeitsbuch für Bibliotheken, Buchhandlungen und Verlage, Bremen, S. 71.-82. Lutschinger, G. (2004): CSR: Selbstverantwortung für Mensch und Natur, in: Klöppl, P./Neureiter, M. (Hrsg.), Corporate Social Responsibility. Leitlinien und Konzepte im Management der gesellschaftlichen Verantwortung von Unternehmen, Wien, S. 162. Marzulf, A. (2009): Bremer Begegnungen „Man schreibt eine gemeinsame Partitur“, in: Weser Kurier, Nr. 205, S. 3.
 Tue Gutes und rede darüber: PR kann mehr VI.ȱAusblickȱ  327

 Kontrollinstanz im Spendenwesen: Vom Sinn der Qualitätsüberwachung 27 329 Kontrollinstanz im Spendenwesen: Vom Sinn der Qualitätsüberwachung BurkhardȱWilkeȱ Das Spendenmarketing hat – unter wechselnden Namen – eine jahrtausendealte Geschichte und steht seit jeher im Spannungsfeld von Selbstlosigkeit und Eigennutz, Freiwilligkeit und Zwang, Vertrauen und Kontrolle. Schon die Bibel widmet sich dem Thema in höchst unterschiedlicher Weise. Sie predigt einerseits geradezu „blindes Vertrauen“, stellt an andere Stelle aber die Transparenz und das Vier-Augen-Prinzip als vorbildhaft heraus: „Wenn du daher Almosen gibst, so posaune nicht vor dir her, wie die Heuchler in den Synagogen und auf den Straßen tun, damit sie gepriesen werden von den Menschen. … Wenn aber du Almosen gibst, so soll deine Linke nicht wissen, was deine Rechte tut, damit dein Almosen im Verborgenen sei; und dein Vater, der im Verborgenen sieht, wird dir vergelten.“.1 „Der Apostel Paulus, dessen Kollektensammlung für die Urgemeinde in Jerusalem im christlich-kirchlichen Kontext gern als Vorbild gilt, begründet den Einsatz verschiedener Sammler bei der Erhebung der Kollekten in Korinth mit legitimen Kontrollinteressen: ‚Denn angesichts der großen Spende, die von uns überbracht werden soll, möchten wir vermeiden, dass man uns verdächtigt. Es liegt uns nämlich daran, dass alles einwandfrei zugeht, nicht nur vor dem Herrn, sondern auch vor den Menschen’ (2 Kor 8, 20 f)“.2 Von dem Zitat aus dem zweiten Brief des Apostels Paulus an die Korinther leitet der Theologe und Ethik-Forscher Andreas Lob-Hüdepohl mit einem Plädoyer für Transparenz und externe Kontrolle in die aktuelle Situation des Spendenmarketings über: „In heutiger Zeit reicht es in der Regel nicht mehr aus, allein mit der eigenen Autorität Verdächtigungen abzuweisen. Hier ist es außerordentlich hilfreich, sich die eigene Transparenz, allgemeiner: die eigene Güte als Fundraiser oder Fundraiserin einer gemeinnützigen Organisation durch eine unabhängige Institution und nach Maßgabe anerkannter Kriterien besiegeln zu lassen“ (a.a.O.). Im Folgenden soll gezeigt werden, welche Formen unabhängiger Prüfungen es im deutschen Spendenwesen gibt, in welchem Umfeld anderer Kontrollformen sie sich bewegen, wie sie wirken und welchen Nutzen sie stiften. Dabei sollte man sich des Umstands bewusst sein, dass es keine eindeutige Bestimmung der Begriffe „Spendenwesen“ oder „Spendenorganisation“ gibt. Die dargestellten Kontrollformen beziehen sich auf unterschiedlich definierte Teilbereiche des Non-Profit-Sektors, die zumindest eines gemeinsam haben: Sie finanzieren sich alle anteilig durch Spenden.   1 Matthäus-Evangelium, 6. Kapitel, Verse 2-4. 2 Lob-Hüdepohl, A. (2007), S. 13.
330 Burkhard Wilke 27.1 Formen von Kontrolle im Spendenwesen 27.1.1 Kontrolle – für wen, wie und durch wen? Anders als gewinnorientierte Unternehmen, die primär den Interessen ihrer Eigentümer (Shareholder) dienen, sind gemeinnützige Spendenorganisationen einer Vielzahl von Anspruchsgruppen (Stakeholdern) verpflichtet. Dazu gehören vor allem: ႑Privatpersonen (Spender, Stifter), ႑Wirtschaftsunternehmen (Spender, Sponsor), ႑öffentliche Zuwendungsgeber, ႑Behörden (zum Beispiel Finanzbehörden, Stiftungsaufsicht, Vereins-/Handelsregister), ႑Empfänger der Leistungen, ႑haupt- und ehrenamtliche Mitarbeiter, ႑die allgemeine, interessierte Öffentlichkeit, ႑Medien. Die Vielfalt der Stakeholder konfrontiert die Spendenorganisationen mit unterschiedlichsten Erwartungshaltungen in punkto Kontrolle, Rechenschaftspflicht und Transparenz. Die einzelnen Anspruchsgruppen unterscheiden sich nicht nur hinsichtlich ihrer Anforderungen, sondern auch in Bezug auf ihre jeweiligen Sanktionsmöglichkeiten. Die Informationspflichten können sich insgesamt zu einem „Dickicht“ auswachsen, das es einer Organisation schwer macht, das Wichtigste nicht aus dem Blick zu verlieren: ihre satzungsgemäßen Ziele und die damit verbundenen Werte. Aus dieser Situation erwächst eine besondere Verantwortung zur Verhältnismäßigkeit der Mittel auf Seiten der Kontrolleure. Zugleich aber stehen die Spendenorganisationen selbst in der Pflicht, auch jenen Anspruchsgruppen wirksam Rechenschaft abzulegen, die über wenig Durchsetzungsmacht verfügen – etwa den „Kleinspendern“ oder den Begünstigten ihrer satzungsgemäßen Arbeit. Für Spendenorganisationen gibt es grundsätzlich drei Arten von Kontrolle: ႑staatliche Kontrolle, ႑privatrechtliche Kontrolle (unabhängige Prüfungen, Siegel, „Watchdogs“ etc.), ႑Selbstkontrolle (Selbstregulierung). Diese drei Kontrollformen bestehen nicht bloß nebeneinander, sondern wirken durchaus im subsidiären Sinne zusammen. Das wird auch deutlich in einer Antwort der Bundesregierung vom 16.01.2003 auf eine Kleine Anfrage der FDP-Fraktion im Deutschen Bundestag: „Während für Leistungsentgelte ein gesetzlich vorgesehenes Vertragsgeflecht zwischen den Diensten/Einrichtungen der Freien Wohlfahrtspflege und den Sozialleistungsträgern
Kontrollinstanz im Spendenwesen: Vom Sinn der Qualitätsüberwachung 331 gilt und öffentliche Zuwendungen der Kontrolle durch die zuwendende Stelle und die sie prüfenden Rechnungshöfe unterliegen, sind Spenden eine Form privateigenen Bürgerengagements in der Zivilgesellschaft. In diesem Sinne wird in Deutschland eine Kombination staatlicher Kontrollen (Finanzbehörden, Amtsgerichte, Stiftungsaufsicht) und privater Selbstregulierung (BSM, Deutscher Spendenrat) bzw. unabhängiger Überprüfung (DZI) praktiziert. Sie beinhaltet auch eine Verzahnung der staatlichen und der privaten Kontrolle (zum Beispiel finanzamtlich anerkannte Gemeinnützigkeit als Voraussetzung für die Beantragung des DZI Spenden-Siegels, sowie Einbeziehung des Spendensiegels in die Vergabekriterien des Bundesministeriums für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung und des Auswärtigen Amtes). Diese Verfahren haben sich im Wesentlichen bewährt und sollen beibehalten werden.“.3 Der dreistufige Aufbau der Kontrolle von Spendenorganisationen lässt sich auch als Pyramide versinnbildlichen, deren Grundstufe die Selbstkontrolle in ihren unterschiedlichen Ausprägungen ist: ႑Verhaltensstandards der Dachverbände („Codes of Conduct“), ႑direkte Transparenz der Organisationen (Jahresberichte etc.), ႑Qualitätsentwicklung durch Weiterbildung. Zwei entscheidende Vorteile von Selbstkontrolle (Selbstregulierung) aus der Sicht der Organisationen sind diese: Wenn sie sich mit eigenen Mitteln regulieren, reduzieren sie den Druck der übergeordneten Kontrollformen und Rechenschaftspflichten. Und wie sie sich dabei regulieren, bestimmen sie selbst. Dies führt zu einer irritierenden Bandbreite von Informationen, etwa von tatsächlicher bis hin zu nur scheinbarer Transparenz. Hier liegt das Informationsproblem vieler Spenderinnen und Spender: Sie sind einerseits (im Unterschied etwa zu Großspendern oder neudeutsch „sozialen Investoren“) nicht „mächtig“ genug, um verbindliche Rechenschaft zu verlangen, und sind andererseits nicht willens oder in der Lage, die von den Organisationen offerierte Transparenz auf Verlässlichkeit hin zu prüfen. Andreas Ortmann und Katarina Svitková verorten in diesem Spannungsfeld die Kernproblematik des Fundraisings: „We call the problem of asymmetric information in the context of donative nonprofits the fundraising problem“.4 Die natürlichen Grenzen der Selbstkontrolle begründen den Bedarf an unabhängigen, privatrechtlichenȱKontrollformen, die die zweite Stufe der Kontrollpyramide bilden, wie insbesondere: ႑unabhängige Spendenauskunftsstellen („Watchdogs“), ႑Spendensiegel,   3 Bundestags-Drucksache 15/335, S. 5. 4 Vgl. Ortmann, A./Svitkova, K. (2007), S. 99-114.
332 Burkhard Wilke ႑Jahresabschlussprüfung durch Wirtschaftsprüfer, ႑Wettbewerbe. Als Spitze der Pyramide ist schließlich die staatlicheȱKontrolle von Spendenorganisationen durch ႑Vereins- und Handelsregister, ႑Stiftungsaufsicht, ႑Gemeinnützigkeitsprüfung der Finanzämter, ႑Sammlungskontrolle der Bundesländer, nicht nur in Deutschland, sondern auch in den meisten anderen demokratischen Staaten eher schwach ausgeprägt. Das entspricht nicht allein dem bürgerlichen Grundrecht der Vereinigungsfreiheit, sondern auch der Tatsache, dass die Spende ihrer (auch steuerrechtlichen) Natur gemäß eine freiwillige Gabe ohne Gegenleistung ist und somit nur wenig Anlass für staatliche Interventionen bietet. Gleichwohl gibt es gute Gründe dafür, dass der Staat im Sinne der von ihm verstärkt betrieben Förderung des bürgerschaftlichen Engagements auch einen Basisschutz für Spenderinnen und Spender gewährleisten sollte. 27.1.2 Staatliche Kontrolle Die mit Abstand häufigste Rechtsform einer Spendenorganisation ist in Deutschland der „eingetragene Verein (e.V.)“. Bei der Eintragung im Vereinsregister des zuständigen Amtsgerichts sind nur wenige formale Bestimmungen des im Bürgerlichen Gesetzbuch festgeschriebenen Vereinsrechts zu berücksichtigen. Die steuerlich anerkannte Gemeinnützigkeit ist keine Voraussetzung für die Eintragung im Vereinsregister. Derzeit gibt es in Deutschland etwa 600.000 eingetragene Vereine, die größtenteils als gemeinnützig anerkannt sein dürften, und darüber hinaus eine bisher nicht bezifferte Menge von nicht eingetragenen Vereinen. Schon allein diese auch im internationalen Vergleich sehr ausgeprägte Größe und Vielfalt des Vereinssektors lässt erkennen, dass eine intensive staatliche Kontrolle – von grundsätzlichen gesellschaftspolitischen Erwägungen einmal abgesehen – bereits aus pragmatischen und finanziellen Gründen kaum möglich wäre. Die Gemeinnützigkeitsprüfung der Finanzämter ist zwar mit dem Steuerrecht an genauere Vorgaben gebunden als die Eintragung im Vereinsregister, kann aber wegen der großen Zahl der zu prüfenden Organisationen und des eingeschränkten Fokus der steuerrechtlichen Kriterien letztlich auch nicht als umfassende Kontrolle der Seriosität einer Spendenorganisation angesehen werden. Einer etwas intensiveren Kontrolle als die Vereine unterliegen die rund 15.000 Stiftungen bürgerlichen Rechts, und zwar durch die der Länderebene obliegende Stiftungsaufsicht. Nicht alle Organisationen, die den Begriff „Stiftung“ in ihrem Namen führen, unterliegen jedoch dieser zusätzlichen Aufsicht, denn bei ihnen handelt es sich zum Teil um eingetragene Vereine, Gesellschaften mit beschränkter Haftung (GmbH) oder andere Rechtsformen.
Kontrollinstanz im Spendenwesen: Vom Sinn der Qualitätsüberwachung 333 Die früher in allen Bundesländern vorhandene staatliche Sammlungsaufsicht gibt es nur noch in Baden-Württemberg, Mecklenburg-Vorpommern, Rheinland-Pfalz, dem Saarland und Thüringen (Stand Januar 2010). In den übrigen Ländern wurden die Sammlungsgesetze seit 1998 mit dem Argument des „Bürokratieabbaus“ sukzessive aufgehoben, wobei die Länder ihren Bürgern zusätzlich empfahlen, sich hinsichtlich der Seriosität der Organisationen am Spendensiegel des Deutschen Zentralinstituts für soziale Fragen (DZI) oder an der Mitgliedschaft im Deutschen Spendenrat e.V. zu orientieren. Das DZI und der Deutsche Spendenrat e.V. haben die Erosion der Sammlungsgesetze ihrerseits allerdings wiederholt kritisiert und den Ländern dringend eine Neuordnung der Sammlungsaufsicht nach dem Positivbeispiel des Landes Rheinland-Pfalz empfohlen. Dort konzentriert sich die zentrale Aufsichtsbehörde (Aufsichts- und Dienstleistungsdirektion ADD, Trier) mit geringem personellem Aufwand gezielt auf die Ermittlung fragwürdiger Spendenorganisationen und hat seit 2004 jährlich durchschnittlich zehn Sammlungsverbote verhängt. Diese gelten zwar nur für Sammlungen in Rheinland-Pfalz, entfalten durch die entsprechenden Pressemitteilungen, Medienberichte und die Veröffentlichung über Auskünfte des DZI de facto aber auch eine gewisse bundesweite Wirkung. In Deutschland gibt es im Unterschied zu anderen Staaten wie etwa den USA oder Großbritannien keine gesetzliche Offenlegungspflicht für die Jahresrechnungen gemeinnütziger Organisationen, zumindest soweit diese als Vereine oder Stiftungen organisiert sind. In der öffentlichen Diskussion um Transparenz im gemeinnützigen Sektor wird die Forderung nach einer solchen Publizitätspflicht regelmäßig laut. Öffentlich zugängliche Jahresrechnungen können sicher wichtige zusätzliche Informationen zur Einschätzung von Spendenorganisationen bringen – und sollten für öffentlich um Spenden werbende Organisationen auch ohne gesetzliche Verpflichtung eine Selbstverständlichkeit sein; allerdings dürfen sie hinsichtlich ihrer Aussagekraft auch nicht überschätzt werden. Denn es eröffnen sich für weniger seriöse Organisationen vielfältige, „kreative“ Möglichkeiten, gerade ihre Ausgabenstruktur selbst in von Wirtschaftsprüfern geprüften Jahresabschlüssen besser darzustellen, als sie es etwa nach den Maßstäben spezialisierter Spenden-Watchdogs sind. 27.1.3 Selbstkontrolle Selbstkontrolleȱbzw. Selbstregulierung bezeichnet das Bestreben eines Interessenverbandes oder ganzen Sektors, den ihm zugehörigen Einheiten zur Durchsetzung gewisser Qualitätsstandards zu verhelfen. Selbstregulierung und Interessenvertretung schließen einander nicht aus, sondern bedingen einander. Typische Ausdrucksformen von Selbstkontrolle sind Verhaltensstandards (Selbstverpflichtungen) sowie auf diese ausgerichtete Maßnahmen der Qualitätsentwicklung (unter anderem Capacityȱ Building) und der Qualitätssicherung. Selbstregulierung unterscheidet sich von Modellen unabhängiger, privatrechtlicher Kontrolle (zum Beispiel Spendensiegel) typischerweise dadurch, dass die Einhaltung des jeweiligen Verhaltenskodex nicht systematisch, regelmäßig und unabhängig überprüft wird, sondern die Selbstregulierungsstelle allenfalls über eine Beschwerdeinstanz verfügt, an die
334 Burkhard Wilke sich Externe bei Problemen mit Unterzeichnern der Selbstverpflichtung wenden können. Ein weiterer Unterschied zu privatrechtlichen Kontrollstellen besteht im Grad der Unabhängigkeit von den kontrollierten Organisationen. Ein Verband kann durchaus gleichzeitig Selbstregulierungs- und Lobbyfunktionen erfüllen, nicht aber zugleich Interessenvertreter und glaubwürdige Prüfstelle für dieselbe Gruppe von Anbietern sein. Modelle der Selbstkontrolle verfolgen inzwischen fast alle Dachverbände im deutschen Spendenwesen. Verhaltensstandards für ihre Mitglieder haben unter anderem verabschiedet: der Bundesverband Deutscher Stiftungen e.V., der Deutsche Fundraising Verband e.V., der Deutsche Spendenrat e.V. sowie der Verband Entwicklungspolitik deutscher Nichtregierungsorganisationen e.V. (VENRO). Einen neuartigen und zumindest hinsichtlich des selbst formulierten Anspruchs zweifelhaften Ansatz von „Selbstregulierung“ verfolgt seit 2007 das Spendenportal Betterplace. Es bietet Projekten aus aller Welt die Möglichkeit, sich auf www.betterplace.de vorzustellen und um Spenden zu bitten, und zwar sowohl Projekten in Trägerschaft einer in Deutschland als gemeinnützig oder nicht als gemeinnützig anerkannten Organisation als auch selbst betriebenen Projekten der unmittelbaren Hilfsempfänger. Dazu eröffnet es allen Interessierten die Möglichkeit, den einzelnen Projektvorschlägen eigene Kommentare hinzuzufügen. Dadurch entstehe, so Betterplace, ein „Web of Trust“, ein „differenziertes und sich selbst regulierendes Bewertungssystem für jedes Projekt. Es verhindert Missbrauch, steigert die Effektivität von Projekten und ermöglicht allen Unterstützern eine gezielte Auswahl nach eigenen Kriterien … Wir sind davon überzeugt, dass Sie, die Projektbesucher, die Projektfürsprecher, die Projektunterstützer, die Projektträger und die Projektsponsoren mindestens so schlau sind, wie herkömmliche Evaluierungsmethoden.“5 So innovativ und sinnvoll es ist, Spendern, Mittelempfängern und anderen Interessierten die Möglichkeit zu eröffnen, im Internet ihre Kommentare oder Fragen zu bestimmten Projekten zu veröffentlichen, so überzogen und für den gesamten Spendensektor riskant ist der Anspruch von betterplace, ein solcher „Markt der Meinungen“ könne schon für sich allein den Missbrauch von Spenden verhindern. Denn eine so weitgehende Erwartungshaltung trägt weder dem Risiko von manipulierten Kommentaren Rechnung, noch dem Umstand, dass schon jetzt bei den weit über tausend auf betterplace beworbenen Projekten zahlreiche sind, zu denen es nur sehr wenige oder gar keine inhaltlichen Kommentare der so genannten „Fürsprecher“ der Projekte gibt, für die aber gleichwohl gespendet wird.   5 Quelle: http://de.betterplace.org/how_it_works/faq.
Kontrollinstanz im Spendenwesen: Vom Sinn der Qualitätsüberwachung 27.2 Privatrechtliche Kontrollformen im Spendenwesen 27.2.1 Spendenauskunftsstellen („Watchdogs“) 335 Die unabhängige Spenderberatung und die Spendenauskunft, wie sie in Deutschland insbesondere das 1893 gegründete Deutsche Zentralinstitut für soziale Fragen seit etwa 1906 anbietet, sind als Elemente des „Spenderschutzes“ im weiteren Sinne dem Verbraucherschutz zuzuordnen. Ein „Watchdog“ in diesem Sinne sollte mindestens die folgenden Charakteristika aufweisen: ႑unabhängiger, nichtstaatlicher Status, ႑systematische, eigenständige Dokumentations- bzw. Prüfungstätigkeit, ႑unabhängige Auskunfts- und Expertenfunktion. In zahlreichen Staaten vergeben Spendenauskunftsstellen als Teil ihres Prüfangebots auch Spendensiegel. Umgekehrt gibt es auch Akkreditierungsstellen, die Siegel vergeben, ohne zugleich auch eine allgemeine, unabhängige Auskunfts- und Expertenfunktion in Bezug auf Spendenwesen und Spendenorganisationen zu übernehmen (zum Beispiel die Kammer der Wirtschaftstreuhänder in Österreich als Vergabestelle für das Österreichische Spendengütesiegel). Diesen Akkreditierungsstellen fehlt die für Verbraucherschützer unerlässliche Auskunfts- und Expertenfunktion, und sie sollten deshalb nicht als „Watchdog“ bezeichnet werden. Die Spenderberatung des DZI Das DZI ist eine Stiftung bürgerlichen Rechts, die 1957 aus ihrem unmittelbaren Rechtsvorgänger, dem 1893 gegründeten Archiv der Wohlfahrtspflege, hervorgegangen ist. Träger der in Berlin ansässigen Stiftung sind der Berliner Senat, das Bundesministerium für Familie, Senioren, Frauen und Jugend, der Deutsche Städtetag, der Deutsche Industrieund Handelskammertag und die Bundesarbeitsgemeinschaft der Freien Wohlfahrtspflege e.V. Die Finanzierung des Jahresbudgets von rund einer Million Euro erfolgt im Jahr 2009 zu 45 Prozent aus öffentlichen Zuwendungen des Landes Berlin und des Bundes (BMFSFJ, BMZ) sowie zu 55 Prozent aus eigenen Einnahmen (Siegelgebühren, Abonnementerlöse Fachzeitschrift und Literaturdatenbank, Vermögenserträge). Als unabhängige Dokumentations- und Auskunftsstelle für die theoretische und praktische soziale Arbeit unterhält das DZI neben der Spenderberatung und der Vergabe des Spendensiegels auch die umfassendste deutschsprachige Bibliothek zur Sozialarbeit/Sozialpädagogik/Wohlfahrtspflege, die damit verbundene Literaturdatenbank DZI SoLit sowie den Eigenverlag, in dem unter anderem die 1951 gegründete Fachzeitschrift Sozialeȱ Arbeit (monatlich) sowie der DZIȱ SpendenȬAlmanach (jährlich) erscheinen. Das DZI informiert Spender durch zwei Auskunftsformen: die Vergabe des DZI SpendenSiegels (Antrag durch die Organisationen) sowie die Spenderberatung (Dokumentation
336 Burkhard Wilke auf Initiative des DZI). Während der Zusatzaufwand der Spendensiegel-Prüfungen durch die Antragsgebühren finanziert wird, wird die Spenderberatung durch Zuwendungen des Bundesfamilienministeriums (BMFSFJ) und des Bundesministeriums für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung (BMZ) ermöglicht. Insgesamt dokumentiert das DZI in seiner Spenderberatung Ende 2009 neben den 253 Siegel-Organisationen weitere rund 750 Hilfswerke ohne Siegel, von denen das DZI etwa 350, das heißt jene, die regelmäßig von der Öffentlichkeit nachgefragt werden, jährlich um Zusendung aktueller Unterlagen (unter anderem Freistellungsbescheid, Jahresabschluss) bittet. Auf der Grundlage dieser Basisdokumentation erstellt das DZI Einzelauskünfte und versendet diese auf Anfrage an Interessenten. Bald wird ein Teil dieser Auskünfte auch über die Website des DZI zugänglich sein. Die Auskünfte enthalten teils Sachdarstellungen der jeweiligen Organisationen, teilweise aber auch Einschätzungen, die in einer Reihe von Fällen ausdrücklich von einer Förderung der Organisation abraten. In besonders negativ zu bewertenden Fällen warnt das DZI durch Pressemitteilungen vor einzelnen Organisationen. Die doppelte WatchdogFunktion (Siegel und Spendenauskünfte) in Verbindung mit seinem unabhängigen Status macht das DZI zu einer Informationsstelle, der neben vielen Spenderinnen und Spendern auch die Medien sowie öffentliche Einrichtungen eine hohe Glaubwürdigkeit und unabhängige Expertenrolle zumessen. Als unabhängiger Prüfer und Kommentator in Bezug auf Spendenorganisationen hat sich seit 2008 auch der freie Journalist Stefan Loipfinger mit seinem Portal www.charitywatch.de einen Namen gemacht. Er legt seinen Beiträgen und Kommentaren keine fest definierten Standards zugrunde, sondern überprüft Spendenorganisationen mit seinen individuellen journalistischen Methoden auf Schwachstellen oder besondere Stärken. Dabei richtet er seinen Blick auch auf deren kommerzielle Dienstleister wie zum Beispiel Fundraisingagenturen. 27.2.2 Das DZI Spenden-Siegel und andere Prüfzeichen Gütesiegel haben als Zeichen für Qualität im Waren- und Dienstleistungsaustausch eine lange Tradition. Sie erfahren in der jüngeren Vergangenheit in vielen Sektoren aber eine fast inflationäre Entwicklung. Schätzungen des Portals Label-Online (Die Verbraucherinitiative e.V., http://www.label-online.de) zufolge gibt es in Deutschland weit mehr als tausend Labels, von denen nur einige wenige als unabhängige Gütesiegel im Sinne des Verbraucherschutzes gelten können, die übrigen hingegen sind weniger aussagekräftige Elemente von Selbstregulierung oder einfach Mittel der unternehmerischen Eigenwerbung. 1999 erarbeitete das Institut für ökologische Wirtschaftsforschung (IÖW), Heidelberg, im Auftrag des Bundesverbands für Umweltberatung eine vergleichende Bewertung von 47 Siegeln und hat für die Beurteilung der Qualität der untersuchten Label die folgenden „Prüfsteine“ formuliert6:   6 Vgl. Bundesverband (1999), S. 5.
Kontrollinstanz im Spendenwesen: Vom Sinn der Qualitätsüberwachung 337 ႑Werȱlabelt? – Die Glaubwürdigkeit des Siegels hängt von seiner Pluralität (Einfluss auf die Richtlinien) und Unabhängigkeit (Verhältnis Zeichengeber/Zeichennehmer) ab. ႑Wonachȱwirdȱgelabelt? – Überprüfbarkeit der Kriterien (hart = gut / weich = schlecht) sowie Grad der Übererfüllung von entsprechenden Gesetzen. ႑Wieȱwirdȱgelabelt? – Transparente Entwicklung und Weiterentwicklung der Kriterien sowie Stringenz der erstmaligen und der laufenden Prüfungen. Eine wirtschaftswissenschaftliche Analyse von Zertifizierungsmodellen haben im Jahr 2007 Andreas Ortmann und Katarina Svitkova von der Prager Karls-Universität vorgelegt. Eine ähnliche, allerdings sozialwissenschaftliche Analyse zur Wirkungsweise und Wirksamkeit eines Spendensiegels hatte René Bekkers (Universität Utrecht) bereits 2003 erarbeitet, mit Bezug auf das seit 1995 existierende CBF-Siegel in den Niederlanden. Beide Studien bestätigen eine signifikante positive Wirkung unabhängiger Spendensiegel auf das Vertrauen und die Spendenbereitschaft der Bürgerinnen und Bürger. Spenden-Prüfzertifikat der DEA/AEM In Deutschland gibt es zwei Spendensiegel. Das des DZI wurde Anfang 1992 eingeführt, und ein Jahr später das Spenden-Prüfzertifikat der Deutschen Evangelischen Allianz (DEA) in Zusammenarbeit mit der Arbeitsgemeinschaft Evangelikaler Missionen (AEM). Das DEA/AEM Spenden-Prüfzertifikat richtet sich als freiwillige Zertifizierung ausschließlich an evangelikale Werke, die der DEA bzw. der AEM angeschlossen sind. Seine Prüfkriterien wurden in Abstimmung mit dem DZI im Wesentlichen den Leitlinien des DZI Spenden-Siegels entnommen. Im Unterschied zum DZI Spenden-Siegel beruht die Zuerkennung des DEA-Zertifikats nicht auf Prüfungshandlungen hauptamtlicher Kräfte, sondern obliegt einem dreiköpfigen, ehrenamtlich tätigen Vergabeausschuss bei der DEA. Funktionsweise und Wirkungen des DZI Spenden-Siegels Das DZI Spenden-Siegel wurde auf der Grundlage der vom Institut seit etwa 1906 betriebenen Dokumentations- und Auskunftstätigkeit zu humanitär-karitativen Spendenorganisationen 1992 geschaffen. Seit 2004 kann es von allen gemeinnützigen Organisationen beantragt werden, die überregional Spenden sammeln. Ende 2009 tragen 253 Organisationen das DZI Spenden-Siegel; sie nehmen gemeinsam rund 1,4 Milliarden Euro an Spenden pro Jahr ein. Die Prüfkriterien des Spendensiegels betreffen die Leitung und Aufsicht, Werbe- und Öffentlichkeitsarbeit, die Mittelverwendung, Vergütung, die Rechnungslegung und deren Prüfung sowie die Transparenz. Sie sind mit allen Einzelheiten des Vergabeverfahrens in den „Leitlinien für die Vergabe des DZI Spenden-Siegels“ festgelegt. Voraussichtlich im Jahr 2010 wird eine überarbeitete, weiterentwickelte Fassung der Spendensiegel-Leitlinien in Kraft treten. Die Spendensiegel-Anträge werden von wissenschaftlichen Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern des DZI mit in der Regel wirtschaftswissenschaftlichen Hochschulabschlüssen
338 Burkhard Wilke bearbeitet. Treffen diese bereits zu Beginn der Bearbeitung auf Sachverhalte, die einer Zuerkennung des Spendensiegels eindeutig entgegenstehen, so teilt das DZI dies der betreffenden Organisation einschließlich einer inhaltlichen Erläuterung mit und stellt ihr anheim, den Spendensiegel-Antrag zurückzuziehen, wobei das DZI auf die Erhebung der sonst fälligen Bearbeitungsgebühr verzichten würde. Die meisten Anträge aber werden durchgängig bearbeitet, und das DZI erstellt einen detaillierten Prüfungsbericht, der ein umfassendes Bild der Organisation aus der Perspektive der Spendensiegel-Kriterien zeichnet und der Organisation anschließend übermittelt wird. Charakteristisch für die Spendensiegel-Prüfung ist, dass die zahlreichen verfügbaren Informationsstränge umfassend unter Beachtung der Grundsätze der Wahrheit, Klarheit, Vollständigkeit und Schlüssigkeit auf Übereinstimmung mit den Spendensiegel-Kriterien geprüft werden. Einbezogen wird dabei unter anderem eine Plausibilitäts- und Schlüssigkeitsprüfung unterschiedlicher Informationsquellen zum jeweils gleichen Thema (zum Beispiel auf ein und dasselbe Projekt oder Projektumfeld bezogene Aussagen unterschiedlicher Werbebriefe, Jahresberichte, interner Protokolle, Wirtschaftsprüfungsberichte, Presseberichte, Mitteilungen anderer Organisationen oder Behörden). Bei Klärungsbedarf wendet sich das DZI während der Antragsbearbeitung mit entsprechenden Fragen an die Organisation und führt bei Erstanträgen gegen Ende der Prüfung in aller Regel auch einen Besuch in der Geschäftsstelle der Organisation durch. Der allgemeine Grundsatz, dass die Spendensiegel-Prüfung Transparenz feststellen, nicht aber durch eine übergroße Vielzahl von Rückfragen überhaupt erst herstellen soll, setzt dem Umfang von Nachfragen Grenzen. Die Bearbeitung eines Erstantrags nimmt, abhängig von der Komplexität der Organisation, dem Umfang erforderlicher Rückfragen und der Schnelligkeit und Genauigkeit der Antworten, etwa vier Wochen bis sechs Monate und in wenigen Fällen auch noch längere Zeit in Anspruch. Die ausführliche Prüfdokumentation des DZI erhält die Organisation im Falle der Ablehnung des Antrags wie auch der Zuerkennung des Spendensiegels. Beschwerde gegen eine ablehnende Entscheidung kann beim Berufungsausschuss für das Spendensiegel eingelegt werden, den der Vorstand der Stiftung DZI benennt. Eine solche Beschwerde wurde seit 1992, bei 130 nicht erfolgreichen Siegel-Anträgen, bisher vier Mal vorgebracht. In allen Fällen bestätigte der Berufungsausschuss nach eingehender Beratung und mit detaillierter Begründung die Entscheidung des DZI. Wird das Spendensiegel erstmals zuerkannt, so ist es von diesem Zeitpunkt an für das laufende Quartal und die vier darauf folgenden, vollen Quartale gültig. Etwa ein halbes Jahr vor Ablauf der Gültigkeit verschickt das DZI weitgehend ausgefüllt (gemäß seinem aktuellen Kenntnisstand) die Unterlagen zur Beantragung der Verlängerung. Diese muss der Antragsteller vervollständigen und dem DZI spätestens drei Monate vor dem Gültigkeitsende übermitteln, sodass in aller Regel eine übergangslose Verlängerung der Gültigkeit möglich ist. 431 Hilfswerke haben seit 1992 das Spendensiegel beantragt, davon waren rund 130 nicht erfolgreich (30 Prozent). Etwa 50 Organisationen haben in den bisherigen 18 Jahren aus
Kontrollinstanz im Spendenwesen: Vom Sinn der Qualitätsüberwachung 339 unterschiedlichen Gründen auf eine erneute Beantragung des Siegels verzichtet. Zum Teil waren dem Hinweise des DZI vorausgegangen, dass eine erneute Beantragung unter den gegebenen Umständen nicht erfolgreich gewesen wäre. In bisher drei Fällen (1994 sowie zwei im Jahr 2008) hat das DZI ein Siegel während der Gültigkeit aberkannt. 18 Jahre nach Einführung des Spendenssiegels lässt sich sagen, dass es nicht nur die gesteckten Ziele in hohem Maße erreicht hat, sondern zusätzlich in mehrerer Hinsicht unerwartete positive Effekte auslöste. Die positiven Effekte werden im Folgenden vorgestellt. Spendensiegel als Entscheidungshilfe für Spender/innen Das Spendensiegel wird von der Bevölkerung stark zunehmend als Entscheidungshilfe angenommen. Im Jahr 2008 wurde die Website der DZI-Spenderberatung und hier vor allem die Liste der Spendensiegel-Organisationen mit 488.000 Zugriffen in Anspruch genommen, außerdem verschickte das DZI 20.000 gedruckte Spendensiegel-Listen. Ein großer Teil der an das DZI gerichteten 767 Medienanfragen in 2008 bezog sich auf das Spendensiegel (erhöhte Nachfrage wegen UNICEF-Krise, 2007: 376 Medienanfragen). Die von der Stiftung Warentest herausgegebene Zeitschrift „Finanztest” urteilte in ihrer DezemberAusgabe 2000: „Der Sternenkranz des Deutschen Zentralinstituts für soziale Fragen ist ein echtes Qualitätssiegel für Spendensammler. (...) Die Prüfung des dzi gilt in der Fachwelt als gründlich und gut - auf die Seriosität der derzeit 131 dzi-Organisationen dürfen Spender vertrauen.” Positive Werbeeffekte bei den Spendensiegel-Organisationen Die externen Wirkungen des Spendensiegels sind in ihrer Gesamtheit nicht quantifizierbar, da vor allem bei den größeren Hilfswerken nicht erkennbar ist, welche ihrer Spenden sie der Zuerkennung des Siegels verdanken. Kleine Organisationen berichten aber in vielen Fällen über Spenden, die sie eindeutig dem Spendensiegel zuschreiben. Außerdem berichten dem DZI Organisationen jeder Größenordnung übereinstimmend, dass potenzielle Spender/innen, die nach Belegen für die Seriosität fragen, den Hinweis auf das Spendensiegel als zufriedenstellende Antwort betrachten. Schließlich belegen auch Umfragen im Ausland die positive Wirkung von Gütesiegeln auf die Spendenbereitschaft: ႑”In a recent survey by ICM Research for the Media Trust, 73% of respondents said they would be more likely to give to a charity if they had independent information about charity performance, and this figure was 90% amongst those who had never given to charities.7” ႑„58 Prozent der Befragten würden einer Hilfsorganisation mit Spendensiegel eher spenden als anderen Organisationen. Nur ein Viertel meint, ein Spendensiegel hätte keinen Einfluss auf ihre Spendenbereitschaft“.8   7 Vgl. Brearley C. (2001):”Confidence in Fund-Raising Charities. A submission to the PIU project ...” 8 Vgl. Österreichische Forschungsstiftung für Entwicklungshilfe (2001), S. 21.
340 Burkhard Wilke Effizienzsteigerung bei der Auskunftsarbeit des DZI Erwartungsgemäß hat sich die Liste der Spendensiegel-Organisationen (SpendensiegelBulletin) zu der mit Abstand am meisten nachgefragten Auskunftsform der DZI Spenderberatung entwickelt und der Auskunftsarbeit des DZI einen um ein Vielfaches erhöhten Wirkungsgrad verschafft. Im letzten Jahr vor Einführung des Spendensiegels (1991) gab das DZI 11.570 schriftliche Einzelauskünfte. Diese sehr arbeitsaufwendige Auskunftsvariante reduzierte sich dann bis auf einen Tiefstand von 4.398 Einzelauskünften im Jahr 2000, nimmt seitdem – wohl aufgrund des wachsenden Bekanntheitsgrads des DZI – wieder zu (2008: 6.772). Nicht unmittelbar beabsichtigte positive Effekte Das Bundesministerium für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung (BMZ) verzichtet laut seinen „Richtlinien für die Förderung entwicklungswichtiger Vorhaben privater deutscher Träger in Entwicklungsländern” seit 1998 auf einen Teil der eigenen Prüfung, wenn die jeweilige Organisation das Spendensiegel hat. Das Auswärtige Amt bezieht das Spendensiegel gleichfalls in seine Entscheidungen über die Förderung von Nichtregierungsorganisationen ein und nimmt inzwischen nur noch Organisationen mit DZI Spenden-Siegel in seinen Koordinierungsausschuss Humanitäre Hilfe auf. Die meisten Spendensiegel-Organisationen schätzen die Prüfung inzwischen nicht mehr allein wegen der positiven externen Wirkungen, sondern auch wegen der internen Informationsfunktion der ausführlichen Prüfdokumentation, die das DZI ihnen nach Abschluss jeder Prüfung übermittelt. Dieser Prüfbericht schließt auch im Fall der Zuerkennung häufig Verbesserungsempfehlungen ein, die fast alle Organisationen als konstruktive Anregung verstehen (Qualitätsentwicklung). 27.3 Wettbewerbe Auch bestimmte Wettbewerbe können in gewisser Hinsicht den privatrechtlichen Kontrollformen zugeordnet werden. So etwa der Transparenzpreis von PriceWaterhouseCoopers (PWC) für die Jahresberichte großer Spendenorganisationen, den es nach der Einführung in Schweden und den Niederlanden seit 2005 auch in Deutschland gibt, oder die Auswahl von Best-Practice-Projekten für die thematischen Reports des in 2008 gestarteten Programms „Orientierung für soziale Investoren“ der Bertelsmann Stiftung. Sie beziehen sich aber im Unterschied zu Spendensiegeln auf Teilbereiche der Arbeit von Spendenorganisationen und nicht auf die Vertrauenswürdigkeit der Organisationen als Ganzes.
Kontrollinstanz im Spendenwesen: Vom Sinn der Qualitätsüberwachung 27.4 341 Fazit Die in diesem Beitrag beschriebenen Siegel, Watchdogs und Selbstregulierungen leisten, ergänzt durch die staatliche Kontrolle, als Intermediäre vielfältige Beiträge zu mehr Transparenz und Vertrauen im Spendenwesen. Die meisten Autoren, die sich systematisch mit den Wirkungsweisen dieser Intermediäre befasst haben, kommen zu dem Schluss, dass nicht ein einzelner dieser Ansätze den übrigen grundsätzlich vorzuziehen ist, sondern für das Spendenwesen als Ganzes ein Zusammenwirken dieser Intermediäre den besten Erfolg verspricht. Dabei darf „Zusammenwirken“ aber nicht als „Vermischen“ missverstanden werden. Letzteres schafft bei Spenderinnen und Spendern mehr Verwirrung als zusätzliche Klarheit und Vertrauen. „Watchdogs“ und Spendensiegel haben sich in den Ländern, in denen es sie gibt, als eine Art „Dritter Weg“ zwischen staatlicher Kontrolle und sektoraler Selbstregulierung bewährt. Sie besitzen wegen ihrer Unabhängigkeit und zugleich wegen ihres authentischen sektoralen Bezuges eine hohe Glaubwürdigkeit und Akzeptanz bei Spendern und Spendenorganisationen gleichermaßen. Als zuverlässige „Brücken des Vertrauens“ werden sie sogar von NPO-Stakeholdern genutzt, die nicht an der Spendenverwendung unmittelbar interessiert sind, etwa öffentlichen Zuwendungsgebern. Weiterführende Literatur Arndt, M. (2009): Zeitgemäße Neubelebung der Sammlungsgesetze der Länder, in: Deutsches Zentralinstitut für soziale Fragen (Hrsg.), DZI Spenden-Almanach 2009/10. Berlin, S. 49-62. Brearley C. (2001):”Confidence in Fund-Raising Charities. A submission to the PIU project”, Stellungnahme der Consumers Association (CA) und der Charities Aid Foundation (CAF), Großbritannien, November 2001, Ziffer 7. Bundesverband für Umweltberatung e.V. (1999): Label für nachhaltige Produkte – Bewertung von Produktkennzeichnungen, S. 5. Lob-Hüdepohl, A. (2007): Begeistern – Nehmen – Geben. Bausteine einer Ethik des Fundraisings, in: Ethik im Fundraising. Kinderpatenschaften, Selbstverpflichtungen und weitere Spannungsfelder, Reihe „Soziale Arbeit SPEZIAL“, Deutsches Zentralinstitut für soziale Fragen (Hrsg.), Berlin, S. 9-14. (NCVO) National Council for Voluntary Organisations (2004): Accountability and Transparency, NCVO Publications, June. Österreichische Forschungsstiftung für Entwicklungshilfe (2001): Spendenwesen in Österreich. Spendenmarkt und Spendenstudie 2000. Wien, Eigenverlag ÖFSE Ortmann, A./Svitkova, K. (2007): Certification as a Viable Quality Assurance Mechanism, in: Transition Economies: Evidence, Theory, and Open Questions, Prague Economic Papers 2/2007, S. 99-114. Wilke, B. (2004): DZI Spendensiegel – Konzept, Erfahrungen und internationaler Vergleich, in: Walz, R. (Hrsg.), Rechnungslegung und Transparenz im Dritten Sektor, Köln, S. 177-191. http://de.betterplace.org/how_it_works/faq, Zugriff am 11.12.2009.
 342 28 Thomas Kreuzer Den Wandel auf ein festes Fundament stellen: Plädoyer für eine umfassende Marktforschung ThomasȱKreuzerȱ Fundraising ist in Deutschland zu einem konstitutiven Bestandteil in der Finanzierung von Non-Profit-Organisationen geworden. Immer mehr Organisationen steuern um, um zusätzliche private Mittel für ihre Arbeit zu gewinnen, um das aktuelle Qualitätsniveau der eigenen Leistungen zu erhalten oder auszubauen. Deshalb befinden sich nahezu alle gemeinnützigen Organisationen, ja der dritte Sektor insgesamt, in einem Umstrukturierungsprozess, der mit einer zunehmenden und anhaltenden Professionalisierung des Fundraisings in den Organisationen einhergeht. Seit gut zehn Jahren entwickelt sich deshalb die Fundraisingbranche in Deutschland nahezu galoppierend, was mit dem Einrichten neuer Fundraisingstellen in den Non-Profit-Organisationen verbunden ist. In den meisten Fällen, gerade bei kleineren und mittleren regional ausgerichteten Organisationen, werden Generalisten gesucht, die verknüpft mit der Öffentlichkeitsarbeit oder dem bestehenden Marketing Aktivitäten des Fundraisings in der Organisation aufbauen und etablieren. In den Organisationen, in denen Fundraising schon seit mehreren Jahren betrieben wird, stellen wir eine zunehmende Ausdifferenzierung der im Fundraising Tätigen fest: Personen, die mit Recherchen betraut sind; andere, die für das Direktmarketing zuständig sind; wieder andere, die sich mit Großspenden, Erbschaften und Vermächtnissen befassen; und wiederum andere, die den Ausbau des Online-Fundraisings verantworten. Diese zunehmende Professionalisierung des Fundraisings in den Organisationen hat zur Folge, dass immer mehr Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter ausgebildet werden, um die anstehenden Umsteuerungen in den Dritte-Sektor-Organisationen solide und nachhaltig zu begleiten. Aus diesem Grunde lässt sich behaupten, dass wir es gegenwärtig im Fundraising noch immer mit einer Boom-Branche zu tun haben; nach unserer Wahrnehmung ist auch kein Ende dieses Trends abzusehen. 28.1 Curriculare Entwicklungen im Fundraising Vergleicht man aktuelle Fundraising-Curricula mit denen von vor zehn Jahren, lässt sich ein einschneidender Wandel feststellen. Waren die ersten Aktivitäten auf dem Gebiet der Aus-, Fort- und Weiterbildung davon geprägt, den Fokus möglichst auf einzelne Instrumente und deren Optimierung zu legen, stellte sich mit der Zeit heraus, dass die Organisation als Ganzes stärker in das Blickfeld gerückt werden muss. War man also vor zehn Jahren noch der Meinung, „Instrumentenvirtuosen“ auszubilden, stellte man mit der Zeit fest, dass die entgegenkommenden Strukturen in der Organisation unabdingbar wichtig sind für den Auf- und Ausbau einer erfolgreichen Fundraising-Praxis.
Den Wandel auf ein festes Fundament stellen 343 In den Debatten der Fundraisingbranche hat sich für diese Dimension der Begriff der „Institutional Readiness“ (organisatorische Bereitschaft) herausgebildet, um diesen holistischen Ansatz, bei dem das Gesamt der Organisation in den Blick genommen werden muss, zu bedenken. Verkürzt kann man deshalb davon sprechen, dass in den letzten zehn Jahren in den Curricula der Fundraisingbranche ein Weg zurückgelegt wurde von der Instrumentenorientierung hin zu einem marketingtheoretischen Ansatz, der die Organisation als Marke auffasst, die mit ihrem Leistungsportfolio in der Öffentlichkeit positioniert werden muss. Dass für diese Erkennbarkeit und Profilierung der Non-Profit-Organisationen in der Öffentlichkeit und gegenüber den Spendern entgegenkommende Strukturen wesentlich sind, liegt auf der Hand: Entscheidend ist nicht nur die Optimierung der einzelnen Fundraising-Instrumente, sondern der Fokus auf die unterstützenden Strukturen in der Organisation, wie sie in Führung und Leitung, Planung und Zielsetzung, Strategieentwicklung und Umsetzung sowie in Evaluation und Controlling eine Rolle spielen. In diesem Zusammenhang ist es interessant zu sehen, dass Aspekte der Marktforschung zwar in den einzelnen Teilbereichen eine Rolle spielten und spielen, bislang aufs Ganze gesehen aber nur unzureichend berücksichtigt werden. Deshalb ist es notwendig, Aspekte der Marktforschung nicht nur als unterstützende Maßnahmen zu verstehen, die einzelne Fundraising-Aktionen garnieren, sondern stärker als bisher ins Zentrum von Planung, Strategie und Controlling zu rücken. Seit dem Jahr 2007 liegt ein von der European Fundraising Association zertifiziertes Curriculums-Modell vor, das auf europäischer Ebene Fundraising-Curricula vereinheitlicht und standardisiert. Die Entwicklung dieses Systems war ein bedeutender Schritt in die richtige Richtung. Zugleich fällt auf, dass in diesem System Softskills eine viel größere Rolle spielen als auf dem kontinentalen und eben auch auf dem deutschen Fundraising-Markt, dass aber auch hier Dimensionen der Marktforschung nicht oder noch nicht den Rang einnehmen, der ihnen zukommen sollte. An dieser Stelle also haben wir einen Nachhol- und Veränderungsbedarf. 28.2 Desiderate des Non-Profit-Managements Im Folgenden sollen einige Baustellen benannt werden, die das Management der Organisationen beschäftigen. Diese Punkte muss man berücksichtigen, will man Impulse im Fundraising-Sektor setzen. 28.2.1 Planung und Zielsetzung Für die Praxis vieler Non-Profit-Organisationen in Deutschland ist zu konstatieren, dass Recherche, Analyse und daran anschließende Planung und Zielsetzung nicht hinreichend ausgeprägt sind. Zielsetzungen sind häufig nicht oder gar nicht hinreichend quantifiziert, Zielgruppen und Dialoggruppen unterbestimmt, zum Teil gar nicht bestimmt. Zudem ist immer wieder auffallend, dass die unterschiedlichen Zielgruppen in der Fundraising-
344 Thomas Kreuzer Planung nicht ausdifferenziert werden: Schließlich macht es einen Unterschied, was man gegenüber der breiten Öffentlichkeit, gegenüber Journalisten, gegenüber Förderern oder gegenüber dem eigenen Vorstand kommunizieren möchte. Diese Unsicherheit in der Planung oder eben zum Teil das Fehlen jeglicher Planung ist freilich auch darauf zurückzuführen, dass eine umfassende Kenntnis über den Markt, auf dem sich die gemeinnützige Organisation bewegt, kaum vorliegt. Weder wird die eigene Marktposition bestimmt, selten existieren ausführliche Wettbewerbsanalysen, noch seltener liegen solide Umfeldanalysen vor, die über das politische oder ökonomische Umfeld der Non-ProfitOrganisation Auskunft geben. Das betrifft dann auch die Formulierung des jeweiligen Alleinstellungsmerkmals sowie des spezifischen Leistungsportfolios, das die Organisation von anderen unterscheidet. Um nicht missverstanden zu werden: Wir haben in den letzten Jahren deutliche Professionalisierungsschübe erlebt, was die Analyse, Planung und Zielsetzung von FundraisingAktivitäten angeht. Zugleich nehmen wir aber auch wahr, dass die Organisationen über kaum hinreichend valides Datenmaterial verfügen, das eine Ausrichtung und Positionierung der Organisation in der Öffentlichkeit aufgrund einer soliden Datenbasis ermöglicht. Hier wäre es sinnvoll und wünschenswert, wenn Elemente der Marktforschung konstitutiv in die Recherchearbeit, in Planung und Zielsetzung von Non-Profit-Aktivitäten insgesamt eingeholt werden könnten; hier liegt ein Handlungsbedarf vor für die Professionalisierung der Non-Profit-Organisation selbst sowie für entsprechende Dienstleister, die die Organisation in diesen Bereichen mit Know-how unterstützen. 28.2.2 Kohärente Konzeptionen Ein durchgängiges Problem in der Umsetzung von Fundraising-Aktivitäten ist, dass wir es häufig mit Einzelaktionen zu tun haben, denen kein kohärentes Gesamtkonzept zugrunde liegt. Das betrifft zum einen den zeitlichen Horizont der Planung, wie wir es beispielsweise in Jahresplänen vorliegen hätten. Zum anderen betrifft es auch die inhaltliche Ausrichtung der Fundraising-Aktivitäten, die häufig wie additive, unzusammenhängende Aktionen sich erweisen, aus denen kein roter Faden zu erkennen ist. Es wäre wünschenswert, im Non-Profit-Management und dann eben auch für die Fundraising-Praxis viel stärker mit strukturierten Jahresplänen zu arbeiten, als dies bislang der Fall ist. Auf diese Weise wäre es dann auch möglich, einzelne Aktionen im Großspenden-Fundraising mit Aktionen des Direktmarketings und Aktivitäten im Onlinebereich zu verknüpfen, sodass im Sinne der Markenbildung ein erkennbares Ganzes ersichtlich ist. Aber auch um solche kohärente und stimmige Konzeptionen zu erstellen, braucht es valide Instrumente der Marktforschung, damit die Konzeptionen auf einer strukturierten Grundlage entstehen. Auch hier müsste eine Umstellung erfolgen vom punktuellen Aktionismus hin zu strukturierter Planung. Auch für das Erstellen der Konzeptionen wäre es sinnvoll und hilfreich, die vorhandenen Quellen in der Organisation heranzuziehen, Ausarbeitungen, Daten und Dokumentationen zu verwerten, mit Befragungen und Beobachtungen zu arbeiten und eigene Forschungsergebnisse und Berichte in die konzeptionelle Arbeit einfließen zu lassen.
Den Wandel auf ein festes Fundament stellen 345 Es liegt auf der Hand, dass Non-Profit-Organisationen dieses Know-how zum Teil intern aufbauen werden, zum Teil sind sie auch an diesem Punkt auf externe Unterstützung durch Dienstleister angewiesen; in jedem Fall haben wir es hier im Sinne der Marktforschung mit einem Bildungsdesiderat zu tun, das in den Fort- und Weiterbildungen der kommenden Jahre stärker berücksichtigt werden sollte, als dies bislang der Fall ist. 28.2.3 Defizite im Marketingcontrolling Eine neuerliche Untersuchung, die die Fundraising Akademie in Kooperation mit der Hochschule Niederrhein durchgeführt hat, zeigt, dass das Controlling im Fundraising in völlig unzureichender Weise ausgebildet ist. Dies hängt, um es trivial zu formulieren, natürlich mit einer mangelnden Professionalität zusammen, entscheidender aber ist, dass die Non-Profit-Organisationen, was ihre Fundraising-Aktivitäten angeht, ihre eigenen Daten nur unzureichend auswerten und in die Planung einfließen lassen. Vielen Organisationen fehlen dementsprechend Daten über die Effizienz und Effektivität ihrer Fundraising-Kampagnen. Verkürzt kann man sagen, dass die wenigsten Organisationen nach dieser Studie ihre Fundraising-Kampagnen systematisch planen, dass in der Branche Controllingdaten über Effektivität und Effizienz nahezu komplett fehlen und dass die Fundraising-Kampagnen in keine strategische Marketingplanung eingebettet sind. Dieses Defizit eines gründlichen Marketingcontrollings wird von den Organisationen selbst als Desiderat wahrgenommen; sie sind der Meinung, hier eine Veränderung vornehmen zu müssen. Dies würde die Steuerung der Ziele beinhalten, eine angemessene Planung und Umsetzung, aber auch eine Messung des Erreichten, damit die vorhandenen Ergebnisse in neue Aktionen einfließen können. Die meisten Organisationen erkennen das Defizit eines fehlenden Marketingcontrollings und sehen Handlungsbedarf, da sie selbst kaum mit systematischen Kennzahlen ihre Aktionen unterlegen. Nebenbei sei angemerkt, dass nach der Studie eine Budgetplanung bei den meisten Organisationen ebenfalls nicht vorhanden war. Dieser diagnostizierte Optimierungsbedarf im Marketingcontrolling kann aber auch nur dann kompensiert werden, wenn hier auf solides Datenmaterial zurückgegriffen werden kann. Dies ist nicht im Ansatz vorhanden, sodass wir an dieser Stelle einen hohen Nachholbedarf in der Fundraisingbranche haben. 28.3 Neuere Entwicklungen des Fundraisings in Deutschland Trotz der genannten Desiderate verfolgen wir seit einiger Zeit mehrere Entwicklungen, die das Fundraising in Deutschland nachhaltig prägen werden. Diese Dynamiken vollziehen sich allesamt auf der Steuerungsebene der Organisation und sind von daher geeignet, tiefgreifende Veränderungen in der Fundraising-Branche insgesamt zu bewirken.
346 28.3.1 Thomas Kreuzer Board Education Auch wenn in der Literatur schon seit über zehn Jahren darauf hingewiesen wird, dass Fundraising eine strategische Leitungsaufgabe darstellt, kommt dies erst nach und nach ins Bewusstsein von Führung und Leitung der Non-Profit-Organisationen. Gegenwärtig stellen wir bei der Fundraising Akademie einen erhöhten Bedarf an Board EducationSeminaren fest, Workshops also, in denen Geschäftsführung und (ehrenamtliche) Vorstände und Kuratoren grundlegend im Steuerungswissen von Fundraising und Marketing geschult werden. Dies ist auch nötig, weil in den meisten Leitungsgremien von Non-ProfitOrganisationen das kaufmännische und auch Marketingwissen noch nicht in der Weise repräsentiert ist, wie es für die Steuerung der Einrichtung nötig und angemessen wäre. Gerade viele ehrenamtliche Vorstände und Kuratoren arbeiten noch immer mit stark aufgeladenen normativen, teils idealistischen Grundsätzen in der Organisation mit und geben den Einrichtungen eine wichtige inhaltliche Ausrichtung mit auf den Weg. Zugleich aber wird es immer wichtiger, auch Fundraising und Marketing-Know-how als Steuerungswissen in die Leitungsgremien von Geschäftsführung und Vorstand präsent zu halten, sodass immer mehr Organisationen spezifische Workshops für Leitungsgremien anfragen. Dies ist für das gesamte Fundraising in Deutschland ein wichtiger Schritt, da durch diese Nachfrage dokumentiert wird, dass das Fundraising dort angekommen ist, wo es hingehört: nämlich auf der Leitungsebene gemeinnütziger Organisationen. Zugleich ist festzuhalten, dass es auf Leitungsebene nicht um die Konkretionen des operativen Geschäfts gehen kann; hier wird gesteuert. Auf Leitungsebene geht es nicht um Text und Gestaltung von Mailings, die Ausführung und auch Verantwortung dieser Leistungen sollte man auch denen überlassen, die sich damit auskennen. Vielmehr geht es auf Leitungsebene um die Steuerung der Organisation und damit auch um die Zielsetzung der Fundraising-Aktivitäten insgesamt. Wir haben es also auf Leitungsebene mit der Ausrichtung und mit dem Profil der Organisation als Ganzes zu tun. Deshalb wäre es gut, wenn für dieses Steuern und Leiten von Non-Profit-Organisationen Daten aufbereitet und vorliegen könnten, die dieses Steuern und Leiten präzise und nachhaltig werden lassen können. Diese Festlegung der Strategie, wie wir sie auf der Leitungsebene vorfinden, hängt mit einem weiteren Punkt zusammen: der Markenbildung der Organisation. 28.3.2 Fundraising und Markenbildung Betriebswirtschaftliches Handeln setzt intern eine identitätsstiftende und motivierende Führungspraxis und extern ein auf den Markt abgestimmtes Handeln in der Leistungsund Kommunikationspolitik voraus: Marketing. Soziales Marketing setzt allerdings generell einen anderen Schwerpunkt als kommerzielles Marketing für Markenartikel der Lebensmittel-, Dienstleistungs- und Investitionsgüter-Branche. Es sind keine Waren, sondern soziale, kulturelle, politische oder spirituelle Angebote, die auf einem Markt mit vielfältigen Optionen Interessenten bzw. Partner finden müssen. So gesehen ist die Bezeichnung
Den Wandel auf ein festes Fundament stellen 347 „Produktangebote“ für die Leistungsblätter eines Sozialunternehmens problematisch, wenngleich üblich. Schon bei den Ausführungen zu den curricularen Entwicklungen im Fundraising der letzten Jahre hatten wir angeführt, dass sich ein Wandel vollzogen hat vom Instrumentenansatz zum Aufbau der Marke einer Organisation. Man kann sagen, dass dieses Bewusstsein in den Führungsetagen von Non-Profit-Organisationen inzwischen angekommen ist und gemeinnützige Einrichtungen immer mehr nach ihrem USP fragen, Leitbilder entwickeln und die Einrichtung als Ganzes erkennbar in der Öffentlichkeit positionieren. Wir gehen also im Fundraising zurzeit den Weg vom Instrument zur Marke. Diese Markensteuerung wird gegenwärtig noch vor allem durch ideelle Bilder über die Organisation motiviert, hat aber kaum oder wenig Rückhalt an empirischen Untersuchungen oder Daten. An dieser Stelle wäre es dringend geboten, diese Markenbildung und Positionierung der Organisation durch empirisches Material anzureichern und damit auf eine solide Grundlage zu stellen. Dies ist umso wichtiger, als die herkömmlichen Instrumente der Marktforschung sich nahezu ausschließlich auf große und prominente Organisationen beschränken, der breite Markt aber von regionalen und mittleren Non-ProfitOrganisationen damit aus dem Blick gerät. Diese sind es aber, die nach unserer Wahrnehmung in den letzten Jahren ein beträchtliches Wachstum aufweisen und den FundraisingMarkt in Deutschland insgesamt wesentlich mit umgestaltet haben. 28.3.3 Qualitätsmanagement im Fundraising In den letzten Jahren hat sich ein Bewusstsein dafür entwickelt, dass über die Einführung von Qualitätsmanagement im Fundraising die gesamten vorhandenen Prozesse optimiert werden können, um eine nachhaltige Positionierung der Organisationen der Öffentlichkeit insgesamt möglich zu machen. Qualitätsmanagement und Effizienzsteigerung sind Themen, die für Fundraising-Organisationen zunehmend an Bedeutung gewinnen. Maßgeblich hierfür sind gleichfalls Wettbewerbsverschärfungen, die – wie wir gesehen haben – auch am Fundraising nicht vorbei gehen. Mit der Einführung des Total Quality ExcellenceModells (TQE) und der ersten Zertifizierung der Organisation Ärzte ohne Grenzen durch den TÜV im Oktober 2009 fand für die gesamte Fundraising-Branche ein Quantensprung statt. Das Qualitätsmanagement-Modell des TQE ist deshalb so wirkmächtig, weil hier versucht wird, alle Prozesse, die in einer Organisation eine Rolle spielen, abzubilden und nach überprüfbaren Kriterien zu gestalten. Dies betrifft die Leitungsebene mit ihren Ziel- und Planungsinstrumenten, die Akteure mit ihren operativen Prozessen und Ressourcen sowie die Ergebnisse, die durch das Handeln der Non-Profit-Organisationen angestrebt und erreicht werden sollen. Ein Quantensprung für die Fundraising-Branche ist das Qualitätsmanagement-Modell TQE deshalb, weil hier zum ersten Mal alle für die Organisation relevanten Prozesse im Fokus stehen und abgebildet werden. Auf der einen Seite werden wir immer mehr Organisationen sehen, die sich einer solchen Zertifizierung durch den TÜV unterziehen; auf der anderen Seite wird das TQE-Modell dazu dienen, die Prozesse
348 Thomas Kreuzer in der Einrichtung kritisch unter die Lupe zu nehmen und einem kontinuierlichen Verbesserungsprozess zuzuführen. Man kann diese Entwicklung für den Non-Profit-Bereich in Deutschland wohl kaum groß genug einschätzen. Dennoch ist es auch hier von entscheidender Bedeutung, dass diese Prozesse, die ja Analyse-, Planungs- und Steuerungssysteme beinhalten, die auf Kennzahlen abstimmen und Ziele quantifizieren, auf einer soliden Datenbasis geschehen. Das TQE-Modell gibt also vor, sich über die eigenen Ziele bewusst zu werden, sich der eigenen Steuerungsmodelle zu vergewissern, systematisch Fundraising-Aktionen zu planen und auszuwerten und vor allem in umfangreichem Sinne Key Performance Indicators (KPI) auf die Aktivitäten des eigenen Handelns anzuwenden. Auch dies lässt sich ohne solide Marktforschung kaum bewältigen, deshalb wäre es auch für diesen neuen und zum Teil umstürzenden Ansatz des TQE notwendig, wenn die Organisationen hier auf solides Datenmaterial zurückgreifen könnten. Auch an dieser Stelle sei angemerkt, dass wir für das Fundraising in Deutschland alles unternehmen sollten, durch gründliche Recherchen voranzukommen, um angemessene Vorstellungen und Interpretationen von Dialoggruppen und deren Kommunikationsverhalten zu gewinnen. Die Ergebnisse, die für einen Großteil der Organisationen vorliegen, sind gegenwärtig noch zu abstrakt: Hier besteht Handlungsbedarf. 28.4 Fazit Aufs Ganze gesehen ist das Fundraising in Deutschland auf einem guten Weg, sich nachhaltig in den Strukturen der Organisationen zu etablieren. Auch die Daten zum Spendenmarkt in Deutschland unterstützen diese Wahrnehmung, dass Fundraising weiter im Trend ist. Wir sehen auch beachtliche Erfolge, gerade von kleinen und regional aufgestellten Organisationen, die ins Fundraising einsteigen und beachtliche Erfolge verzeichnen. Doch es geht darum, diese Erfolge zu bestätigen; und dies geht nur, wenn gründliche Recherchen und Analysen auf Basis von soliden Daten gewonnen werden können. Wir sehen also, dass die Ausdifferenzierung der Medien sich erfolgreich nur dann für die Organisation gestaltet, wenn in der Organisation selbst ein spezifisches Know-how vorgehalten wird, wie die einzelnen Dialoggruppen sich verhalten und in bestimmten Kommunikationsbereichen agieren und mit bestimmten Medien reagieren. Hier wäre es zu wünschen, wenn – wie im vorliegenden Buch – Bestandsaufnahmen und Kenntnisse der Marktforschung als Triebfeder von Marketing, Vertrieb und Kommunikation der NonProfit-Organisationen zugänglich gemacht werden bzw. Dienstleistungen angeboten werden, welche die Non-Profit-Organisationen in die Lage versetzen, hier präziser, passgenauer und damit auch kostenbewusster arbeiten zu können. Nachhaltige Erfolge werden ohne fundierte Planung, die auf der Grundlage eines soliden Datenmaterials erfolgt, kaum möglich sein. Dies sollte vor allen zukünftigen Fundraising-Kampagnen berücksichtigt werden. Deshalb ist es so wichtig, dass Marktforschung in das Bewusstsein von NonProfit-Organisationen dringt, damit sie die wichtige Arbeit, die sie jetzt bereits tun, künftig noch besser erledigen werden.
 Stichwortverzeichnis 349 Stichwortverzeichnis Abschlussgespräch 148 Activity Based Costing 205 Adressen 87 Adress-Selektion 78 Affiliate-Marketing 298 Affinität 83 Agenda Setting 232 ̄ggregierte Präferenzen 248 Ähnlichkeitsmaß 67 Aktive Variablen 65 Anzeige 208 Anzeigenmarketing 227 Argumentationshilfen 142 Attritionsrate 155 Aufhänger 320  Begünstigte 168 f. Bekanntheit 176 Beschwerde 146 Bestandsspender 79 Bestätigungsschreiben 139 Beziehungskiller 145 Bildungsarbeit 128 Bindungsprogramme 125 Blog 298 Brand Risk 122 Break-Even-Point 156 Budget 179 Bundesforum Kinder- und Jugendreisen e.V. 129 Bundesländer 98 Bürgergesellschaft 88 Bürgerschaftliche Entwicklungsagenturen 97 Bürgerschaftliches Engagement 88 Business Performance Management 39    Causes 286 Charity Business 32 Charity Golf 174 Charity-Turnier 175, 179 Clusteranalyse 67 f. – hierarchische 67 – partitionierende 67 Cluster-Ensemble-Methoden 71 Clusterzahl 70 Clusterzentrum 69 Community 289 Corporate Citizenship 182 Corporate Design 312 Corporate Identity 311 Corporate Publishing 218 Corporate Social Responsibility 182  Dankanrufe 138 Datenmanagement 124 Datenpflege 138 Desk Research 104 Deutsches Zentralinstitut für Soziale Fragen 34, 123 Direktmarketing 84 Diskriminanzanalyse 73 Distanzmaß 67 Door-to-Door-Fundraising 118, 125 Durchschnittsalter 125  Effizienzkontrolle 161 Effizienzmaß 205 Ehrenamt 88 Einflussstärke 199 Eingliederungshilfe 108 Einwandbehandlung 144 Embedded Giving 170 Engagementförderung 98 Erfolgsabhängige Honorierung 120, 123 Erreichbarkeit 144
350 Stichwortverzeichnis Evaluation 269 Event 323  Face-to-Face-Fundraising 118 Face-to-Face-Markt 118 Film 209 Fokusgruppen 246 Folgekündigungsquote 127 Förderbeitrag 244 Forum Corporate Publishing 219 Freiwiligenarbeit 88 Freiwilligenagentur 97 Freiwilligensurvey 88 Fremdlistenmailing 155 Friedenserziehung 130 Friedhöfe 129 Frühwarnsystem 299 Fundraising 342 Fundraising-Konzept 313 Fundraising-Kosten 166 Fundraising-Mix 181 Fundraising-Projekt 262 Fundraising-Strategien 257 Fusionierungsalgorithmen 68 Fusionierungsprozess 68  Gedenk- und Erinnerungskulturen 130 Gedenkstätte 129 Gesamtmarkenerlebnis 200 Gesellschaftliche Modernisierung 92 Gesprächsanlass 143, 148 Gesprächseinstieg 138 Gesprächsleitfaden 143 Gesprächsverhalten 141 Gesprächsverlauf 143 Gewerkschaft 90 Gewinnungsmarketing 79 Global Giving 165 Golfsport 172, 174 Greenpeace 81 Großspender 181 Gruppenbildung 64 Gruppendiskussion 246 Guy Stringer 33  Haltbarkeitsanalyse 159 f. Haltemarketing 79 Hauslistenmailing 151 Haustürwerbung 125 Hobbygolfer 174 Honorierungsmodell 126 Hotline 122 f.  Image 176 Informationsbeschaffung 104 Infrastruktur 100 Institution 91 International Fundraising Congress 32 Internetökonomie 164 Internetplattform 169  JBS 131 Jugendarbeit 129 Jugendarbeitskreis 133 Jugendbegegnungen 130 Just Giving 171  Kampagne 83, 209 Kapitalbeschaffungskosten 166 Key Performance Indicator 222 Kirche 90 Klassifikationsregel 74 Klassifikationsverfahren 67 Kommunikationskanal 266 Kommunikationskonzept 313 Kommunikationsmittel 83 Kommunikationsprofil 203 Kommunikationsweg 265 Kontakter 141 Kontaktpunkt 198 Kontaktpunktmix 198
Stichwortverzeichnis 351 Konzeptionsevaluation 269 Kosten-Nutzen-Betrachtung 196 Kosten-Nutzen-Verhältnis 205 Kriegsgräberstätte 128 Kündigerrückgewinnung 137  Längsschnittsanalyse 230 Latent-Class-Analyse 70 Lebensphase 81 Leitbild 311 Leitungsebene 346 Lernort der Geschichte 130 Leserbefragung 223 Logistische Regression 73  Mailingkonzeption 150 Mailingstatistik 158 Markenidentität 258 Marktforschung 84, 343 Marktsegmentierung 63, 265 Mediacode 153 Media-Selektion 83 Medienforschung 220 Medienkooperation 319 Medienresonanzanalyse 112 Menschenrechtbildung 130 Modelling 85 Mystery Research 237 Mystery Test 237  Nettokontakte 147 Nutzensegmentierung 249, 251  Online-Fundraising 291, 297 Organisation 91  Partei 90 Passive Variablen 66 Paul Watzlawick 35 Potenzielle Neuspender 79 Presse- und Medienarbeit 320 Pressemitteilung 322 Presseverteiler 321 Pre-Test 208 Professionalisierung 342 Prognosemodell 85 Prozessevaluation 269 Psychografisches Profil 79, 85 Psychografisches Zielgruppenmodell 87  Qualitätscontrolling 238 Qualitätskontrolle 146 Qualitätsmanagement 122, 347 Querschnittsanalyse 230  Real-time reporting 169 Recency-Monetary-Schema 152 Rechenschaft 169 Reklamation 145 Rentabilitätsanalyse 126 Reproduzierbarkeit 70 Responsequote 147 Return on Investment 157 Risikomanagement 299 Rückgewinnung 137, 140 Rückmeldung 146  Schirmherrschaft 319 Scorecard 85 Scoringmodell 85 Segmentierung 63 Segmentierungsansatz 63 Segmentierungskriterium 64 Segmentierungsverfahren, strukturentdeckendes 67 Segmentierungsziel 65 Sekundärforschung 104 Semiometrie 78 Semiometrie-Panel 80 SemioSelect 85 Serviceorientierung 235 Servicequalität 234 Servicestandard 238
352 Stichwortverzeichnis SMART-Ziele 264 Social-Media-Strategie 295 Sofortstornoquote 127 Soldatenfriedhöfe 130 Soziale Integration 91 Spende 177 Spenden-Bereitschafts-Punkt 203 Spendenbox 177 Spendenkomponente 247 Spendennutzen 244 Spendenportal 287, 298 Spendensiegel 247 Spenderbindung 181 Spendergewinnung 180 Sponsor 178, 315 Sponsorenpaket 178 Sponsoring 87, 177 Sponsoringkonzept 318 Sprechender Schlüssel 154 Stakeholderkommunikation 286 Ständige Konferenz der Kultusminister der Bundesländer 129 Startzentrum 69 Straßenwerbung 125 Strategieprofile 249, 252 Suchmaschinenmarketing 298  Teaser 150 Telefon-Fundraising 135 Telefon-FundraisingAktion 141, 147 Testimonial 87 Testkunde 239 Tonalität 83 Trade-off-Verfahren 247 Transparenz 168 Transparenzinitiative 195 Tree-Analyse 74 Trennschärfe 70 Twitter 298 Two-Step-Clusteranalyse 70 Typologie 87  Unternehmen 177 Unternehmenskommunikation 219 Upgrade 139 User Generated Content 283  Verband 90 Verein 90 Vernetzung 293 Versöhnung 130 Volksbund Deutsche Kriegsgräberfürsorge e.V. 128  Werbecode 153 Werbeeinsatz 196 Werbeträger 78 Werbeumfeld 84 Wertefeld 79 Wertemessung 79 Werteorientierung 78, 81 Werteprofil 79, 81 Wertewandel 92 Wertewelt 78 Wirkungsnachweis 195 Workcamp 129  ZAW-Rahmenschema 227 Zieldefinition 264, 343 Zielgruppe 63, 78, 169, 266 Zielgruppenanalyse 85, 259 Zielgruppenprofiling 85 Zivilgesellschaft 91 Zufriedenheitsbefragung 236 Zusatzspende 138
 Autorenverzeichnis 353 Autorenverzeichnis Cornelia Blömer Cornelia Blömer sammelte als gelernte Krankenschwester und Diplom-Sozialpädagogin 20 Jahre Berufs- und Führungserfahrung im Sozial- und Gesundheitswesen, bevor sie 2003 ins Fundraising wechselte. Nach ihrer Tätigkeit als Fundraiserin für die Deutsche RheumaLiga begann sie 2006 ihre Tätigkeit beim NABU, dem mitgliederstärksten deutschen Umwelt- und Naturschutzverband mit rund 460.000 Mitgliedern und Förderern. Bis März 2010 leitete sie dort die Abteilung für Marketing und Fundraising. Seit April 2010 ist Cornelia Blömer als freiberufliche Beraterin für Fundraising, Sponsoring und CSR tätig. kontakt@fundraising-bloemer.de Nicola Boyer Nicola Boyer ist Senior Research Consultant in der Abteilung Business Intelligence von TNS Infratest. Sie hat langjährige Erfahrung in der Sekundärforschung von Unternehmensberatungen. Bei TNS Business Intelligence betreut sie sowohl den Bereich Sozialforschung als auch die Finanzdienstleistungsindustrie. nicola.boyer@tns-infratest.com Dr. Joana Breidenbach Joana Breidenbach studierte Ethnologie und Kunstgeschichte in München, Berkeley und London. 1994 Promotion zum Dr.phil. Sie lebt mit ihrem Mann und zwei Kindern in Berlin und ist seit 1992 als Autorin und Journalistin tätig. Zahlreiche Veröffentlichungen zu den kulturellen Folgen der Globalisierung, Migration und Tourismus, unter anderem „Tanz der Kulturen“. Joana Breidenbach ist langjährige Kolumnistin des Wirtschaftsmagazins brand eins, ihre Veröffentlichungen sind unter anderem in GEO und Frankfurter Allgemeine Zeitung, Current Anthropology erschienen. Seit 2007 ist sie Gründerin von betterplace.org, dem Marktplatz für soziales Engagement, wo sie das betterplace Lab leitet und für die betterplace blogs zuständig ist. jb@betterplace.org Andreas Dinkelmeyer Nach dem Studium der Biologie in Erlangen und Würzburg vertiefte Andreas Dinkelmeyer seine Fähigkeiten bei einer Weiterbildung zur Presse- und Öffentlichkeitsarbeit in Heidelberg. Seit 2001 arbeitet er als Pressesprecher für den IFAW (Internationaler Tierschutz-Fonds) in Hamburg. Dort ist er für die Pressearbeit zuständig und betreut in seiner Funktion auch Marketingmaßnahmen und Publikationen. Andreas Dinkelmeyer hat beim IFAW schon zwei Marktforschungsstudien und mehrere Meinungsumfragen begleitet. adinkelmeyer@ifaw.org
354 Autorenverzeichnis Barbara Drust Barbara Drust hat das Telefon-Fundraising bei Greenpeace Deutschland mit auf- und ausgebaut. Seit 2002 leitet sie den Bereich Informations- und Fördererservice. Von Beruf ist sie Bankkauffrau und Lehrerin. barbara.drust@greenpeace.de Walter Freese Walter Freese, Diplom-Sozialwirt, war von 1992 bis 1995 Lehrbeauftragter am Institut für Publizistik und Kommunikationswissenschaften, Universität Göttigen und wissenschaftlicher Mitarbeiter am Göttinger Institut für angewandte Kommunikationsforschung GmbH (GöfaK). Von 1995 bis 1998 arbeitete er als Projektleiter Panel Methods bei der GfK Fernsehforschung in Nürnberg Seit 1998 ist er Senior Research Consultant in der TNS Emnid Medienforschung, Bielefeld. Seine Spezialgebiete in der Mediaforschung sind die Werbeträgerforschung und Effizienzkontrolle für Kunden- und Fachzeitschriften. Im Bereich der Fachzeitschriften ist er Experte für die Instrumente Anzeigen-Copytest und Strukturanalyse, er betreut große Reichweitenuntersuchungen (agla a&b, AGLA SHK). Für die Gattung der Kundenzeitschriften entwickelte er in Zusammenarbeit mit dem Branchenverband Forum Corporate Publishing FCP ein neues Instrument zur Erfolgskontrolle im Corporate Publishing – den CP Standard. walter.freese@tns-emnid.com Dr. Thomas Gensicke Thomas Gensicke ist Senior Consultant im Bereich „Familie und Bürgergesellschaft“ bei TNS Infratest Sozialforschung München. Er studierte Philosophie in Leipzig und hatte verschiedene Lehraufträge an der PH Karlsruhe, der Universität Koblenz-Landau und der Berufsakademie Mannheim. Promotion am Forschungsinstitut für Öffentliche Verwaltung in Speyer 1998. Seit 2001 ist er bei TNS Infratest im Bereich Sozialforschung tätig. Seine Forschungsgebiete sind Empirische Einstellungs-, Werte- und Kulturforschung, öffentliche Beteiligung und freiwilliges Engagement, Jugendforschung und Besonderheiten der neuen Bundesländer. Größere Projekte: Freiwilligensurvey 1999/2004/2009 (BMFSFJ); Perspektive Deutschland 2001-2006 (McKinsey); Youth Entrepreneurship Barometer 2007 und Lebenswertes Wirtschafts- und Sozialmodell 2008 (beides Bertelsmann Stiftung); Mitarbeit an der 14. und 15. Shell Jugendstudie (2002/2006), Projektleitung 16. Shell Jugendstudie 2010, Hertie Berlin Studie 2008, Hertie Frankfurt Studie 2010. thomas.gensicke@tns-infratest.com Christine Gerbracht Christine Gerbracht ist Senior Consultant bei TNS Infratest in Bielefeld. Sie studierte Wirtschaftswissenschaft an der Ruhruniversität Bochum. Seit 2000 ist sie im Unternehmen tätig im Bereich Finanzforschung, zunächst mit den Arbeitsschwerpunkten Kommunikations-,
Autorenverzeichnis 355 Image- und Kundenzufriedenheitsforschung, von 2006 bis 2008 Betreuung der AdhocMarktforschung im Bereich Social Marketing/NPO. Seit 2008 ist sie innerhalb der Finanzforschung und des Social Marketings verantwortlich für den neuen Bereich interaktiver Marktforschungsmethoden. christine-gerbracht@tns-infratest.com Hans-Dieter Heine Hans-Dieter Heine, Diplompädagoge, ist Referatsleiter Jugendarbeit in der Bundesgeschäftsstelle des Volksbund Deutsche Kriegsgräberfürsorge e.V. in Kassel, Abt. Gedenkkultur, Bildungsarbeit und Gesellschaftspolitik. Seine Arbeitsgebiete umfassen: Konzeption und Koordination der schulischen und außerschulischen internationalen Jugendarbeit des Volksbundes. Themenschwerpunkt: Didaktik und Methodik friedenspädagogischer Arbeit in Verbindung mit Kriegsgräberstätten. hans.dieter.heine@volksbund.de Hans-Josef Hönig Hans-Josef Hönig ist Bankkaufmann und Dipl.-Volkswirt. Seine über 25-jährige „Fundraisinglaufbahn“ führte ihn vom Generalsekretariat des Deutschen Roten Kreuzes über die Deutsche Umwelthilfe, den Naturschutzbund Deutschland und die OutcomeUnternehmensberatung zur SAZ Dialog AG Europe, wo er heute als Geschäftsführer tätig ist. Seine Schwerpunkte sind Spenden-Mailings, Legatwerbung, Bußgeldwerbung und Database-Marketing. Er hat als Referent im In- und Ausland gearbeitet, neben einem Grundlagenwerk zum Database-Fundraising viele Artikel zu Database-Marketing und Erbschaftsmarketing veröffentlicht und arbeitet als Dozent und Prüfer für die Fundraising Akademie. Er ist Gründungsmitglied des Deutschen Fundraisingverbandes und war vier Jahre Mitglied in dessen Vorstand. hhoenig@saz.net Katrin Kiefer Katrin Kiefer, M.A., ist freiberufliche Kommunikationsberaterin. Nach einem medienwissenschaftlichen Studium und verschiedenen Tätigkeiten für Medieninstitutionen absolvierte die ehemalige Stipendiatin der Friedrich-Ebert-Stiftung den Master-Studiengang Medienmanagement am Institut für Journalistik und Kommunikationsforschung in Hannover. Für ihre Abschlussarbeit war sie Mitglied im Forschungscollegium des Maecenata Instituts für Philanthropie und Zivilgesellschaft an der Humboldt-Universität zu Berlin. Inhaltliche Schwerpunkte ihrer wissenschaftlichen und praktischen Tätigkeit sind Kommunikationsmanagement, Online Relations, Social Media und Fundraising im zivilgesellschaftlichen Bereich. katrin.kiefer@netzwerkpr.de
356 Autorenverzeichnis Dr. Thomas Kreuzer Thomas Kreuzer ist promovierter Theologe und Kommunikationswirt. Veröffentlichungen und Vorträge zur Struktur und Finanzierung des dritten Sektors, zu Themen der Zivilgesellschaft sowie zu Sozialphilosophie und Ethik. Seit 1999 ist er Akademieleiter der Fundraising Akademie gGmbh in Frankfurt am Main. kreuzer@fundraisingakademie.de Hans Mumme Hans Mumme, Diplom-Psychologe, ist als Account Director bei TNS Infratest tätig. Zuvor war er Abteilungsleiter der Werbeforschung in einem anderen, großen Marktforschungsinstitut. Ab Anfang 2004 baute er das Communications Research Centre bei TNS mit auf. Seitdem leitet er diese Abteilung, die vor allem inhaltlich ausgerichtete Kommunikationstests für Kunden unterschiedlichster Branchen durchführt. In sein Aufgabengebiet fällt auch die Unterstützung innerhalb des internationalen TNS-Netzwerks zu Fragen der Werbeforschung. hans.mumme@tns-infratest.com Christina Müller Christina Müller ist PR-Beraterin und Dozentin, u.a. an der Deutschen Akademie für Publizistik, Hamburg. Seit 1996 ist sie Inhaberin des Büros text+pr in Bremen, ausgezeichnet für seine Ideen mit dem PR-Award der Deutschen Gesellschaft für Public Relations. Das Büro ist spezialisiert auf Marketingkommunikation und Profilentwicklung rund um Gesundheit, Kultur, Stadtmarketing und Unternehmen. mueller@ mueller-text-pr.de André Petras André Petras ist Leiter des Semiometrie Centers bei TNS Infratest. Semiometrie ist ein psychografisches Positionierungsverfahren, das schwerpunktmäßig zur strategischen Zielgruppenplanung sowie für die Markenführung eingesetzt wird. André Petras hat in den letzten Jahren eine Vielzahl von Forschungs- und Beratungsprojekten in einem breiten Spektrum von Branchen betreut. Daneben hat er in diversen Zeitschriften und Publikationen Artikel zur psychografischen Zielgruppenforschung veröffentlicht, ist Autor des Buches „Wie die Marke zur Zielgruppe kommt“ (Gabler Verlag) und hat eine Vielzahl von Fachvorträgen gehalten. Weitere Forschungsschwerpunkte sind die Verknüpfung von Marktforschung und Direktmarketing sowie das Best-Ager-Marketing. andre.petras@tns-infratest.com
Autorenverzeichnis 357 Andreas Pohle Andreas Pohle, Diplom-Kaufmann, studierte Wirtschaftswissenschaften an den Universitäten Mainz und Karlstad (Schweden). Er ist Bereichsleiter und Prokurist der TNS Infratest Finanzforschung in München und verantwortet u.a. die Bereiche Preis- und Produktmanagement sowie Innovationsmanagement. Vor dieser Funktion war er als Senior Consultant für das TNS VALUE•MANAGER Center tätig. Als Competence-Center hat sich dieses auf die branchenübergreifende, weltweite Pricing-Beratung spezialisiert. Andreas Pohle hat bereits zahlreiche nationale und internationale Unternehmen bei der Entwicklung und Umsetzung von Marketingstrategien beraten, vornehmlich in der Finanz-, der Konsumgüter- und der Automobilindustrie. andreas.pohle@tns-infratest.com Henning Rossa Henning Rossa hat nach erfolgreichem Universitätsabschluss des Betriebswirtschaftsstudiums unterschiedliche Stationen der Kommunikationsbranche durchlaufen. Bevor er zu TNS Infratest kam, hat er für eine Werbeagentur gearbeitet, war Hauptabteilungsleiter für Produkt und Kommunikationsforschung bei INRA Deutschland (später IPSOS). Henning Rossa arbeitet seit über 16 Jahren im Bereich Marken- & Kommunikationsforschung in leitender Funktion. In Deutschland ist er verantwortlich für die Werbemittelforschung mit dem Instrument AdEval™ und das Kontaktpunkt- und Mediamix-Optimierungsverfahren CPO™. Er ist Mitglied im Global TNS Board of Experts for Brand & Communications und hat durch eine Vielzahl an Veröffentlichungen und Vorträgen auf Konferenzen seine besondere Expertise im Bereich der Marken- und Kommunikationsforschung unter Beweis gestellt. henning.rossa@tns-infratest.com Andreas Schiemenz Andreas Schiemenz, Diplom-Volkswirt, ist geschäftsführender Gesellschafter der Fundraising Factory GmbH. Nach seinem Studium der Wirtschaftswissenschaften arbeitete Andreas Schiemenz mehrere Jahre als Unternehmensberater. Ab 1998 spezialisierte er sich auf den deutschen Sozialmarkt und war selbst mehr als zehn Jahre in gemeinnützigen Organisationen tätig. Als Leiter für Kommunikation und Fundraising arbeitete er für die Berliner Stadtmission und die Johanniter-Unfall-Hilfe e.V. Seit 2008 ist Andreas Schiemenz geschäftsführender Gesellschafter und Chefstratege der Fundraising Factory GmbH. Die Fundraising Factory ist eine unabhängige Beratungsgesellschaft für den Non-Profit-Sektor. Das Unternehmen berät und begleitet Organisationen, Verbände und Stiftungen, die ihr Fundraising optimieren und den Markt aktiv gestalten wollen. a.schiemenz@fundraising-factory.org
358 Autorenverzeichnis Lisa Schmees Lisa Schmees M.A. ist Kommunikationswissenschaftlerin und arbeitet als PR-Beraterin im Büro text+pr. schmees@mueller-text-pr.de Peter Schmitz Peter Schmitz ist seit 1990 Fundraiser. Er arbeitete sowohl auf Organisations- als auf Agenturseite mit und für nationale wie internationalen Klienten. Derzeit ist er Inhaber des Büros für Soziale Kommunikation. ps@bfsk.de Katharina Sievert Katharina Sievert, Dipl. Wirt.-Ing. (FH) für Werbung und Marktkommunikation, ist Mitarbeiterin der Fundraising Factory GmbH. Katharina Sievert studierte „Werbung und Marktkommunikation“ an der Hochschule der Medien in Stuttgart und schrieb ihre Diplomarbeit bei Brot für die Welt im Bereich Großspenden-Fundraising. Anschließend arbeitete sie unter anderem bei der Bertelsmann Stiftung im Projekt „Gesellschaftliche Verantwortung von Unternehmen“ und war als freie Projektreferentin für eine Mannheimer Stiftungsberatung tätig. Seit Januar 2008 arbeitet sie bei dem Hamburger Beratungsunternehmen Fundraising Factory als Projektmanagerin. k.sievert@fundraising-factory.org Dirk Steffen Dirk Steffen studierte Nachrichtentechnik an der Universität der Bundeswehr München und absolvierte ein Studiensemester Executive MBA am Henley Management College. Er ist Director des New Interactive Centre (NICe) und fokussiert sich auf die Entwicklung neuer digitaler Forschungsansätze und deren Integration in traditionelle Marktforschungsmethoden mit Schwerpunkt auf beratungsorientierten Ansätzen. Spezifische Kompetenzfelder: Webmonitoring, Market Research, Online Communities, ClickstreamAnalyse, Digital Behaviour Measurement und digitale Werbung sowie Medien. Dirk Steffen verfügt über 20 Jahre Berufserfahrung in der Beratungs- und ITK-Branche. Er hat diverse Artikel im Bereich Interactive Marktforschung publiziert und ist Keynote-Speaker zu diesem Thema. dirk.steffen@tns-infratest.com
Autorenverzeichnis 359 Maik Stücken Maik Stücken, Diplom-Kaufmann, ist Director bei TNS Infratest Bielefeld. Seit 1996 war er im Unternehmen zunächst im Bereich Medien- und Werbewirkungsforschung für qualitative und quantitative Marktforschung zuständig, seit 2002 leitet er den Bereich Mystery Research/Servicequalitätsforschung in Deutschland und ist für den Bereich auch international im TNS-Konzern verantwortlich. Zudem ist Maik Stücken seit 1998 Dozent am Institut für Kommunikations- und Medienwissenschaften der Universität Leipzig. maik.stuecken@tns-infratest.com Dr. Stefan Tuschl Stefan Tuschl, Diplom-Kaufmann, leitet bei TNS Infratest den Bereich Modelle und Methoden. Der Bereich Modelle und Methoden ist als Beratungs- und Competence Center im In- und Ausland für anspruchsvolle statistische Auswertungen und Untersuchungskonzeptionen zuständig. Auf die Services von Modelle und Methoden wird TNS-weit, insbesondere in Europa zurückgegriffen. Stefan Tuschl ist seit 2001 bei TNS Infratest (damals noch NFO Infratest). Vor seiner Zeit bei TNS Infratest war er zweieinhalb Jahre als Research Consultant bei der GfK Marktforschung in Nürnberg mit Schwerpunkt Telekommunikation/IT sowie Business-to-Business-Marktforschung tätig. Davor arbeitete er eineinhalb Jahre als Market Research Manager bei VIAG Interkom GmbH & Co. in München. stefan.tuschl@tns-infratest.com Antje Welp Antje Welp ist bei Oxfam Deutschland e.V. verantwortlich für Marketing, Kommunikation und Brand Management. Zuvor leitete sie das Fundraising des Bund für Umwelt und Naturschutz Deutschland e.V. Antje Welp arbeitete nach Studium und wissenschaftlicher Assistenz an der Rheinischen Friedrich-Wilhelms-Universität Bonn rund 15 Jahre in Marketing und Strategische Kommunikation von Agenturen und Unternehmen im Profit-Sektor. awelp@oxfam.de Silja-Maria Wiedeking Silja Maria Wiedeking ist Research Consultant in der Abteilung Business Intelligence von TNS Infratest. Bei TNS Business Intelligence ist sie für den Bereich Sozialforschung und für das Marketing der Abteilung verantwortlich. Sie verfügt über langjährige journalistische Erfahrung. silja-maria.wiedeking@tns-infratest.com
360 Autorenverzeichnis Burkhard Wilke Burkhard Wilke studierte Volkswirtschaftlehre in Münster und an der Freien Universität Berlin mit den Schwerpunkten Entwicklungsökonomie, Wirtschaft der USA, Wirtschaftssysteme osteuropäischer Gesellschaften. Von 1992 bis 1993 absolvierte er ein Volontariat bei der Hannoverschen Allgemeinen Zeitung. Seit 1993 ist er beim Deutschen Zentralinstitut für soziale Fragen, Berlin, beschäftigt, zunächst als wissenschaftlicher Mitarbeiter im Arbeitsbereich Spenderberatung/DZI Spenden-Siegel, seit 2000 als Geschäftsführer und wissenschaftlicher Leiter. Seit Mai 2000 ist er in Nebenfunktion Generalsekretär des International Committee on Fundraising Organizations (ICFO), des internationalen Dachverbands der dem DZI vergleichbaren Spendenauskunftsstellen. wilke@dzi.de
 Fazit 361 Die Herausgeber Monika Bär Monika Bär, Diplom-Juristin, arbeitete bis Ende 2009 für den Bereich Social Marketing bei TNS Infratest mit dem Schwerpunkt Deutscher Spendenmonitor. monika.baer@tns-infratest.com Jan Borcherding Jan Borcherding studierte Erziehungswissenschaften, Psychologie und Forschungsmethoden an der Universität Bielefeld. Schon während des Studiums war er in der kommerziellen Marktforschung sowie in universitären Forschungsprojekten tätig. Während der Diplomphase war er bereits bei TNS Emnid in der Finanz- und Energiemarktforschung als Executive tätig. Heute ist er Senior Consultant im Bereich Finanzmarktforschung bei TNS Infratest, Standort Bielefeld. Seine Arbeitsschwerpunkte sind Social Marketing (Deutscher Spendenmonitor) sowie Markenkommunikation. Diverse Vorträge, Lehrveranstaltungen und Publikationen in Fachzeitschriften seit 2003. jan.borcherding@tns-infratest.com Bernhard Keller Bernhard Keller ist Prokurist der TNS Infratest GmbH und leitet als Direktor die Finanzforschung mit Schwerpunkt Banken und Sparkassen und die Forschung für soziale Organisationen (Social Marketing). Bernhard Keller studierte Politik- (Magister Artium) und Geschichtswissenschaft (Master of Arts). Er arbeitete ab 1978 in verschiedenen universitären Positionen, bevor er 1990 in die kommerzielle Marktforschung wechselte. Umfangreiche Publikationen, Vorträge und Lehrveranstaltungen seit über 20 Jahren. bernhard.keller@tns-infratest.com