Автор: Kiihne Hartmut   Hrdina Jan   Muller Thomas T.  

Теги: museum  

ISBN: 978-3-631-57408-9

Год: 2008

Текст
                    Europaische
Wallfahrtsstudien
Herausgegeben von
Hartmut Kiihne, Jan Hrdina
und Thomas T. Muller
Band 4
zugleich
Schriftenreihe
Museum Europaischer Kulturen
Band 5
s м
В Museum Europaischer Kulturen
Staatliche Museen
zu Berlin
PETER LANG
Frankfurt am Main • Berlin • Bern • Bruxelles • New York • Oxford • Wien


Das Zeichen am Hut im Mittelalter Europaische Reisemarkierungen Symposion in memoriam Kurt Koster (1912-1986) und Katalog der Pilgerzeichen im Kunstgewerbemuseum und im Museum fUr Byzantinische Kunst der Staatlichen Museen zu Berlin Hartmut Kiihne Lothar Lambacher Konrad Vanj a (Hrsg.) S M В Staatliche Museen zu Berlin PETERLANG Internationaler Verlag der Wissenschaften
Bibliografische Information der Deutschen Nationalbibliothek Die Deutsche Nationalbibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbibliografie; detaillierte bibliografische Daten sind im Internet Uber <http://www.d-nb.de> abrufbar. Umschlagabbildung: Thronende Maria mit Kind Frankreich, 2. Halfte 15./Anfang 16. Jahrhundert Pilgerzeichen unbekannter Herkunft Staatliche Museen zu Berlin, Kunstgewerbemuseum Kat. Nr. 19 Gefordert von den Staatlichen Museen zu Berlin - Stifhmg Preuflischer Kulturbesitz Besuchen Sie uns im Internet: www.smb.museum www.MuseumShop.de S M В Staatliche Museen zu Berlin Gedruckt auf alterungsbestendigem, sSurefreiem Papier. ISSN 1862-149X Buchhandelsausgabe ISBN 978-3-631-57408-9 Museumsausgabe ISBN 978-3-88609-612-1 © Peter Lang GmbH Intemationaler Verlag der Wissenschaften Frankfurt am Main 2008 Alle Rechte vorbehalten. Das Werk einschliefllich aller seiner Teile ist urheberrechtlich geschUtzt. Jede Verwertung auBerhalb der engen Grenzen des Urheberrechtsgesetzes ist ohne Zustimmung des Verlages unzulassig und strafbar. Das gilt insbesondere ftlr Vervielf&ltigungen, Obersetzungen, Mikroverfilmungen und die Einspeicherung und Verarbeitung in elektronischen Systemen. Printed in Germany 1 2 3 4 5 6 7 . www.peterlang.de r 1—1 UttA ж ■
5 Inhaltsverzeichnis Christoph Markschies - G. Ulrich GroBmann - Peter-Klaus Schuster GruBworte zur Eroffnung der Ausstellung „Das Zeichen am Hut im Mittelalter. Europaische Reisemarkierungen“ am 24. November 2006 im Kunstgewerbemuseum der Staatlichen Museen zu Berlin 9 Hartmut Kiihne - Lothar Lambacher - Konrad Vanja Vorwort der Herausgeber 13 Beitrage des Symposions in memoriam Kurt Koster (1912-1986) am 25. November 2006 im Kunstgewerbemuseum der Staatlichen Museen zu Berlin Wolfgang Bruckner Kurt Koster und die Pilgerzeichenforschung 19 Jorg Poettgen Der Beitrag der Glockenkunde zur Pilgerzeichenforschung von Kurt Koster bis heute 31 Robert Plotz Signum peregrinationis - Heilige Erinnerung und spiritueller Schutz 47 Katrin Nagel Pilgerzeichenfimde in Mecklenburg-Vorpommern 71 Jorg Ansorge Pilgerzeichen sowie religiose und profane Zeichen aus der Grabung fur das Ozeaneum in Stralsund 83 Cornelia Oefelein Pilgerzeichen - Neue Funde auf Glocken in Brandenburg 115 Carina Brumme Pilgerzeichen - Erhaltungsbedingungen und Verbreitungsraume 127
6 Inhaltsverzeichnis Andreas Haasis-Berner Das Wallfahrtswesen im 14. Jahrhundert im Spiegel der Pilgerzeichen Eine These zur Geschichte des Wallfahrtswesen im Heiligen Romischen Reich Deutscher Nation 143 Beitrage zur internationalen Pilgerzeichenforschung Hartmut Kiihne Die Pilgerzeichenforschung in Deutschland seit dem Tod von Kurt Koster 1986 153 Jos Koldeweij Pilgrim and Secular Badges: Archaeological Finds in the Low Countries . . 161 Elek Benko Pilgerzeichenforschung und Pilgerzeicheniiberlieferung in Ungam und in Siebenbiirgen 167 Helena Koenigsmarkova Die Pilgerzeichensammlung im Prager Kunstgewerbemuseum 185 Christoph Henseler Die Pilgerzeichendatenbank - Genese und Aufbau eines Low-Budget- Projekts in der Geschichtswissenschaft 191 Beitrage zu Pilgerzeichen und Wallfahrtsdevotionalien in den Sammlungen der Staatlichen Museen zu Berlin Julia Dilger - Konrad Vanja Von Pilgem und Zeichen - Die Wallfahrtssammlung des Museums Europaischer Kulturen 197 Lothar Lambacher Zur Geschichte der Pilgerzeichensammlung des Berliner Kunstgewerbe- museums 207 Hartmut Kiihne Zur Bedeutung der Pilgerzeichensammlungen der Staatlichen Museen zu Berlin 223
Inhaltsverzeichnis 1 Stefan Krabath Profane Zinngiisse des Mittelalters im Berliner Kunstgewerbe- museum 235 Katalog 251 Hartmut Kiihne unter Mitarbeit von Carina Brumme - Stefan Krabath - Lothar Lambacher Europaische Pilgerzeichen und verwandte WeiBrnetallgiisse des hohen und spaten Mittelalters im Kunstgewerbemuseum und im Museum fur Byzantinische Kunst der Staatlichen Museen zu Berlin Hinweise zum Aufbau und zur Benutzung des Kataloges 251 Teil 1 Kunstgewerbemuseum, Bestand ex coll. Albert Figdor, Wien Kat. Nr. 1-25 263 Teil 2 Kunstgewerbemuseum, Bestand ex coll. Johannes Jantzen, Bremen Kat. Nr. 26 275 Teil 3 Kunstgewerbemuseum, Bestand ex coll. Lambert Jagenau, Den Haag Kat. Nr. 27-246 277 Teil 4 Museum fur Byzantinische Kunst, Bestand italienischer Pilgerzeichen Kat. Nr. 247-273 369 Anhang Publizierte Arbeiten Kurt Kosters zu Pilgerzeichen und Glocken - chronologische Gesamtbibliographie 385 Register zu den im Band erwahnten Pilgerzeichen 391 Autorenverzeichnis 401
9 Grufiworte zur Eroffnung der Ausstellung „Das Zeichen am Hut im Mittelalter. Europaische Reisemarkierungen “ am 24. November 2006 im Kunst- gewerbemuseum der Staatlichen Museen zu Berlin Christoph Markschies President der Humboldt-Universitat zu Berlin To peya 0aOpa тг|<; oiKoupevr)^, das groBe Wunder des bewohnten Erdkreises nennt der syrische Kirchenhistoriker und Bischof Theodoret im funften Jahrhun- dert den Saulensteher Simeon, der siebenunddreifiig Jahre auf einer Saule in der Nahe Antiochias stand und sich Tag fur Tag rhythmisch viele tausend Male ver- beugte und betete. In politisch unsicheren Zeiten wurde um diese Saule von einem byzantinischen Kaiser nicht nur ein groBer Kirchenkomplex gebaut, sondem eine regelrechte Pilgerstadt mit Hotels, Krankenhausem und Restaurants. To peya GaOpa тп<; ou<oupevr|<;, das groBe Wunder des bewohnten Erdkreises nennt Theodoret nicht nur den Saulensteher, sondem auch die Tatsache, dass Men- schen aus Spanien und Nordafrika, aus Italien und dem Donauraum, aus Agyp- ten und vom Schwarzen Meer kamen, um dieses Weltwunder zu bestaunen, auch - solange die Saule noch relativ niedrig war - ein Stuck Gewand oder Haar des Asketen abzuschneiden und mit nach Hause zu nehmen. Nun wurde die Platt- form, auf der der Saulensteher stand, bald auf eine rund drei Meter hohe Saule ge- stellt - und da war es fur gewohnliche Pilger schwer, noch Gewandstiicke und Haare des Asketen abzuschneiden, der das zudem, wie Theodoret schreibt, nicht wirklich leiden konnte. Und so erhielten die Pilger, die gem im Reigentanz um die Saule schritten, wohl auch mit ihrem Wagen um das groBe Weltwunder kurvten, Pilgerzeichen: Kleine, schwarze Medaillons mit der Abbildung einer Saule, an der eine Leiter lehnt und auf der ein kleiner Mann mit zum Segen erhobenen Han- den steht - eben Pilgerzeichen. Nun beschaftigten sich Ausstellung und Symposium, die dieser Band doku- mentiert, nicht mit spatantiken Pilgerzeichen, sondem mit den am Hut getrage- nen Pilgerzeichen des Mittelalters - Wilsnack und Regensburg fallen dem Alt- kirchenhistoriker im Prasidentenamte ein, die Wunderbluthostien im Branden- burgischen und das wundertatige Bild der schonen Madonna, zwei groBe Wall- fahrtsorte, die man sich nur nach Ansicht der Reformatoren an den Hut stecken konnte. Eine wunderbare Szene aus einer Chronik in Erfurt beschreibt, wie Eltem ihre Kinder verlassen, um nach Wilsnack zu laufen, und Kinder ihre Eltem im Stich lassen. Von solcher Pilgerfahrt kiinden die kostbaren kleinen Abzeichen, von solcher Intensitat der Frommigkeit im Spatmittelalter, das - das bekennt auch
10 Grufiworte der evangelische Theologe gem - ja nicht als Verfallsepoche der Reformation in den SchoB fiel, sondem vielmehr mit Huizinga und Moeller und Hamm als eine groBe Zeit der vielfaltigen Frommigkeitsbewegungen gesehen werden muss. Nun interessieren die Leser eines Symposiumsbandes liber Kurt Koster ver- mutlich nicht die mehr oder weniger kleinen Seitenbemerkungen eines Antikehi- storikers zu Details mittelalterlicher Pilgerfahrt, gar etwas laienhafite AuBerun- gen zur antiken Vorgeschichte mittelalterlicher Pilgerzeichen. Eher diirfte von In- teresse sein, dass der President der Humboldt-Universitat zu Berlin sich von Her¬ zen iiber diese Kooperation zwischen seiner Einrichtung und den Staatlichen Museen der Stiftung PreuBischer Kulturbesitz freut: Pilgerfahrt zum Humboldt- Fomm. Beide Berliner Einrichtungen sind Kinder der groBen Bildungsreformbewe- gung zu Beginn des neunzehnten Jahrhunderts, Schopfungen, die sich mit Namen wie dem Humboldts oder des preuBischen Konigs Friedrich Wilhelm IV. verbin- den. In einer Planungsstufe der so glanzend restaurierten Alten Nationalgalerie war vorgesehen, in diesem Tempelbau eine Aula unterzubringen, in der der Ge- gensatz von Museum und Universitat aufgehoben, zum Verschwinden gebracht worden ware. Langst ist der einschlagige Saal, der von diesen Planungen iibrig ge- blieben war, geteilt und fur kleinformatigere Bilder passend gemacht worden. Aber einige architektonische Spolien weisen seit dem letzten Umbau wieder auf diese Planungen hin - und erinnem uns Nachgeborene, dass eine Universitat in der Stadtmitte Berlins ohne die reichen Sammlungen der Museen eine reine Vor- tragsveranstaltung mit unendlich vielen Worten bliebe und ein Museum in der Mitte der Stadt ohne die Expertise der Universitaten ein Theater von Objekten, deren Sinn stumm bliebe. Die Universitat in der Mitte der Stadt und die Museen arbeiten schon an vie¬ len Punkten vertrauensvoll zusammen, planen ungeachtet aller Sparbeschliisse zusammen das Humboldt-Forum auf dem Schlossplatz als neue Form der Zu- sammenarbeit beider Institutionen in der Tradition ihrer Grunder. Aber sie kon- nen noch besser, noch enger, noch vertrauensvoller zusammenarbeiten - und fur diese Perspektiven sind die Ausstellung, das Symposium und dieser Band ein ver- heiBungsvoller Auftakt, zu dem ich die Akteure herzlich begliickwunsche.
Grufiworte 11 G. Ulrich GroBmann Generaldirektor des Germanischen Nationalmuseums Numberg 20 Jahre vor Erscheinen dieses Buches wurde dem Archiv im Germanischen Na- tionalmuseum ein umfangreicher Bestand aus dem Nachlass von Professor Dr. Kurt Koster, dem ehemaligen Generaldirektor der Deutschen Bibliothek in Frank¬ furt am Main, ubergeben. Es handelt sich um einen auBerst umfangreichen Be¬ stand von Unterlagen, die er in seiner Freizeit zusammengetragen hat und alle Arten von Pilgerzeichen betreffen. Da Pilgerzeichen besonders haufig als Model fur die Verzierung von Glocken benutzt wurden, nahm das Germanische Natio- nalmuseum den Bestand als Teil des Deutschen Glockenarchivs auf. Pilgerzeichen fanden so haufig auch als Glockenzier Verwendung, dass eine intensive Be- schaftigung mit Pilgerzeichen ohne die ,Campanologie’ nicht denkbar ist, wie Koster selbst dies einmal formulierte. Kurt Koster gilt als der Begrunder der systematischen Pilgerzeichenforschung in Deutschland, der er seit seiner ersten bahnbrechenden Publikation im Jahre 1957 bis zu seinem Tod 1986 zahlreiche Abhandlungen widmete und damit eu- ropaweit MaBstabe setzte. Seine Kartei ist sehr umfangreich und als immense Materialsammlung nach den Lagerorten der Pilgerzeichen geordnet sowie nach den Motiven zusatzlich erschlossen. Kern des Pilgerzeichenarchivs ist diese Kar¬ tei, doch zusatzlich gingen als Nachlass an das Germanische Nationalmuseum auch zahlreiche Sonderdrucke zu Glocken und GlockengieBem iiber, Sonder- drucke der eigenen Veroffentlichungen Kurt Kosters, femer rund 1.200 Dias und schlieBlich seine umfangreiche wissenschaftliche Korrespondenz, insgesamt elf Meter Archivbestand. Kurt Koster kam leider nicht mehr dazu, seinen Plan zu verwirklichen, dieses enorme Ergebnis seiner Sammlungs- und Forschungstatigkeit in einer umfassen- den Monographic zusammenzufassen und selbst zu veroffentlichen. Es steht je- doch im Archiv des Germanischen Nationalmuseums der Forschung zur Verfu- gung und wird auch geme genutzt, insbesondere durch Spezialforscher, die Ko¬ sters Forschungsarbeit auf intemationaler Basis weiterflihren. Im Ausland ist hier vor allem die Auswertung von archaologischen Neufiinden in GroBbritannien und in den Niederlanden zu erwahnen. Die sachgemaBe Verwahrung des wissenschaftlichen Nachlasses Kurt Koster und die Bereitstellung fur die Forschung ist dem Germanischen Nationalmuseum eine gem ubemommene Verpflichtung. Im Rahmen seiner Moglichkeiten ist das Museum bestrebt, die Zuganglichkeit des Archivs kunftig durch den Einsatz neuer Medien noch zu erleichtem. Ich bin daher besonders gliicklich, dass das Archiv von Kurt Koster Thema einer intemationalen Tagung wurde und deren Ergebnisse der interessierten Of- fentlichkeit zum Nutzen der Forschung hicr vorgelegt werden konnen.
12 Grufiworte Peter-Klaus Schuster Generaldirektor der Staatlichen Museen zu Berlin Einem interdisziplinaren Ansatz, den die Staatlichen Museen im Sinne eines Uni- versalen Museums seit langem verfolgen, war die Ausstellung „Das Zeichen am Hut im Mittelalter. Europaische Reisemarkierungen - Die Pilgerzeichen-Samm- lung des Kunstgewerbemuseums“ und das begleitende Symposion verpflichtet. Das Projekt war der spatmittelalterlich-fruhneuzeitlichen Kirchen- und From- migkeitsgeschichte ebenso verbunden wie der Thematik einer Lebenswissen- schaft, die die Pilgerzeichen, die Ex Voto-Tafeln und die modemen Wallfahrts- souvenirs in den Kontext von Zeit und Gesellschaft stellten. Das Korpus der Pilgerzeichen, das das Kunstgewerbemuseum verwahrt und das bislang wenig bekannt, geschweige erschlossen war, ist Ausgangspunkt der Forschungen gewesen und hier erstmals eigenstandig prasentiert worden. Es war sicherlich eine gluckliche Fugung, dass sich eine Forschungsstelle der Humboldt- Universitat zu Berlin in einem mehijahrigen Studienprojekt intensiv damit be- fassen und seine Ergebnisse in einer Datenbank der interessierten Offentlichkeit zur Verfligung stellen konnte. In der Ausstellung und in dem jetzt hier vorgeleg- ten Tagungs- und Katalogband erganzen sich die disziplinar ausgerichteten Mu¬ seen aufs Trefflichste: Mittelalterliches aus dem Kunstgewerbemuseum, im Zen- trum die neu geordnete Sammlung der Pilgerzeichen und die gesellschaftliche Ebene der gegenwartigen Wallfahrtskultur, die vom dritten Partner dieses Unter- fangens, dem Museum Europaischer Kulturen vertreten wird, als Thematik von Alltagkultur, Frommigkeit und Migration. Das alles nenne ich ein gelungenes Thema eines Universalmuseums, dem nun im Verbund mit einer Forschergruppe der Humboldt-Universitat und den Realienforschungen unserer Museen eine zu- satzliche eigene Tiefe gegeben wird. Dem hier dokumentierten europaisch aus¬ gerichteten Symposium mit seinen vergleichenden Forschungen und Berichten zu Pilgerzeichen, Wallfahrt, Archaologie und Bilderkunde, stellen sich die ge- wichtigen Bestandsverzeichnisse des Kunstgewerbemuseums und der erstmals vorgelegte Verlustkatalog des Museums fur Byzantinische Kunst ebenbiirtig zur Seite. Allen Beteiligten habe ich fur die Vorbereitung und die Realisierung der Aus¬ stellung „Das Zeichen am Hut“, des begleitenden Symposions sowie der vorge- legten und kommentierten Realienverzeichnisse der Pilgerzeichen herzlich zu danken. Mein Dank gilt auch den Partnerinstitutionen: der Humboldt-Universi¬ tat zu Berlin und dem Germanischen Nationalmuseum Niimberg, ohne die dieses Unterfangen nicht hatte realisiert werden konnen.
13 Vorwort der Herausgeber Das Erscheinen des vorliegenden Bandes verdankt sich einer Reihe von gliickli- chen Fiigungen auf einem bisher eher steinigen Weg zur ErschlieBung und Fort- setzung des wissenschaftlichen Erbes von Kurt Koster (1912-1986), dem das in diesem Band dokumentierte Symposion im Kunstgewerbemuseum der Staatli- chen Museen zu Berlin am 24. und 25. November 2006 gewidmet war. Seit dem Jahr 1999 hatte es zwischen Wolfgang Bruckner, der die Bearbeitung der „Zentralen Pilgerzeichenkartei Kurt Koster44 im Rahmen eines DFG-Projek- tes administrativ verantwortet hatte, dem Kirchenhistoriker Hartmut Kiihne und bald auch dem Archaologen Andreas Haasis-Bemer und dem Campanologen Jorg Poettgen einen Austausch dariiber gegeben, wie die von Kurt Koster zusammen- getragenen Materialien und ihre in Angriff genommene Systematisierung aus dem Zustand sorgfaltiger Archivierung wieder in die wissenschaftliche Kommunika- tion eingespeist werden konnten. Zu diesem Zeitpunkt, im Umfeld des ersten Internet-Booms, lag eine Neube- arbeitung der „Zentralen Pilgerzeichenkartei Kurt Koster44 in Form einer digita- len Online-Publikation nahe. Die institutionelle Anbindung des Projektes an der Theologischen Fakultat der Humboldt-Universitat zu Berlin mit dem damals noch bestehenden Lehrstuhl fur Christliche Archaologie, Denkmalkunde und Kultur- geschichte gab dem Vorhaben den fur die Einwerbung von Fordermitteln not- wendigen Rahmen. Zu einem Seminar zum Thema versammelten sich im Sommersemester 2001 zwar wenige, daffir aber enorm engagierte Studenten. Ihr anhaltendes Engagement wird durch die Beitrage von Carina Brumme und Chri¬ stoph Henseler (beide Berlin) in diesem Band dokumentiert. Mit ihrer Hilfe wurde das Werkzeug „Pilgerzeichendatenbank44 konzipiert, das im Friihsommer 2002 als Testprojekt „online44 ging. Das unmittelbare Echo der Benutzer war iiberra- schend - vielfaltige Hinweise, freundliche Kritik und eindringliche Appelle zur Weiterarbeit in nicht erwarteter Zahl. Anders hingegen fiel Ende 2002 die Beur- teilung durch eine der groBen deutschen wissenschaftlichen Forderinstanzen aus, von deren Befurwortung die Professionalisierung des Vorhabens abhing: das ge- plante Untemehmen sei weder innovativ noch von breiterem wissenschaftlichen Interesse, mithin nicht forderfahig. Auch wenn damit die vollstandige Integration des Materials der „Zentralen Pilgerzeichenkartei Kurt Koster44 in die „Pilgerzei¬ chendatenbank44 in weite Feme riickte, blieb diese dennoch auf dem Server der Humboldt-Universitat. Sie wurde seither mit den bescheidenen Moglichkeiten der Initiatoren gepflegt und mit weiteren Datensatzen „gefuttert44, so dass sie all- mahlich aus der Testphase herauszuwachsen scheint und inzwischen kontinuier- lich von Wissenschaftlem und ,Laien’-Forschem aus verschiedenen Disziplinen und Landem als Informationsquelle rege genutzt wird. Vielfaltige Hinweise auf
14 Vorwort Neufimde oder auf in der Vergangenheit an entlegener Stelle publizierte Stiicke forderten freilich auch dazu auf, uber das von Koster Gesammelte hinauszugehen. Als im Rahmen eines gemeinsam mit Nicole Hegener am Kunstgeschichtli- chen Institut der Humboldt-Universitat im Sommersemester 2004 veranstalteten Seminars zu Pilgerzeichen und anderen mittelalterlichen Wallfahrtsdevotionalien eine intensive Besichtigung der Pilgerzeichensammlung im Prager Kunstgewer- bemuseum erfolgte, entstand der Wunsch, solche Arbeit an Pilgerzeichenorigi- nalen auch uber das Seminar hinaus fortzusetzen. Was lag naher, als die zwar den Spezialisten nicht vollig unbekannte, aber bisher unbearbeitete Pilgerzeichen¬ sammlung im Berliner Kunstgewerbemuseum in den Blick zu nehmen? Die Di- rektion des Kunstgewerbemuseums hat dieses Vorhaben von Beginn an nachdrucklich unterstiitzt. Freilich erforderte der Zustand der Sammlung restau- ratorische Vorarbeiten und Begleitung, so dass der Fortschritt der Arbeit von den knapp bemessenen ffeien Ressourcen der Metallwerkstatt des Museums abhing. Ihrem Restaurator, Wolfgang Pohl, ist fair seine kundige und kontinuierliche Mit- arbeit zu danken. Von Dezember 2004 bis zum Juli 2005 wurde in der Werkstatt an etwa zwei Tagen im Monat von einer studentischen Arbeitsgruppe (Carina Brumme, Janko Dietrich, Carin Grabowski, Friederike Richter und Isabell Wies- ner) unter Leitung von Hartmut Kiihne eine erste Bestandsaufhahme der Samm¬ lung erstellt. Abgeschlossen werden konnte diese Arbeit erst im Juli 2006, da in der Zwischenzeit die konservatorischen Maflnahmen und Untersuchungen am ro- manischen Kuppelreliquiar aus dem Londoner Victoria and Albert Museum die Kapazitaten der Metallwerkstatt des Kunstgewerbemuseums absorbierten. Inzwischen war der zwanzigste Todestag von Kurt Koster in das Blickfeld ge- riickt. Ursprunglich war daran gedacht, aus diesem Anlass Wolfgang Bruckner (Wurzburg) um eine Gastvorlesung an der Humboldt-Universitat zu bitten. Am Ende des Jahres 2005 signalisierten aber auch Robert Plotz (Kevelaer) und Jorg Poettgen (Overath) als jiingere Weggefahrten von Kurt Koster, dass sie geme einen Beitrag zu diesem Anlass beisteuem wollten. Unter der Voraussetzung, dass fur dieses Vorhaben keinerlei Mittel zur Verfugung standen, erklarten sich bald auch einige jiingere Wissenschaftler dazu bereit, mit eigenen Beitragen zu zeigen, wie das wissenschaftliche Erbe von Kurt Koster gegenwartig fortgesetzt wird. Daftir ist Andreas Haasis-Bemer (Freiburg i. Br.), Katrin Nagel (Greifswald) und Cornelia Oefelein (Kremmen) herzlich zu danken. Dem sich so entwickelnden Symposion konnte mit dem am Ubergang zwischen der zentralen Eingangshalle der Museen am Kulturforum und dem Kunstgewerbemuseum gelegenen Vor- tragssaal der Staatlichen Museen zu Berlin als Veranstaltungsort ein angemesse- ner aufierer Rahmen gegeben werden. Damit schloss sich auch raumlich der Kreis zur Pilgerzeichensammlung des Kunstgewerbemuseums, denn das Symposion bot den Anlass, diese Sammlung in einer Kabinettausstellung im Mittelaltersaal des Kunstgewerbemuseums der Offend ichkeit zu prasentieren. So entstand - wie-
Vorwort 15 derum unter den Bedingungen eines No-Budget-Untemehmens - eine kleine Schau, die neben den WeiBmetallgiissen aus dem Bestand des Kunstgewerbemu- seums eine Glocke mit dem Abguss eines Gottsbiirener Pilgerzeichens aus der Skulpturensammlung der Staatlichen Museen, Abformungen von Pilgerzeichen- abgiissen auf rheinischen Glocken aus der Sammlung von Jorg Poettgen, spat- mittelalterliche Devotionalien aus Pfeifenton aus dem Kunstgewerbemuseum sowie einen Niimberger Druck des Santiagofuhrers des Hermann Kiinig von Vach aus der Staatsbibliothek zu Berlin prasentierte. Einen weiteren Fokus bildeten Votivtafeln und modeme Wallfahrtsdevotionalien aus dem Bestand des Museums Europaischer Kulturen, iiber die in diesem Band der Beitrag von Julia Dilger und Konrad Vanja (beide Berlin) informiert. Eine groBe Uberraschung und Freude war es, dass diese mit bescheidensten Mitteln ins Werk gesetzte Verbindung von Symposion und Kabinettausstellung ein ganz unerwartet zahlreiches und engagiertes Publikum anzog. Fast in letzter Minute gesellte sich Jorg Ansorge (Horst) mit einem fur deutsche archaologische Verhaltnisse spektakularen Neufund zu den Vortragenden. Ihm ist besonders fur die rasche Bearbeitung des Stralsunder Fundkataloges zu danken, der auf diese Weise in den vorliegenden Band aufgenommen werden konnte. In besonderem MaBe waren die Veranstalter aber iiber den Besuch von Kolleginnen und Kollc- gen aus dem europaischen Ausland erfreut, die sich in ihren jeweiligen Wissen- schaftskontexten mit der Erforschung der europaische Pilgerzeichen beschaftigen: Einige von ihnen berichteten im Rahmen des Tagungsprogramms spontan von den Entwicklungen der Forschung in den jeweiligen Landem wahrend der letz- ten Jahre, so dass diese zwei Tage einen intensiven wissenschaftlichen Austausch beforderten. Dies soil in vorliegendem Band durch die forschungsgeschichtlichen Beitrage von Elek Benko (Budapest), Jos Koldeweij (Nimwegen), Helena Koe- nigsmarkova (Prag) und Hartmut Kiihne (Berlin) fortgesetzt werden. Wir bedau- em sehr, dass Denis Bruna (Paris) seinen angekiindigten Beitrag wegen anderweitiger Belastungen nicht bis zur Drucklegung fertigstellen konnte. Angesichts der vielfaltigen positiven Resonanz war es uns eine besondere Ehre, dass Peter-Klaus Schuster, Generaldirektor der Staatlichen Museen zu Berlin, Chri¬ stoph Markschies, President der Humboldt-Universitat zu Berlin, und G. Ulrich GroBmann, Generaldirektor des Gennanischen Nationalmuseums Niimberg, die Veranstaltung mit freundlichen und ermutigenden GruBworten bedachten. Der Erfolg von Symposion und Ausstellung beforderte den Wunsch, die Bei¬ trage des Symposions und die Ergebnisse der Bearbeitung der Berliner WeiBme- tallgiisse in Form eines Buches zu dokumentieren. Die Thematik empfahl die Aufnahme in die Reihe „Europaische Wallfahrtstudien“, der Charakter als rea- lienkundlicher Bestandskatalog fugt den Band in die „Schriftenreihe des Muse¬ ums Europaischer Kulturen“ ein. Den Staatlichen Museen zu Berlin gebiihrt Dank fur die Forderung der Drucklegung.
16 Vorwort Freilich musste fur eine solche Publikation der wissenschaftliche Anspruch an die Katalogisierung der WeiBmetallsammlung des Kunstgewerbemuseums hoher liegen, als er fur die bisherige Erarbeitung eines primar museumsintem verwen- deten Bestandsverzeichnisses gait. Besonders drei Arbeitsfelder waren neu in An- griff zu nehmen: Zum Ersten musste der Bestand an profanen Schmuckgegen- standen in der Sammlung nochmals profund gesichtet werden. Dieser Miihe hat sich dankenswerterweise Stefan Krabath vom Sachsischen Landesamt fur Ar- chaologie in Dresden in uneigenniitziger Weise unterzogen. Zum Zweiten war bis zum November 2006 die Frage nach den Provenienzen der Sammlung und besonders nach den 1945 in Verlust geratenen Stricken weithin offen geblieben. Erst die sorgfaltige Lekture des Vorwortes zur Monographie von Kurt Koster iiber „Pilgerzeichen und Pilgennuscheln von mittelalterlichen SantiagostraBen“ (1983) gab den entscheidenden Hinweis auf eine von Erich Meyer, dem Kustos der Mit- telalterabteilung des damals unter dem Namen SchloBmuseum firmierenden Kunstgewerbemuseums, ab 1944 erstellte Dokumentation der gesamten Berliner Sammlung. Wahrend Carina Brumme und Hartmut Kiihne im Mai 2007 zahlrei- che verlorene Stucke des von Lambert Jagenau in Den Haag erworbenen Kon- volutes mittelalterlicher WeiBmetallgiisse anhand der Informationen Meyers in der „Pilgerzeichenkartei Kurt Koster“ nachweisen konnten, recherchierte Lothar Lambacher (Berlin) den urspriinglichen Pilgerzeichenbestand der Wiener Samm¬ lung Albert Figdor und den Umfang der vom SchloBmuseum daraus erworbenen Stucke. Drittens entstand der Plan, auBer den Bestanden des Kunstgewerbemuseums auch die anderen abendlandischen Pilgerzeichen in den Sammlungen der Staat- lichen Museen zu Berlin im Katalog zu erfassen. Der Unterstutzung von Arne Effenberger, dem bisherigen Direktor der Skulpturensammlung und des Muse¬ ums fur Byzantinische Kunst, sowie der Mithilfe von Gabriele Mietke vom sel- ben Museum ist es zu verdanken, dass auch die seit 1945 leider ausnahmslos verschollenen Zeichen des Museums fur Byzantinische Kunst Aufhahme in un¬ sere Publikation finden konnten. Damit liegt nun erstmals ein kombinierter Be- stands- und Verlustkatalog aller mittelalterlichen Pilgerzeichen und verwandten WeiBmetallgiisse im Besitz der Staatlichen Museen zu Berlin vor. Dank der kollegialen Bereitschaft von Klaus Hallof von der Berlin-Brandenbur- gischen Akademie der Wissenschaften, die Lesung der Inschriften zu iiberprii- fen, wurde die Qualitat des Kataloges in vorteilhaftester Weise befordert. Die Zusammenftihrung dieser verschiedenen Recherchen und die gemeinsame Her- stellung des nun vorliegenden Kataloges auf der Grundlage der genannten Vor- arbeiten war fur alle Beteiligte eine wissenschaftlich begliickende und menschlich wohltuende Erfahrung. Saturia Linke, die Fotografm des Kunstgewerbemuseums, fertigte samtliche Neuaufhahmen der im Katalogteil verzeichneten Werke an. In ganz besonderem
Voi'wort 17 MaBe ist Annett Schauss und Udo M. Wilke fur die sorgfaltige Herstellung des Layouts und die professionelle Bearbeitung der Bildvorlagen zu danken. Die Herausgeber hoffen, dass die mittelalterlichen WeiBmetallgiisse der Ber¬ liner Museen durch diese Veroffentlichung die ihnen gebuhrende Aufmerksam- keit der intemationalen Forschung sowie der interessierten Offentlichkeit erlangen und die Forschungsbeitrage des Symposions zu Ehren von Kurt Koster von der Leserschaft als wiirdige Beitrage in der Nachfolge des Nestors der deutschen Pil- gerzeichenforschung empfunden werden. Hartmut Kiihne Lothar Lambacher Konrad Vanja Berlin, im September 2007
Wolfgang Bruckner Kurt Koster und die Pilgerzeichenforschung 19 Zum zwanzigsten Todestag eines Gelehrten einen moglichen Zeitzeugen seiner Schiilergeneration sprechen zu lassen, macht einen gewissen Sinn, weil dann die Hoffnung besteht, noch ein bisschen lebendige Erinnerung mitgeteilt zu bekom- men. Wir hatten dafur zunachst beim Prasidenten der Stiftung PreuBischer Kul- turbesitz, Prof. Klaus-Dieter Lehmann angefragt, weil dieser doch zuvor Gene- raldirektor der Deutschen Bibliothek in Frankfurt am Main gewesen war, aber er musste uns mitteilen, so gut wie nichts uber seinen Frankfurter Vorvorganger zu wissen, zumal er, Lehmann der Diplomphysiker, ohnehin aus einer ganz anderen Ecke in das Bibliotheksgeschaft zunachst als Direktor der Universitatsbibliothek Frankfurt gekommen war. Wir miissen in der Tat voran uber den Bibliothekar Koster sprechen, denn seine Pilgerzeichenstudien waren ,,nur“ Fruchte soge- nannter ,,Nebenstunden“, wie man das im Barock zu nennen pflegte. Ich mochte vor allem ein wenig uber den Menschen Kurt Koster erzahlen. Am 14. November 1912 in Wiesbaden geboren, am 17. Juli 1986 in Miinchen verstorben und in Frankfurt am Main beerdigt, ist er nur 74 Jahre alt geworden und nie ein wirklicher Greis gewesen, sondern ein gut aussehender, groB ge- wachsener, ranker Herr im grauen Zweireiher mit Fliege und der damals schicken Hombrille mit groBen Glasem. Um als Akademiker mein Vater sein zu konnen, war er ein Jahrzehnt zu jung, aber natiirlich hat er unserer Lehrergeneration an- gehort. ,,Unserer“, da meine ich auch meine Frau mit, die von ihm personlich als Werkstudentin Stundenauftrage erhielt im Zusammenhang des Aufbaus der „Deutschen Bibliothek“. Diesen Namen verbindet heute natiirlich jeder mit der groBe Institution unse¬ rer nationalen Bibliographic und deren Pflichtexemplararchivierung in Hoch- haustiirmen und stellt sich den ersten Generaldirektor wie einen der intellektuel- len GroBkopferten der gegenwartigen Berliner Republik in gewaltigen Neubau- ten vor. Weit, weit gefehlt. Die nachkriegsdeutschen Sektorengrenzen der Sieger- und Besatzungsmachte waren im Osten zum Eisernen Vorhang der Militarblocke des Kalten Krieges geworden, und mit der volkerrechtlichen Entwicklung zweier deutscher Staaten begann notwendigerweise die Verdoppelung kultureller Ein- richtungen hiiben und driiben. Das betraf nicht nur die aus der DDR fliehenden oder vertriebenen, weil enteigneten Verleger, sondern auch die Verdoppelung der dazugehorigen organisatorischen Strukturen und deren Institutionen wie For- schungsverwaltungen, Akademien, Bibliotheken, Museen, wissenschaftlichen Gesellschaften und Vereine.
20 Wolfgang Bruckner In der Mehrzahl hatten sie sich in Berlin oder Leipzig 6efunden und mussten nun in der Bundesrepublik neu erfunden werden. Dies aber zu Zeiten, da von dem sagenhaften Wirtschaftswunder im Westen noch nichts zu sptiren war. Im Gegenteil, das Aufraumen der Triimmerwuste durch die Ziegelsteine freiklop- fenden Trummerfrauen und Kriegsheimkehrer war die erste, vorsintflutlich mit Hand und Schaufel zu bewaltigende Aufgabe. Wer ab 1946 wieder in Schulen und Universitaten aufgenommen werden wollte, musste sich die Zulassung durch unbezahlte Arbeitsstunden beim Enttriimmem erwirken. Und wer wie Koster ver- wundet aus amerikanischer Gefangenschaft kam, sich schon seit Kriegsbeginn zu einer Gelehrtenlaufbahn berufen sah und also nicht mehr in den Schuldienst zuruckgehen wollte, der musste die 1948 begrundete Familie mit schlecht be- zahlten wissenschaftlichen Gelegenheitsarbeiten durchbringen. Dazu bot die Hei- matstadt Wiesbaden insofem Gelegenheit, als sie weitgehend unzerstort geblie- ben war, daher dort die Amerikaner im Collecting Point die Berliner Gemalde- schatze verwahrten und eine leistungsfahige Landesbibliothek sowie der ruhrige Naussauische Geschichtsverein auch wissenschaftliche Heimat vermitteln konn- ten, was u. a. die Bibliographic Kurt Kosters durch Jahrzehnte bezeugt, Rezensi- onstatigkeit fur Wiesbaden zum Beispiel. Der Campanologe Konrad Bund hat 1987 Herkunft und friihesten Lebensweg wie folgt geschildert: „Kurt Koster, dessen Familie vaterlicherseits vom Nieder- rhein, miitterlicherseits von der Saar stammt, wurde als Sohn eines stadtischen Be- amten, der den Beruf eines Setzers und Stenographen erlemt hatte, in Wiesbaden geboren, wo er die Volksschule und das Realgymnasium besuchte. In seiner Schulzeit fiel - wie konnte es damals anders sein - Kosters erste Begegnung mit der Glocke, der Schillers namlich: eines Tages wurde sein Vater von der Schule einbestellt, worauf dieser, Unrat wittemd, erst einmal den Sohn verdrosch. Der hatte sich im Deutschunterricht standhaft geweigert, Schillers Gedicht auswendig zu lemen und dies dem erstaunten Lehrer in geschliffener Argumentation damit begrundet, dass es vollig ,lebensfremd’ sei. Dass die Glocke einmal ein Haupt- thema seines Lebenswerkes werden wurde, hat Koster damals sicher nicht ge- ahnt. Der offenbar iiberaus verstandige Lehrer allerdings schlug dem vollig iiber- raschten Vater vor, den Sohn wegen bewiesener Reife eine Klasse uberspringen zu lassen. So kam es, dass Kurt Koster schon mit 17 Jahren sein Abitur machte411, und man darf anschlieBen, mit 19 in den preuBischen Volksschuldienst eintrat nach einem damals iiblichen Kurzstudium an der Padagogischen Akademie in Frankfurt. Doch auch da fiel der geistig iiberaus wache und belesene Junglehrer als ,,po- litisch unzuverlassig“ auf, konnte zwar 1937 die zweite Priifimg fur das Lehramt 1 Konrad Bund, In dankbarer Erinnerung: Kurt Koster (1912 - 1986), Jahrbuch der Hessi- schen Kirchengeschichtlichen Vereinigung 38, 1987, S. 5-7; Jorg Poettgen, Von Glocken
Kurt Koster und die Pilgerzeichenforschung 21 an Volksschulen erfolgreich ablegen, landete aber damit nach insgesamt 16 Ver- setzungen im entlegenen Hintertaunus als Lehrer einer einklassischen Dorfschule. Das gab zwar einerseits MuBe fur weitere private Studien, fuhrte aber ein halbes Jahr vor Kriegsbeginn im Marz 1939 zur Aufgabe des Berufs und dem Beginn eines Universitatsstudiums in Frankfurt bei dem Mediaevisten Paul Kim, dessen bis zur 6. Auflage 1972 bekanntes Goschenbandchen 270 „Einfuhrung in die Ge- schichtswissenschaft“ damals entstand, als Koster schlieBlich 1940 Seminarassi- slent wurde, wcil cr als ,weifler’, das heiBt ungedienter Jahrgang noch nicht beim Militar war, sondem erst 1942 einriicken musste. Kims Erstauflage in schlechtem holzfaserigen Papier von 1947 haben wir Frankfurter Studenten mit Andacht be- nutzt, wussten wir doch, dass diese unsere Methodenbibel zweimal wahrend des Bombenkrieges, das eine Mai schon im Bleisatz befindlich, samt Manuskript ver- brannt war, wie Kim, der vor Verdun im Ersten Weltkrieg ein Bein verloren hatte, in seinen Vorlesungen den diesmaligen Verlust dramatisch zu schildem wusste. So kam es, dass Kurt Koster, der schon 32 Jahre alte einstige Padagoge, erst wahrend eines Fronturlaubs im letzten Kriegsjahr 1944 an der Universitat Frank¬ furt promoviert wurde mit einer hilfswissenschaftlichen Dissertation uber „Kol- marer Geschichtsquellen des 13. Jahrhunderts“.* 2 Auch die Frankfurter Habilita- tion im Jahr der Wahrungsreform 1948 erbrachte keinen Pfennig Salar, sondem nur den Titel Privatdozent der mittelalterlichen Geschichte, Kultur- und Geistes- geschichte, was der Zuordnung im universitaren Lehrbetrieb wiederum „Hilfs- wissenschaften“ bedeutete und dieses fur Karriereaussichten, weil kein prii- fungsrelevantes Fach in den Staatsexamina, nur die Erwartung zum unbesoldeten Apl.-Professor (1955) vorsah. Andere Stellen gab es vor der Erfmdung des Mit- telbaus wahrend der ersten Hochschulreform 1968/70 an den Universitaten nicht. Koster, der Privatgelehrte mit inzwischen vorziiglicher Kenntnis des Nieder- landischen, verfasste also mit Verlagsvertrag u.a. eine Biographie des damals in Deutschland so gut wie unbekannten, gerade verstorbenen Kulturhistorikers Johan Huizinga (1872-1945) und zwar samt der ersten umfassenden Bibliographie als Band 1 einer „Bibliographischen Reihe des Europa-Archivs“ in Obursel, 180 Sei- ten auf schlechtem Papier und Lizenz-Nummer der US-Militarregierung. Hui¬ zingas vollig neue, weil nicht nur literarische, buchstabenmaBige Quellengrund- lage fur ein Verstandnis des Spatmittelalters, sondem Kunst, Ikonographie, Rea- lienzeugnisse etc. bestimmten von nun an Kosters eigene Interessen. Er uber- setzte daher Johan Huizingas beriihmtes Buch „Herbst des Mittelalters“ nach der niederlandischen Ausgabe letzter Hand von 1941 neu ins Deutsche fur den Ver- lag Kroner in Stuttgart, der es ab 1952 fast alle zwci Jahre neu auflegen musste, und Pilgerzeichen. Ein personliches Gedenken zum 20. Todestag von Kurt Koster, Jahrbuch fur Glockenkunde 17/18, 2005/06, S. 583-585. 2 Lebenslaufdatenliste 1972 durch Beitz und Wittig.
22 Wolfgang Briickner schliefilich sogar als Taschenbuch. Ende der siebziger Jahre waren es schon 12 Auflagen. 1954 folgte fur Kroners Taschenbuchausgaben die Ubersetzung von Huizingas Gesammelten Aufsatzen durch Kurt Koster, und dann liefl er sich von belgischen und hollandischen Freunden uberreden, das kunsthistorische Hand- buch des Roger-A. d’Hulst zu iibersetzen: „Flamische Bildteppiche des 14. bis 18. Jahrhunderts“, gedruckt Brussel 1961. Daneben arbeitete er iiber Viten und Werke von Klosterfrauen, angestoflen von Herbert Grundmanns „Religiosen Bewegungen im Mittelalter“ (1935 und 1961), der als Herausgeber des „Archivs fur Kulturgeschichte“ Frauenforschung zu einer Zeit entdeckt hatte, der man das heute gar nicht mehr zutraut. Koster legte 1951/52 Handschriftenverzeichnisse der Elisabeth von Schonau vor, uber deren Werk er sich 1948 habilitiert hatte, und er interessierte sich weiterhin fur mittel- alterliche Frauenorden, so dass er spater den anschwellenden Biichermarkt zu Hildegard von Bingen bibliographisch begleiten konnte.3 Als dieser tatsachlich privatisierende Privatdozent Koster im Dezember 1950 innerhalb der zerstorten und in ihren Biicherbestanden verstreuten Frankfurter Stadt- und Universitatsbibliothek einen ersten Werkvertrag erhielt, weil er seit 1948 mit der Habilitation die Schriftleitung der intemationalen Rezensionsschrift ,,Erasmus“ besorgte, da hatte er nicht die Ochsentour der heutigen Bibliotheks- schulen durchlaufen miissen. Nach dem Krieg waren geistige Kompetenz und vor allem Anpacken gefragt und nicht papierene Zeugnisse. Koster holte zur Fest- anstellung 1952 die Priifung fur den wissenschaftlichen Bibliotheksdienst nach, obgleich er langst die Funktionen eines stellvertretenden Direktors versah. Doch erst 1954 erfolgte nach Verwaltungsgewohnheit die Lebenszeitverbeamtung, fast gleichzeitig mit der Emennung zum Apl. Prof, an der Universitat 1955, womit dann die Tur zum Generaldirektorat 1959 geoffhet war.4 Der Direktor der Ko- niglichen Bibliothek in Brussel Herman Liebaers schrieb zur Pensionierung von Kurt Koster 1975, er selbst habe nie diesen Dienst fur zwei Herren, namlich Bi- bliotheksverwaltung und Forschung, leisten konnen und daher diese Verdoppe- lung seines Freundes Koster iiberaus bewundert, zumal die meisten Bibliotheks- kollegen davon gar nichts wussten oder merkten. So wie Koster im Krieg quasi nebenbei promovierte, so hat er sich danach durch eifriges Publizieren habilitiert und dann davon nicht mehr abgelassen, als er national und international auf vielen Biihnen prasent sein musste. Gemessen an der Endphase seines Berufslebens war der Anfang geradezu idyllisch in zeittypi- 3 Bibliothek - Buck - Geschichte. Kurt Koster zum 65. Geburtstag, hg. von Gunther Pflug u.a. Frankfurt am Main 1977, darin Bibliographic 1932-1977, S. 583-596; Kurschners Deutscher Gelehrtenkalender, 13. Aufl., Berlin 1980, II, S. 2021; Kurt Kosters eigene masch. Bibliogra¬ phic fur die PZK Kurt Koster im GNM Numberg aus dem Jahre 1986. 4 Gunther Pflug, Ein Mann des Buches. Nachruf Borsenblatt des deutschen Buchhandels vom 1.3. 1986, S. 2016.
Kurt Koster und die Pilgerzeichenforschung 23 scher Armlichkeit. Seit 1951 „stellvertretende Direktor“ der im Entstehen be- grififenen „Deutschen (heute National-) Bibliothek“ als Gegenstiick zur alten, seit 1913 existierenden Leipziger Einrichtung der „Deutschen Bucherei“ begann er eine zunachst ganz simple Tatigkeit auf kleinstem Nenner organisatorischer Un- terstiitzung durch Staat und Gesellschaft zu leisten. Der 22 Jahr altere rheinhessische Landsmann, Mainzer und Darmstadter Bi- bliothekar Hanns Wilhelm Eppelsheimer (1890-1972), der ab 1933 aus politi- schen Griinden zwangspensioniert gewesen war und daher bis in den Krieg hin- ein seine bibliographischen Standardwerke zur Weltliteratur und zur deutschen Li- teraturgeschichte erarbeitete, wurde 1946 Direktor der Stadt- und Universitatsbi- bliothek Frankfurt am Main und begann im Jahr darauf 1947 damit, eine Sammelabteilung unter dem Titel „Deutsche Bibliothek“ fiir die Zeit ab 1945 zu begrunden. Um deren zunachst schmalen Einlauf damaligen Publizierens musste sich im einzelnen Kurt Koster seit der Jahreswende 1950/51 kiimmem, bis er 1959 die gesamte Leitung allein iibemahm. Der literaturbesessene Bonvivant Ep¬ pelsheimer und der niichteme Kulturhistoriker Koster trafen hier in fruchtbarer Symbiose zusammen. Beides Biicherliebhaber und zugleich schreibende Bii- chermacher. Die zitierte, 1961 fertiggestellte Ubersetzung eines kunsthistorischen Werkes zu flamischen Tapisserien bedeutete wissenschaftlich dienende Tatigkeit eines inzwischen zum Topmanager im Bibliothekswesen aufgestiegenen leitenden Di- rektors, fur dessen Institution er bis 1959 einen ersten modemen Neubau errich- tet hatte. Zehn Jahre spater 1969 avancierte das Untemehmen aus einer Stiftung zur eigenstandig rechtsfahigen Bundesanstalt des ofTentlichen Rechts. Damit konnte nochmals neues Bauen fur die sich inzwischen auftlirmenden Biicherberge der Archivbibliothek beginnen, desgleichen die seit 1966 als erste Nationalbi- bliographie der Welt erprobte Einfiihrung der elektronischen Datenverarbeitung. Dazu muss man wissen, dass sich ausgerechnet der Mittelalterspezialist und Bil- dungsbiirger Koster fur technische Innovationen stark machte und durch eigene weltweite Kenntnisnahme forderte. Aber als Mitglied des DFG-Senats und der UNESCO-Bibliotheks-Kommission sammelte er unterwegs zumindest noch graue Pilgerzeichenliteratur, die er fast jahrlich um eigene Beitrage und umfang- reiche Uberblicke erganzte zu einem immer groBer werdenden speziellen For- schungsfeld innerhalb der historischen Hilfswissenschaften. Fur noch mehr war zum Schluss tatsachlich nicht geniigend Zeit geblieben. Doch nochmals zuriick zu den Frankfurter Anfangen. Die beiden mittelrheini- schen Oberbibliothekare Eppelsheimer und Koster waren ab 1946 untergebracht in einem auBerlich zuruckhaltenden klassizistischen Stadtpalais am Untermain- kai, in dem sich heute ein bedeutendes Jiidisches Museum befindet, denn das langgestreckte Gebaude hatte zur beschaulichen Frankfurter Biedermeierzeit Carl von Rothschild erbaut. Seine Tochter Louise schenkte es 1886 der Stadt samt
24 Wolfgang Bruckner ihrer eigenen „Freiherrlich von Rothschildschen Bibliothek“ flir Kunst und neuere Sprachen. 1952 vermerkt der Stadtchronist Fried Liibecke: „Als einzige offentli- che Frankfurter Biicherei iiberstand das Bibliothekgebaude den Bombensturm von 1944 und beherbergt heute neben der Bibliothek die Haupt-Verwaltung aller stadtischen Frankfurter Biichereien und die neue Deutsche Bibliothek“ Im ober- sten der drei Stockwerke wohnte Eppelsheimer mit Familie und dirigierte alles von dort aus. Da die Frankfurter Universitat eine Biirgerstiftung gewesen ist, diente die schon Jahrhunderte existierende vorzugliche Rats-, dann Stadtbiblio- thek auch als Universitatsbibliothek, deren Bestande in auswartigen Bunkem den Krieg iiberdauert hatten und nun in der Rotschildbibliothek einen kleinen Lese- saal mit wenigen Tischplatzen und eine Ausgabetheke fur die Entleihe durch meh- rere tausend Studierende erhielt. Wir Studenten mussten also aus dem westlichen Stadtteil Bockenheim, wo 1914 die Universitat errichtet worden war, durch die Triimmerberge der gesamten Innenstadt an den Main zu gelangen suchen, um Biicherbestellungen abzuholen, die, so man sie ohne die verbrannten Kataloge tatsachlich fand, aus den Bunkem angefahren wurden. Im Keller waren auf dem FuBboden allmahlich einige der wichtigsten alteren Enzyklopadien ausgebreitet, so dass ich dort einmal unter Aufsicht etwas nachschlagen konnte. Meine Frau, die ich damals noch gar nicht kannte, stieg, wie gesagt, als Studentin die Stufen hinauf zur wohnlichen Verwaltung und bekam von Koster selbst Hilfsarbeiten zum handischen Vorsortieren der noch karteimaBigen Verzettelungen fur unsere heutige Nationalbibliographie. Kurt Kosters aus der Glockeninventarisierung erwachsenen Pilgerzeichenfor- schungen begannen in der Offentlichkeit 1956 mit einer Sensation, der bis 1986 noch weitere 34 publizierte Einzeluntersuchungen folgen sollten.5 Es ging um die Vorstufen zur Erfindung der Buchdruckerkunst durch Gutenbergs Experimentie- ren mit „Aachener HeiltumsspiegehT, die gar keine Druckschriften oder Flug- blatter waren, also keine ,,specula“ im mittelalterlichen Buchtitelsinne, sondem Pilgerzeichen mit einem Glastropfen als veritable Spiegel, um die auf der hohen entfemten Weisungstribiine gezeigten Reliquien optisch einzufangen. Schon diese Uberfuhrung eines terminus technicus aus metaphorischer Rede zuriick in die Wirklichkeit konkreter Anwendung fur indirektes Bewahren der Heilttimer durch Sichtbarmachen darf man ein auffegendes Zeitereignis des 15. Jahrhunderts und fur unsere Tage deren EntzifFem durch Kurt Koster eine sensationelle Entdeckung nennen. 1956 konnte er seine minutiose Entschliisselung der obskuren „afentur und kunst“ des Mainzer Gensfleisch in StraBburg erstmals publizieren. 1973 machte die Gutenberg-Gesellschaft daraus eine respektable Broschure, und im gleichen Jahr vertrieb der Burgverein Eltville einen Teil der Auflage als biblio- 5 Vgl. die Gesamtbibliographie der Arbeiten Kurt Kosters zu Pilgerzeichen und Glocken in vorliegendem Band.
Kurt Koster und die Pilgerzeichenforschung 25 philes Biichlein, wodurch der Text erst breiter rezipiert wurde. Zehn Jahre spater prazisierte K5ster im Gutenbergjahrbuch 1983 nochmals die neuesten Erkennt- nisse uber das StraBburger Aachenspiegeluntemehmen von 1438/40. Naturwissenschaftler wiirden heute eine solche aufklarenden Entdeckung so- fort vermarkten in ihren kommerziellen Referenzorganen ,,Nature“ oder „Sci- ence“, die dann Pilgerzeichenforschung am vorliegenden Fallbeispiel als gegen- wartig unverzichtbares Grundlagenwissen dokumentiert hatten. SchlieBlich haben wir es mit dem bislang unbekannten konkreten Vorgang des Beginns der soge- nannten Gutenberg-Galaxis zu tun, das heiBt der technischen Voraussetzungen der gerade erst zu Ende gegangenen halbtausendjahrigen Epoche der mechani- schen Printmedien aus Bleilettem und Druckerpresse. In die historische Realitat der Mitte des 15. Jahrhunderts ubersetzt, heiBt das: die Entstehung der europai- schen Neuzeit als beschleunigter Kommunikationsgesellschaft auf der Grundlage der handwerklichen Innovationsverbindung von Pilgerzeichenguss und Weinkel- ter. Und dies geschah dariiber hinaus aus sozusagen rein okonomischen Uberle- gungen fur den zeitlich beschrankten Verkauf eines billigen Massengutes. In Aa¬ chen waren nur alle sieben Jahre Devotionalien viel tausendfach gefragt und also mussten sich Konkurrenzartikel durch Besonderheiten unterscheiden, die eine schon geiibte Praxis, namlich das Spiegeln per Hand, nun jedermann moglich machten. K5ster wies erstmals das optische Einfangen der Weisungen mit kon- vexen Wandspiegeln sowohl als literarische Nachricht fur Aachen 1405 und auf Druckgraphiken zu den Heiltumsstiihlen in Numberg 1487 und Hall in Tirol 1508/10 nach. Bei Himphysiologen oder Evolutionsbiologen hatte eine solche grundstiir- zende multikausale Erkenntnis heutzutage den Nobelpreis fur Koster erbracht. Fur Geistes- und Kulturwissenschaftler existiert aber bezeichnenderweise nur der in aller Regel nach politischen Gesichtspunkten vergebene Literatumobelpreis. Hier aber steht wie einst in Aachen die einfach beschreibbare technische Quali- tat der bekanntermaBen tatsachlich benutzten Gebrauchsspiegel bei der Heil- tumsschau gegenuber der eher imaginativen Raffinesse der elaborierten bleiemen Spiegelzeichen. So geht es auch in der akademischen Welt der „zwei Kulturen“ zu, die es nun einmal gibt mit alien fatalen Wirkungen auf die Masse der Bevol- kerung und ihre Volksvertreter trotz aller Kritik am Erfinder des Schlagwortes von 1959 Sir Charles Percy Snow, der es als Natur- und Geisteswissenschaftler tatsachlich besser wusste. Inzwischen gibt es, fast mochte man sagen, ,natiirlich’ auch einen Nobelpreis fur Okonomietheoretiker. Auch da lassen Gutenbergs Exi- stenz und spatere wirtschaftliche Pleite schon griiBen. Das erhoffte groBe Ge- schaft haben auf Dauer, wie immer, nicht er, der Erfinder, sondem andere ge- macht. Eine weitere Entdeckung fur die Pilgerzeichenforschung bildete Kosters Auf- spiiren tatsachlicher und gemalter Gittergiisse und Medaillen in mittelalterlichen
26 Wolfgang Bruckner Gebetbiichem aus den groBen alten Bibliotheken Europas, zu denen er nun kraft seiner Position leichteren Zugang und Suchhilfe durch beffeundete Direktoren besaB. In einem zeitlichen Dreierschritt hat er vomehmlich aus Brussel, Wien, Oxford, Cambridge, London und nur je einem Beleg aus Berlin, Miinchen und Ve- nedig, Chantilly und Den Haag in offentlichen Bibliotheken 25 Exemplare jener flamischen Stundenbticher des 15. und friihen 16. Jahrhunderts ausfmdig ge- macht, deren Schmuckbordiiren u.a. als Pilgerzeichenkollektionen gestaltet sind. In der Festschrift fur Gustav Hofmann 1965 erschien der erste Beitrag, 1979 ge- folgt von einem zweiten iiber „metallene Wallfahrts-Devotionalien und kleine Andachtsbilder, eingenaht in spatmittelalterliche Gebetbuch-Handschriften“ (dar- unter das Gebetbuch Kaiser Ferdinands I.), und schlieBlich 1984 die Aufschltis- selung der Kollektionen aus weiteren sieben Handschriften und einem Liitticher Psalter, in dem einst wirkliche Pilgerzeichen eingenaht gewesen waren, jedoch nur noch die Nadelstiche daran erinnem. Koster konnte insgesamt 187 Stticke nachweisen, darunter 110 ortsspezifische Wallfalirtsdevotionalien, von denen sich 70 identifizieren lieBen. Es ist hier nicht die Zeit, die vielen Einzelstudien auch nur zu benennen. Deren Bibliographie sollte bald einmal in Reprints umgesetzt werden.6 Koster war trotz seines blendenden Aussehens im Augenblick der Pensionierung ein kranker Mann, der sein schwaches Herz schonen musste. Wir kamen daher auf die Idee, gemein- sam einen Antrag bei der Deutschen Forschungsgemeinschaft zu stellen zur Erar- beitung eines ,,Pilgerzeichenkatalogs“ aus den Sammlungen, Notizen und Separata Kurt Kosters in Frankfurt. Mein Lehrstuhl in Wurzburg ubemahm die finanzielle und damit auch organisatorische Abwicklung durch eine qualifizierte Mitarbeite- rin in Frankfurt in der Person meiner dortigen Schulerin Frau Dr. Heidemarie Gruppe M.A. Damit eine solche Kartei nach Fertigstellung nicht nur in Frankfurt am Main und Wurzburg einsehbar ware, sondem offentlich zuganglich, sollte ver- einbart werden, sie spatestens nach dem Tode von Kurt Koster dem Germanischen Nationalmuseum Ntimberg fur dessen Glockenarchiv und Miinzkabinett zu iiber- antworten samt alien Sonderdrucken, Fotos, Abgiissen etc. Der Antrag wurde ge- nehmigt und das Projekt von 1980 bis 1985 durchgefuhrt, uber dessen Einzelhei- ten ein publizierter Zwischenbericht von 1982 Rechenschaft ablegt.7 Nach dem so friihen Tode von Kurt Koster im Jahre 1986 hat die Witwe dann alles ordnungs- gemaB dem Germanischen Nationalmuseum in Niimberg ubergeben. 6 Jorg Poettgen, Bibliographie der glockenkundlichen Veroffentlichungen von Kurt Koster, Jahrbuch fur Glockenkunde 1, 1989/90, S. 139-141; Nachruf ebd. S. 167f. - Vgl. auch dieGe- samtbibliographie der Arbeiten Kurt Kosters zu Pilgerzeichen und Glocken in vorliegendem Band. 7 Heidemarie Gruppe, Zu Begrijf und Sache im DFG-Projekt „ Pilgerzeichenkatalog “, in: Wall- fahrt, Pilgerzeichen, Andachtsbild (Veroffentlichungen zur Volkskunde und Kulturgeschichte 14). Wiirzburg 1982, S. 9-^6.
Kurt Koster urtd die Pilgerzeichenforschung 27 Es bestand aus Karteikarten mit Abbildungen von 3260 Pilgerzeichen, von 76 Modeln fur den Guss von Pilgerzeichen, 1765 Glockenabgiissen von Pilgerzei¬ chen, 605 sonstigen Devotionalien mit Pilgerzeichencharakter, 653 bildlichen Darstellungen, 227 archivalischen Bezeugungen, insgesamt 6588 Nachweisen einzelner Zeichen des Mittelalters, dazu als Forschungshilfen 1393 Sonderdrucke aus 27 Landem.8 Mein eigentlicher Wunsch aber war immer gewesen, dass Kurt Koster diesem Materialfiindus nicht nur seine vielen eigenen Sonderdrucke zum Thema hinzu- fugen sollte, sondem sein Ziel einer umfassenden Monographic tatsachlich und zwar bald zu verwirklichen. Mir schwebte dazu ein fulminantes Bilderbuch mit zugleich handbuchmaBigem Aufbau und Einftihrung vor, so wie Lenz Kriss-Ret- tenbecks hinreiflender Band „Ex Voto. Zeichen, Bild und Abbild im christlichen Votivbrauchtum“ 1973 in dem damals mit seiner opulenten Reise-, Kunst- und Kulturzeitschrift ,,Atlantis“ florierenden Ziircher Verlag gleichen Namens des Fo- tografen Martin Hiirlimann. Dessen ruhriger Geschaftsfuhrer Max Mittler hatte die ansprechende Aufmachung eines kulturgeschichtlichen Werkes schon 1968 vorexerziert in seinem eigenen Buch als Autor: „Eroberung eines Kontinents. Der groBe Aufbruch in den amerikanischen Westen“. Bei meinen jahrlichen Besuchen der Frankfurter Buchmesse versaumte ich es nie, auch bei Atlantis vorbeizu- schauen und mit den Herren zu debattieren. Ich ware von Beruf zu geme Verle- ger geworden, und die Buchmesse habe ich daher stets wie im Rausch erlebt und sogar gemeint, ich diirfe schon allein deshalb Frankfurt nie verlassen, was dann 1973 doch geschehen ist. So saBen wir also wahrend der Frankfurter Buchmesse 1980 zu dritt im Hessischen Hof beim Mittagessen: Koster, Mittler und ich, das DFG-Projekt in Handen, den groBen Pilgerzeichenband fest vor Augen. Kosters Entdeckung der „Religiosen Medaillen und Wallfahrtsdevotionalien in der flamischen Buchmalerei des 15. und ffiihen 16. Jahrhunderts“ stellte ich mir dabei lebhaft als farbigen Mittel- und Hohepunkt eines solchen Bandes vor. Sie waren bislang ohnehin nur als schwarz-weiBe Abbildungen im modemen, aber noch nicht vollkommenen Offsetdruck iiberhaupt nicht zu seiner Zufriedenheit ausgefallen, weil die Details verdunkelnd, die kleinen Stiicke fast geschwarzt er- schienen trotz brillanter Farbfotovorlagen. Natiirlich wollten wir seine Texte zu- grundelegen, doch das war ofFenbar nicht Kosters Machart von Biichem. Erst sollte der Katalog „in die Reihe kommen“, wie man in Frankfurt zu sagen pflegt. Und das war natiirlich gut so, nachdem, vom Ende her gesehen, kaum noch sechs Jahre dafur Zeit blieben. Ich aber hatte mir von einem verlegerischen Parallel- 8 Wolfgang Bruckner, Kurt Koster und das Pilgerzeichenarchiv. Zum Tode des Historikers und Bibliothekars, Baycrische Blatter fur Volkskunde 13, 1986, H. 2, S. 100-102; Jorg POETTGEN, Die zentrale Pilgerzeichenkartei Kurt Kosters in Niirnberg und der Forschungs- stand nac/t 1986, Jahrbuch fur Glockenkunde 7/8, 1995/1996, S. 195-206.
28 Wolfgang Bruckner Abb. 1: Kurt Koster (1912-1986). Foto: Privatbesitz projekt wichtige Impulse Шг die Forschung erwartet. Nur was vom Feuilleton goutiert wird, findet auch Gnade vor Gutachtem. So ist nun mal das Leben, darf ich aus langer Gremienerfahrung behaupten. Und also hatte ein solches Pracht- buch dem Gegenstand sogar zu mehr Reputation bei den Kunsthistorikem im Germanischen Nationalmuseum verholfen und sei es nur ein wenig mehr Auf- merksamkeit als gewichtige mittelalterliche Quelle in vielerlei Hinsicht, sogar in grundsatzlicher fur den Bildbesitz und die Bilderkenntnis des kleinen Mannes seit dem 14. Jahrhundert. Um 1980 waren die Universitaten, noch nicht aber die Museen, wirklich auf- gemischt durch ein gutes Jahrzehnt Ideologiekritik und Asthetikschimpf an deren Forschungen vorgeblich ahistorisch gewordener Kunstwissenschaften der Texte, Bilder und Tone, wahrend sich auf dem Parkett der kommerzialisierten Offent- lichkeit die Macher und Konsumenten ganz anderer Geschmacker drangten. Daflir kehre ich nochmals zur besagten Mittagstafel im Hotel „Hessischer Hof ‘ gegenuber des Frankfurter Messegelandes zuriick, dessen Eigentiimer der Land- graf von Hessen ist. An unserem Nachbartisch saB eine groBere Gesellschaft des Verlages Droemer aus Miinchen und Zurich in Erwartung eines offenbar hohen Gastes, der auch bald schon mit lautem Getose und Anhang hereingestiirmt kam,
Kurt Koster und die Pilgerzeichenforsdning 29 ein Bestseller-Autor, der neuerliche Auflagenziffem mitzufeiem gedachte. Es war: Curd Jurgens, der Filmschauspieler, den Alteren noch als „Des Teufels Ge- neral“ oder der ,,Schinderhannes“ in Erinnerung. Der Verlag Droemer verhalf ihm 1976 zu einem sogenannten autobiographischen Roman: „60 Jahre und kein ЫВ- chen weise“. Die Wtirzburger Universitatsbibliothek besitzt das ,kostbare’ Buch leider nicht, aber Kurt Kosters „Deutsche Nationalbibliographie“ verzeichnet sei- nen riesigen Erfolg: 150.000 Stuck der Originalauflagen, sofortige franzosische Ubersetzung, Lizenzausgaben fur mehrere Biicherclubs, Taschenbuchausgaben seit 1979/80, womit wir bei unserem Messebesuch sind, auf dem das 58. Tausend der ersten Wiederauflage als Taschenbuch gefeiert worden ist. Wir saBen also daneben und wollten die Pilgerzeichen auf den groflen Markt bringen. ,,Reisemarkierungen“, „Zeichen am Hut“, das war’s wahrscheinlich ge- wesen, aber soweit vermochten wir noch nicht zu denken, wenngleich der Ansatz dazu vorhanden war: ein Verlag u. a. fur Reiseinformationen. Wir schwarmten von einem in Bleisatz und mit Autotypien auf Werk- und Kunstdruckpapier im klassischen Gutenbergschen Buchdruckverfahren bibliophil gemachten, mit einem Wort: anspruchsvollen Buch. Kurt Koster hat zwei Jahre vor seinem Tod fur den Aufsatzband der groflen Miinchner Ausstellung „Wallfahrt kennt keine Grenzen“, 1984, mit Karten und Ortslisten die geographische Breite seines Materialfundus dokumentiert. Dies war der erste Schritt fur das geplante grofle Ubersichtswerk bei Atlantis in Zurich. Nicht nur der potentielle Autor ist dariiber 1986 gestorben, sondem auch der Ver- leger Hurlimann schon 1984, so dass sein angesehenes Untemehmen bald von der Schweizer Stiftung Pro Juventute ubemommen wurde und ein vollig neues Profil erhielt. Schlussiiberlegung: Wollten wir wirklich zu hoch hinaus wie die Frau des Fi¬ schers im Marchen vom Butt und sitzen nun nach zwanzig Jahren wieder in un- serm alten Pisspott am sturmischen Meeresufer der Kultur- und Hochschulpoli- tik, fur deren Denkhorizont wir alle hier doch nur hassliche Zwerge ohne Min- derheitenschutz sind? - Ich frage ja nur!
31 Jorg Poettgen Der Beitrag der Glockenkunde zur Pilgerzeichenforschung von Kurt Koster bis heute Kurt Kosters Weg zur Pilgerzeichenforschung ist - wie so haufig - einzig von einem Zufall geleitet. Als er 1948 - im Jahre seiner Habilitation - in die Histori- sche Kommission fur Nassau berufen wurde, veroffentlichte er im selben Jahr einen schmalen Beitrag von nur wenigen Seiten iiber den Mainzer Kanoniker Adolf von Breithardt, der durch seine Funktion als Kanzler des Mainzer Erzbi- schofs auch politische Bedeutung erlangte.1 In unserem Zusammenhang ist le- diglich von Bedeutung, dass Adolf von Breithardt auch als Stifter fur die Kirche seines Heimatortes Breithardt, auf der Mainz gegeniibcrliegenden Rheinseite ge- legen, in Erscheinung getreten ist. Auch dies wurde uns nicht interessieren, wenn Koster nicht iiber die alteste Glocke dieser Kirche, deren Gussjahr in die Le- benszeit unseres Kanonikcrs fiel, als einzigen Satz geschrieben hatte: „War auch sie ein Geschenk Adolfs fur die Kirche seines Heimatortes?“ Als entscheidende Tatsache ist jedoch letztendlich zu vermerken, dass Koster bei einer spateren Ge- legenheit sich diese Glocke in situ ansah - und jetzt war es um ihn geschehen. Diese Begegnung bestimmte furderhin nicht nur seine wissenschaftliche Tatig- keit, sondem, wer ihn kannte, sein ganzes Leben: - bei dem Gieber der Glocke handelte es sich um niemanden anders als Mei- ster Tilmann von Hachenburg aus Andemach, dem er spater eine bedeutende campanologische Studie widmen sollte, und - eines der Reliefs auf der Glocke, das in der bisherigen Literatur lediglich als „Plakette einer thronenden Maria mit dem Kinde“ bezeichnet wurde, wurde von ihm schlieBlich als Aachener Pilgerzeichen erkannt. Aus dieser ersten Autopsie einer Glocke entwickelten sich fur sein weiteres wis- senschaftliches Arbeiten zwei neue Disziplinen: 1. Die Glockenkunde mit einer Untersuchung der Arbeitskriterien eines ein- zelnen Giebers oder seiner Werkstatt. Hierzu war eine vollstandige Erfas- sung des jeweiligen Werkes erforderlich, bei der sich 2. ergab, dass die Verwendung von Pilgerzeichen im Werk dieses Meisters kein 11 Kurt Koster, Adolf von Breithardt (f 1491), in: Nassauische Lebensbilder, hg. von Rudolf Vaupel, Bd. 3, Wiesbaden 1948, S. 76-83. Von der Bedeutung der Begegnung mit dieser Glocke berichtet Koster in seinem Beitrag Gutenbergs Strafiburger Aachenspiegel-Unter- nehmen von 1438/1440, Gutenberg-Jahrbuch 58, 1983, S. 24-44, hier S. 24.
32 Jorg Poettgen Einzelfall war, sondem eine regelmaflig praktizierte Gestaltung. Insgesamt waren es bei Tilman 46 Zeichen, davon allein 12 aus Aachen, gar 13 aus Neuss. Als Koster das Ergebnis seiner Studien nach einem Jahrzehnt publizierte, lautete der Titel: „ Meister Tilman von Hachenburg. Studien zum Werk eines mittelrhei- nischen GlockengieBers des 15. Jahrhunderts. Mit besonderer Beriicksichtigung der als Glockenzier verwendeten mittelalterlichen Pilger- und Wallfahrtszei- chen“2 Dieser etwas umstandliche Titel macht deutlich, dass es Koster aufler um eine vollstandige Darstellung des Glocken-CEuvres von Tilman von Hachenburg auch um eine grundlegende Darstellung von Funktion und Provenienz von Pil- gerzeichen ging, auf die ich mich hier konzentrieren mochte.3 Der Terminus „Pilgerzeichen" ist ein BegrifF, der in der deutschen Denkmaler- inventarisation vor dem Jahre 1900 iiberhaupt nicht vorkommt. Erst der Thiirin- ger Pfarrer Paul Liebeskind richtete im Jahr 1904 die Aufmerksamkeit auf die Tatsache, dass es sich bei den bisher meist nur als „Reliefs" bezeichneten Ver- zierungen auf Glocken um Pilgerzeichen handelte, wobei er stolz verkiindete: „von einem ist sogar der Ursprungsort nachzuweisen."4 Auch in den nachsten 50 Jahren wird das Thema Pilgerzeichen nur sporadisch weitergefiihrt. Erst Koster geht es nun systematisch an. Seiner Akribie und hi- storischen Neugier ist es zu verdanken, dass er in seiner Tilman-Studie diese Zei¬ chen auf fast 50 Seiten darstellte und - mit 43 Abbildungen illustriert - nicht nur ikonographisch beschrieb, sondem auch die Wallfahrtsorte lokalisierte, ihre Ge- schichte behandelte und auf die jeweilige Literatur hinwies, wobei ihm fur deren Vollstandigkeit seine Funktion als Generaldirektor der Deutschen Bibliothek zu Gute kam. Vor allem ordnete er die einzelnen Zeichen nach typologischen Ge- sichtspunkten. Dies deutete sich schon bei seiner Tilman-Studie an, wo er neben dem Aachener Pilgerzeichen auf der Glocke in Breithardt weitere ahnliche ange- troffen hat. So unterschied er z. B. - zwei- oder dreikreisige Form, - alterer oder jiingerer Formenkreis, - mit oder ohne Spiegel etc. 2 Erschienen im Jahrbuch der hessischen kirchengeschichtlichen Vereinigung 8, 1957, S. 1- 206 mit 81 Abb. Zu diesem Beitrag veroffentlichte Koster zwei Erganzungen: ebd. 10, 1959, S. 77-91; ebd. 31, 1980, S. 1-28. 3 Kosters campanologische Verdienste hat der Verfasser am 6. Oktober 2006 in einem eigenen Vortrag im Rahmen des vom Deutschen Glockenmuseum auf Burg Greifenstein veranstalte- ten 14. Kolloquium zur Glockenkunde gewurdigt. 4 Paul Liebeskind, Pilger- oder Wallfahrtszeichen auf Glocken, Die Denkmalpflege 6, Nr. 7, 1904, S. 53-55. Dabei bedankt sich Liebeskind fur einen „schatzenswerten Wink des dani- schen Glockenforschers F. Uldall“.
Der Beitrag der Glockenkunde zur Pilgerzeichenforschung 33 Eine erste Ubersicht uber die Aachener Zeichen (Abb. I) bot Koster 1972 in dem Ausstellungskatalog „Rhein und Maas“.5 In den spateren Jahren seines DFG-Pro- jektes weitete sich die Typologie zu einer umfangreichen und komplexen Uber¬ sicht aus (Stand: 10. Oktober 1981), die fur Aachen leider seither weder publiziert noch aktualisiert wurde und weiter in seinem Nachlass im Niimberger Pilgerzei- chenarchiv ruht und auf einen Bearbeiter wartet. Publiziert hingegen hat Koster eine entsprechende Arbeit uber den in der Wall- fahrtsgeschichte eigentlich nicht so bedeutenden Quirinus aus Neuss, dessen Va- riantenreichtum mit insgesamt mehr als 20 Typen jedoch nicht geringer ist (Abb. 2 und 3). Der erste Beitrag erschien bereits 1959 und wurde bis 1984 mehrmals erweitert.6 Sein damaliges Endergebnis, bei dem naturlich die niederlandischen Bodenfunde und weitere Nachtrage aus der Glockenkunde fehlen, sieht folgen- dermaBen aus: - TypAoderB, - mit oder ohne Neusser Stadtwappen, - rechtswendige oder linkswendige Form u.a. Dies mag als erste Ubersicht geniigen, ohne auf weitere Einzelheiten einzuge- hen. Seit Kosters Tod hat sich die Situation der Pilgerzeichenfunde grundlegend geandert. 1957 konnte er noch das Verhaltnis der Glockenkunde zur Pilgerzei¬ chenforschung mit den Worten formulieren: „Dieser mittelalterlichen Sitte, sol- che Zeichen auf Glocken anzubringen, verdanken wir recht eigentlich die Kennt- nis und Erhaltung der meisten mittelalterlichen Pilgerzeichen, zumal der deut- schen, denn originate Abgiisse sind selten erhalten geblieben.“7 So fuhrt er fur die Aachener Zeichen lediglich ein Original auf, fur die Neusser oder andere nicht einmal ein einziges. Inzwischen ist diese euphorische Aussage durch die Funde von mehr als 10.000 Originalen, vor allem in den Niederlanden, langst iiberholt. Die besten sind bisher in den beiden Katalogen „Heilig en Profaan“8 publiziert und es stellt sich die Frage, welche Funktion heute noch die Tatsache hat, dass Pilgerzeichen auf Glocken an- 5 Kurt KOSTER, Mittelalterliche Pilgerzeichen und Wa l Ifahrtsde vot ion alien, in: Rhein und Maas. Kunst und Kultur 800-1400 [Ausstellungskatalog Koln 1972], hg. von Anion Legner, Koln 1972, Bd. 1,S. 146-160, hier S. 149-151. 6 Vgl. die Gesamtbibliographie der Arbeiten Kurt Kosters zu Pilgerzeichen und Glocken in vorliegendem Band. 7 KOSTER (wie Anm. 2), S. 55. 8 Hendrik Jan Engelbert van Beuningen - Adrianus Maria Koldeweij, Heilig en profaan. 1000 laatmiddeleeuwse insignes uit de collectie H.J.E. van Beuningen (Rotterdam Papers 8), Co- then 1993; Hendrik Jan Engelbert van Beuningen - Adrianus Maria Koldeweij - Dory Kic- KEN, Heilig en profaan 2, 1200 laatmiddeleeuwse insignes uit openbare en particuliere col- lecties (Rotterdam Papers 12), Cothen 2001.
34 Jorg Poettgen Abb. 1: Vier Aachener Pilgerzeichen, jeweils dreikreisige Form mit unterschiedlicher Gestaltung. Fotos nach Kurt KOSTER, Mittelalterliche Pilgerzeichen und Wallfahrtsdevotionalien, in: Rhein und Maas. Kunst und Kultur 800-1400, hg. von Anton Legner, Koln 1972, S. 146-160, hierS. 150
Der Beitrag der Glockenkunde zur Pilgerzeichenforschung 35 Abb. 2: Neusser Pilgerzeichen mit dem hi. Quirinus, bei KosterTyp A 1 a. Foto: Jorg Poettgen
36 Jorg Poettgen gebracht wurden. Ich mochte daher im folgenden den Beitrag der Glockenkunde zur Pilgerzeichenforschung untersuchen und nenne dafur drei Punkte: 1. deutliche Hinweise fur eine Datierung, 2. klare Angaben uber die Verbreitung, 3. Sonderbeispiele fur Pilgerzeichen auf Glocken. Hinweise fur eine Datierung Bei archaologischen Grabungen sind die Datierungsmoglichkeiten vor allem durch Beifimde gegeben. Diese lassen oft jedoch nur eine breite Zeitzone zu wie etwa „zweite Halfte 14. Jahrhundert“. Da eine solche Datierungshilfe bei den zahlreichen Funden in den niederlandischen Feuchtgebieten zum Leidwesen der Archaologen weitgehend fehlt, orientiert man sich in der Regel an kunstge- schichtlichen Gegebenheiten, wobei ebenfalls breite Zeitspannen entstehen, zumal schon Koster darauf hinwies, dass diese Zeichen auch liber die Entste- hungszeit hinaus lange ihre Formen beibehielten. Demgegenuber sind die Abdrucke auf Glocken meist exakt zu datieren. Dabei ist natiirlich zu beriicksichtigen, dass mehr als 90 Prozent der Glockenabdrucke erst ab dem 15. Jahrhundert anzutreffen sind und ffiihere Beispiele fast vollig feh- len. Hier sind nur einige Kolner Meister bereits im 14. Jahrhundert zu nennen, denen die anderen rheinischen Werkstatten erst am Anfang oder gar in der zwei- ten Halfte des 15. Jahrhunderts folgen. Es zeigt sich jedoch andererseits, dass die Verwendung der Zeichen auf Glocken in der Regel zeitnah zu ihrem Entstehen er- folgt. Dies lasst sich an zwei — allerdings sehr spaten - Beispielen deutlich ma- chen. So entstand die Wallfahrt nach Diiren zur hi. Anna im Jahre 1501. Die erste Glocke mit Annazeichen stammt bereits aus demselben Jahr. Auch nachdem 1512 in Trier der Heilige Rock gezeigt wurde, sind bereits im Folgejahr die ersten Pil¬ gerzeichen zur Heilig-Rock-Verehrung auf Glocken anzutreffen.9 Demgegenuber hatten gerade fur Trier durch den Glockenguss gesicherte Datierungen gezeigt, dass der Heilige Rock als Nebendarstellung bereits in den Jahren zwischen 1458 und 1474, also Jahrzehnte vor der Offhung des Hochaltares, auf Pilgerzeichen der Matthiaswallfahrt abgebildet war und zwar in der seit dem 11. Jahrhundert im Altar verborgenen Form. Die Gestalt des Heiligen Rockes war somit bekannt, obwohl der Rock selbst nicht zu sehen war.10 9 Vgl. zu beidcn Orten die Beitrage in der Gesamtbibliographie der Arbeiten Kurt Kosters zu Pilgerzeichen und Glocken in vorliegendem Band. 10 Jorg POETTGEN, Vorreformatorische Wallfahrtsdevotionalien aus dem Matthiaskloster zu Trier. Mittelalterliche Pilgerzeichen auf Glocken, Kurtrierisches Jahrbuch 34, 1994, S. 47-76.
Der Beitrag der Glockenkunde zur Pilgerzeichenforschung 37 Auf Grund dieser Datierungsmoglichkeiten lassen sich die von Koster aufge- stellten Typisierungen auch in einer ungefahren zeitlichen und thematischen Folge festlegen. Besonders aussagekraftig ist dies bei einer Studie uber die Kolner Pil- gerzeichen.11 Dabei wurden sowohl Originale wie auch Glockenabdriicke einbe- zogen, so dass als Ergebnis eine gemeinsame Chronologie moglich wurde, die dariiber hinaus auch die Anlehnung der formalen Gestaltung der Pilgerzeichen an den zeitlichen Entwicklungen der Architektur oder Heiltumer deutlich macht (Abb. 4). GesamtUbersicht Uber das Im Katalogteil ausgebreitete Belegmaterial (originale FundstUcke, Glockenabgusse und Bild2eugnisse) Typus Originale Glockenabgusse Bildzeugnisse Eckdaten H6heZi A1a 1 23125 - 1440-1524 90-93 mm A1b - 2 Г5 - 15. Jh., 1520 112mm A2 - 1 - 1436 92 mm A3 - 2 - 15. Jh.. 1480 68 mm A4 1 4 - 1519,1.V. 16. Jh. 54 mm В 1a 11 о 231зо - 1441-1496 66-70 mm B1b I/2 7/30 - 1444-1472 67 mm B2 3 - 1424-1436 75 mm B3 - 4 - 1472-1494 69 mm B4 - 4 - 1475-1507 73 mm B5 - 7 - 1486-1494 63 mm A/Bx26 4 5 - 1440-1494 - c - - 1 1485/1490 ca. 45 mm D 5 23 2 1487-1532 25-29 mm Summe 13 108 3 1424-1532 - Abb. 3: Gesamtubersicht der Neusser Pilgerzeichen. Tabelle nach Kurt KOSTER, Die Pilgerzeichen der Neusser Quirinus-Wallfahrt im Spatmittelalter. Originale Fundstiicke - Abgusse auf Glocken - Bildzeugnisse, Neusser Jahrbuch fur Kunst, Kulturgeschichte und Heimatkunde 1984, S. 11-29, hier S. 23 *Andreas Haasis-Berner - Jorg Poettgen, Die mittelalterlichen Pilgerzeichen der Heiligen Drei Konige. Ein Beitrag von Archaologie und Campanologie zur Erforschung der Wallfahrt nach Koln, Zeitschrift fur Archaologie des Mittelalters 30,2002, S. 173-202, die Tabelle S. 179.
38 Jorg Poettgen Typ Form Turmarchitekcur Darstellung Beiwcrk Dadcrung Sonsdgcs Anzahl* A Flachgiisse ' AI Kirchenform: Rundfenster Huldigung mit .Engel 1164—1250/80 10 Or. alter Dom u. Stem All Kirchenform: gotischer Turin Huldigung ohne Engel 1280—1322 kleiner als A 1 29 Or. alter Dom u. Stem A III Sclycinform Kleeblattbogcn Anbecung 1230—1300 (?) 1 Or. В Rechteckige Gittergiisse В la Schreinform Rundgicbcl, 3 Turmchen Huldigung Vera Icon 1300—1325 1 Or., 5 GA Bib Kirchenform: 3 got. Giebel, Anbetung Vera Icon 1350—1400 6 Or. gotischer Dom 3 Turmchen BIc Kirchenform: 1 Spitzdach, 3 Anbetung 1350—1400 1 Or. gotischer Dom gotischer Dom Turmchen 1 GA В 11a einteilig got. Giebel Reiter Vera Icon 1350—1400 ВПЬ einteilig Spitzgiebel, Turmchen 3 Anbetung Vera Icon 140p—145D 1 GA В Ilia zweiteiiig got. Giebel: ohne 3 GA ohne Darstcllung Architektur u. Anbetung 1400—1450 13 GA BHIb zweiteiiig got. Giebel mit Darstellung Reiter 1450—1535 IGA BIV spitzgieblig mit Turmen ohne Huldigung 1450—1500 7 GA BV mehrschiffig Giebel mit - Anbetung zwei Engel 1400—1500 Lilicnknauf oberhalb BVI Biisten ? Frontal 1350—1400 Inschrift (Min.) 1 Or. CRunde Gittergiisse ' Cl rund got. Giebel Huldigung u. Reiter 1350—1400 Drachen 1 Or. C 11a Biisten ohne got. Giebel Frontal mit Stem 1350—1400 2 Or., 4 GA CHb Biisten 3 Tiirmchen Biisten und Mond, mit Stem 1398—1450 Spiegel 2GA mit Spiegel 4 Or., 1 GA Cilia rund got. Giebel Anbetung ohne Spiegel 1350—1400 ешь jund got. Giebel Anbetung mit Spiegel 1398—1450 Spiegel 1 Or., 3 GA СШс rund got. Giebel Reiter . mit Spiegel 1398—1450 Spiegel 1 Or. CIHd ‘rund mit u. ohne Giebel Anbetung ohne Spiegel 1400—1450 mit Inschrift 4 GA D Kombirtieru Waltfabrten DI zweikreisig gotisch Anbetung mit Spiegel 1440—1500 Konige/ Ursula 2 Or., 5 GA D II rund mit Kronchen Anbetung 1500—1532 Konige/ Ursula 1 Or., 9 GA E Medaillen El rund Huldigung 1300—1400 3 Or. Eli rund mic Stall 1490—1541 10GA * Or. - Original; GA - Glockembgufi Abb. 4: Ubersicht iiber Kolner Pilgerzeichen nach Inhalt, Zeit, und Form. Tabelle: Andreas Haasis-Bemer - Jorg Poettgen
Der Beitrag der Glockenkunde zur Pilgerzeichenforschung 39 Angaben iiber die Verbreitung der Pilgerzeichen Es ist kein Zufall, dass Kurt Koster bei den Glocken des rheinischcn GieBers Til- man von Hachenburg auf Pilgerzeichen stieB, da das Rheinland - wie etwa auch Hessen, Thuringen oder Mecklenburg - mit rund 350 Pilgerzeichen zu denjeni- gen Regionen gehorte, in denen diese Praxis weit verbreitet war. Dem gegeniiber benotigt man etwa im benachbarten Westfalen keine zwei Hande, um alle Pil¬ gerzeichen auf Glocken aufzuzahlen. Auch in den bisherigen vier Banden des Deutschen Glockenatlas (Wurttemberg-Hohenzollem, Mittelfranken, Bayerisch Schwaben und Baden) sind es gerade einmal fiinf Exemplare. Eine Erklarung fur diese unterschiedliche Praxis ist bisher noch nicht gefunden worden. Wo die Pilgerzeichenfunde aber so reichhaltig sind wie im Rheinland, gibt es einige interessante Erkenntnisse. Hier sind rund 20 Prozent aller Glocken mit Pil¬ gerzeichen verziert, bei Tilman von Hachenburg waren es immerhin 36 Prozent, bei einigen Meistem gar die Halfte. Die Herkunft der verwendeten Pilgerzeichen Von den 351 auf rheinlandischen Glocken vorgefundenen Pilgerzeichen lassen sich 330 identifizieren und 17 verschiedenen Wallfahrtsorten zuweisen. Hierbei ergibt sich folgende Tabelle, nach der Haufigkeit der Vorkommen geordnet: WALLFAHRTSORT RELIQUIE ANZAHL DER PZ VON BIS Neuss Quirinus 70 1424 1535 Aachen Maria Aquensis 45 1409 1549 Trier Matthias/Hl. Rock 40 1424 1549 Maastricht Servatius 33 1432 1549 Diiren Anna 27 1501 1546 Cornelimunster Cornelius 17 1401 1549 Koln HI. Drei Konige 16 1470 1542 Wilsnack Hostienwunder 15 1435 1504 Einsiedeln Engelweihe 12 1450 1542 St. Hubert Hubertus 10 1501 1535 Nikolausberg Nikolaus 10 1385 1512 Thann Theobald 08 1400 1504 Antonius* Antonius 07 1424 1469 Rom Vera Icon 06 1357 1453 Katharina* Katharina 06 1450 1526 Leonard* Leonard 05 1453 1494 Odilienberg Odilia 03 1455 1480 * = Wallfahrtsort nicht genau bekannt Wallfahrtsorte im Rhein-Maas-Gebiet sind kursiv gedruckt.
40 Jorg Poettgen Diese Tabelle zeigt als signiflkantes Ergebnis, dass die am meisten vertretenen Wallfahrtsorte in der unmittelbaren Nachbarschaft lagen. Von Aachen aus lie- gen sie Luftlinie in einem Radius von nicht einmal 100 km entfemt, lediglich bei St. Hubert-en-Ardenne etwas weiter. Im 15. Jahrhundert standen also nicht mehr die Femwallfahrten nach Rom oder Santiago de Compostela im Mittelpunkt des Pilgerwesens wie zu seinem Beginn im 12. Jahrhundert. Die Zunahme des Wall- fahrens flihrte vielmehr im Zusammenhang mit gelegentlichen Verboten einer Femwallfahrt12 im 14. Jahrhundert zum Entstehen neuer Wallfahrtsorte in der naheren Umgebung, zu der dann auch Hunderttausende ziehen konnten. So ent- standen erst nach 1500 im Rheinland die Wallfahrten nach Diiren zur hi. Anna (1501) oder zum Heiligen Rock nach Trier (1512). In obiger Tabelle kommen die Pilgerzeichen von Wilsnack, Einsiedeln, Rom oder Thann erst nach den Nah- wallfahrten. Dabei ist es nicht verwunderlich, dass sie vor allem auf den Glocken des 14. und ffiihen 15. Jahrhunderts anzutreffen sind, als noch die weiteren Wall- fahrtsziele dominierten. Interessant ist in diesem Zusammenhang, dass uns K61- ner Pilgerzeichen erst von 1470 an auf rheinischen Glocken begegnen. Dies be- deutet, dass die Kolner GieBer selbst keine heimatlichen Zeichen verwendeten. Selbst als Tilman von Hachenburg nach Andemach wechselte, benutzte er diese Zeichen nicht. Kolner Zeichen waren somit erst fur die GieBer auswartiger rhei- nischer Werkstattorte von Interesse. Die Initiative zur Pilgerzeichenverzierung Schon fhih stellte sich die Frage, wer denn die Initiative und Auswahl der auf den Glocken vorgefundenen Pilgerzeichen getroffen hat: der GieBer, der Auftragge- ber oder die Gemeinde, d. h. hat der GieBer seine Zeichen jeweils mitgebracht oder hat er die zufallig am Ort vorgefundenen Zeichen verwendet? Zu einer Antwort bietet sich zuerst das Opus des Tilman von Hachenburg an, der auf seinen Glocken insgesamt 45 Pilgerzeichen verwendet hat, von denen 60 Prozent auf Aachen und Neuss entfallen. Dies veranlasste Koster zu der Vermu- tung, dass Tilman eine besondere Vorliebe fur beide Orte gehabt habe. Aber kann nicht der Grund einfach darin bestehen, dass es die beiden beliebtesten und nach- sten Ziele waren? Hilfreich ist hier der Vergleich mit Tilmans jungerem, aber selbstandig arbeitenden Andemacher Zunftgenossen Paul von Udersdorf, dcssen * 4312 Bereits Medard Barth, Zur Geschichte der ThannerSi. Theobalduswallfahrt im Mittelalter, Annuaire de la Societe d’histoire des regions de Thann-Guebwiller 1948, S. 19-82, hier S. 43, hat fur norddeutsche Hansestadte nachgewiesen, dass manche von ihnen aus Sicherheits- griinden eine Femwallfahrt verboten.
Der Beitrag der Glockenkunde zur Pilgerzeichenforschung 41 Werk Koster nicht untersucht hatte.13 Allerdings verwendete dieser auf seinen Glocken insgesamt nur zwolf Zeichen. Dennoch ist hier von Bedeutung, dass sich unter diesen das Aachener Zeichen kein einziges Mai findet, stattdessen stehen neben Quirinus die Servatiuszeichen aus Maastricht an der Spitze. Diese sind hin- wiederum bei Tilman iiberhaupt nicht anzutreffen. Dies lasst in der Tat die Ver- mutung zu, dass die GieBer nach individuellen Vorlieben die Pilgerzeichen aus- wahlten, denn warum sollte es fur Tilman nicht moglich sein, Servatiuszeichen aufzutreiben wie andererseits fur Paul, ein Spiegelzeichen aus Aachen zu besor- gen? Verstarkt wird diese Meinung, Tilman habe eine besondere Vorliebe fur die Aachener Zeichen gehabt, durch die Feststellung, dass auch bei Tilmans Schuler Johan von Andemach die Halfte der von ihm verwendeten Pilgerzeichen aus Aa¬ chen stammt. Es gibt jedoch auch Anzeichen daffir, dass gelegentlich ebenfalls die ortsan- sassigen Gemeindemitglieder ihren personlichen Beitrag geleistet haben. Denn in dem mehr als 50 Glocken umfassenden Opus des Brabanter GieBers Gobel Moer (1453-1500) finden sich in der Regel keine Pilgerzeichen. Lediglich auf einer einzigen, 1467 fur Puffendorf geschaffenen Glocke, sind gleich funf Exemplare zu finden. Puffendorf liegt aber im damaligen Herzogtum Julich, das noch zum Einzugsgebiet der Kolner Meister gehorte, so dass hier in der Gemeinde ofifen- sichtlich diese Verwendung von Pilgerzeichen bekannt war und man den GieBer veranlasst hat, die Glocke damit zu verzieren. Sonderbeispiele fur Pilgerzeichen auf Glocken Auch wenn Kurt Kosters anfangliche AuBerung, dass wir von vielen Pilgerzei¬ chen Kenntnis nur durch ihre Abgusse auf Glocken haben, durch die jiingeren zahlreichen Funde von Originalen nicht mehr aktuell ist, gibt es immer noch Falle, in denen dies gelegentlich zutrifft. Dafur mochte ich drei Beispiele aus dem rhei- nischen Raum nennen. Das erste Pilgerzeichen (Abb. 5) stammt aus dem nahezu unbckannten Wall- fahrtsort Hausenbom, Kreis Neuwied, der schon 1788 als Folge eines Wall- fahrtsverbots durch den Trierer Erzbischofs aufgegeben wurde.14 Heiltum und Glocke (aus dem Jahr 1441, vermutlich von dem Andemacher Meister Hermann KlokkengieBer) sind in die benachbarte Kirche von Isenburg gelangt und somit 13 Vgl. zu diesem Jorg Poettgen, Das Jahrhundert des Glockengusses in Andemach - die Meister der Werkstatt von 1450 bis 1550, Andemacher Annalen 4, 2001/2002, S. 13-36. 14 Eugen Wasser, Isenburg im Sayntal (Rheinische Kunststatten 425), Koln 1997, hier S. 14f.; Ders., Ilistorische Glocken in der lsenhurger Pfarrkirche, Heimatjahrbuch des Landkreises Neuwied 1998, S. 68-70.
42 Jorg Poettgen Abb. 5: Gnadenbild von Hausenbom (unten) und Pilgerzeichen auf der Glocke in Isenbuig (oben). Fotos: E. Wasser
Der Beitrag der Glockenkunde zur Pilgerzeichenforschung 43 Abb. 6: Pilgerzeichen (Gipsabdruck) von der Glocke in Bodingen (1470). Foto: Jorg Poettgen
44 Jorg Poettgen erhalten. Das Pilgerzeichen auf der Glocke ist bisher das einzige Zeichen, das dieser Wallfahrt zugeordnet werden kann. Dies zeigt zunachst das abgebildete Gnadenbild der Pieta im Stil der Parlerwerkstatt, der in den Jahren zwischen 1400 und 1430 im Rheinland weit verbreitet war und das mit dem vorhandenen Gna¬ denbild ubereinstimmt. Des weiteren ist der Bischof auf der rechten Seite laut der Legende „ihesus maria serfas“ als Servatius zu identifizieren. Hier bestatigt Servatius als Nebenpatron des Hauptaltares, dass dieses Zeichen zu diesem Ort gehort. Somit wird emeut deutlich - wie bereits vorher bei Diiren, Koln oder Trier aufgezeigt dass die Entstehung des Gnadenbildes (vor 1430) und ein erstes Auftreten eines diesbezuglichen Pilgerzeichens (1441) in der Regel nahe beiein- ander liegen. Ahnlich dem genannten Hausenbom ist auch das im benachbarten Rhein-Sieg- Kreis liegende Bodingen ein Marienwallfahrtsort, etwa gleichzeitig mit Hausen¬ bom entstanden und ebenfalls im Besitz einer ahnlich gestalteten Pieta.1S Auch hier wird dieses Gnadenbild einzig auf einem Pilgerzeichen (Abb. 6) wiederge- geben, das sich im Turm dieser Kirche auf einer Glocke befindet, die der Kolner Meister Ailf von Wippervorde im Jahr 1470 gegossen hat. Das dritte Beispiel zeigt das einzige bisher bekannte Pilgerzeichen (Abb. 7 und 8) von St. Goar, Rhein-Hunsriick-Kreis, bei dem sogar Patrozinium der Glocke (1506 von dem Trierer Meister Wilhelm Roide gegossen), Patrozinium der Kirche sowie der Name des Ortes den verehrten Heiligen bezeichnen, von dem aber bis zum Jahre 2004 nichts iiber die Herausgabe von Pilgerzeichen fur die diesbeziigliche Wallfahrt bekannt war. Hier wurde durch den Bearbeiter des In- schrifteninventars das auf der Glocke vorgefundene Pilgerzeichen durch die iko- nographischen Attribute von Kelch, Kirchenmodell und Drachen als „erstes und einziges [...] Pilgerzeichen der Wallfahrt zum hi. Goar“ identifiziert, auch wenn die Legende - anders als in Hausenbom - nicht zu lesen ist.16 Alle drei Beispiele stimmen darin iiberein, dass in der Spatzeit des Pilgerwe- sens auch bei relativ kleinen Wallfahrten Pilgerzeichen anzutreffen sind, deren bisher einziger Nachweis sich jeweils auf der Glocke des Gnadenortes befindet. Es stellt sich somit die Frage, ob nicht auch andemorts singular auftretende und unbekannte Zeichen eine ahnliche Erklarung finden konnen. 15 Gabriel Busch OSB, Alte Kirchen um den Michaelsberg. Das ehemalige Dekanat Siegburg, Bd. II, 1986, S. 160-174. 16 Die Inschriften des Rhein-Hunsriick-Kreises I (Boppard, Oberwesel, St. Goar), gesammelt und bearb. von Eberhard J. Nikitsch (Die Deutschen Inschriften 60), 2004, Nr. 154.
Der Beitrag der Glockenkunde zur Pilgerzeichenforschung 45 Schluss Kurt Koster hat die Nachrichten iiber das Vorkommen von Pilgerzeichen auf Glocken oder im Original nicht nur gesammelt, sondem auch Entwiirfe fur eine Typisierung gemacht. Er selbst hat nur wenige Beispiele ausgefuhrt wie etwa Quirinus in Neuss, St. Anna in Duren oder den HI. Rock in Trier.17 Nur wenige weitere Beispiele sind seitdem gefolgt wie etwa fur die Drei-Konigs-Zeichen in Koln oder die Matthiaszeichen in Trier.18 Abgesehen davon, dass Kosters Studien Abb. 7: Glocke des Wilhelm von Roide (1506) mit Pilgerzeichen von St. Goar. Foto: Akademie der Wissenschaften Mainz, Inschriftenkommission 17 Vgl. die Gesamtbibliographie der Arbeiten Kurt Kosters zu Pilgerzeichen und Glocken in vorliegendem Band. 18 Vgl. oben Anm. 10 und 11.
46 Jorg Poettgen durch die neueren Funde iiberarbeitet werden miissten, gibt es noch zahlreiche weitere Desiderate. Dafur ist als Beispiel etwa Aachen zu nennen, der Anfang von Kosters Pilgerzeichenstudien. Der typologische Entwurf fur die Aachener Pilgerzeichen befindet sich ebenfalls in seinem Nachlass und eroffhet somit den Weg, Kosters Studien auch 20 Jahre nach seinem Tod fortzufuhren. Abb. 8: Pilgerzeichenabguss von St. Goar auf der Glocke des Wilhelm von Roide (1506). Foto: Akademie der Wissenschaften Mainz, Inschriftenkommission
47 Robert Plotz Signum peregrinationis Heilige Erinnerung und spiritueller Schutz Der „Codex Calixtinus“ spricht in der im Kathedralarchiv von Santiago vorlie- genden Fassung im Kapitel VIII des Liber V „De corporibus sanctorum que in Ytinere Sancti Iacobi requiescunt“ und fiigt die Stationen der „Heiligen Leiber“ in ein Koordinatensystem ein, das ein Wegnetz ergibt. Seine vier Komponenten miinden in Puente la Reina in einen Weg ein, dessen tibergeordnetes Endziel das Apostelgrab im femen Westen Europas darstellt: ,,Es fuhren vier Wege nach Sant¬ iago, die [...] in Puente la Reina [...] zu einem werden, [...] und von dort aus bil- den sie einen einzigen Weg bis nach Santiago".1 Diese Unter- und Zuordnung der westeuropaischen „Heiligen Orte“ manife- stieren in einer signifikanten Weise die Anspruche des neuen Jerusalem am Rande der damals bekannten Welt, aber auch die ungeheuere Ausstrahlung der Grab- statte des Apostels auf das neue, von Rom unabhangiger werdende Europa nord- lich der Alpen, sowie die gewaltige Heilserwartung der mittelalterlichen Glaubi- gen, die von Osten her in einer so unglaublichen Anzahl zur Tumba des Apostels stromten, dass einer der Abgesandten des Almoravidensultans Ali ben Yusuf ben Texufin (1106-1142), der sich 1121 in Galicien mit der Konigin Dona Urraca (1109-1126) traf, mit Erstaunen das Pilgeraufkommen kommentierte: „So groB ist die Menge derjenigen, die zu ihm [Jacobus] gehen und zuriickkommen, dass sie uns kaum den Weg nach Westen frei halten".1 2 Ab wann waren die Pilger unterwegs und warum konnten sie sich relativ un- gefahrdet auf quasi sakralisierten Wegen quer durch Europa bewcgcn? Vor einem Vierteljahrhundert, im „Ano Santo Compostelano 1982“ ging ich ausfuhrlich auf 1 „Quatuor vie sunt que ad Sanctum Iacobum tendentes, in unum ad Pontem Regine,..., et una via exinde usque ad Sanctum Iacobum efficitur”, Liber Sancti Jacobi Codex Calixtinus. Tran¬ scription a partir del Codice original рог Klaus Herbers у Manuel Santos Noia, Santiago de Compostela 1998, S. 235. Fur die Ubersetzung ins Spanische: Liber Sancti Iacobi Codex Ca¬ lixtinus. Traduction por los profesores Abelardo Moralejo, Casimiro Torres у Julio Feo, Ed. revisada por Juan J. Moralejo у Maria Jose Garcia Blanco, Santiago de Compostela 2004, S. 527 f. 2 Historia Compostelana (Clasicos Latinos Medievales 3), hg. und ins Kastilische iibersetzt von Emma Falque Rey, Madrid 1994, S. 383. Vgl. zu dieser gevvagten Behauptung Manuel C. DiAZ Y DIaz, El Codice Calixtino de la Catedral de Santiago: Estudio codicoldgico у de con- tenido, Santiago de Compostela 1988, S. 22. In lat. Version bei Henrique Florez, Historia Compostelana (Espana Sagrada XX, Lib. II, L, S. 350), Madrid 1765: „tanta est euntium ad eum & redeuntium multitudo, ut vix pateat nobis liber callis ad occidentem” (Erstdruck).
48 Robert Plotz die Faktoren und Komponenten ein, die zu diesem „Strukturwander, wie ich es damals nannte, fxihrten.3 Ich mochte mich hier nicht wiederholen, aber auf ver- schiedene historische Konstellationen, die sich ereignen mussten, urn -unter an- derem - die Entstehung der Pilgerzeichen zu provozieren, soil trotzdem hinge- wiesen werden. Die Neugestaltung der west- und mitteleuropaischen Sakraltopographie Dazu mussten aber erst die Voraussetzungen geschaffen werden. Zu dieser Zeit bildete sich auch eine neue Sakraltopographie fur den „Orbis Christianus“ nord- lich der Alpen heraus, die in ihrer Mehrzahl eigene Heilige aus der Spatantike und dem ffuhen Mittelalter zu Ehren der Altare erhoben, spatantike Martyrer und die Heiligen der Merowinger und Karolinger. Der Apostel Jacobus maior war in diesem Sakralgefuge, wie Johannes und Maria Magdalena auch, ein RtickgrifF auf die alte „Syria Palaestina“. Die neuen Heiligen Orte („Loca Sancta“4) ihrer- seits griffen auf bewahrte Kultorte regionaler oder lokaler Ausrichtung zuriick.5 Wesentliche Faktoren fur die Sakralisierung des Raumes waren der Reli- quienkult6 und die mit der Klosterreform verbundene friihscholastische Satisfac- tio-Lehre. Mit dem Reliquienkult verbunden war die Vorstellung von der Aufer- stehung der Seele und des Leibes. Der Heilige, der schon an der Seite Gottes im 3 Robert PlOtz, La peregrinatio сото fenomeno Alto-Medieval. Definicion у componentes, Compostellanum 29, 1984, S. 239-265. 4 Zu Konzept und Struktur der „Loca Sancta“ vgl. Hippolyte Delehaye, Loca Sancta, Analecta Bollandiana 48, 1938, S. 5-64; Wolfgang BrOckner, Zur Phanomenologie und Nomenkla- tur des Wallfahrtswesens und seiner Erforschung. Worter und Sachen in systematisch-se- mantischem Zusammenhang, in: Volkskultur und Geschichte. Festgabe fur Josef Diinninger, hg. von Dieter Harmening - Gerhard Lutz - Bernhard Schemmel - Erich Wimmer, Berlin 1970, S. 384—424, hier S. 422 f.; Robert PlOtz, Homo Viator, in: Santiago - Al-Andalus. Dia- logos artisticos para un milenio, Conmemoracion del milenario de la restauracion de la ciu- dad de Santiago tras la razzia de Almanzor (997-1997), Santiago de Compostela 1997, S. 199-219 speziell Kapitel „Loca Sancta“, S. 215-219. 5 Vgl. zur Phanomenologie der Pilgerfahrten im historischen Kontext Robert PLOTZ, Pilger und Pilgerfahrt gestern und heute am Beispiel Santiago in Compostela, in: Europaische Wege der Santiago-Pilgerfahrt (JakobusStudien 2), hg. von Robert Plotz, Tubingen 1990, S. 171— 213; zu phanomenologischen Aspekten vgl. u. a. Denis Bruna, Enseignes depelerinage et identite du pelerin, Les cahiers de Saint-Michel de Cuxa XXXL, 2000, S. 59-63. 6 Vgl. Arnold Angfnendt, Heilige und Reliquien. Die Geschichte Hires Kultes vomfruhen Christentum bis zur Gegenwart, Miinchen 1994; Heilige Erinnerung. Reliquien und Reli- quienbehalter (Fiihrer des Niederrheinischen Museums fur Volkskunde und Kulturgeschichte Kevelaer 47), hg. von Robert Plotz [Ausstellungskatalog Niederrheinisches Museum Keve- laer], Goch 2003.
Signum peregrinationis 49 Himmel sitzt und vermittelnd Ftirsprache einlegen kann, ist mit seinen leiblichen Uberresten noch auf Erden prasent und in seinem Grab gegenwartig. Somit ist der Kontakt zwischen Himmel und Erde vorhanden.7 Andererseits kommt die feudale Mentalitat des hochmittelalterlichen Lehens- wesen der zweiten Feudalphase8 ins Spiel, die mit ihrer Vasallen-Struktur keine Losung fur eine angemessene Kompensation dem Lehensherren gegenuber kannte. Es war Anselm von Canterbury (um 1033-1109), der kurz vor 1100 eine atemberaubende neue ,theologische Ortsbestimmung’9 entwarf, die das Verhalt- nis zwischen Gott und dem Menschen neu festlegte. Im friihscholastischen „Cur deus homo“ (Warum Gott Mensch geworden)10 11 entwirft Anselm das Bild eines in seiner Absolutheit unerbittlich-gerechten Gottes, dem es nicht zukame, „die Sunde durch bloftes Erbarmen, ohne alle Abzahlung der Schuld, nachzulassen“.n Eine „Genugtuung fur die Siinde“12 vermoge der Mensch aus eigener Kraft nicht zu leisten, doch ohne sie konne er nicht erlost werden. Aus dieser misslichen und 7 Vgl. Ernst Hartwig Kantorowicz, Die zwei Korper des Konigs. , The King's Two Bodies Eine Studie zur politischen Theologie des Mit tela Iters, 2. Auflage Miinchen 1994; Peter Din- zelbacher, Die ,Realprasenz'der Heiligen in ihren Reliquien und Grdbern nach mittelalter- lichen Quellen, in: Heiligenverehrung in Geschichte und Gegenwart, hg. von Peter Dinzel- bacher - Dieter R. Bauer, Ostfildem 1990, S. 115-174. 8 Einen starken Ausdruck fand dieser Zeitraum in der Visionsliteratur des 12. Jh. Vgl. allge- mein zur Mentalitat und zu dem politischen Umfeld Fernando LOpez Alsina, La Ciudad de Santiago de Compostela en la Alla Edad Media, Santiago de Compostela 1988, speziell S. 152-154; Klaus HERBERS, Politikund Heiligenverehrung auf der Iberischen Halbinsel. Die Entwicklung des „politischen Jakobus,\ in: Politik und Heiligenverehrung im Hochmillel- alter (Vortrage und Forschungen XLII), hg. von Jurgen Petersohn, Sigmaringen 1994, S. 177-275; vgl. zu den Visionen: Manuel C. DIaz y Diaz, Visiones del Mas Alla en Galicia durante la Alta Edad Media (Bibliofilos Gallegos. Biblioteca de Galicia XXIV), Santiago de Compostela 1985; Robert PlOtz, Lazo espiritualу Cultural entre America у Europa: Santiago de Com¬ postela, in: Galicia, Santiago у America, La Coruna 1991, S. 57-74; Robert PlOtz - Hedwig ROckelein, Die Vision des Heinrich von Ahorn und das Kloster St. Georgenberg, in: Stadt und Pilger. Soziale Gemeinschaften und Heiligenkult (Jakobus-Studien 10), hg. von Klaus Herbers, Tubingen 1999, S. 29-68 und kiirzlich Robert Plotz, De hoc quod apostolus Ka¬ ro lo apparuit. Die Traumvision Karls des Grofien: Eine typisch mittelalterliche Vision?, in: Jakobus und Karl der Grol3e. Von Einhards Karls vita zum Pseudo-Turpin (Jakobus-Studien 14), hg. von Klaus Herbers, Tubingen 2003, S. 39-78. 9 Christoph Kuhn, Die Pilgerfahrt nach Santiago de Compostela. Geschichte, Kunst und Spiri- tualitat (Schriften zur Pilger- und Sakrallandschaft Mitteldeutschlands 1), Leipzig 2005, S. 60. 10 ANSELM VON Canterbury, Cur deus homo / Warum Gott Mensch geworden. Lateinisch und Deutsch (Bibliothek klassischer Texte), besorgt und iibersetzt von Franciscus Salesius Schmitt OSB, Darmstadt 1993. 11 Anselm von Canterbury (wie Anm. 10), Buch 1, Кар. 12, S. 40f. Zu den folgenden Text- stellen siehe Kuhn (wie Anm. 9), S. 62-64. 12 Anselm von Canterbury (wie Anm. 10), Buch 1, Кар. 19, S. 66f.
50 Robert Plotz fast unlosbaren Lage bot Anselm einen Ausweg, indem er den Grundsatz der ,,sa- tisfactio vicaria“ (stellvertretende Genugtuung) in sein erlosungstheologisches Denken aufnahm. Stellvertretend leistete Christus durch seinen Tod am Kreuz die geforderte ,,retributio“ (Zuriickerstattung) und ,,satisfactio“ (Genugtuung), die durch das Leiden Christi die ,,reconsilatio“ (Versohnung) des in Siinde gefal- lenen Menschen mit Gott wieder herstellen konnte.13 Durch die Vermittlung der Satisfactio-Lehre im Programm des Portico de la Gloria14 wurde den Pilgem iiber- zeugend gezeigt, dass sie sich am Apostelgrab der Vergebung Ihrer Siinden und der Versohnung mit Gott gewiss sein durften.15 GemaB dieses Denkansatzes der ffuhscholastischen Erlosungslehre floss die „exundantia plenitidinis“ (Uberfluss der Gnadenfulle) des nach Christi Vorbild lebenden und sterbenden Martyrers in den „thesaurus ecclesiae“ (Gnadenschatz der Kirche) ein. Daraus entwickelten sich im Lauf des 12. Jahrhunderts die Ple- narablasse und die vollige Vergebung der Siinden („remissio peccatorum“).16 Die feste Uberzeugung der besonderen Spiritualitat Santiagos und seiner Qualitat als Ort der Siindenvergebung im Heilsplan Gottes wird noch in der Zeit um 1500 durch PilgerauBerungen bestatigt. Obwohl viele Pilger vor ihrer Ankunft in San¬ tiago die angeblich auf eine karolingische Tradition zuriickgehenden Apostel- graber (mit dem Grab von Jacobus Maior) in Toulouse17 besuchten, und auch ihre Zweifel an der Authentizitat des Apostelgrabes in Compostela auBerten, geben sie als Begriindung fur ihre beschwerliche und weite Reise an: 13 Anselm von Canterbury (wie Anm. 10), Buch 2, Кар. 19, S. 150f. 14 Vgl. zum „Portico44 Manuel A. Castineiras, El Portico de la Goria (Coleccion Biblioteca Ja- cobea), Madrid 1999. 15 Vgl. Kuhn (wie Anm. 9), S. 69-76, der sich ausfiihrlich mit den erlosungstheologischen Kon- zepten der Friihscholastik am „Portico de la Gloria44 und deren Interpretation auseinandersetzt. 16 Diese Auffassung findet eine friihe Entsprechung in der Bulle „Quantum praedecessores von Papst Eugen III. zur Proklamation des Zweiten Kreuzzugs im Jahr 1145. Ihre endgtiltige Anerkennung erreichte die Kirchenschatzlehre in der Bulle „Post miserable44 von 1198, mit der zum Vierten Kreuzzug aufgerufen wurde. Vgl. Jonathan Riley-Smith, Wozu heilige Kriege? Anlasse und Motive der Kreuzziige, Berlin 2003, S. 106. 17 Zu den Vorgangen in Toulouse vgl. Andreas Meyer, Ein Apostel verlegt sein Grab, in: Francia 26/1, 1999, S. 209-238. Hinweise in den Pilgerberichten z.B. von Rieter, Ilsung, Miinzer, Arnold von Harff und Andrew Boorde, dem, um ein Beispiel anzugeben, angeblich von einem alten Doktor der Theologie mitgeteilt wurde, dass dort die Priester „die Leute tauschen, iiber sie spotten, sie verachten, [...] dass sie den Gegenstand verehren, der nicht hier ist“, um dann Toulouse als eigentliche Grablege des Apostels zu erwahnen, in: The Fyrst Boke of the Intro¬ duction of Knowledge, London 1547, hg. von Frederick James Fumivall in der Reihe Early English Text Society, Bd. 10, London 1870, Ubersetzung bei: Klaus Herbers - Robert PlOtz, Nach Santiago zogen sie. Berichte von Pilgerfahrten ans Ende der Welt, Miinchen 1996, S. 257.
Sigtium peregrinationis 51 „Romisch gnad vnd ablaB zuo verdienen“18 „There maie thou fynde full grace”19 „il perdono a chi va a Sancto Iacopo”.20 Der Pilger als Protagonist21 und seine Forderung Wann setzen sich nun die Reisenden mit einem religiosen Ziel aus der relativ ho- mogenen Masse der Leute unterwegs ab? Die Wahmehmung der Pilger als Son- dergruppe auf den Femwegen Europas fand ab der zweiten Halfte des 11. Jahr- hunderts statt. In den deutschen Sprachraum fand der ,,peregrinus“ als Pilger zwar erst Zugang, nachdem sich sein Bedeutungsinhalt in romanischen Landem auch auf den religiosen Inhalt hin festgelegt hatte, aber seit der Jahrhundertwende war die linguistisch-semantische Adaption vollzogen.22 Einen friihen Beleg fur das Pilgerkollektiv gibt der Benediktiner Orderic Vitalis (1075-nach 1143), bei dem die Entwicklung zu einer spater auch ikonographischen Festlegung der Pilger- 18 Hermann Kunig von Vach, Die walfart und strafizu scint Jacob, Hiipfuff: Straflburg 1495 (?), v. 25, in: Klaus Herbers - Robert Plotz, Die Strafl zu Sankt Jakob, S. 36 (Faksimile) und S. 37 (Ubersetzung). „romisch gnad“ ist gleichbedeutend mit Ablass. Zur Entwicklung des Ab- lasses als immer starker werdendes Motiv fur Pilgerfahrten im spaten Mittclalter vgl. Lud¬ wig Schmugge, Kollektive und individuelle Motivstrukturen im mittelalterlichen Pilgenvesen, in: Migration in der Feudalgesellschaft, hg. von Gerhard Jaritz und Albert Muller, Frankfurt a. M. 1988, S. 263-290, hier S. 270-272. Vgl. zum Ablass selbst immer noch Nikolaus Pau- LUS, Geschichte des Ablasses im Mittelalter. Vom Unsprung bis zur Mitte des 14. Jahrhun- derts, 3 Bde., 2., um eine Einleitung und eine Bibliographic erweiterie Auflage, Darmstadt 2000, mit weiterflihrender Bibliographic auf S. XL-LIX. 19 „Dort kannst du grofle Gnaden erwerben“, anonym, in: Robert Brian Tate - Thorlac Tur- ville-Petre, Two Pilgrim Itineraries of the Later Middle Ages, Pontevedra 1995, S. 38, v. 126. 20 Anonymer Pilger aus Florenz, der 1477 nach Santiago pilgerte, publiziert in: Paolo Caucci von Saucjcen, II Cammino Haliano a Santiago di Compostella e l Italia, Perugia 1984, S. 106. 21 Vgl. allgemein zum Pilger des Hochmittelalters Robert PlOtz, Peregrini - Palmieri - Romei. Untersuchungen zum Pilgerbegriff der Zeit Dantes, in: Jahrbuch fur Volkskunde NF 2, 1979, S. 103-134. 22 Eindeutig im Sinn von Pilger ist der Beleg im ffanzosischen Alexius-Lied (um 1040) zu ver- stehen: „Soz mon degret gist uns morz pelerins“, Theodor Vatke, Das Leben des hi Alexis, mit Beifiigungen des altfranzdsischen Originals, in: Archiv fur das Studium der neueren Spra- chen und Literatur, hg. von Ludwig Herrig, Jh. 39, Bd. 73 [ 1885], S. 290-324, speziell S. 309, Vers 71. Wegen seiner langjahrigen Pilgerschaft in selbst gewahlter Armut wird Alexius als Schutzpatron der Pilger verehrt, die sich „pauper et peregrinus“ - arm und fremd - auf den Weg zum Heiligen Ort machen, ja ihr ganzes Leben als Pilgerfahrt, als „peregrinatio pro Christo“ betrachten.
52 Robert Plotz ausstattung, der „indumenta peregrinorunT23, zum Ausdruck kommt. Orderic konnte sich noch an die Zeit erinnem, in der die Pilger sich von den anderen Per- sonen unterwegs nur durch ihre Barttracht unterschieden: „longasque barbas ge- stabant“.24 Man kann mit Recht vermuten, dass in der Zeit, als Orderic schrieb, das Bild des Pilgers mit Tasche, Stab und Hut durch Liturgie, geistliches Drama und Kunst bereits defmiert war und sich durchgesetzt hatte. Der motivgeschicht- liche Hintergrund setzte bei dem geistlichen Drama an, mit seiner Darstellung der Emmaus-Szene und des anschlieBenden gemeinsamen Mahls, die sich um das Pfingstgeschehen (Montag) gruppierten und um 1100 herausformten. In der Regieanweisung der ersten Peregrinus-Spiele fur den zweiten Ostertag wurde Christus folgendermaBen gekennzeichnet: „in similitudine domini, peram cum longa palma gestans, bene ad modum Peregrini paratus, pilleum in capite habens, hacla vestituset tunica, nudus pedes“ (dem Herm ahnlich, einen Ranzen und einen langen Palmzweig tragend, nach Art der Pilger wohl gekleidet, mit Hut auf dem Haupt, Mantel und Untergewand, nackte FiiBe).25 Die Pilgerkleidung wird im 12. Jahrhundert auch von Gottfried von StraBburg (t um 1215) im Tristan detailliert dargestellt, wobei dieser das Pilgerzeichen schlechthin, die Muschel, nicht uner- wahnt lieB: „und uzen an waste mermuschelen genaete“.26 In der kastilischen Li- teratur weist Juan Ruiz (12837-1350?), Arcipreste de Hita, auf den ,,romero“ mit Muscheln am Schulterumhang hin: „Е1 Viemes de indulgen^as vistio una esclavina, Grant sombrero rrentendo, mucha concha maryna Bordon lleno de ymagines, en el palma tyna.”27 23 Generell zum Themenkomplex vgl. Robert PlOtz, Indumenta peregrinorum - L equipement du pelerin, in: Les traces du pelerinage a Saint-Jacques-de-Compostelle dans la culture eu- горёеппе (Patrimoine culturel 20), Strasbourg 1992, S. 46-54; Humbert Jacomet, Le Bour¬ don, la Besaceet la Coquille, Archeologia 258 (Juin 1990), S. 42-51. 24 Zitat im Zusammenhang: „Olim Penitentes et capti ac peregrini usualiter intonsi erant, lon¬ gasque barbas gestabant‘\ Maijorie Chibnall, The Ecclesiastical History of Orderic Vitalis, Volume IV. Books VII and VIII, Oxford 1973, hier Book VIII, S.188. 25 Vgl. Karl Young, The Drama of the Medieval Church, Vol. 1, Oxford 1933, S. 451—483. In den dramaturgischen Anweisungen von Saint-Benoit-sur-Loire aus dem 13. Jh. kann man folgenden Hinweis lesen: „in similitudine domini, peram cum longa palma gestans, bene ad modum Peregrini paratus [...]“, The St. Albans Psalter (Studies of the Warburg-Institute 24), hg. von Otto Paecht, London 1960, S. 73-79, hier S. 74. Vgl. auch Leonie von Wilckens, Die Kleidung der Pilger, in: Wallfahrt kennt keine Grenzen, Themen zu einer Ausstellung des Bayerischen Nationalmuseums und des Adalbert Stifter Vereins Munchen, hg. von Lenz Kriss-Rettenbeck - Gerda Mohler, Munchen - Zurich 1984, S. 174-180. 26 Gottfried von Strassburg, Tristan und Isold, hg. von Friedrich Ranke, Berlin 1958, Vers 2629-2649, hier S. 33, Vers 2635. 27 Juan Ruiz, Arcipreste de Hita. Libro de Buen Amor, 2 Bde., Madrid 1913, hier Bd. II, S. 122, Vers 1205.
Signum peregrination is 53 Gegen Ende des Mittelalters gibt das bekannte Pilgerlied „wer das elent bawen well“ gleich eingangs Hinweise auf die Pilgerausrustung, wobei die Muschel auf dem Hinweg zum Apostelgrab naturgemaB noch nicht auftaucht: „Zwei par schuoch der darf er wol ein schiiBel bei der flaschen. Ein braiten huot den sol er han Und an mantel sol er nit gan, es schnei Oder regn oder wahe der wint, dass in die luft nicht nezet. Sack und stab ist auch darbei.4428 Im iibertragenen Sinn bezieht sich in der friihen Neuzeit der englische Seefahrer, Entdecker und Literat Sir Walter Raleigh (1554-1618) auf die „indumenta44, al- lerdings ohne die Muschel ausdrucklich zu erwahnen: „Give me my scallop shell of quiet, My staff of faith to walk upon; My script of joy, immortal diet; My bottle of salvation; My gown of glory (hope’s true gage), And then I’ll take my pilgrimage.4429 Zwischen 1100 und 1200 miissten - nach den literarischen Quellen zu schlieBen - die Pilgerzeichen entstanden sein. Denn das eigentliche Pilgerwesen, wie wir es zu sehen glauben, hat wohl erst im 12./13. Jahrhundert seine voile Auspragung als Massenphanomen des christlichen Abendlandes erfahren. Fastjedermann ging damals wenigstens einmal im Leben auf Pilgerfahrt! Und es wurden vor allem- soweit im politischen Zeit-Raum-Kontext moglich - die drei im Hochmittelalter zur Gleichberechtigung gelangten „peregrinationes maiores4430 frequentiert, an 28 29 3028 HERBERS - PlOtz (wie Anm. 17), Miinchen 1996, S. 156, Vers 5-11. Vgl. Gerhard Hard, Is leigen jiinff Berg in Welschen Landt. Eine Topographie der Pilgerwege von Deutschland nach Santiago in Spanien aus dem 15. Jahrhundert, Erdkunde 19, 1965, S. 314-325. 29 Zitiert nach Sidney Heath, Pilgrim Life in the Middle Ages, London 1911, S. 121. 30 Sebald llsung aus Augsburg bemeikt in seinem Dericht iibcr seine Pilgerreise nach Compo¬ stela (1446-1448) sogar, dass - abgesehen vom Heiligen Land - dorthin die meisten Pilger kamen: „Da ist die grest fart, die in der Kristenhaid ist, an zuo halgen grab“, Volker Hone- MANN, Sebastian llsung als Spanienreisender und Santiagopilger, in: Deutsche Jakobspilger und ihre Berichte (Jakobus-Studien 1), hg. von Klaus Herbers, Tubingen 1988, S. 90, XIV, 14f. Noch 1478 gibt Papst Sixtus IV. in einem Dekret den „peregrinationis ultramarinae, et visitationis liminum Apostolorum Petri et Pauli, in Compostela" den gleichen Rang, Corpus Iuris Canonici, Teil II, hg. von Emil Friedberg, Leipzig 1879, NeudruckGraz 1955, Extravag. Comm. Lib. V, tit. IX, cap. V, 1309. Einige Pilger, wie z.B. Ghillebert de Lannoy (1403— 1435), Peter Rieter (1428-1436), Georg von Ehingen (1454-1457), William Wey (1456-
54 Robert Plotz deren Wegen andere, bedeutende Heilsorte lagen. Ein besonders eindrucksvolles Zeugnis dieser Mentalitat einer ,Rundumversorgung’ bietet der ,,Manus“ von Ni¬ kolaus Omichsel von Passau (entstanden 1333-1340), eine Pergamentrolle mit Federzeichnungen und einem ausfuhrlichen Reliquienverzeichnis, die sich in der Bayerischen Staatsbibliothek Munchen befindet.31 Nikolaus soli am 8. Juni 1333 in Santiago de Compostela gestorben und dort ehrenvoll begraben worden sein. Zwischen dem 12. und 13. Jahrhundert bildete sich eine pilgerkonforme Struk- tur heraus32, in der alles auf den Protagonisten ausgerichtet und zugeschnitten wurde: Von der Architektur (Pilgerkirchen mit Umgangen), der Betreuung (Hos- pitalwesen und Briickenbau zum Beispiel), der Ikonographie, der Kultpropaganda (Mirakelbiicher und ,building-boards’33) bis hin zu einem supranationalen Recht, Pilgerritualen in Liturgie und Brauchtum und den Pilgerzeichen.34 Pilgerzeichen Es ist wohl kein Zufall, dass die fur das mittelalterliche Pilgerwesen so charak- teristischen Pilgerzeichen erst mit der Blutezeit der Pilgerbewegung im 12. Jahr¬ hundert in Erscheinung traten. Der Jerusalempilger brachte aufler Reliquien und Eulogien noch Palmzweige aus dem Heiligen Land mit, was ihm die Bezeichnung ,,palmierus“ eintrug. Es 1462), Ludwig von Eyb junior (1476—?) und Jehan de Touney (1487), haben die Triade der groBen Pilgerziele (Jerusalem, Rom und Santiago de Compostela) untemommen. 31 Clm 300 35. Vgl. Elisabeth Klemm, Ein illustriertes Reliquienverzeichnis in der Bayerischen Staatsbibliothek. Beitrag zur Passauer Buchmalerei des 14. Jahrhunderts, in: Diversarum Artium Studia. Festschrift Heinz Roosen-Runge zum 70. Geburtstag, Wiesbaden 1982, S. 75-104, mit Abb. auf S. 324-328; Sigrid Canz, Reliquienverzeichnis des Nikolaus Omichsel, in: Wallfahrt kennt keine Grenzen (wie Anm. 25), Nr. 86, S. 73f. 32 Vgl. speziell zu den Kultverbindungen zwischen Spanien und dem „Sacro Imperio“: Robert Plotz, Sanctus et Peregrinus - Peregrinus et Sanctus. Peregrinatio ad Sanctum Jacobum usque ad annum 1140, in: El Papado, la Iglesia Leonesa у la Basilica de Santiago a finales del siglo XI. El traslado de la Sede Episcopal de Iria a Compostela en 1095, hg. von Fernando Lopez Alsina. Santiago de Compostela 1999, S. 89-105; Ders., Spanien und das Sacro 1m- perio. Die Pilgerfahrten nach Santiago de Compostela zur Zeit der Europaisierung (11 -13. Jahrhundert), in: Espana у el „Sacro Imperio”. Procesos de Cambios, Influencias у Acciones reciprocas en la Epoca de la „Europeizacion” (siglos XI-XIII) (Historia у Sociedad 97), ko- ordiniert von Julio Valdeon - Klaus Herbers - Karl Rudolf, Valladolid u.a. 2002, S. 329-370. 33 Vgl. u.a. Thomas Igor C. Becker, building Boards": Bemerkungen zur Bildprogrammatik einiger romanischer Portale und PortaIfassaden in Navarra, in: Der Jakobuskult in „Kunst und ,,Literatur“ (Jakobus-Studien 9), hg. von Klaus Herbers - Robert Plotz, Tubingen 1998, S. 3-13. 34 Vgl. die Zusammenfassungen bei Ursula Ganz-BlAttler, Andacht undAbenteuer. Berichte europaischer Jerusalem- und Santiago-Pilger (1320-1520) (Jakobus-Studien 4), Tubingen
Signum peregrinationis 55 war wahrscheinlich Petrus Damiani (f 1072), der als erster den Palmwedel mit der Jerusalemfahrt in Verbindung brachte: „quasi ex Hierosolymitana peregrinatione deveniens, palmam ferebat in manu“35 Es fallt auf, dass aus Jerusalem keine metallenen Zeichen vor dem 15. Jahr- hundert erhalten sind, wie sie andere Pilgerorte wie St. Gilles-du-Gard, Notre- Dame-de-Rocamadour oder Koln und Aachen hervorbrachten.36 Fur Compostela gibt es aber einen friihen literarischen Beleg in einer Vita des hi. Thomas Becket (1118-1170) aus dem 12. Jahrhundert: „de Saint Jame l'ecale qui en plum est muee“.37 Femer weist ein erzbischofliches Dekret aus dem Jahr 1200 auf den Ver- kauf von Blei- und Zinnmuscheln hin.38 Wie bedeutend das Gewerbe der Pilger- zeichenhersteller war, zeigt die Darstellung eines Devotionalienhandlers hinter seinem Stand, die sich im Gewolbezwickel des Chorumgangs der St. Martins- kirche im heute belgischen Hal befindet.39 1990, passim; Robert Plotz, Auf dem Weg und am Heiligen Ort - Pilgerbrduche, in: Pilger- ziele der Christenheit, Jerusalem - Rom - Santiago de Compostela, hg. von Paolo Caucci von Saucken, Stuttgart 1999, S. 75-102; femer: Ders., Memoria des Pilgerns: Jerusalem, Rom und Santiago de Compostela, Abschnitt “Pilgerzeichen ”, in: KongreBakten der Universitat Bamberg im Kloster Banz, Banz 2003. 35 Belli sacri historia 11, c. 17: PL 201, Sp. 831. 36 Vgl. dazu die ausgezeichnete und gmndlegende Studie von Kurt Koster, Pilgerzeichen und Pilgermuscheln von mittelalterlichen Santiagostrafien. Saint-Leonard, Rocamadour, Saint- Gilles, Santiago de Compostela. Schlesw iger Funde und Gesamtuberlieferung (Ausgrabun- gen in Schleswig 2), Neumiinster 1983. 37 Ein fruher Beleg fur Pilgerzeichen findet sich in der friihen gereimten Vita des hi. Thomas Becket, die 1172/74 mehrmals offentlich von dem franzosischen Kleriker Guemes (Gamier) de Pont-Saint-Maxence vorgetragen wurde: „Е ampolles reportent en signe de veagne. / Mais de Jerusalem est la emit apotortee, / E de Rochemadur Marie en plum getee“, La vie de saint Thomas. Роете historiquedu 12csiecle, 1172-1174, (Skrifter utgivna av Kungl. Humanistika vetenskapssamfundet i Lund V), hg. von Emanuel Walberg, Lund 1922, S. 199, Vers 5895— 97. Zu dem Komplex ,,Pilgermuscheln“ vgl. KOster (wie Anm. 36); Robert PlOtz, Jacobus Maior, Geistige Grundlagen und materielle Zeugnisse eines Kultes, in: Der Jakobuskult in Siiddeutschland. Kultgeschichte in regionaler und europaischer Perspektive (Jakobus-Stu- dien 7), hg. von Klaus Herbers - Dieter R. Bauer, Tubingen 1995, S. 171-232, hier S. 204f. Zu Pilgerzeichen vgl. neuerdings Andreas Haasis-Berner, Pilgerzeichen des Hochmittelal- ters (Veroffentlichungen zur Volkskunde und Kulturgeschichte 94), Wurzburg 2003. 38 Hintergrund dieser MaBnahme war die schnelle Zunahme von ambulanten Handlem, die die enorme Nachfrage von Seiten der Pilger befriedigten. Es war Erzbischof Suarez de Deza, der im Jahr 1200 eine Verordnung proklamierte, die die Verkaufsrechte regelte. Text der Verord- nung bei: Antonio L6pez Ferreiro, Historia de la Santa Apostolica Metropolitana Iglesia de Santiago de Compostela, 11 Bde., Santiago de Compostela 1898-1909, Bd. V, S. 38f., Apendice V, S. 15-17 und Ders., Fueros municipal es de Santiagoу de su tierra, 2 Bde., San¬ tiago de Compostela 1895, Bd. 1, S. 108f. [Neudruck Madrid 1975 in einem Band]. Bereits im 13. Jh. gab es 100 lizenzierte Verkaufsstande. 39 Abb. bei Kurt KOster, Zentralc Pilgerzeichenkartei im Deutschen Glockenarchiv im Ger- manischen Nationalmuseum Nurnberg, auch in: Ders., Mittelaltcrliche Pilgerzeichen, in:
56 Robert Plotz Von den drei groflen, friihen Pilgerzielen besassen Rom und Santiago de Com¬ postela bereits an der Wende vom 12. zum 13. Jahrhundert den anderen Pilger- orten vergleichbare Pilgerzeichen. Es waren kleine rechteckige Plaketten mit den Btisten der Apostel Petrus und Paulus, von denen heute ein Dutzend Varianten aus Funden in ganz Europa bekannt ist.* 40 Die zumeist gekreuzten zwei Peter- schliissel mit oder ohne bekronende papstliche Tiara stellten ebenfalls das ganze Mittelalter hindurch beliebte Mitbringsel der Rompilger dar.41 Sie hatten ihren Ursprung in der alten romischen Tradition der Schliissel zur ,,confessio‘\ die schon Gregor von Tours (538/539-594) erwahnt.42 Die Peterschliissel wurden auch von Papsten als Ehrengaben versandt. Seitdem im ersten romischen Heiligen Jahr (1300) erstmals das SchweiBtuch der hi. Veronika im Petersdom offentlich ausgestellt worden war, verdrangten rasch Darstellungen der das SchweiBtuch haltenden Heiligen oder des „Heiligen Antlitzes" Christi („vera icon44) die anderen romischen Pilgerzeichen.43 Der neue Massenartikel konnte nicht nur in Form metallener Zeichen erworben werden, Wallfahrt kennt keine Grenzen (wie Anm. 25), S. 203-223, hier S. 203, Abb. 88; neuerdings auch in Jos Koldeweu, Geloof & Geluk. Sierraad en Devotie in middeleeuws Vlaanderen [Ausstellungskatalog Bruggemuseum - Gruuthuse], Arnhem 2006, S. 12, Abb. 09. Die hen- negauische Kleinstadt Hal ist seit dem 13. Jh. ein bedeutender marianischer Kultort, deren wundertatige Statue 1267 von Mathilde von Brabant gestiftet worden ist. Vgl. die Gesamt- darstellung von Remy Janssens, Zeven eeuwen Madonnaverering in te Halle, Verhandelin- gen Kon. Geschieden Oudheidkundig Kring 7, 1967, S. 9-27. 40 Zu Rom vgl. u.a.: Hendrik Jan Engelbert van Beuningen - Adrianus Maria Koldeweu - Dory Kicken, Heilig en profaan 2, 1200 laatmiddeleeuwse insignes uit open bare en parti- culiere collecties (Rotterdam Papers 12), Cothen 2001, S. 282f. und die Inventaraufzahlung mit verschiedenen Varianten bei Haasis-Berner (wie Anm. 37), S. 138-141. 41 Vgl. die Abb. bei Robert PlOtz, Auf dem Weg, wie Anm. 34, S. 65-102, hier S. 87; Robert Maarten van Heeringen - Adrianus Maria Koldeweu - Antonia Anna Geertruida Gaal- man, Heiligen uit de modder. In Zeeland gevonden pelgrimstekens (Clavis kunsthistorische monografieen 4), Utrecht - Zutphen 1987; van Beuningen - Koldeweu - Kicken (wie Anm. 40), S. 282f. 42 Vgl. KOster (wie Anm. 39), S. 210. 43 GemaB Roger de Argenteuil (gegen 1300) fand die Zurschaustellung des SchweiBtuches auf dem Weg Christi nach Golgotha statt, darum stellt es auch die sechste Station dar. Nach dem Ps.-Pilatus brachte Veronika selbst das SchweiBtuch nach Rom, um den Imperator zu heilen. Im Ps.-Evangelium des Nikodemus: Edgar hennecke - Wilhelm Schneemelcher, Neute- stamentlicheApobyphen in deutscher Ubersetzung, Bd. 1,4. Auflage Tubingenl959, S. 358. Vgl. allgemein: Adolf Katzenellenbogen, Antlitz, heiliges, in: Reallexikon der Deutschen Kunstgeschichte, hg. von Otto Schmitt, Bd. I, Stuttgart 1937, Sp. 732-742, hier Sp. 735; Franz Xaver Kraus - Joseph Sauer, Geschichte der christlichen Kunst, Bd. L, Freiburg 1896/97, S. 178f.; Johannes H. Emminghaus, Veronika, in: Lexikon der christlichen Ikono- graphie, hg. von Engelbert Kirschbaum, Bd. 8, Rom - Freiburg - Basel - Wien 1976, Sp. 543, der darauf verweist, dass schon der Benediktiner Jean Mabillon (1632-1707) den Ausdruck „Veronica44 kannte.
Signum peregrination is 57 verbreiteter und wohl auch beliebter waren die auf Seide, Pergament oder Papier gemalten „Froniken". Wie sehr das Antlitz Christi auch auBerhalb Roms verehrt wurde, belegt ein Fund im Kloster Wienhausen bei Celle, wo ein Pergamentbo- gen mit einer Serie von acht Pilgerzeichen aus der Zeit um 1500 entdeckt wurde, der in Zusammenhang mit der klostereigenen Heiligblut-Reliquie entstand.44 Neben Stab und Pilgertasche war es besonders das Attribut der Muschel, das als kennzeichnendes „signum peregrinationis44 rasch intemationalen Charakter annahm, nicht ausschlieBlich, aber vor allem den Jacobus-Pilger auszeichnete. Die Naturmu- schel45 war das eigentliche und pragende Pilgerzeichen. Aus Gagat geschnitzte Jaco- bus-Darstellungen („azabaches44), kleine beineme Nachbildungen von Pilgerstaben („bordoncillos44)46 47 und auch des „botafiimeiro4447 kamen erst im Spatmittelalter hinzu. 44 Vgl. Horst Appuhn, Der Fund vom Nonnenchor (Kloster Wienhausen 4), Hamburg 1973, S. 18-20 und S. 42. 45 Ursprunglich pecten maximus. Auf die theologisch-spirituelle Deutung in der Predigt „Vene- randa dies“ des Codex Calixtinus wird weiter unten eingegangen, Liber Sancti Jacobi Codex Calixtinus (wie Anm. 1), S. 9If.; erwahnenswert in diesem Zusammenhang istdie interessante und seriose Publikation der ,Shell’ Transport and Trading Company The Sallop. Studies of a shell and its influences on human kind by eight authors, hg. von Ian Cox, London 1957. Chris¬ topher Hohler (1917-1997) vom Cortauld Institute of Art in London schreibt auf S. 49-70 iiber The badge of St James und der Hon. Sir Georg Bellew behandelt standesgemaB die Es¬ callops in Armary (S. 89-104), ein Thema, das aufgrund seiner Komplexheit und Stoflfnenge eine eigene Abhandlung erfordert. 46 Welchen Umfang das Gewerbe der bordoneros hatte, verrat ein Blick in einen Geschaftsver- trag aus dem Jahr 1553, in dem ein Hersteller aus Santiago sich zu einer Liefemng von 15.000 bordones verpflichtete, das Tausend fur vicr reales. Ein anderer Liefervertrag von 1603 geht iiber „siete millares de bordones de osa para sombreros de romeros”. Vgl. Guillermo Joa¬ quin de Osma Y Scull, Catalogo de azabaches compostelanos, precidido de apuntes sobre los amuletos contra el aojo, las imagenes del apostol romeroy la cofradia de los Azabache- ros de Santiago, Madrid 1916, S. 102-104. 47 Der ,,botafiimeiro“ ist ein groBes Weihrauchfass, das fur besondere liturgische Akte und vor allem zum Abschluss der Pilgermesse im Querschiff spektakuliir zum Einsatz kommt. Vgl. Robert PlOtz, Santiago de Compostela en la literatura odepdrica, in: Santiago de Compos¬ tela. Ciudad у Peregrino (Actas del V Congreso Intemacional de Estudios Jacobeos), Koor- dination Robert Plotz, Santiago de Compostela 2000, S. 33-99, S. 75f. Zu den Gagat- und Beinarbeiten vgl. die Beschreibung der Ausstattung des Niimberger Patriziers Stephan III Praun (Nr. 177 a-f), einiger Reisedokumente (Nr. 180 a-h) und der Abbildung im Stamm- und Wappenbuch der Familie von Praun (Nr. 179) im Katalogband der Ausstellung Wallfahrt kennt keine Grenzen, hg. von Bayerisches Nationalmuseum und Adalbert Stifter Verein, Miin- chen 1984, S. 127-131. Bemerkenswert ist vor allem die im Germanischen Nationalmuseum Niimberg ausgestellte Pilgertracht des Niimbergers, der sich 1572 in Compostela aufgehal- ten hat. Weitere Dokumentation in: Robert Plotz, Peregrinos alemanes ,,ad Sanctum Jaco- bum “por Portugal, in: Actas de las Jomadas sobre О Caminho de Santiago „Portugal na me- moria dos peregrinos44,29./30. Marz 2001 Universitat Porto, koord. Humberto Baquero, San¬ tiago de Compostela 2002, S. 153-243, hier S. 229f.; Vgl. auch: Helen Lubin, The Worcester Pilgrim (Worcester Cathedral Publications I), Worcester 1990, der die Pilgerausrustung anhand
58 Robert Plotz Die Muschel: intersignum peregrinationis Am Anfang steht also das Pilgerzeichen ,per se\ die Jacobus-Muschel. Schon in vorgeschichtlicher Zeit, in Antike und im friihen Mittelalter, finden sich Muscheln - auch mit Durchbohrungen - als ,Schmuck* und als Grabbeigaben, das heiBt mit Amulettcharakter und ohne Zusammenhang mit dem Pilgerwesen. In der Antike galten Muscheln als Liebessymbol, und ganz allgemein schrieb man ihnen apo- tropaische Wirkungen zu und trug sie gegen Verhexen, Verschreien und den bosen Blick, uberhaupt gegen Zauberei und allerlei Krankheiten. Muscheln sind auch an altchristlichen Sarkophagen und in friihen koptischen Kirchen haufig dargestellt, doch fmden sie Eingang in die christliche Ikonographie eigentlich erst mit der Jacobus-Verehrung.48 Warum gerade die Muschel zum Attribut des Pilgerapostels und zum Symbol der christlichen ,,peregrinatio“ wurde, ist erklarungsbediirftig. Eine haufig tradierte Mirakelgeschichte aus der ehemaligen Zisterzienserabtei Alcobaga, auf die an anderer Stelle eingegangen wird, versucht das und stellt re- gionale Beziige in Zusammenhang mit der ,,translatio“ her. Man kann sich na- turlich auch der landlaufigen Meinung anschlieften und die natiirlichen Vorkom- men der Muscheln des Typus pecten maximus an der Atlantikkuste als befriedi- gende Losung betrachten, so wie es noch der Dominikanermonch Felix Fabri 1480 berichtet hat: „[in der Nahe von Santiago] da(u) ist ain Insel Sant michels [...]. Die Insel besu(o)chen die bilgrin vil tag [...] vnd funden da(u) vff dem land des mo(e)rs vil seltzner muschlen gro(u)os vnd clain die niement si an ir huet vnd mentel Als Iacobs bilgrin tu(o)nd.“49 Man konnte in diesen Fallen durchaus auf eine vorchristliche naturmagisch- religiose Bedeutung der Muschel schlieften. Am Anfang stand die Muschel nicht ausschliefllich fur Pilger, sie war mehr ein Zeichen, dass man die „confines*1 der Welt, die Ufer des „mare Britanicum“ erreicht habe, wo sich der altesten Uber- eines Grabfundes rekonstruiert. Vgl. Denis Bruna, Les ensignes de pelerinage et les co- quilles Saint-Jdeques dans les sepultures du Moyen Age en Europe occidentale, Bulletin de la Societe Nationales des Antiquaires de France, 1991, S. 178-180 und neuerdings mit der speziellen Aufgabenstellung “via tolosana” Ders., Enseignes de pelerinage de la Via Tolo- sana Provence et Languedoc. Nouvelles decouvertes et etat de la question, in: Saint Jacques et la France, sous la direction d’Adeline Rucquoi, Actes du Colloque des 18 et 19 janvier 2001 a la Fondation Singer-Polignac, Paris 2003, S. 65-82. 4K Zu dem Themenkomplex ,,Muschel“ vor allem in semantisch-philologischer Hinsicht vgl. die umfangreiche Zusammenfassung von K. Schafer, Sprachliche Analyse zu ,,Muschel“, 2001 (Ms., PC-Ausdruck mit 29 Seiten). 49 „[...] in der Nahe [von Santiago] gibt es eine Insel mit Namen Sant michels [...]. Die Insel besuchen die Pilger oft [...] und fmden auf der Insel viele seltsame Muscheln, grofl und klein, die sie an ihre Hiite und Mantel heften, wie es Jakobspilger tun“, zitiert nach Felix Fabri, Die Sionspilger (Texte des spaten Mittelalters und der fhihen Neuzeit 39), hg. von Wieland Carls, Berlin 1999, S. 365 f.
Signum peregrinationis 59 lieferung nach das Apostelgrab befmdet. Als Zeichen einer weiten Reise („in sig¬ num tanti itineris ad propria deferunt cum magna exultacione*4) erkennt auch der Verfasser der Predigt „Veneranda dies4450 die Muschel an, um sie spater zum Sym¬ bol der „caritas44 zu machen und ihre Rippen mit den Fingem einer Hand zu ver- gleichen.51 Allerdings wurden bei Ausgrabungen der galaico-romischen Nekropole Noalla (3. bis 5. Jahrhundert n. Chr.) in La Lanzada (Provinz Pontevedra) in der Nahe von Santiago de Compostela Muscheln in Fundkontext mit Glasgefaflen und Am- phoren als Grabbeilagen gefunden.52 Wie alt sind nun Atlantikmuscheln in ihrem Gebrauch als Pilgermuscheln? Wahrscheinlich sind die altesten Pilgennuscheln diejenigen, die bei Ausgrabun¬ gen in Grabem unter dem Hauptschiff der Kathedrale von Santiago gefunden worden sind.53 Auch der weiter unten erwahnt Chamer Muschelfund am Galgen- berg in Cham kann kaum alter sein.54 Santiago steht in der Tradition der Muschel als Pilgerzeichen nicht als einzi- ger Kultort, auch der Mont Saint-Michel55 vor der Kiiste der Normandie bediente 50 51 52 53 54 5550 Liber Sancti Jacobi (wie Anm. 1), S. 92. 51 Vgl. Serafin Moralejo Alvarez, Concha de peregrine, in: Santiago, Camino de Europa. Culto у cultura en la peregrinacion a Compostela [Ausstellungskatalog], Santiago de Com¬ postela 1993, Nr. 75, S. 357. 52 Zu den Ausgrabungen in Noalla vgl. Antonio Blanco Freijero - Miguel Fuste Ara - Al¬ fredo GARCfA Alen, La necropolisgalaico-romana de La Lanzada (Noalla, Pontevedra), in: Cuademos de Estudios Gallegos XVI, 1961, Fasc. 49, S. 141-158. Nach 1949 leitete Jose Fil- gueira Valverde kurze Arbeitskampagnen im Bereich „Campo de Lanzada“, einer vorgela- gerten Anhebung, auf der die Einsiedelei von „Nosa Senora“ lag (ebd. S. 142). Der bekannte Anthropologe weist auch an anderer Stelle auf dies Funde hin: Jose Filgueira Valverde, La Venera [Katalog der 18. Exposition im Instituto Padre Sarmiento de Estudios Gallegos], San¬ tiago de Compostela 1965, cap. La venera en la peregrinacion, S. 6. 53 Vgl. Jose Guerra Campos, Exploraciones arqueologicas en torno al sepulcro del Apostol Santiago, Santiago de Compostela 1982. Der verstorbene Bischof von Cuenca und grofie Ja- cobus-KennerMrsg. Guerra Campos erwahnt mehrinals Pilgermuscheln und Vieiras (S. 385, 421, 454), wobei zwei Erwahnungen einem Grab zugeordnet werden konnen (S. 385 und 454). Er datiert die Grabstatte von ihrem stratigraphischen [Context her auf das 9./10. Jh. Da- gegen argumentiert Serafin Moralejo Alvarez, dass bislang keine Pilgermuschel vor dem 11. Jh. bekannt sei, Moralejo Alvarez (wie Anm. 51), Nr. 75, S. 356f., der Kostf.r (wie Anm. 36), S. 124f., zitiert. 54 Thomas Raff, Pilgermuschel, in: Wallfahrt kennt keine Grenzen [Ausstellungskatalog], hg. von Bayerisches Nationalmuseum und Adalbert Stifter Verein, Miinchen 1984, Nr. 203, S. 142. 55 Zur Geschichte der OSB-Abtei ,,Le Mont Saint-Michel“ vgl. Veronique Gazeau, Mont Saint- Michel, Lr, in: Lexikon des Mittelalters V, 1992, Sp. 819f.; zur Geschichte der Pilgerfahrt vgl. die Jubilaumsschrift Millenaire monastique du Mont Saint-Michel, Bd. 3: Culte de Saint Michel et pelerinages au Mont, hg. von Marcel Baudot, Paris 1971 und speziell Edmond- Ren6 Labande, Les pelerinages au Mont Saint-Michel pendant le moyen age, in: ebd., Bd. 3, S. 237-250.
60 Robert Plotz sich derpecten maximus als Pilgerzeichen. Die Benediktinerabtei, die um 550/575 auf einem schroffen Granitfelsen im Wattenmeer gegeniiber der Bischofsstadt Avranches errichtet worden war, wurde seit dem 10. Jahrhundert zu einem der groBen europaischen Pilgerorte. Reliquien aus dem Michaelsheiligtum Monte Gargano (niedergelegt 709) und eine Erscheinung des Erzengels Michael fuhrten in Verbund mit einer intensiven Forderung und reichen Schenkungen vor allem durch Herzog Richard II. (966-1027) schon im Jahr 1023 zu einem groBem Auf- schwung der Verehrung des hi. Michael.56 Zahlreich sind die Heiligtumer, die ihm geweiht worden sind. Als Geleiter der Seelen der Verstorbenen ist er auch Patron der Friedhofskapellen. Sein Festtag am 29. September wurde schon ffiihzeitig zum Termin-, Los- und Wettertag. An ihn knupften sich Abgaben, Gesindewech- sel, Jahrmarkte und Emtebrauche. Neben dem Martinsgrab in Tours ist der Mont Saint-Michel das meistbesuchte Heiligtum Frankreichs. Als Pilgerzeichen sind seit dem 13. Jahrhundert Flach- und Gittergiisse mit Michaelsdarstellungen als ortliche Pilgerzeichen bezeugt.57 58 Erst kiirzlich wurde dort eine groBe und gut aus- gestattete Werkstatt mit Modeln und Zubehor fur die Herstellung von Pilgerzei¬ chen ausgegraben, die Denis Bruna auf der Berliner Tagung 2006 vorstellte. 56 Wie bekannt der Mont Saint-Michel in Europa war, belegt der in der Tradition der „Kinder- kreuzziige“ stehende Marsch von vielen hundert Kindem aus der Schweiz, Mittel- und West- deutschland in den Jahren 1456-1459 nach dem Mont Saint-Michel. Vgl. Ulrich Gabler, Die Kinderwallfahrten aus Deutschland und der Schweiz zum Mont-Saint-Michel, 1456-1459, Zeitschrift fur schweizerische Kirchengeschichte 63, 1969, S. 221-331, hier S. 242 ff. 57 Colette Lamy-Lassalle, Les enseignes de pelerinage du Mont-Saint-Michel, in: Millenaire monastique du Mont-Saint-Michel, Bd. 3: Culte du St. Michel et pelerinages au mont, Paris 1971, S. 271-286. Man fugte Muschelsymbol und Michaelfigur dergestalt zusammen, dass man metallene Nachbildungen kleiner Muscheln mit dem Bild des Erzengels oder mit fran- zosischen Lilien im GieBverfahren verband. Zur Frage des Muscheltypes vgl. KOster (wie Anm. 36), S. 144; Abb. bei Hendrik Jan Engelbert van Beuningen - Adrianus Maria Kol- deweij, Heilig en profaan. 1000 laatmiddeleeuwse insignes uit de collectie H.J.E. van Beu¬ ningen (Rotterdam Papers 8), Cothen 1993, S. 181. Der „Ordre Sainz-Michel“, der 1469 als erster franzosischer Ritterorden von Ludwig XI. gegriindet worden war, hatte ein Ordens- kollier, das Pilgermuscheln als Bindeglieder aufwies. Vgl. die Abb. bei Sir George Bellew (wie Anm. 45), S. 102 (Kollier von einem Portrait des ffanzosischen Konigs Ludwig XII., um 1500). Unter den 28 uberlebensgroBen Bronzefiguren in der Hofkirche in Innsbruck, die zur Grabanlage gehorten, die der Habsburger Kaiser Maximilian I. (1459-1519) fur sich errich- ten lieB, befindet sich auch eine Figur, die das Muschelkollier des St. Michael-Ordens tragt. Mehr im Zusammenhang mit Saint-Michel als mit Compostela diirfte auch ein Muschelgurt stehen, der 1352 in London fur einen Strumpfwarenhandler erwahnt wird: Michael Mitchi- ner, Medieval Pilgrim & Secular Badges, London 1986, S. 41 u. S. 135. 58 Bericht von Denis Bruna, nicht in vorliegendem Band, vgl. das Vorwort der Herausgeber. Zum Fund vgl. auch Vivre au Moyen Age. Archeologie du quotidien en Normandie, XIHe - XVe siecles [Ausstellungskatalog Caen - Toulouse - Evreux 2002/2003], hg. von Monique Rey-Delque, Mailand 2002.
Signum peregrinationis 61 Bemerkenswert ist, dass von anderen, dem hi. Michael geweihte Kultzentren, wie zum Beispiel Gargano, sich keine Pilgerzeichen erhalten haben, die irgendeinen - wie die Muschel bei Jacobus - universellen Charakter hatten.59 In Compostela selbst wurde die Pilgermuschel gemaB dem Codex Calixtinus aus dem 12. Jahrhundert in der Nahe des Jacobus-Brunnens vor der Puerta fran- cigena der Kathedrale verkauft60, sie war zweifelsohne schon vor der Darstellung des Jacobus als Pilger in der Ikonographie vorhanden und geht eindeutig auf die tibermachtige „peregrinatio ad Sanctum Jacobum44 zuriick und ist ein Zeichen des Pilgerweges. Auch der armenische Bischof Martiros von Arzendjan (1489-1491) geht auf die Verkaufsstande ein: „Wenn man die Kirche durch das Portico verlasst, stoBt man auf ein groBes Brunnenbecken. Daneben sind zwei weiBe Zelte aufge- schlagen, wo man alles kaufen kann, was das Pilgerherz begehrt: Medaillen, Ro- senkranze44. Die ganze Sichtweise des Bischofs ist in seiner Beschreibung der Kathedrale um 180 Grad gedreht angelegt und deshalb mit Vorsicht zu interpre- tieren.61 Der rheinische Adelige Arnold von Harff (1471-1505) erwahnt 1496/98 den Verkauf von Muscheln: „Vor der Kirche werden unzahlig viel groBere und klei- nere Muscheln feilgeboten. Du kannst sie kaufen und eine am Mantel befestigen und sagen, du seiest dort gewesen44.62 Der Servitenmonch Hermann Kunig aus Vacha an der Werra erwahnt 1495 bei seiner Beschreibung Leons das „Thonges spital“ und sagt eher beilaufig: „Auch kann man dort Jakobus-Zeichen kaufen44.63 59 Zu Monte Gargano und seiner Grotte vgl. Ortrud Schubart-Stumpfe, Der Kampf mit dem Drachen, Stuttgart 1999. Laut Auskunft von Paolo Caucci von Saucken, einem ausgewiese- nen Kenner der Pilgerbrauche von Monte Gargano, heften sich die Pilger auf ihrer Riickkehr vom Michaelsheiligtum Hiihnerfedem an, ebenso wie es zum Teil die Pilger zum Grab des hi. Dominikus de la Calzada am „Camino frances44 taten, die von den Hiihnem stammten, die in der Kathedrale und Grablege des Heiligen als „Zeugnis der stummen Kreatur“ fur das dort angesiedelte „Galgen- und Hiihnermirakels“, das schon der „Codex Calixtinus44 erwahnt, in einem Huhnerkafig untergebracht sind. Zu Mirakel und dessen Tradition vgl. Robert PlOtz, Res est nova et adhuc inaudita. Indice de motivosy evolucion literario-oral del relato del pe- regrino que fue rescatado de la horca, in: Atti del Convegno Intemazionale di Studi San¬ tiago e l’ltalia, Perugia 23-26 Mai 2002, hg. von Paolo Caucci von Saucken, Perugia 2005, S. 531-573. 60 „Post fontem habetur paradisus... in quo crusille piscium id est intersigna beati Jacobi ven- duntur peregrinis44, Liber Sancti Jacobi Codex Calixtinus (wie Anm. 1), S. 252. 61 HeRBERS-PlOTZ (wie Anm. 17), S. 129-134, hierS. 132. Zur fraglichen Zeit stand Armenien unter osmanischer Herrschaft. Das Originalmanuskript, das sich heute in der Bibliotheque Na¬ tional Paris befindet, ist in Vulgararmenisch abgefasst und von M. J. Saint-Martin ins Fran- zosische ubertragen worden. 62 HERBERS-PLOTZ (wie Anm. 17), S. 132. 63 Hermann Kunig von Vach (wie Anm. 18), S. 86f., Vers 467. Auf das Thema des vorgezo- genen Muschelkaufs geht Norman Foster, Die Pilger. Reiselust in Gottes Namen, 2. Auflage Frankfurt/Main 1982, S. 251-253, hier 252, ein: „Dabei spielte es keine Rolle, ob die Ja-
62 Robert Plotz Der Verkauf von Pilgerzeichen nicht lokaler Heiligtiimer war nicht iiblich und im Prinzip auf den Zielort beschrankt, dtirfite aber zur Zeit, als Ktinig unterwegs war, mit der Konkurrenz zwischen den Heiligen Orten Santiago und San Salvador (Oviedo) zu tun haben. In der Neuzeit war es hingegen nicht unublich, sich das Pilgerzeichen Muschel schon bei Beginn der Reise anzuhefiten, sei es, urn sich Vorteile zu verschaffen, sei es aus Griinden des personlichen Schutzes.64 Viele graphische Belege (vor allem Stahlstiche) von Rompilgem aus der Zeit der ersten Halfte des 19. Jahrhunderts weisen darauf hin. In einem Kirchenfenster des Freiburger Munster von 1524, auf dem der kai- serliche Schatzmeister Jakob Villinger und seine Frau Ursula von Jacobus ge- kront werden65, kann man beim Nordportal („puerta ffancigena“) im Hintergrund Pilger erkennen, die sich an mehreren Verkaufsstatten drangen, an denen Mu- scheln und Devotionalien angeboten werden. Christus selbst tragt die Muschel auf seiner Pilgertasche in der Emmaus-Szene in den Kreuzgangen von Santo Domingo de Silos (um 1130)66, Christus selbst ist kobsmuschel direkt vom Kloster oder von einem lizenzierten Handler erworben wurde. Diese Muscheln waren damals wie heute sehr beliebt. Die Pilger benutzten sie als Loffel oderTrink- gefafi, die groBeren gaben gute Teller ab“. Ob die Pilger die Muschel zum Essen und Trin- ken benutzten, sei hier dahingestellt. Ich kann mir allerdings schwer vorstellen, dass die Pil¬ ger die an sich unhandliche Muschel bei der taglichen Versorgung von ihren Platz an Man¬ tel, Hut oder Tasche abtrennten und danach wieder anbrachten. 64 Ganz Europa wollte den Ansichten von Norman Foster gemaB die Muschel besitzen. Bald, so Foster, habe sich in Frankreich eine florierende Falschungsindustrie entwickelt, die erst durch die papstliche Androhung der Exkommunikation zum Erliegen kam. Foster (wie Anm. 63), S. 252, Anm. 243. Foster bezieht sich in seinen Aussagen auf Heath (wie Anm. 29), S. 114 (S. 129 der erweiterten Ausgabe In the Steps of the Pilgrims, New York 1951). Ich zitiere aus der alteren Edition: „Free trade in pilgrims’ tokens and badges was not regarded favourable by the papal authorities, and a bull threatened to excommunicate the unauthorized vendors who ventured to offer the pilgrim scallop-shells elsewhere than in Santiago of Com- postella“. Heath spricht auch von zahlreichen Falschungen: „the market is full of forgeries , wobei er sich auch auf die Themsefiinde von 1836 und 1837 bezieht (ebd.). 65 Zum Komplex „Coronatio peregrinorum” vgl. zuletzt Robert PlOtz, Volviendo al tema: La Coronatio, in: Padron, Iria у las tradiciones jacobeas (Colecion cientifica), coord. Vicente Almazan, Santa Comba 2004, S. 101-122. Abb. des Villinger-Fensters auf S. 117. 66 Diese Darstellung aus dem Leben Jesu geht auf spanische Elfenbeintafelchen zuriick, die durch das Medium der Reliefskulptur monumentalisiert wurden. Zur Emmaus-Szene allge- mein vgl. Klaus Herbers - Robert PlOtz, Einfuhrung: Spiritualitdt des Pilgerns im christ- lichen Westen, in: Spiritualitat des Pilgems (Jakobus-Studien 5), hg. von Klaus Herbers - Robert Plotz, Tubingen 1993, S. 13, Anm. 22. Zu Santo Domingo de Silos vgl. speziell Se- rafin Moralejo, El claustro de Silos у el arte de los Caminos de Peregrination, in: El Ro- manico en Silos. IX Centenario de la consagracion de la iglesia у claustro. 1088-1988, Silos 1990, S. 203-223. Die ikonographischen Darstellungen von Christus als Pilger in der Em¬ maus-Szene stellen keine Seltenheit dar. Vgl. Wolfgang Stechow, Emmaus, in: Reallexikon der deutschen Kunstgeschichte, hg. von Otto Schmitt, Bd. V, Stuttgart 1967, Sp. 228-242.
Signum peregrinationis 63 Pilger und Fremdling auf dieser Welt und reprasentiert damit in eigener Person das Modell des „homo viator".67 Die „via peregrinalis" ist eine „via penitentiae", ein Weg der BuBe und gleichzeitig der Glaube an die Auferstehung und das Leben, ist „via que ducit hominem ad vitam"68, der Pilgerweg fuhrt den Men- schen zum Leben, wobei das ewige Leben gemeint ist. Ich weise nochmals dar- auf hin, dass sich der semantische Wechsel von „peregrinus" („Fremder") zu „pe¬ regrinus" („Pilger") in dieser Zeit bereits vollzogen hatte. Wiederum erstaunt es, dass die ersten Zeugnisse in einem Ort an einer zeitlich spat anzusetzenden und zweitrangigen Wegftihrung des Ebrotals (Tudela)69 und in einem schon erwahn- ten und ziemlich entlegenen Kloster (Santo Domingo de Silos)70 71 zu finden sind. Der Siegeszug der Muschel als intemationales „signum peregrinationis" war nicht aufzuhalten. Der intemationale Charakter der Muschel als Pilgerzeichen ist belegt durch ihr Auftauchen auf Grabdenkmalem von Pilgem, die nicht in Com¬ postela waren, wie bei den Landgrafen Ludwig III., dem Frommen (Regierungs- zeit 1172-1190) und Ludwig IV. von Thiiringen (Regierungszeit 1217-1227), der auf dem Weg ins Heilige Land in Otranto starb. Spater wurden deren Gebeine ins Kloster Reinhardsbrunn ubertragen. Die Deckel der Sarkophage, die in die Zeit um 1300 datiert werden, bilden beide Landgrafen mit einer Pilgermuschel auf der 67 Ahnlich sieht es auch der Dominikaner Petrus de Palude (um 1280-1342), der Christus und den Pilger vergleicht und diesen in seinen verschiedenen AuBerlichkeiten und Eigenschaften beschreibt, Sermones sive Enarrationes in Evangelia de Tempore ac Sanctorum festis, que Thesaurus Novus vulgo vocantur. Pars Aestivalis, Mainz 1608, S. 28f. Zur theologischen Deutung vgl. u.a. Michaela Puzicha, Christusperegrinus. Die Fremdenaufnahme (Mt 25,35) als Werk der privaten Wohltatigkeit im Urteil der alten Kirche (Miinstersche Beitrage zur Theologie 47), Munster 1980. Nach der Regel des hi. Benedikt sollen die Monche ihre Gaste „wie Christus selbst“ aufhehmen. Davon zeugt auch folgende Textstelle des Pilgerfuhrers im Codex Calixtinus: „Nam quicumque illos receperit et diligenter hospicio procuraverit, non solum beatum Iacobum, verum etiam Dominum hospitem habebil. Ipso Domino in evenge- lio dicente: ,Qui vos recipit me recipit* Liber Sancti Jacobi Codex Calixtinus (wie Anm. 1), S. 257. Christus war nach dem Evangelium (Mt 10,40) in effigie der erste Pilger. Und nicht nur Christus, sondem auch Jacobus war auf den Pilgerwegen in alia effigie anzutreffen. 68 Predigt „Veneranda dies“ zum Translationsfest am 30. Dezember, in: Liber Sancti Jacobi Codex Calixtinus (wie Anm. 1), S. 85-106, hier S. 91. Vgl. Klaus Herders, №a peregrina¬ lis, in: Europaische Wege der Santiago-Pilgerfahrt (Jakobus-Studien 2), hg. von Robert Plotz, Tubingen 1990, S. 1—25. м Zu Tudela vgl. Serafin Moralejo, Arte del Camino de Santiago у arte de peregrinacion (ss. Xl-XJll), in: El Camino de Santiago. Sommerkurs der Universidad Intemacional del Atlan- tico 1987, Santiago de Compostela 1989, S. 7-28, hier S. 17. Tudela war eine muslimische Stadt, die 1119 von Alfons I. „Batallador*4 wieder erobert wurde. Tudela besitzt eine roma- nische Kathedrale (Bauzeit: 1180 bis ins 13. Jh.) mit gotischen Zusatzen. Im Kreuzgang der Kirche wird auf einem Kapitell eine Pilgergruppe dargestellt. 70 Vgl. Anm. 66. 71 Herzlichen Dank an Pfarrer Christfried Boelter fur die Auskunft. Zu Ludwig IV. vgl.
64 Robert Plotz Brust ab.71 Eine ahnlich gelagerte Mentalitat auBert sich in den Motivhinzufli- gungen mehrerer Heiligen-Legenden. Dort wird die Pilgerreise als Cliche72 fur ein asketisches und heiligenmaBiges Leben eingefugt, deren Protagonisten, die nach- weislich nie in Santiago waren, dann in ihrer Ikonographie unter anderem auch mit der Muschel versehen sind: St. Koloman, St. Sebald, St. Rochus, St. Jodokus, die drei elenden Heiligen Vimius, Zimius und Marinus, der selige Heinrich von Ebrantshausen und der selige Nantwein aus Wolfratshausen z. B., der der Le- gende nach 1288 auf dem Weg nach Rom (oder auf der Riickreise) den Marty- rertod erlitten hat.73 Ein Kelch aus seiner Himschale sowie sein mit gravierten Silberplatten beschlagenes „Pilgerfasschen44, aus dem den Pilgem zu seinem Grab ab dem 17. Jahrhunderts Wein gereicht wurde, wenn wegen des Andrangs die als Kelch gefasste Himschale als TrinkgefaB nicht ausreichte, befinden sich heute in Munchner Museen.74 in einem weiterfuhrenden Zusammenhang steht die Dar- stellung des hi. Franz Xaver als Pilger.75 Warum, fragt man sich, entspricht das Pilgerzeichen „Muschel44 nicht den an- deren, mehr heiligen- und ortspezifisch gestalteten Pilgerzeichen, die meistens das Werkzeug des Martyriums als Attribut zufiigen? Es gibt meines Erachtens eine einfache Erklarung. Klerus und Kirche in der „villa Beati Jacobi44 waren zu sehr mit der Sicherung ihres Status als „sedes apostolica44 beschaftigt, sie befan- den sich im Kampf mit machtigen Gegnem wie Rom und Toledo, die Pilger waren zweitrangig, derTypus „Jacobus peregrinus44 war in Compostela bis ins erste Dnt- D. Groismann, Grabmal Landgraf Ludwigs IV, in: Sankt Elisabeth. Fiirstin, Dienerin, Hei- lige, Ausstellungskatalog, Sigmaringen 1981, Nr. 69, S. 412-414, mit Abb. auf S. 413. Wir wissen auch, dass Graf Philipp der Altere von Katzenelnbogen und seine Gefahrten im Herbst 1433 nach ihren Jerusalembesuch auf dem Weg nach Kairo das Sinaikloster in der Nahe des Roten Meeres besuchten, um dort Muscheln als Andenken zu sammeln. Vgl. Karl Ernst De- mandt, Die Orientfahrten Katzenelnbogener Grafen, Archiv fur hessische Geschichte und Altertumskunde NF 33, 1975, S. 27-54, hier S. 43ff.; Ganz-BlAttler, (wie Anm. 34), S. 232, S. 374f. 72 Vgl. Hippolyte Delehaye, Cinq lemons sur la methode hagiographique (Subsidia Hagiogra- phica 21), Brussel 1934, Кар. 2., Reprint 1980. 73 Alle erwahnten Heiligen und Seligen werden im Katalog der Munchner Ausstellung Wallfahrt kennt keine Grenzen, hg. von Bayerisches Nationalmuseum und Adalbert Stifter Verein, Miin- chen 1984, S. 276-289, aufgefuhrt. Dort auch ausfuhrliche Bibliographic. 74 Ebd, Nr. 470f., S. 287-289. 75 Auf vielen Andachtsbildchen und auch in vielen Kirchen im Bereich der jesuitischen Einfluss- regionen wird der Heilige als ,,peregrinus“ dargestellt, z.B. in der schwabischen Dorkirche in Ungerhausen. Dort erscheint der hi. Franz Xaver mit Pilgerflasche und Stab, mit goldglan- zendem Giirtel und mit zwei Muscheln am Kragen. Allerdings wird er vor den Toren Ost- asiens dargestellt, auf einer Kokosmatte niedergestreckt, um auf der Insel Sancian im Ange- sicht Chinas zu sterben. Die Darstellung von Ungerhausen findet zahlreiche Gegenstucke vor allem im schwabischen, altbayrischen und frankischen Raum. Als „nuntius apostolicus in Indiis“, als Weltpilger und Weltmissionar wurde Franz Xaver vor allem im 18. Jh.
Signum peregrinationis 65 tel des 14. Jahrhunderts tiberhaupt nicht vorhanden, er war ein Geschopf der Wege, wo er zuerst gegen 1125 in Santa Marta de Tera76 nachweisbar ist. Um diese Zeit war die Pilgermuschel paraliturgisch schon langst prasent und einge- fuhrt. Sie stand genau am Schnittpunkt der objektiven und normativen Darstel- lungen von Aposteln mit der Heiligen Schrift in der Hand und durch eine Um- schrift ausgewiesen und der Individualisierung oder Subjektivierung der Heili- gendarstellungen, denen - wie Jacobus auf einigen Abbildungen auch - das Werk- zeug ihres Martyriums als Attribut zugewiesen wurde.77 Es ist zu vermuten, dass die Jacobus-Pilger die Naturmuscheln und wenig spa- ter auch in Blei gegossene Nachbildungen78 auf ihrem Riickweg schon in der Zeit um 1100 mit sich gefuhrt haben. Es gibt nun zahlreiche Veroffentlichungen mit namentlicher Nennung von Pilgem zum Apostelgrab in Compostela vor allem aus dem 12. und 13. Jahrhundert, die vielfach tradiert wurden, aber einen wohl ehrlicheren Eindruck iiber den Mythos Santiago in dieser Zeit geben die archao- logischen Belege bzw. Fundkomplexe iiber Pilger, die mit ihren Pilgerattributen beigesetzt wurden, wobei die Pilgermuscheln am augenfalligsten waren. Es sind in ihrer Mehrheit Zufallsfunde, die bei Ausgrabungen oft unter oder neben Kir- abgebildet. Jacobus begleitete die Pilger selbst als Pilger im alten „Orbis christianus“, er war nicht nur fur die Jesuiten zum Spanier geworden, als „Evangelista Hispaniae“ fuhrt ihn der Kupferstecher Buchsenmacher an. Das Motiv der „sacra peregrinatio“ wird mit der Darstel- lung des Jesuitenheiligen als heiligen Pilger verwertet, eben, als Franziscus Xavier als In- dienfahrer das Evangelium verkundet. Vgl. Georg Schreiber, Deutschland und Spanien. Volkskundliche und kidturhistorische Beziehungen (Forschungen zur Volkskunde 22/24), Diis- seldorf 1936, S. 173fF.; Robert PlOtz, Augsburger Bilder. Jacobus maior und seine Pilger, in: Augsburger Netzwerke (= Jacobus-Studien 18), in Vorbereitung. 76 Vgl. Manuel Gomez Moreno, El arte romanico espahol, Madrid 1934, S. 163. 77 Zur Ikonographie des Jacobus Maior vgl. grundsatzlich Sabine Kjmpel, Jakobus der Altere, in: Lexikon der christlichen Ikonographie, hg. von Engelbert Kirschbaum, Bd. 7, Rom - Frei¬ burg - Basel - Wien 1974, Sp. 23-39, Robert PlOtz, Imago Beati Jacobi. Beitrdge zur Iko¬ nographie des hi. Jacobus Maior im Hochmittelalter, in: Wallfahrt kennt keine Grenzen (wie Anm. 25), S. 248-264; Jan K. Steppe, Vikonographie de Saint-Jacques le Mayeur (Sant¬ iago), in: Santiago de Compostela. 1000 Ans de Pelerinage Europeen, Ausstellungskatalog Europalia, Brussel 1985, S. 129-153; PlOtz (wie Anm. 37); Serafin Moralejo, Der heilige Jakobus und die Wege seiner Ikonographie, in: Santiago de Compostela, Pilgerwege, hg. von Paolo Caucci von Saucken, Augsburg 1995, S. 75-90; Humbert Jacomet, Saint-Jacques: une image a la francaise? L 'iconographie susciteepar la creation de l ’hopital Saint-Jacques- aux-pelerins et ses prolongements (X,xe-X[e s.), in: Saint Jacques et la France, sous la direc¬ tion d’Adeline Rucquoi, Actes du Colloque des 18 et 19 janvier2001 a la Fondation Singer- Polignac, Paris 2003, S. 85-262 und zuletzt Mireille Madou, De apostel van het Westen San¬ tiago de Compostela in beeld en verbeelding, Gent 2004. 78 Vgl. Anm. 37. 79 Zu den Funden und Fundkomplexen in Europa vgl. u.a. KOster (wie Anm. 36), S. 119-140; Andreas Haasis-Berner, Die Jakobsmuschel in Grabfunden. Hinweisezu Ur sprung und Be- deutung eines Pilgerzeichens, Stemenweg 16,1995, S. 3-11; Ders. (wie Anm. 37), S. 210-215.
66 Robert Plotz chen in alten Grabanlagen zum Vorschein kamen.79 Einer der fnihesten deutschen Funde stammt von der ,,Schwedenschanze“ am Galgenberg in Cham in der Ober- pfalz. Bei Ausgrabungen im Gelande der ehemaligen Reichsburg Cham, die An- fang des 13. Jahrhunderts aufgegeben wurde, wurde eine Muschel gefunden, die aufgrund der Fundumgebung zwischen dem spaten 11. und dem 13. Jahrhundert datiert wird.80 In Esslingen am Neckar z. B. wurden bei Ausgrabungen anlasslich des Einbaus einer Umluftanlage fur die Stadtkirche St. Dionysius in Grabem vom Ende des 12. und Anfang des 13. Jahrhunderts in den Jahren 1960/61 20-25 Pilgermuscheln {pecten maximus) gefunden, davon elf vollstandige bzw. fast vollstandige Exem- plare. Bei alien Stricken handelt es sich um rechte (untere) Schalenklappen. Soweit der Wirbelteil erhalten ist, hatten alle Klappen dort zwei Durchbohrungen. Bei ei- nigen war „zwischen den Lochem eine deutliche Rinne erkennbar, die auf die Be- festigung mittels eines Bildfadens oder dergleichen hinweist“.81 Die Pilgermu¬ scheln fanden sich in AuBenbestattungen an den Mauem zweier kleinerer Vor- gangerbauten der Kirche. In zwei vor Ende des 12. Jahrhunderts anzusetzenden Bestattungen fanden sich die Muscheln noch in situ bei den Skeletten; bei dem einen lagen zwei Muschelklappen dicht untereinander in Hohe des linken unteren Rippenbogens. Esslingen lag offenbar an einer Zubringerstrafie, die von Niimberg iiber Schwabisch Hall, Winnenden und Tubingen nach Einsiedeln fuhrte (Ober- straBe). Reiche Flussfunde setzten in Frankreich82 und England83 schon um die Mitte des 19. Jahrhunderts ein und erregten groBes Interesse. Abgesehen von einem kurzen Nachhall im Umkreis der deutschen Denkmalpflege und Glockenfor- schung84 kurz nach der Jahrhundertwende war es wieder sehr still um diese be- scheidenen und doch so aussagekraftigen Uberreste mittelalterlichen Lebens ge- worden. Um so erffeulicher ist, dass in den letzten Jahrzehnten auch dieses Feld h0 Vgl. u.a. Raff (wie Anm. 54) und KOster (wie Anm. 36)), Nr. M 35, S. 132. 81 Gunter P. Fehring, Die Ausgrabungen in der Stadtkirche St. Dionysius zu Efilingen am Nek- kat\ Zeitschrift des Vereins fur Kunstwissenschaften 19, 1965, S. 1-34 und KOSTER (wie Anm. 36), S. 125. 82 Zum groflten Teil kamen die Pilgerzeichen bei Flussregulierungs- und Uferbefestigungsan- lagen aus dem Belt oder der Uferregion groBerer Fliisse, wie Seine, Loire und Saone, zum Vorschein. Vgl. KOster (wie Anm. 36), S. 36 f. 83 Vgl. u. a. die zahlreichen Veroffentlichungen von Brian W. Spencer (1968,1971,1974, 1975, 1978, 1980, 1982, 1983, 1984, 1985, 1988, 1990, bibliographisch erfasst von FIaasis-Berner (wie Anm. 37), S. 236, von denen ich nur die letzte anfuhren mochte: Brian W. Spencer, Pilgrim souvenirs and secular badges (Medieval finds from excavations in London 7), London 1998. 84 Dazu KOster (wie Anm. 36), S. 203-223, speziell S. 204. Allgemein zur europaischen Glok- kenforschung vgl. Elly van1 Loon-van de Moosdijk, Pelgrimssignes op ,Nederlandse 'Klok- ken, in: van Beuningen - Koldeweij - Kicken (wie Anm. 40), S. 112-127; Jorg Poettgen, Pilgerzeichen auf Glocken. Studien zu Geschichte, Verbreitung und Motivation ihrer Ver- wendung, ebd., S. 128-136.
Signum peregrinationis 67 archaologischer Mittelalter-Forschung wieder kraftiger in Bewegung geraten ist, wobei neben den Glockenzeugnissen vor allem auch die Wasser- und Bodenfunde, originale Stucke also, starker in den Vordergrund getreten sind. Hiervon legen unter anderem die in Schleswig zutage gekommenen Pilgerzeichen Zeugnis ab. Bei Altstadtgrabungen (1971-1982) wurden an verschiedenen Platzen insgesamt elf Kappen von Kammmuscheln der Gattung pecten maximus gefunden, sechs davon sind ganz oder einigermafien vollstandig erhalten, deren alteste vielleicht noch dem ausgehenden 11. Jahrhundert angehort. Sieben - darunter drei aus Gra- bem - entstammen Fundzusammenhangen des 12. Jahrhunderts, zwei gelangten im 14. Jahrhundert in den Boden.85 Dazu kommen die neueren Funde bei Stadt- kemgrabungen unter anderem in Amsterdam86, Braunschweig87, Dordrecht88, Landshut89, London90, Lund91, Roskilde (Danemark)92, Schleswig93 und Worms94 85 Vgl. KOster (wie Anm. 36); fur das angrenzende Danemark die interessante Arbeit von S. I. Hansen, Pilgrimamaerker. Hvadfortaellerpilgrimstegn kendt fra det unvaerende danmark samt Slesvig by от valfartes? [Seminaraufsatz], Daktil. Universitat Aarhus 1985; weiterhin fur Bremen allgemein vgl. Jurgen Wittstock, Pilgerzeichen und andere Wallfahrtsdevotio- nalien in Norddeulschland, in: Aus dem Alltag der mittelalterlichen Stadt, Bremen 1982, S. 193-200; Ders., Der Bremer Pilgerzeichen-Fund, in: Der Jakobskult in ,,Kunst“ und „Lite¬ rature hg. von Klaus Herbers - Robert Plotz (Jakobus-Studien 9), Tubingen 1998, S. 85- 107. 86 1986 wurde eine Pilgermuschel an der Olofspoort unter dem Fundament der um 1490 ange- bauten Jerusalem-Kapelle gefimden. Vgl. Opgravingen in Amsterdam. 20 jaar stadskernon- erzoek, hg. von Jan M. Baart et al., Amsterdam und Haarlem 1977, S. 396, mit Abb. 742. 87 Vgl. Pilger und Wallfahrten, in: Stadt Stadt im Wandel. Kunst und Kultur des Biirgertums in Norddeutschland 1150-1650, hg. von Cord Meckseper [Ausstellungskatalog Braunschweig 1985], 4 Bde., Stuttgart - Bad Cannstein 1985, Bd. 1, S. 400-414. 88 Vgl. Johan Hendriks, Insignes in context? Pelgriminsignes van het Statenplein in Dordrecht, 1997-2000, in: van Beuningen - Koldeweij - Kicken (wie Anm. 40), S. 37-53. 89 Etwa sechs Pilgermuscheln, die 1980 bei Ausgrabungen unter dem heutigen Martinsmimster ge¬ funden wurden. Sie stainmen aus dem 13. und ffuhen 14. Jh. Vgl. Koster (wie Anm. 36), S. 128. 90 Aus dem 14./15. Jh., gefunden 1865 im Stalhof. Vgl. Catalogue of the Collection of London Antiquities in the Guildhall Museum, London21908, Nr. 72, S. 329; Vgl. Koster (wie Anm. 36), S. 130. Fin* Pilgerzeichenfimde in London allgemein: Geoff Egan, Find Recovery on Riverside Sites in the City of London, Popular Archeology 16, 1985, S. 42-50 und Spencer (wie Anm. 83). 91 Vgl. KOster (wie Anm. 36), S. 133-135; Erfassung der Fundstatten auch bei Haasis-Berner (wie Anm. 37), S. 213f. 92 Vgl. KOster (wie Anm. 36), S. 127. 93 Von 1971 bis 1982 wurden bei Altstadtgrabungen an verschiedenen Platzen sechs vollstandig und funf in Bruchstiicken erhaltene Pilgermuscheln gefunden, die vom ausgehenden 11. bis zum 14. Jh. datieren. Vgl. KOSTER (wie Anm. 36), S. 122-124. 94 Vgl. Mathilde Grunewald, Pilgerzeichen, Rosenkranze, Wallfahrtsmedaillen. Die Beigaben aus Grabern des 17. bis 19. Jahrhunderts aus dem Pfarrfriedhof bei St. Paul in Worms. Die Sammlung gotischer Pilgerzeichen im Museum der Stadt Worms (Der Wormsgau, Beiheft 36), Worms 2001, S. 15 f.
68 Robert Plotz sowie mit immer neuen Funden die reiche Ausbeute der Nachsuche im Schlick des Verdronken land95 in der Ooster- und Westerschelde96, im Umkreis der dort in den groflen Sturmfluten des 15. und 16. Jahrhunderts untergegangenen Orte. Uberall finden sich zahlreiche Graber aus dem Mittelalter mit Pilgerbeigaben.97 Die namenlosen aber aussagekrafitigen Erdfunde belegen eindrucksvoll den Cha- rakter der Massenbewegung, die die Pilgerfahrt „ad limina Bead Jacobi“ im Hochmittelalter darstellt. 95 Vgl. neuerdings auch die bei Koldeweij (wie Anm. 39), S. 12f. und S. 224 erwahnten Funde der ,,Duinenabdij“, Nieulande und Raversijde. 96 Warum wurden gerade in den Miindungsgebieten der groflen Flusse ins Meer und an Briicken- pfeilem wie in Paris an der Seine so viele Pilgerzeichen gefunden? Der Schutzcharakter der Pilgerzeichen war m. E. stark personengebunden, denn die Pilgerzeichen hingen ja meist mit einem personlichen Besuch der Gnadenstatte zusammen, dass man folgenden Hintergrund ffir diese Funde vermuten kann: Die Pilgerzeichen wurden, wie viele Abwehr- und Schutzzeichen mit in das Bett genommen, zum Teil vielleicht auch eingenaht. Nach dem Ableben des Be- sitzers wurde das Hausinventar grofltenteils aufgelost. Vor allem die Bettlaken und -beziige, die nun wirklich dem personlichsten Bereich angehorten, wurden zur Weiterverwendung weggegeben und gelangten in den Besitz professioneller Verkaufer. Vor dem Verkauf wurde die Bettwasche von Waschereien gereinigt. Dieser Vorgang fand auf den Bleichwiesen der Flusse statt. Alle uberfliissigeii Anhangsel und Beigaben wurden dabei entfemt und als wert- los in den Fluss geworfen. Durch die Stromung wurden diese Kleinobjekte bis zur Einmiin- dung ins Meer weitergetrieben, bis sie in ruhigeren Gewassem absanken, oder auch dort, wo sich im Wechselspiel der Gezeiten ein Stromungsstillstand ergab. Warum nun gerade bei Briicken viele Pilgerzeichen gefunden wurden, laflt sich mit den Stromungsverhaltnissen um die Briickenpfeiler erklaren, in deren „Wirbelschatten" sich die Pilgerzeichen ebenfalls ab- legen konnten. Diese Uberlegungen habe ich schon 1998 als Anmerkung der Redaktion ge- aufiert (Jakobus-Studien 9, S. 89). Insofem und vor allem, weil die Pilgermuschel oft die wertvollste Memoria einer Person darstellten, kann ich mich nicht mit der Aussage von Hel¬ mut Plath anfreunden, der uber dem Muschelfund vom ehemaligen Briihltor in Hannover von der reizvollen Vorstellung spricht, „mit welcher Freude ein Pilger sich diese Muschel vom Hut trennte, als er nach miihseliger und gefahrvoller Pilgerfahrt das heimatliche Stadt- tor durchschritt“, Helmut Plath, Abteilungs-Katalog des Historischen Museums am Hohen Ufer, Hannover. Bd. 1: Stadtgeschichtliche Abteilung, Hannover 1970, S. 16; vgl. KOSTER (wie Anm. 36), S. 153, Anm. 237 und in vorliegendem Band den Beitrag von Carina BRUMME, Pilgerzeichen - Erhaltungsbeclingungen und Verbreitungsrdume. 97 Z. B. in Frankreich u. a. in Saint-Avit-Senieur (Arrondisement Bergerac) im Kreuzgang der ehemaligen Benediktinerabtei: Avec les hospitallers et les pelerins sur les chemins de Saint- Jacques. Catalogue de Г exposition [a Cadillac-sur-Garonne], lre partie: Hopitaux et conffe- rie sur les chemins de Saint-Jacques, hg. von Rene de La Coste-Messeliere - Jeannine War- collier, Cadillac-sur-Garonne 1967, Nr. 519; in Notre-Dame-du-Brusc (Arrondisement Grasse) aus der Zeit um 1100: vgl. Georges Vindry, [Communication: Fouilles et travaux a Notre Dame du Brusc], Bulletin de la Societe nationale des antiquaires de France 1964, S. 98- 100, Seance du 17 juin; und in Quiberon auf dem ehemaligen Friedhof Saint-Clement: vgl. Catalogue du Musee archeologique James Miln - Zacharie Le Rouzic, hg. von Maurice Jacq, Vannes o. J. [1942], S. 192 f. und 195.
Signum peregrinationis 69 Die Bedeutung der Pilgerzeichen in ihrer Phanomenologie Mittelalterliche Pilgerzeichen werden fur uns erstmals in der zweiten Halfite des 12. Jahrhunderts fassbar. Aus dieser Zeit stammen die altesten aus dem Boden und aus Gewassem geborgenen originalen Stiicke; gleichzeitig erscheinen Pil¬ gerzeichen in Abgtissen auf kirchlichem Gerat (Glocken, Erztaufen), in Darstel- lungen der bildenden Kunst und in urkundlichen und literarischen Zeugnissen, wie beispielsweise bei der Jakobsmuschel auf der Salvator-Glocke (1479) von Utrecht.98 Des geringen Preises und der leichteren Fertigung halber wurden mittelalter¬ liche Pilgerzeichen vorzugsweise aus wohlfeilen, leicht schmelzbaren Metallen (meist Blei-Zinn-Legierungen mit niedrigem Schmelzpunkt) gegossen und am Pilgerort selbst - und zwar rechtmaBig nur dort - hergestellt und vertrieben. Die meisten mittelalterlichen Zeichen hatten nur eine Schauseite. Die jedem Gnadenort eigentumlichen Pilgerzeichen wurden nicht nur in wohlfeilen Blei- Zinn-Giissen, sondem fur zahlungskraftigere Pilger auch in blankem oder ver- goldetem Silber, als Einzelstucke sogar in reinem Gold angeboten. Meistens hat- ten diese kostspieligeren Ausfuhrungen kleinere Abmessungen. Ihre Herstellung war in der Regel den Goldschmieden vorbehalten, wahrend die der billigen Mas- senware das Privileg anderer Handwerke war (etwa der ZinngieBer, der Gelb- und RotgieBer). Charakteristisch fur die meisten mittelalterlichen Pilgerzeichen sind die seitlichen Osen, mit denen sie an Hut oder Gewand befestigt, auch an Pil- gerstab oder Rosenkranz angehangt werden konnten. Daneben begegnen - be- sonders in Frankreich - auch riickseitig angebrachte Anstecknadeln oder Osen, wie es aus der Darstellung eines flamischen Altarbildes des Annenaltars der St. Adrianskirche in Gerwaardsbergen aus der Zeit um 1490 hervorgeht." Diese Zei¬ chen bedeuteten fur den mittelalterlichen Menschen sehr viel mehr als bloBe Rei- seandenken oder Mitbringsel, mehr auch als nur Gegenstand personlicher Erin- nerung und frommer Betrachtung. Zunachst wendeten sie ihren Tragem auf der ,,peregrinatio“ selbst zuverlassiger die alien ,,Elenden“ gegeniiber gebotene christ- lichc Mildtatigkeit, die „Werke der Barmherzigkeit“, zu, vor allem Speise, Trank und Herberge. Sodann boten sie in diesen Jahrhunderten standiger Fehden und all- gemeiner Unsicherheit auf den StraBen auch einen gewissen Schutz, da reisende Pilger als sakrosankt galten. Allerdings galten Pilgerzeichen niemals als rechts- formlicher Beweis fur die Durchfuhrung auferlegter BuB- und Siihne-Pilgerfahr- ten; hierfur bedurfte es immer eines am Zielort ausgestellten schriftlichen Zerti- fikats. 98 Der GieBer war Steven Butendic, van Loon-van de Moosdijk (wie Anm. 84), S. 124, Abb. 11. 99 Vgl KOSTER (wie Anm. 39), S. 205, Abb. 90. Der Altar befindet sich im Historischen Museum Frankfurt/Main.
70 Robert Plotz Wert und Sinn der Zeichen reichten jedoch weit tiber die Pilgerfahrt selbst hin- aus. Durch Anruhren an den Kultobjekten und Reliquien waren sie zu „reliques re- praesentatives“ und damit selbst zu Tragem fortwirkender Heils- und Segenskrafte geworden. So finden wir sie als Grabbeigaben, in Reliquienbehaltnissen von Kir- chen und in Altarsepulkren, auch als Votivgaben, die an anderen Gnadenbildem oder Pilgerstatten niedergelegt wurden. Vor allem aber benutzte man sie fur vie- lerlei aberglaubische, magische und volksmedizinische Praktiken. Im oder am Hause, an der Bettstelle, uber der Stalltiire, auf Bienenkorben angebracht, in die Viehtranke eingelegt oder im Felde gegen Unkraut, Ungeziefer und Mausefraft vergraben, sollten sie magische Krafte ausstrahlen und dem Bosen wehren.100 Es brachte all denen Gliick und Gesundheit, die eine ,beglaubigte’ Jakobsmu- schel entweder beim Schrein in Santiago oder bei einer dem heiligen Jakob ge- widmeten Heiligenstatte am Wege gekauft hatten, und heilte Kranke.101 02 In der Anwendung bei gesundheitlichen Beschwerden und Krankheitsfallen tauchte man die Pilgerzeichen in Wasser oder Wein, die man dann als Medizin verabreichte, oder man brachte sie unmittelbar mit dem erkrankten Korperteil in Beruhrung.,0“ Blicken wir noch einmal zuriick auf das in diesem Uberblick nur eben skiz- zierte weite Feld der Erforschung mittelalterlicher Pilgerzeichen und -devotio- nalien, so erkennen wir eines in aller Deutlichkeil: Waren fur die strenge Kir- chenlehre die Hauptanliegen einer Pilgerfahrt BuBe und Heiligung, so ging es den Laien - und hier unterscheiden sich die GroBen dieser Erde kaum vom ge- meinen Mann - um den „contact purement physique"103, den ganz unmittelbaren Kontakt mit den Heilttimern am Gnadenort. Gesucht wird die materiell greifbare Heilsversicherung, die dann mit den Devotionalien nach Hause, ins Alltagsleben hinein- und hintibergenommen wird. 100 Vgl. Handworterbuch des deutschen Aberglaubens, hg. von Hans Bachtold-Staubli, 10 Bde., Berlin 1927-1942, hier Bd. 6 (1934/35), Sp. 632 f., und Henri Leclercq, Coquillages, in: Dic- tionnaire chretienne et de liturgie, hg. von Fernand Cabrol - Henri Leclercq, Bd. 3/2, Paris 1914, Sp. 2905 f. 101 Vgl. Foster (wie Anm. 63), S. 252. Im Alltag war es die Poliklinik der Heiligen, die fur Men- schen und Vieh zustandig war, die vier heiligen Marschalle in der Landwirtschaft (hll. Anto- nius, Cornelius, Hubert und Quirinus) und Heilige wie die Muttergottes, die hll. Blasius, Leo- nardus, Margareta, z.B. und fur die Pest als Patrone die hll. Christophorus, Rochus, Seba- stianus z.B. l02Der „Codex Calixtinus“ erwahnt im „Libellus miraculorum“ schon fur das Jahr 1006 einen Ritter aus Apulien, dessen Halsleiden, das kein Arzt kurieren konnte, durch das Auflegen einer Pilgermuschel sogleich geheilt wurde: „[...] confisus in beato Iacobo dixit, quod si in- venire posset aliquam crusillam quam a sancto Iacobo peregrini redientes secum deferre so- lent, et ex ea propriam gulam infirmam tangeret, statim remedium haberet“, Liber Sancti Ja¬ cobi Codex Calixtinus (wie Anm. 1), Cap. XII, S. 169. 103 Edmond-Rene Labande, Recherches sur les pelerins dans l'Europa des XIе et XIIе siecles, Ca- hiers de Civilisation Medievale 1, Nr. 2 und 3, 1958, S. 159-169 und S. 339-347, hier S. 345.
Katrin Nagel Pilgerzeichenfunde in Mecklenburg- Vorpommern 71 Fur Mecklenburg-Vorpommern lieBen sich bis zum Sommer 20041 ohne Einbe- ziehung der Devotionalien insgesamt 25 Pilgerzeichen nachweisen. Davon sind sechs Zeichen nattirliche Jakobsmuscheln.1 2 Fur einige der Fundstocke muss die Bezeichnung Pilgerzeichen mit Vorbehalt gebraucht werden. Die Funde sind zum Teil noch unpubliziert und nicht restauriert und die Fundzusammenhange konn- ten noch nicht vollstandig aufgearbeitet werden. Die groflte Anzahl der Funde trat in den Hansestadten zu Tage. Diese Konzentration ist durch die Stadt als Bal- lungsraum an sich und den derzeitigen Forschungsstand bedingt. Allein Rostock steuerte elf Fundstiicke bei. In den Stadten Stralsund, Greifswald, Wismar und Friedland wurden jeweils zwei Pilgerzeichen ergraben. Alle weiteren Fundorte erbrachten jeweils nur ein Exemplar.3 Die meisten Funde stammen aus feuchtem Milieu, so sieben Pilgerzeichen aus Kloaken oder Abfallgruben und vier Zeichen aus Gewassem. In Verfullschichten konnte man acht Pilgerzeichen bergen. Bei drei Stiicken handelte es sich um Grabfunde. In Gebauden fand man zwei Pilgerzeichen und eines stammt aus einer Wiistung bei Rostock. Fiir den grofiten Teil der Fundstiicke lassen sich dank den- drochronologischer Untersuchungen von Holzem im Fundzusammenhang und durch Beifunde die Ablagerungszeiten ermitteln. Vom am entfemtest gelegenen Wallfahrtsort, Santiago de Compostela, stammt mit sechs Stiicken die groftte Anzahl von Pilgerzeichen. Der am nachsten gelegene groflere Wallfahrtsort, Wilsnack in Brandenburg, ist mit vier Pilgerzeichen ver- treten. Die Beliebtheit dieser beiden Orte tritt auch in den schriftlichen Quellen hervor. Aus Aachen und Maastricht haben je zwei Zeichen den Weg nach Meck¬ lenburg-Vorpommern gefunden, aus Koln eines. Zwei Stiicke konnten Wall- fahrtsorten in Frankreich zugewiesen werden: St. Josse-sur-Mer und St. Nicolas- de-Port. Die Herkunftsorte der restlichen acht Zeichen sind noch unbekannt. In- zwischen wurde ein weiteres Marienpilgerzeichen, das Aachen zugewiesen wird, 1 Im Sommer 2004 wurde die Magisterarbeit der Verfasserin an der Emst-Moritz-Amdt- Universitat Greifswald eingereicht: Katrin Nagel, Mittelalterliche Wallfahrtsdevotionalien und Wallfahrten aus Mecklenburg- Vorpommern im Spiegel archdologischer Funde, Greifs¬ wald 2004. Ein Teil der Ergebnisse dieser Arbeit soil hier vorgcstellt werden. 2 Inzwischen sind zahlreiche weitere Funde dazugekommen. Siehe dazu den Beitrag von Jorg Ansorge, Pilgerzeichen sowie religose und profane Zeichen aus der Grabungfitr das Ozea- neum in Stralsund, in vorliegendem Band. 3 j)je Fundorte sind Altenhagen, Dobbertin, Grabow, Hiddensee, Pasewalk und Plau.
72 Katrin Nagel in Stralsund entdeckt.4 Aus Giistrow stammt der Fund eines Zeichens aus Trier mit der Darstellung des Apostels Matthias.5 In diesem Beitrag soil ein Teil der in Mecklenburg-Vorpommern gefundenen Pilgerzeichen genauer vorgestellt werden. Bei der Grabung WeiBgerber-/RotgerberstraBe in Greifswald wurde wahr- scheinlich ein Teil der ostlichen Uferbefestigung des ehemaligen Stadtgrabens ffeigelegt. Auf der Grabensohle, in der Nahe eines Flechtwandzaunes, wurde ein Flachguss-Pilgerzeichen geborgen (Abb. I).6 Dendrochronologische Untersu- chungen der Zaunholzer ergaben eine Datierung von um/nach 1241 bis um/nach 1279. Das Fundstiick wurde wahrscheinlich nach dem dritten Viertel des 13. Jahr- hunderts abgelagert. Die hochrechteckige, 45 Millimeter hohe und 32 Millime¬ ter breite Plakette mit Spitzgiebel ist fast vollstandig erhalten. Die untere linke Ose und der obere Arm des kleinen Kreuzes auf der Spitze des Giebels sind weg- gebrochen. In der Mitte des Zeichens ist die thronende Maria mit dem Kind auf ihrem linken Knie abgebildet. Teile des Throns und des Sitzkissens sind erkenn- bar. Maria tragt eine Krone auf ihrem von einem Heiligenschein umgebenen Haupt. Sie halt in ihrer rechten Hand schrag ein Lilienzepter. Das Jesuskind hat einen Kreuznimbus. Die rechte Hand des Kindes ist zu Maria hin erhoben, in der linken Hand halt es einen runden Gegenstand, wahrscheinlich eine Weltkugel. An den Seiten und am Giebel des Zeichens lauft ein Schriftband herum. Die In- sehrift in gotischer Majuskel lautet: ,,h-S:BEATE:M/AR[I]/E.DE/MEVSSIERE“. Der Buchstabe M bei ,,M/AR[I]/E“ und das erste E bei „MEVSSIERE“ sind un- zial gehalten. Die Inschrift lasst sich nur allgemein ins 13./14. Jahrhundert da- tieren.7 Die Ruckseite des Zeichens ist mit einer erhabenen Rautenschraffur ver- sehen. Zu diesem Pilgerzeichen gibt es nur einen vergleichbaren Fund. Er wurde in Valkenisse (Holland) geborgen und wird zwischen 1300 und 1400 datiert.8 Das hollandische Stuck stammt aus derselben Gussform wie das Greifswalder Zei- chen. Drei Osen sind abgebrochen und es ist stark verwittert, so dass die Inschrift 4 Renate Samariter, Kurze Fundberichte, Bodendenkmalpflege in Mecklenburg-Vorpommern 50, 2002. S.458^60, Abb. 114,4. 5 Das Stuck wurde im 14. Jh. abgelagert. Vgl. Giannina Schindler, Kurze Fundberichte, Bo¬ dendenkmalpflege in Mecklenburg-Vorpommern 50, 2002. S. 432f. Abb. 89. 6 Peter Enzenberger, Ein Handwerkerquartier in der Greifswalder Innenstadt am Ubergang vom 13. zum 14. Jahrhundert. Beitrag zur Darstellung der Siedlungs- und Produktionsweise in einem spatmittelalterlichen Handwerkerviertel, 3 Bde., Greifswald 2000, Bd. 3, S. 103, Bd. 2, Taf. 78,3; Zu den Fundumstanden siehe Nagel (wie Anm. 1), S. 11. 7 Ich danke Christine Magin vom Historischen Institut der Emst-Moritz-Amdt-Universitat Greifswald fur ihre freundlichen Auskiinfte iiber die Inschrift. 8 Andreas Haasis-Berner, Pilgerzeichen des Hochmittelalters (Veroffentlichungen zur Volks- kunde und Kulturgeschichte 94), Wurzburg 2003, S. 204; Hendrik Jan Engelbert van Beunin- gen - Adrianus Maria Koldeweij, Heilig en profaan. 1000 laatmiddeleeuwse insignes uit de collectie H.J.E. van Beuningen (Rotterdam Papers 8), Cothen 1993, Nr. 2320, S. 238, Abb. 532.
Pilgerzeichenfunde in Mecklenburg-Vorpommern 73 nicht vollstandig erkennbar ist.9 10 11 Die Herkunfit der Stiicke ist nicht geklart, Frank- reich konnte als Herkunftsort in Frage kommen.,0Die Pilgerzeichen des franzo- sischen Wallfahrtsortes Le Puy mit der Inschrift ,,SIGILLUM:BEATE MARIEiDE PODIO“ sehen diesen beiden Funden von der Machart her sehr ahnlich, als hatte das eine dem anderen als Vorbild gedient.11 Das abgekiirzte S bei den beiden Ma- rienpilgerzeichen unbekannter Herkunfit mag ebenfalls SIGILLUM bedeuten.12 Aus der Hansestadt Rostock, Breite Strafle 3-5, stammt ein 52 Millimeter hoher und 24 Millimeter breiter Flachguss mit einer mannlichen Gestalt (Abb. 2). Das Fundstiick wurde aus einem als Kloake genutzten Holzschacht geborgen. Den- drochronologische Untersuchungen ergaben Daten um 1296 (+/-10). Der Aus- graber nennt nach vorlaufigen Informationen eine Ablagerungszeit vom Ende des 13. Jahrhunderts bis zum Anfang des 14. Jahrhunderts.13 Die Figur ist bekleidet mit einem breitkrempigen Hut und einem Mantel, der dicht mit kleinen Buckeln besetzt ist. Ein langeres Gewand mit Falten steht unter dem Mantel hervor. Die Gestalt scheint enge Beinkleider und Schuhe zu tragen, iiber dem Mantel hangt an einem Riemen eine Tasche mit ftinf Buckeln. Links halt die Figur einen Pilgerstab, der Gegenstand in der erhobenen Rechten ist nicht zu identifizieren. Auf der Riickseite sind Verstarkungsgrate angebracht. Befesti- gungsmoglichkeiten sind nicht erkennbar. Bei den Buckeln auf dem Mantel han- delt es sich wahrscheinlich um Pilgermuscheln.14 Es handelt sich um ein Pilgerzeichen des hi. Jodokus vom Wallfahrtsort St. Josse-sur-Mer in Frankreich. Der hi. Jodokus ist seit dem Spatmittelalter neben Jakobus dem Alteren ein beliebter Pilgerheiliger.15 Im Jahr 1286 ist der erste Pil- 9 Es ist nur ,,+S.BEATE:M/ARJA DE/[...]VSSIERE“ lesbar. Ob es sich beim letzten Buchsta- ben des Wortes MARIA wirklich um ein A handelt, kann nicht festgestellt werden. Das Stuck gleicht sonst dem Greifswalder Fund ganz genau. 10 Peter Enzenberger schlagt Frankreich vor, Enzenberger (wie Anm. 6), Bd. 1, S. 89, ebenso H.-G. Thiimmel, dem ich fur seine Hilfe danke. 11 Die Pilgerzeichen von Le Puy werden grofitenteils auch in das 13./14. Jh. datiert. Vgl. Paolo Caucci von Saucken, Santiago de Compostela. Pilgerwege, Augsburg 1998, Abb. auf S. 267; Haasis-Berner (wie Anm. 8), S. 111-115. 12 Christine Magin nimmt eher SIGNUM an, was „Zeichen” bedeutet, und bei vielen Pilger¬ zeichen auch so ausgeschrieben ist. Bei den Pilgerzeichen von Le Puy steht SIGILLUM, Siegel”, was meiner Meinung nach wegen der starken Ahnlichkeit zum Greifswalder Fund- stuck auch fur dieses angenommen werden kann. 13 Ich danke Jonathan Burrows fur die zur Verfugung gestellten Informationen. Da die Grabung noch nicht aufgearbeitet ist, kann zu den Fundumstanden und Begleitftmden nichts gesagt werden. 14 Der Pilgerapostel Jakobus der Altere wird mitunter mit einem muschelbesetzten Mantel dar- gestellt. Siehe dazu die Wandmalereien in Waltensburg (Graubiinden) um 1340, von Saucken (wie Anm. 11), Abb. auf S. 31, und Glewitz (Nordvorpommem) um die 2. Halfte 14 Jh. (freundliche Mitteilung von Sandra Hauff). Das Motiv des muschelbesetzten Mantels kann sich auf den Pilgerheiligen Jodokus iibertragen haben. 15 Willi Klenck, Nachrichten iiber den Wallfahrtsort St. Joost im Lande Hadeln, Jahrbuch der
74 Katrin Nagel Abb. 1: Marienpilgerzeichen, gefimden in Greifswald, WeiBgerberstrafle. Foto: S. Suhr
Pilgerzeichenfunde in Mecklenburg-Vorpommern 75 Abb. 2: Pilgerzeichen mit dem hi. Jodokus, gefunden in Rostock, Breite StraCe 23. Foto: Ralf Mulsow Abb. 3: Pilgerzeichen mit dem hi. Servatius, gefunden in Rostock, Neuer Markt 17/18. Foto: Katrin Nagel
76 Katrin Nagel ger zum Wallfahrtsort St. Josse-sur-Mer schriftlich bezeugt.* 16 Vergleichsfimde sind aus Konstanz aus der zweiten Halfte des 14. Jahrhunderts17, aus der Seine bei Paris18 und aus Holland zwischen 1300 und 150019 bekannt. Nach Andreas Haa- sis-Bemer ist dieser Typ Pilgerzeichen nicht vor der Mitte des 14. Jahrhunderts hergestellt worden.20 Mit der vorlaufig festgestellten Ablagerungszeit des Ro- stocker Fundes vom Ende des 13. bis zum Anfang des 14. Jahrhunderts ergabe sich somit eine neue Datierung. Ebenfalls in Rostock, auf dem Grundsttick Neuer Markt 17/18, wurde ein qua- litatvoller Gitterguss mit der Darstellung eines Heiligen geborgen (Abb. 3). Dicht dabei, in einem Umkreis von etwa 30 Zentimeter, lagen zwei weitere Fundstiicke aus Weiflmetall. Es handelte sich dabei um eine runde Plakette und ein Glock- chen.21 Die Stticke wurden im unteren noch vorhandenen Rest einer Latrinenent- leerungsgrubc cntdcckt. Die gcborgcnc Keramik lasst sich in die Zeit von 1320 bis 1380/90 einordnen.22 Von den Versturzholzem des Schachtes konnten den- drochronologische Daten gewonnen werden. Die jungsten liegen um/nach 1330, sekundar verbautes Holz datiertnoch ins 13. Jahrhundert. Die Ausgraberin datiert den Befund vorerst in die erste Halfte bis Mitte des 14. Jahrhunderts und geht von einer Ablagerung der Pilgerzeichen bald nach 1330 aus. Manner vom Morgenstem 26, 1932-1934, S. 34-55, hier S. 35; Joseph Braun, Tracht und Attri¬ bute der Heiligen in der deutschen Kunst, Stuttgart 1943, Sp. 363-365; Lexikon der christlichen Ikonographie, hg. von Engelbert Kirschbaum, Bd. 7, Rom - Freiburg - Basel - Wien 1974, Sp. 70f. 16 Andreas Haasis-Berner, St. Jodokus im Konstanz. Zu einem neugefundenen Pilgerzeichen, »http://www.ufg.uni-freiburg.de/d/publ/jodokus.html« [2004]. DerVerkauf von Pilgerzeichen wird erstmals erwahnt, als Karl der Kiihne am 28. Juli 1457 vergoldete Silberzeichen und goldene Zei- chen des Wallfahrtsortes erwirbt und nach Rang und Stand an die anwesenden Hoflinge verteilt. Vgl. Hugo van der Velden, Karel de Stoute op bedevaart: de aanschaf van pelgrimstekens door degraaf van Charolais. in: Heilig en Profaan 2.1200 laatmiddeleuwse insignes uit collectie H.J.E. van Beuningen, hg. von Hendrik Jan Engelbert van Beuningen - Adrianus Maria Koldeweij - Dory Kicken (Rotterdam Papers 12), Cothen 2001, S. 234-241, dort S. 236 und Tab. auf S. 241. 17 Judith Oexle, Metallfunde aus Konstanzer Grabungen, in: Stadtluft, Hirsebrei und Bettelmonch, Zurich - Stuttgart 1992, S. 434, Abb. auf S. 435; Haasis-Berner (wie in Anm. 16). 18 Denis Bruna, Les enseignes de pelerinage et les enseignes profanes au moyen age, Vol. I Text, Vol. II Planches, Diss. Paris 1995, S. 163, Inv. CL. 23389. 19 van Beuningen - Koldeweij (wie Anm. 8), S. 174, Abb. 261-263; Hendrik Jan Engelbert van Beuningen - Adrianus Maria Koldeweij - Dory Kicken, Heilig en profaan 2, 1200 laatmiddel- eeuwse insignes uit openbare en particuliere collecties (Rotterdam Papers 12), Cothen 2001, S. 273f., Abb. 1172 und 1173. 20 Haasis-Berner (wie Anm. 16). 21 Ich danke der Ausgraberin Giannina Schindler fur die freundlichen Mitteilungen zum Befund. Vgl. Giannina Schindler, Kurze Fundberichte. Bodendenkmalpflege in Mecklenburg-Vorpom¬ mern 50, 2002. S. 490f. 22 Heiko SchAfer, Zur Keramik des 13. bis 15. Jahrhunderts in Mecklenburg-Vorpommern, Bodendenkmalpflege in Mecklenburg-Vorpommern 44, 1996, S. 322-326.
Pilgerzeichenfunde in Mecklenburg- Vorpommern 77 Der 86 Millimeter hohe und 55 Millimeter breite, hochrechteckige Gitterguss mit spitzgiebligem Abschluss ist in Fragmenten erhalten. Auf jeder Seite des Rah- mens sind zwei Osen angebracht. An der oberen linken und rechten Rahmenseite und unten rechts ist noch je eine Zunge erkennbar, die anderen sind abgebro- chen.23 Die Seiten und der Boden des Rahmens deuten im Guss eine Tordierung an. Der Giebel ist mit kleinen Krabben besetzt, die Verzierung auf der Spitze ist nicht mehr vollstandig vorhanden. An der rechten Seite ist ein Architekturaufsatz in Form eines Turmchens erhalten. Im Inneren des Giebels wolbte sich wahr- scheinlich ein Dreipass. Das Stuck zeigt eine in bischofliches Omat gekleidete Figur, die auf dem Riicken eines Drachen steht. Die Kleidung des Bischofs ist mit vier Stemen verziert. Der Bischofsstab in der linken Hand stoBt in den ge- offiieten Rachen des Drachen. Die Rechte halt einen Schliissel mit verdicktem Griff und zum Kopf gewandten Bart, der mit fxinf Kreuzen verziert ist. Die Riick- seite des Zeichens ist glatt. Dargestellt ist der hi. Servatius, der erste Bischof von Tongem, der 384 in Maastricht gestorben ist. Seit dem 6. Jahrhundert fand die Verehrung des Heili- gen im Westen Europas groBe Verbreitung, besonders im Rhein- und Moselgebiet. Sein Grab war eine der wichtigsten Kultstatten des Mittelalters.24 Eine spezielle Verehrung genossen ein Gewand des Heiligen sowie sein Stab, seine Trinkschale und natiirlich sein Schliissel.25 Der Gitterguss kann nach Haasis-Bemer26 als ein Exemplar der Variante 3 der Maastrichter Servatius-Zeichen identifiziert werden. Insgesamt sind zusammen mit dem Rostocker Fund sieben Zeichen diesen Typs iiberliefert. Ein Stuck ist in Dordrecht in Holland erhalten, es wird zwischen 1375 und 1425 datiert27 und eines stammt aus Kolobrzeg in Polen, welches ins 14. Jahrhundert gesetzt wird.28 In Skandinavien sind Exemplare aus Selje in Norwegen, um 130029, Kobingsho- 23 Zwei Zungen sind nach hinten umgebogen. Sie dienten zum Hinterlegen des Pilgerzeichens mit Stoff, Papier, Pergament oder ahnlichem Material. Vgl. Kurt KOsier, Mittelalterliche Pilgerzeichen und Wallfahrtsdevotionalien, in: Rhein und Maas. Kunst und Kultur 800-1400 [Ausstellungskatalog Koln 1972], hg. von Anton Legner, Koln 1972, S. 147. 24 Lexikon der christlichen Ikonographie, hg. von Engelbert Kirschbaum, Bd. 8, Rom - Frei¬ burg - Basel - Wien 1976, Sp. 331. 25 Stephan Beissel, Die Verehrung der Heiligen und Hirer Reliquien in Deutschland im Mittel- aher, Teil 2, Neudruck Darmstadt 1988, S. 122. Speziell zur moglichen Herkunft des Schliis- sels aus Rom, auch als besonderes Wallfahrtsmitbringsel im 6. Jh., siehe ebd., Teil 1, S. 8f. 26 Haasis-Bemer (wie Anm. 8), S . 187f. 27 van Beuningen - Koldeweij (wie Anm. 8), Nr. 0666, S. 192, Abb. 336; Haasis-Berner (wie Anm. 8), Nr. 39, S. 187. 28 Marian R^BKOWSKI, Znakipielgrzymie, in: Archcologia sredniowiecznego Kolobrzegu, tom 3, hg. von Marian R^bkowski, Kolobrzeg 1998, S. 225, Abb. VII 2; Haasis-Berner (wie Anm. 8), Nr. 44, S. 188. 29 Lars ANDERSSON, Pilgrimsmarken och vallfart. Medeltide pilgrimskultur i Skandinavien
78 Katrin Nagel ved Borg in Danemark, 13. Jahrhundert, und zwei aus Schweden - in Fomasa, um 1300, und in Skanninge, 14. Jahrhundert - bekannt.* 30Das Rostocker Stuck ragt durch seine qualitatvolle Fertigung unter alien anderen hervor. Die zusammen mit dem Maastrichter Pilgerzeichen in Rostock gefundene runde Plakette mit einem Durchmesser von 32 Millimeter besitzt zwei gegen- standige Osen und ist mit einem umlaufenden Perlrand versehen (Abb. 4). Die Plakette ist mit fiinf uneinheitlich gearbeiteten Scheibenkreuzen verziert, eines befindet sich in der Mitte und die anderen vier kreuzformig darum herum. Zwi- schen den Scheibenkreuzen sind vier Zeichen angebracht, die als die Buchstaben D oder С, E, V und S gedeutet werden konnen.31 Die Riickseite der Plakette tragt drei Reihen kleiner Noppen. Der Herstellungsort des Stiickes ist unbekannt. Ob es sich bei der Plakette um ein Pilgerzeichen handelt, ist nicht mit Sicherheit zu sagen. Der Zusammenfund mit dem Gitterguss macht dieses wahrscheinlich. Es konnte sich aber auch um ein apotropaisches Amulett handeln. Die Gestaltung mit den fiinf Scheibenkreuzen lasst an Weihekreuze oder Hostien denken. In die- sem Fall konnte man die Anzahl mit den Fiinf Wunden Christi32 oder einem Wun- der mit fiinf Hostien in Verbindung bringen. Wenn man davon ausgeht, dass der Hersteller der Gussform des Schreibens nicht machtig war, konnte die Reihe der Buchstaben das Wort ,,DEVS“, lateinisch fur ,,Gott“, ergeben. Die sehr einfach und grob gehaltene Form des Stiickes deutet darauf hin. Das 25 Millimeter hohe und 14 Millimeter breite Miniaturglockchen ist flach- gedriickt und beschadigt (Abb. 5). Es ist unverziert und besitzt eine runde Ose zum Aufhangen. Ob ein Kloppel vorhanden ist oder war, kann aufgrund des schlechten Zustandes des Stiickes nicht festgestellt werden. Glockchen sind von einigen Wallfahrtsorten als Devotionalien bekannt, so zum Beispiel in Canter¬ bury, Amiens, Mont-Saint-Michel, Rocamadour und Loreto.33 Es ist zu fragen, ob man das Glockchen im beschriebenen Fundzusammenhang als Wallfahrtsde- votionalie deuten kann - moglich ware dies. (Lund Studies in Medieval Archeaology 7), Kumla 1989, Nr. 6, S. 67; Haasis-Berner (wie Anm. 8), Nr. 43, S. 188. 30 Haasis-Berner (wie Anm. 8), Nr. 40-42, S. 187f. 31 Zur Deutung der Buchstaben siehe die Diskussion in der Magisterarbeit der Verfasserin, Nagel (wie Anm. 1), S. 39f. 32 Spencer sieht die fiinf Weihekreuze auf mittelalterlichen Altartafeln als Anspielung auf die Fiinf Wunden Christi. Vgl. Brian Spencer, Pilgrim Souvenirs and Secular Badges (Salisbury Museum Medieval Catalogue 2) Salisbury 1990, S. 38.- Der Fiinf Wunden Christi wurde im 9. Jh. erstmals gedacht. Die Verehrung verbreitete sich im 12. und 13. Jh. mit Bernhard von Clairvaux und der Stigmatisation des Franz von Assisi, im 14. und 15. Jh. trat sie schon hau- figer auf. Vgl. Lexikon der christlichen Ikonographie, hg. von Engelbert Kirschbaum, Bd. 4, Rom - Freiburg - Basel - Wien 1972, Sp. 540-542. 33 Zum Fund und zur Diskussion von Glockchenfimden siehe Nagel (wie Anm. 1), S. 65-68. Zum Fundkomplex gehorten auch einige Schellen. Vgl. Schindler (wie Anm. 21), S. 490f.
Pilgerzeichenfunde in Mecklenburg-Vorpommern 79 Abb. 4: Runde Plakette, gefunden in Rostock, Neuer Markt 17/18. Foto: Katrin Nagel Abb. 5: Glockchen, gefunden in Rostock, Abb. 6: Pilgerzeichen mit einem unbekannten Heiligen, Neuer Markt 17/18. Foto: Ralf Mulsow gefunden in Rostock, GrubenstraBe. Foto: Ralf Mulsow
80 Katrin Nagel Das nachste hier vorgestellte Stuck wurde gleichfalls in Rostock, in der Gru- benstraBe, ergraben (Abb. 6). Der Fundplatz lasst sich wahrscheinlich als Be- und Endladeplatz in Hafenrandlage deuten. Das Zeichen wurde unter der Dielung eines Nebengebaudes geborgen. Der Schwellbalken war noch erhalten, und die Dielung bestand aus sekundar verbauten Schiffsplanken, deren dendrochronolo- gische Analyse Daten nach 1260 ergaben. Der Stratigraphie nach wurde das Zei¬ chen im Zeitraum nach 1257/um 1260 bis 1340 abgelagert.34 Aufgrund der Fun- dlage kann man davon ausgehen, dass das Fundstiick entweder beim Bau der Die¬ lung verloren ging oder absichtlich an dieser Stelle deponiert wurde. Bei dem figiirlichen Flachguss ist der Kopf alt abgebrochen. Die Gestalt tragt ein langes gegiirtetes Gewand mit Kragen und gekrauselter Oberflache. Die Krau- selung konnte stilisierte Haare oder Fell darstellen. An den Seiten des Gewandes ist ein verzierter Rand zu erkennen, der als Mantel interpretiert werden kann. Unter dem Saum des Kleides sind die FiiBe zu sehen, neben denen rechts und links eine Ose angebracht ist. Die rechte Hand tragt einen szepterahnlichen Stab iiber der Schulter, die Linke halt einen Gegenstand in Kreuzform oder bildet eine offene Ose. Unter dem linken FuB scheint sich ein Gussrest von der Fertigung des Zeichens zu befinden. Welche Figur dargestellt ist, lasst sich nicht erkennen. Damit kann das Zeichen auch keinem bestimmten Herkunftsort zugewiesen wer¬ den. Bis jetzt trat Mecklenburg-Vorpommern in Bezug auf archaologische Funde von Jakobsmuscheln nur durch seine Fundleere hervor. Dieses Bild hat sich in den letzten Jahren stark verandert. Inzwischen konnten insgesamt acht Muscheln der Art Pecten maximus geborgen werden, fur zwei der Muscheln ist die An- sprache als Pilgerzeichen jedoch fraglich. Die bedeutendsten Funde sollen hier kurz vorgestellt werden. Erstmals fur Mecklenburg-Vorpommern ist eine Bestattung mit einer Jakobs- muschel bekannt geworden (Abb. 7 a, 7 b). Das Grab konnte wahrend der Aus- grabungen auf dem Friedhof an der Nordseite der Jakobikirche in Rostock ge¬ borgen werden.35 Von der Ost-West ausgerichteten Bestattung eines Erwachse- nen in gestreckter Riickenlage waren nur noch Ober- und Unterschenkel, ein Teil des Beckens, drei Wirbel, ein vollstandiger Arm und ein Unterarm erhalten. Die Unterarme waren leicht nach unten angewinkelt. Der Schadel fehlte aufgrund einer Baggerstorung. Die 83 Millimeter hohe und urspriinglich etwa 90 bis 95 Millimeter breite Jakobsmuschel lag im Brustbereich direkt auf der Wirbelsaule, unter ihr hafteten noch drei Wirbel. Sie ist der Lange nach in der Mitte durchge- 34 Den Befunden nach wurden auf dem Gelande wahrscheinlich Schilfe repariert und abge- wrackt. Von 1240 bis 1290 konnten groBere Werkstatten oder kleinere Lagergebaude na- chgewiesen werden. Ich danke dem Ausgraber Jonathan Burrows fur die Informationen. 35 Ich danke Reiner Konczak fur die Informationen zu diesem Fundstiick.
Pilgerzeichenfunde in Mecklenburg-Vorpommern 81 Abb. 7 a, b: Jakobsmuschel (unten). Grabfund aus der Rostocker Jakobikirche (oben). Fotos: Ralf Mulsow
82 Katrin Nagel brochen und der obere Teil der linken Ohrenklappe fehlt. Die rechte Ohrenklappe ist durchbohrt, die Bohrung auf der Linken ist zu erahnen. Die Person wurde wahrscheinlich in Pilgertracht bestattet. Die Lage des Fundstiickes im Grab lafit eine Anbringung auf einer Tasche ebenso vermuten wie auf der Oberbekleidung des Bcstattctcn.36 Der Ausgraber datiert die Bestattung mit Vorbehalt ins 14. bis Anfang des 15. Jahrhunderts, wohl um 1400. Ob es sich bei der bestatteten Person um einen Rostocker Burger handelte, der als Erinnerung an eine untemommene Wallfahrt in seiner Pilgertracht bestattet wurde, ist nicht zu klaren. Es konnte sich auch um einen skandinavischen Pilger handcln, der auf der Riickrcisc verstarb und an der Kirche des Pilgerapostels Ja- kobus bestattet wurde. Rostock war einer der Verbindungspunkte fur Seereisen zwischen Skandinavien und Santiago de Compostela. Eine weitere Jakobsmuschel stammt vom Friedhof Wamemunde bei Rostock. Sie wurde in der Nahe eines Ost-West ausgerichteten, fast vollstandig erhaltenen Skelettes geborgen. Der Befund wurde durch einen Bagger gestort und die Mu- schel nicht in situ erfasst, die Zugehorigkeit zum Grab 127 ist jedoch wahr¬ scheinlich. Die Jakobsmuschel ist 56 Millimeter hoch und 55 Millimeter breit. Sie besitzt eine zentrale Durchbohrung zwischen den Ohrenklappen, auf der re- chten Seite der Muschel ist ein Stuck ausgebrochen. Die untersuchten Bestattun- gen in Wamemunde werden in einen Zeitraum vom 14. Jahrhundert bis um etwa 1890 gesetzt. Das Grab 127 wird vom Ausgraber einer Gruppe Bestattungen zu- geordnet, die aufgrund ihrer Lage ins 14. Jahrhundert datiert wird.37 Santiago de Compostela kann nicht eindeutig als Herkunftsort der beiden Jakobsmuscheln angegeben werden. Der Wallfahrtsort Mont-Saint-Michel vertrieb seit 1394 gleichfalls Jakobsmuscheln als Wallfahrtszeichen, ebenso sind sie auch aus Notre- Dame de Finisterre in Spanien bekannt.38 Die Pilgertaschen wurden ofter nicht nur in ihrer natiirlichen Tragehaltung an der Seite des Toten deponiert, sondern konnen ihm auch auf den Bauch oder auf die Brust gelegt worden sein. Vgl. Andreas Haasis-Berner, Die Jakobsmuschel in Grabfunden. Hinweise zu Ur- sprung und Bedeutung eines Pilgerzeichens, Stemenweg 16, 1995, S. 3-11, dort S. 8. - Die Jakobsmuscheln wurden den Pilgern nicht nur als blofle Erinnerungsstiicke mit ins Grab ge- geben, sondern weil sie die Muscheln „bei der Auferstehung als Zeichen fur eine fromme und segensreiche Wallfahrt vorweisen konnten“, und sich so als fromme Menschen den Ein- lass ins Himmelreich erhofften. Vgl. Andreas Haasis-Berner, Archaologische Funde von mittelalterlichen Pilgerzeichen und Wallfahrtsandenken in Westfalen, Westfalen. Hefte fur Geschichte, Kunst und Volkskunde 78, 2000, S. 345-363, dort S. 349. 37 Ich danke dem Ausgraber Jonathan Burrows und Ralf Mulsow fur die zur Verfugung ge- stellten Informationen. 38 Kurt KOster, Pilgerzeichen und Pilgermuscheln von mittelalterlichen Santiagostrafien. Saint- Leonard, Rocamadour, Saint-Gilles, Santiago de Compostela. Schleswiger Funde und Ge- samtiiberlieferung (Ausgrabungen in Schleswig 2), Neumiinster 1983, S. 143f.; Bruna (wie Anm. 18), S. 91; Haasis-Berner, Archaologische Funde (wie Anm. 36), S. 349, Anm. 14; Haasis-Berner (wie Anm. 8), S. 51, Anm. 197.
83 Jorg Ansorge Pilgerzeichen sowie religiose undprofane Zeichen aus der Grabungfur das Ozeaneum in Stralsund Stralsund, 1234 vom Riigenschen Fiirsten Wizlaw I. (urn 1180-1250) mit dem Lii- bischen Recht bewidmet, entstand als eine deutsche Grundung am westlichen Ufer des Strelasunds, einer MeercsstraBe, die die Insel Riigen vom Festland trennt. Wirt- schaftlicher Ansatz fur die Stadtgriindung waren die reichen Heringsgriinde, in denen sich im Fruhjahr und Herbst die Fische zum Laichen einstellen.1 Stralsund entwickelte sich rasch zu einer bedeutenden Handelsstadt, zu einer Drehscheibe im Ostseehandel, der zum groBen Teil iiber den Hafen am Strelasund abgewickelt wurde. Aufgrund geringer Wassertiefen mussten auf Eichenpfosten errichtete Seebriicken bis weit in den Sund gefuhrt werden, an denen die Hanse- koggen anlegen konnten. SchifFe mit zu groBem Tiefgang wurden zuvor auf See geleichtert (Abb. 1). Aufgrund ungtinstiger Stromungsbedingungen und bestandi- ger Sedimentzufuhr von Land verflachte der Hafen iiber die Jahrhunderte be- trachtlich, so dass die Seebriicken standig verlangert und auch verbreitert wurden. Trotz umfangreicher Baggerarbeiten ab der Mitte des 19. Jahrhunderts gelang es nicht, eine ausreichende Tiefe fur die DampfschifFe mit entsprechend groBer Tonnage herzustellen. So wurde dann, in Ablehnung von Zwischenlosungen, in den Jahren 1865-1869 ein neuer Hafen angelegt. Dazu schiittete man von der alten Hafenkante aus eine nordliche und eine sudliche Hafen insel auf, die durch 22 Meter breite, stadtparallele Kanale und einen Querkanal getrennt sind. Zur Aufschiittung der Hafeninsel diente das Baggergut aus den Kanalen sowie Bag- gerschlick aus der Fahrrinne im Strelasund. Die Oberflache wurde mit einer etwa einen Meter machtigen Bauschuttschicht befestigt. Durch diese BaumaBnahmen wurde die neue Kaikante etwa 250 m nach Osten in den Strelasund verschoben. Von April bis November 2006 fuhrte das Landesamt fur Kultur und Denk- malpflege von Mecklenburg-Vorpommern unter Leitung des Verfassers baube- gleitende archaologische Untersuchungen auf der nordlichen Hafenhalbinsel, zwi- schen Neuer Semlower und Neuer BadenstraBe, fur den Neubau des Ozeaneums durch. Das Ozeaneum ist als Teil des Deutschen Meeresmuseums einer der groB- ten Museumsneubauten in Deutschland. Im zentralen Achsenkreuz fur den Tech- nikkeller wurde die Ausgrabung bis in eine Tiefe von 2,50 m unter HN gefuhrt. 1 Carsten Janke, Das Silber des Meeres. Fang und Vertrieb von Ostseeheringen zwischen Nonvegen und Italien (12.-16. Jahrhundert) (Quellen und Darstellungen zur hansischen Geschichte Neue Folge49), Koln - Weimar - Wien 2000.
84 JorgAnsorge Abb. 1: Stralsund in einer Stadtansicht des Matthaus Merian von 1650, der Pfeil weist auf den Hafenbereich zwischen Semlower Briicke und Badenbriicke. Foto: Jorg Ansorge Abb. 2: Baugrube des Ozeaneums im ehemaligen Stralsunder Hafen zwischen Semlower Briicke und Badenbriicke. Lage der Befimde. Grafik: JorgAnsorge Neue B&Jenstra&e
Pilgerzeichen sowie religiose und profane Zeichen aus Stralsund 85 Bei den Untersuchungen konnten die um 1845 erheblich verlangerte Torf- oder Konigsbriicke, Teile des Uferbollwerkes sowie das ostliche Ende der Semlower Briicke freigelegt und dokumentiert werden (Abb. 2). Anhand dendrochronologischer Untersuchungen der verbauten Holzer kon- nen genaue Aussagen tiber die einzelnen Bauphasen getroffen werden. Die altes- ten Eichenpfosten am Ende der Semlower Briicke wurden im Jahre 1513 einge- rammt. Damals hatte die Briicke eine Breite von etwas iiber zwei Metem. Die holzemen Seebriicken waren den Witterungseinfliissen, wie Hochwasser und vor allem Eisgang besonders stark ausgesetzt, so dass etwa alle 30 Jahre, bis 1854, umfangreiche Reparaturen und Ausbauten erfolgten, wobei die Briicke bis zum 19. Jahrhundert schlieBlich eine Breite von fast sieben Metem erhielt. Unmittelbar unter der Semlower Briicke hatte sich ein etwa zwei Meter mach- tiges anthropogenes Schichtenpaket erhalten, das zwischen dem 13. und 19. Jahr¬ hundert abgelagert wurde. In einer Tiefe von 3,00-2,40 m unter HN liegt im Be- reich der Semlower Briicke flachendeckend eine etwa 60 Zentimeter machtige Schicht ,,Mist“ mit vielen Speiseknochen und Keramikabfallen2, die offensicht- lich durch die Entleerung von Latrinensedimenten am Ende der Seebriicke ent- standen ist. Das zeitliche Ende dieser Ablagerungen und damit moglicherweise auch der Praxis der Latrinenentleerung in den Strelasund ist fur den Beginn des 16. Jahrhunderts anzunehmen. Moglicherweise hatte man erkannt, dass die ktis- tenparallele Stromung des Strelasunds nicht ausreichte, die Fakaliensedimente weitab vor die Kiiste zu transportieren und man sich auf diese Weise den Hafen selbst zuschiittete. Uber den Mistschichten stellte sich zu Beginn des 16. Jahr¬ hunderts eine deutlich weniger anthropogen beeinflusste Sandablagerung ein.3 Auffalligerweise fallt diese Umstellung in die Zeit der altesten im Bereich der Semlower Briicke nachgewiesenen Eichenpfosten. Aus den mittelalterlichen Mistschichten4 sowie den dariiber liegenden friih- neuzeitlichen Sandschichten konnten durch den intensiven Einsatz eines Metall- detektors umfangreiche Kleinfunde aus Blei- und Kupferlegierungen, darunter eine groBere Zahl an Pilgerzeichen sowie religiosen Andenken geborgen werden. Weitere Pilgerzeichen stammen aus mittelalterlichen Schichten, die beim Aus- stich der stadtparallelen Kanale zur Aufschiittung der Hafeninsel umgelagert wur¬ den.5 Die Tatsache, dass es sich bei diesen fundreichen Schichten tiberwiegend um Strandsande handelte, spricht dafiir, dass hier Abfalle entsorgt wurden, aus denen im ufemahen Bereich die organischen Bestandteile ausgewaschen wurden. Der feine Detritus kam in den tieferen Bereichen des Hafens und des Strelasunds zur 2 Befunde 12, 13. 3 Befund 11. 4 Behind 12. 5 Befunde 1,21.
86 Jorg Ansorge Ablagerung. Somit lasst sich der Reichtum an metallischen Kleinfunden, der durchaus vergleichbar mit denen anderer Fluss- bzw. Gewasserfundstellen (Lon¬ don: Themse6, Paris: Seine7, Niederlande: Wattenmeer, Bremen: Weser8, Liibeck: Trave9, Seehausen: Oberuckersee10 11) ist, im GroBen und Ganzen durch die Ab- fallentsorgung und Latrinenentleerung in den Strelasund erklaren. Aus Behind 6 stammt iiberwiegend Fundmaterial des zweiten Viertels des 17. Jahrhunderts, dass urspriinglich zum Bau der Kronlastadie-Basion aufgeschuttet wurde, es kommt aber auch mittelalterliches Material vor. Stralsunder Pilgerwesen und Pilgerzeichenfunde aus Stralsund Tiefe Religiositat und Heiligenverelirung pragten die mittelalterliche Gesellschaft. In Stralsund zeugen davon heute noch die drei machtigen Backsteinkirchen von St. Nikolai, St. Jakobi und St. Marien, das Dominikanerkloster St. Katharinen, das Franziskanerkloster St. Johannis sowie das Heilgeist-Hospital, letzteres auBer- halb der Stadtmauer am Hafen gelegen. Bereits zu Beginn des 14. Jahrhunderts verlieren sich die Spuren der Kirche St. Peter und Paul, das St. Jurgen Hospital vor dem Spitaler Tor gelegen, verschwand im Zuge der Errichtung der Bastionen im 16.-17. Jahrhundert. AuBer diesen Stein gewordenen Zeugen des Glaubens schmiickten iiber zweihundert Altare das Innere der Gotteshauser, an denen Hun- derte von Vikarien gestiftet waren. An die funfzig geistliche Bruderschaften waren mit den Kirchen verbunden.11 Zur Erlangung des Seelenheils, zur Verehrung Heiliger, zur Gewinnung eines Ablasses oder zur Furbitte um Hilfe in personlicher oder gesundheitlicher Not untemahmen die Stralsunder Pilgerreisen zu ausgewiesenen Wallfahrtsstatten. Wallfahrtsorte wurden aber auch bei Geschaftsreisen, im Zuge des Femhandels oder auf Romfahrten des Klerus in kirchlichen Angelegenheiten besucht. In etli- chen Fallen wurde zur Siihne von Mord und Totschlag die Entsendung von Wall- fahrem gefordert. 6 Brian Spencer, Pilgrim souvenirs and secular badges (Medieval finds from excavations in London 7), London 1998. 7 Denis Bruna, Enseignes depelerinage et enseignesprofanes, Paris 1996. K Jurgen Wittstock, Der Bremer PiIgerzeichen-Fund, in: Der Jakobskult in ,,Kunst“ und ,,Literatur“, hg. von Klaus Berbers - Rudolf Plotz (Jakobus-Studien 9), Tubingen 1998, S. 85-107. 9 Jurgen Wittstock, Pilgerzeichen in Liibeck - Alte und neue Funde, in: Lubecker Schriften zur Ar- chaologic und Kunstgeschichte 8,1984, S. 15-21. 10 Hartmut Kuhne, Der Pilgerzeichenfund am Kloster Seehausen und sein historischer Kontext. Mit einem Katalog des Seehausener Fundes von Carina Brumme, in: Sachkultur und religiose Praxis, hg. von Dirk Schumann (Studien zur Geschichte, Kunst und Kultur der Zisterzienser 8), Berlin 2007. S. 406-457. 11 Hellmuth Heyden, Die Kirchen Stralsunds und ihre Geschichte, Berlin 1961.
Pilgerzeichen sowie religiose und profane Zeichen aus Stralsund 87 Uber die Ziele der Wallfahrten, die Griinde und die teilnehmenden Personen erfahren wir aus den Stralsunder Stadtbiichem12 sowie aus 1.017 Testamenten, die den Zeitraum von 1309 bis 1530 umfassen.13 Die Testamente wurden haufrg vor Antritt einer Pilgerreise aufgesetzt. 220 Testamente enthalten Hinweise auf selbst zu untemehmende oder stellvertretend auszufuhrende Wallfahrten. 385 Pil- ger sollten von Stralsund aus 32 verschiedene Gnadenstatten aufsuchen, wobei insgesamt 493 Besuche verschiedener Wallfahrtsstatten gezahlt werden konn- ten.14 Neben Jerusalem und Rom, den wichtigsten Statten der Christenheit wur¬ den folgende Gnadenstatten von Stralsunder Pilgem aufgesucht: Santiago de Compostela in Spanien, Bari in Italien, St. Josse-sur-Mer, Rocamadour und Thann in Frankreich, Einsiedeln in der Schweiz, Canterbury in England, ’s-Hertogen- bosch und Maastricht in den Niederlanden, Vadstena in Schweden, Riga in Lett- land, Aachen, Koln, Diiren und Trier im Rheinland, Gottsbiiren in Hessen, K6- nigslutter am Nordharz, St. Hulpe bei Geismar im Eichsfeld.15 Ziele in der Mark Brandenburg waren Wilsnack, der in den Stralsunder Testamenten mit Abstand am meisten genannte Wallfahrtsort, der Golmberg (Golme) beim Kloster Zinna16 und Alt Kriissow in der Prignitz.17 In Mecklenburg pilgerte man nach Sternberg18, Antoniushof in Tempzin sowie Eichsen.19 12 Ferdinand Fabricius, Das alteste Stralsundische Stadtbitch, Berlin 1872; Horst Diether Schroeder, Der Stralsunder liber memorial is, Teil 1-5, Schwerin u.a. 1964-1988. 13 Hellmuth Heyden, Stralsunder Wallfahrten, Greifswald-Stralsunder Jahrbuch 8, 1968, S. 29-37; Hart- mut BETTIN - Dietmar VOLKSDORF, Pilgerfahrten in den Stralsunder Biirgertestamenten als Spiegel burgerlicher Religiositat, in: Der Jakobuskult in Ostmitteleuropa. Austausch - Einfliisse - Wirkungcn, hg. von Klaus Herbers - Dieter R. Bauer (Jakobus Studien 12), Tubingen 2003, S. 231-257. 14 Bettin - Volksdorf (wie Anm. 13), S. 239ff. 15 Heyden (wie Anm. 13), S. 32 und Bettin - Volksdorf (wie Anm. 13), Karte 1, vermuten La Hulpe in Wallonien. St. Jakob in Hardenberg (Rheinland) und Heiligenblut in Emecke (Rheinland), nach Hey¬ den (wie Anm. 13), S. 31, und Hardenberge, nach Bettin - Volksdorf (wie Anm. 13), S. 250, sind nicht sicher zu lokalisieren. 16 Bettin - Volksdorf (wie Anm. 13), S. 246, verzeichnen 38 Pilgerfahrten nach Golme, wobei Ver- wechslungen mit dem hinterpommerschen Gollen bei Koslin wahrscheinlich sind Die Identifikation des Ortes Golm, Golme etc. in den hansestadtischen Testamenten mit der Marienkapelle des Klosters Zinna auf dem Golmberg im Flaming geht auf Jacob de Melle, De itineribus Lvbecensium sacris, sen religiosis et votivis eorum, Ltibeck 1711, zuriick, der den Berg wohl durch seine Nahe zur Universilats- stadt Wittenberg kannte. Norbert Ohler, Zur Seligkeit undzum Troste meinerSeele. Liibecker unterwegs zu mittelalterlichen Wallfahrtsstatten, Zeitschrift fur Lubeckische Geschichte und Altertumskunde 63, 1983 S. 83-103, hat diese Identifikation von de Melle ungepriift iibemommen, wodurch sie in der neueren Forschung verbreitet wurde. Freundlicher Hinweis von Hartmut Kiihne, Berlin. 17 Ein Hinweis auf Zehdenick als Wallfahrtsort findet sich bei Heyden (wie Anm. 11), S. 84. 18 Johannes Schildhauer, Hansestadtischer Alltag, Untersuchungen auf der Grundiage der Stralsunder Burgertestamente vom Anfang des 14. bis zum Ausgang des 16. Jahrhunderts (Abhandlungen zur Han¬ dels- und Sozialgeschichte 28), Weimar 1992, S. 32, weist Sternberg 24 mal in den Testamenten nach. 19 Heyden (wie Anm. 11), S. 84, nennt auch noch Grabow als von Stralsundem besuchten Gnadenort in Mecklenburg.
88 Jorg Ansorge Die bedeutendsten Pilgerziele in der naheren Umgebung Stralsunds waren St. Maria Pomerana in Kenz seit etwa 138020 und St. Ewald in Bodstedt ab 1474, des weiteren Voigdehagen vor den Toren der Stadt, Schaprode, Zudar auf Riigen, die Kapelle auf der Insel Vilm. Weitere Pilgerstatten in Vorpommem gab es in Demmin, Rakow bei Grimmen, Levenhagen bei Greifswald und Zinnowitz auf Usedom. Wichtigste Marienpilgerorte in Hinterpommem waren die Kapellen auf dem Gollen (poln. Gora CheJmska) bei Koslin (poln. Koszalin), der Revekol (poln. Rowoko) bei Stolp (poln. Shipsk) und der Heilige Berg bei Pollnow (poln. Polanow), die oft zusammen im Zuge einer Pilgerfahrt besucht wurden.21 Die Auswertung der Stralsunder Testamente durch Hartmut Bettin und Dietrnar Volksdorf ergab, dass nach einer Phase geringeren Wallfahrtsinteresses zu Be- ginn des 14. Jahrhunderts die erste grofie Pestepidemie von 1350 zu einer auffal- ligen Belebung der Wallfahrtsaktivitaten in Stralsund fuhrte. Bis zum Beginn des 16. Jahrhunderts war eine relativ kontinuierliche Wallfahrtsbegeisterung in der Stadt zu verzeichnen, die mit der Reformation seit 1525 nahezu schlagartig zum Erliegen kam. Die Hauptpilgerroute verlief iiber Wilsnack, Einsiedeln und Thann nach Aachen, wobei Abweichungen zu den zahlreichen in der Nahe dieser Haupt- wallfahrtsorte gelegenen Gnadenstatten iiblich waren. Rom und Santiago de Com¬ postela wurden fast ausschlieBlich in gesonderten Pilgerreisen aufgesucht. Mit der Abnahme der von den Testatoren selbst ausgeflihrten Wallfahrten (50 Prozent aller Wallfahrten im 14. Jahrhundert, 7 Prozent im 15. Jahrhundert), ist eine starke Regionalisierung der Wallfahrten im 15. Jahrhundert zu beobachten. Beinahe alle Heiligen, die vorher nur iiber eine Femwallfahrt anzurufen waren, konnten seit der zweiten Halfte des 15. Jahrhunderts auch in nahegelegenen Gnadenstatten auf¬ gesucht werden. Diese Entwicklung, die aufwendigen Femwallfahrten durch mehrere lokale bzw. regionale Wallfahrten zu ersetzen, korrespondiert mit dem Bestreben, die Anzahl der in einem Testament angeordneten Wallfahrten zu erhohen. Der hervorragenden Quellenlage zum Stralsunder Pilgerwesen anhand der Te¬ stamente, die sich im Hanseraum wohl nur mit Liibeck vergleichen lasst22, stan- den bisher nur wenige Pilgerzeichenfunde aus der Stadt gegeniiber. Das Bruch- stiick einer am Ende des 13. Jahrhunderts abgelagerten Pilgermuschel (Pecten maximus) stammt aus der Frankenstrafle 57a.23 Ein Wilsnacker Pilgerzeichen des 15./16. Jahrhunderts konnte bei einer Ausgrabung in der Hafenvorstadt, im Krons- 20 Nach Schildhauer (wie Anm. 18), S. 32, verzeichnen die Stralsunder Testamente 18 Pilgerfahrten nach Kenz. 21 Heydkn (wie Anm. 11), S. 84, verzeichnet auflerdem Grofl Sabow (poln. Zabowo) bei Naugard (poln. Nowogard), Heilig Blut in Wusseken (poln. Osieki Koszalinskie) bei Koslin (poln. Koszalin) sowie Binow (poln. Binowo) siidlich Stettin (poln. Szczecin), wo eine Abformung der Madonna von Binow in Ton als Pilgerzeichen vertrieben wurde. 22 Ohler (wie Anm. 16). 23 Jorg Ansorge - Julian WiETHOLD, Frankenstrafle 57a- zur Geschichte eines Stralsunder Grundstiickes
Pilgerzeichen sowie religiose und profane Zeichen aus Stralsund 89 winkel 2/3 geborgen werden.24 Ein Aachener Marienpilgerzeichen aus der Mitte oder dem zweiten Viertel des 14. Jahrhunderts fand sich auf dem Boden eines Laufbrunnens in der WasserstraBe.25 Bisher unpublizierte Neufunde sind ein Pil¬ gerzeichen der Heiligen Drei Konige aus Koln und ein Marienpilgerzeichen aus Rocamadour aus dem spaten 13. Jahrhundert.26 Mit den Pilgerzeichen aus der Baugrube fur das Ozeaneum liegt nun umfang- reiches neues Material vor, das die schriftlichen Quellen der Testamente und ei- niger Stadtbucheintragungen in hervorragender Weise erganzt. AuBer den Pil¬ gerzeichen sollen hier noch einige religiose und profane Zeichen vorgestellt wer¬ den, von denen es im Gegensatz zu den Niederlanden, Frankreich und England nur wenige Funde gibt. Von den 38 Pilgerzeichen und Fragmenten im engeren Sinne lassen sich lediglich zehn mit Sicherheit identifizieren und einem be- stimmten Wallfahrtsort zuweisen (Santiago de Compostela, Maastricht, Aachen, Wilsnack, Sternberg). Die Pilgerzeichen sind, bis auf eine Marienfigur aus Mes¬ sing27, aus Blei-Zinn-Legierungen gegossen. Die Pilgerzeichen aus der Baugrube des Stralsunder Ozeaneums spiegeln die Pilgerreisen der Burger der Stadt wider. Pilgerzeichen des spaten 13. Jahrhun¬ derts kommen anscheinend nicht vor. Zeichen des 14. Jahrhunderts stammen aus Aachen und Maastricht und belegen die auch aus den Quellen bekannte Pilger- freudigkeit in das Rhein-Maas Gebiet. Zeichen aus Thann und Einsiedeln fehlen im Fundmaterial. Die Zeichen des 15. Jahrhunderts sind ein Abbild der Regio- nalisierung der Wallfahrten, so finden sich drei Pilgerzeichen aus Wilsnack, ein Zeichen aus Sternberg sowie eine Vielzahl bisher nicht lokalisierter Pilgerzei¬ chen, die aber anscheinend aus dem norddeutsch-baltischen Raum stammen. Ge- rade Pilgerfahrten zu den regionalen Gnadenstatten haben keinen Eingang in die Testamente und anderen Schriftquellen gefunden, da sie in besonderem MaBe Alltaglichkeiten waren. Viele der Pilgerzeichen waren eingefaltet und damit unkenntlich. Dieses Pha- nomen ist anscheinend ursachlich auf die besondere religiose Bedeutung der Zei¬ chen fur den Besitzer zuruckzufuhren, so dass sie nach dem Tode des Tragers un- mit Brau- und Malzgerechtigkeit, Archaologische Berichte aus Mecklenburg-Vorpommern 9, 2002, S. 164-189, hierS. 169, Abb. 5. 24 Birgit Kulessa, Siedlungsgeschichte und Hafenentwicklung in der Hansestadt Stralsund vom Mittelalter bis zurfruhen NeuzeiU Rahden/Westfalen 2005, S. 240, Taf. 4, Abb. 20. 25 Renate Samariter, Ein Aachener Pilgerzeichen und Handwerkerabfall aus einem Laujbrunnen in der Stralsunder Hafenvorstadt, Archaologische Berichte aus Mecklenburg-Vorpommern 14,2007, S. 157- 168. Abb. 10. Ein als Brunnenstube des Holzschachtes genutzter Bottich wurde auf um/nach 1327 da- tiert. Da das Pilgerzeichen in der Nutzungsschicht des Brunnens lag, konnte man vermuten, dass es als eine Art Bnmnenzauber zeitnah zur Errichtung deponiert wurde. 26 Freundliche Mitteilung von der Grabungsleiterin Renate Samariter, Landesamt fur Kultur und Denk- malpflege. 27 ALM 2005/620/21; siehe hier Kat. Nr. S 26.
90 Jorg Ansorge kenntlich gemacht und in vielen Fallen in Latrinen versenkt wurden.28 Diese Praxis ist auch bei anderen personlichen Rechtsobjekten, wie Siegelstempeln29 und Papstbullen30 beobachtet worden. Da die Latrinen in regelmafiigen Abstanden entleert werden mussten, gelang- ten die Fakalien entweder auf die Felder vor den Toren der Stadte oder in Ge- wasser und hier bevorzugt in Flieftgewasser, wo die Fakaliensedimente abge- schwemmt und verdiinnt wurden. Metallische und Keramikobjekte haben sich durch diese Praxis an den Entleerungsstellen angereichert. So sind die Mist- schichten an der Semlower Brucke im ehemaligen Stralsunder Hafen sicher das Resultat vieler Hundert Entleerungsvorgange. Die religiosen und profanen Zei- chen sowie Kleidungs- und Trachtenbestanteile aus Blei-Zinn- und Kupferlegie- rungen gelangten nur selten, etwa bei Pestepidemien, mit der Kleidung und dem Bettzeug in die Latrinen, eher kamen sie ins Altmetall. Objekte aus Edelmetallen fanden sich nicht. Katalog der Pilgerzeichen sowie der religiosen und profanen Zeichen aus der Baugrube fur das Stralsunder Ozeaneum (Abb. 3-9) Pilgerzeichen Santiago de Compostela S 1./2. Jakobsmuscheln Spanien, Ende 15./Anfang 16. Jahrhundert Pilgerdevotionalie aus Santiago de Compostela Blei-Zinn; H. 12 mm (Muschel), 28 mm (gesamt); Gewicht 2,1 g, 0,9 g ALM 2005/620/240a,b, Befimd 11 Zwei stilisierte Jacobsmuscheln aus Blei-Zinn, an dem einen Stuck ist eine Lasche mit Ose erhalten, wonach die Stiicke als Kleidungsbesatz zu deuten sind. Die wahrscheinlich modelgleichen Stiicke sind gelocht und konnten somit auf Leder aufgenietet werden. 2H Vgl. dazu die abweichende Deutung im Beitrag von Carina Brumme, Pilgerzeichen - Erhal- tungsbedingungen und Verbreitungsraume, in vorliegendem Band. 29 Jorg Ansorge, Siegelstempel und Siegel im archaologischen Fundgut, in: Archaologie unter dem StraBenpflaster. 15 Jahre Stadtkemarchaologie in Mecklenburg-Vorpommern, hg. von Hauke Jons - Friedrich Liith (Beitrage zur Ur- und Friihgeschichte Mecklenburg-Vorpom- merns 39) Schwerin 2005, S. 95-98. 30 Jorg Ansorge, Vier Bleisiegel von Papst Bonifatius IX. (1389-1404) aus der Hansestadt Greifswald. Bodendenkmalpflege in Mecklenburg-Vorpommern 53 (Jahrbuch 2005), 2006, S. 289-314.
Pilgerzeichen sowie religiose undprofane Zeichen aus Stralsund 91 S 3. Jakobsmuschel (Meernabel) Spanien, Endc 15./Anfang 16. Jahrhundert Anhanger aus Santiago de Compostela Blei-Zinn; H. 31 mm; Gewicht 8,1 g ALM 2005/620/241, Befund 11 Ein Anhanger aus Blei-Zinn mit einem gefassten Meernabel (umbilicus marinus), die Riickseite zeigt eine stilisierte Jacobsmuschel. Beim Meernabel, auch Meer- vater Oder Meerbohne, handelt es sich um den Deckel der 7hr6o-Schnecke, dem gewisse apotropaische Krafte zugeschrieben wurden, so dass man ihn geme als Amulett trug.31 Aachen S 4. Thronende Maria mit Kind Niederrhein, 14. Jahrhundert Pilgerzeichenfragment aus Aachen Blei-Zinn; H. 34 mm; Gewicht 4,0 g ALM 2005/620/234, Befund 21 Es handelt sich um das Fragment eines Aachener Marienpilgerzeichens, das die thronende Muttergottes iiber einem architektonischen Dreipass zeigt. Das Stuck stimmt weitestgehend mit einem vollstandigen Marienpilgerzeichen aus Dord¬ recht (NL) iiberein, scheint aber nicht modelgleich zu sein.32 S 5. Thronende Maria mit Kind Niederrhein (?), 14. Jahrhundert Miniaturaltar aus Aachen (?) Blei-Zinn; H. 74 mm (Rahmen), 58 mm (Figur); Gewicht 15,1 g (Rahmen), 7,6 g (Figur) ALM 2005/620/215, Befund 1 Von besonderer Schonheit ist die Tafel eines Diptychons mit thronender Marien- figur mit dem Jesuskind auf dem SchoB. Der Klapprahmen aus Blei-Zinn besitzt auf der linken Seite zwei paarige, nach oben stehende Osen, auf der rechten Seite zwei seitwarts abstehende einzelne Osen. Die Riickseite zeigt ein Schachbrett muster in Architekturrahmen. Die Marienfigur hat auf der Riickseite einen Dorn, 31 Johann Georg Krunitz, Oekonomische Encyklopadie, Bd. 87 von Meeraal bis Maischkufe, Berlin 1802. S. 20. Liselotte Hansmann - Lenz Kriss-Rettenbeck, Amulett, Magie, Talisman, Hamburg 1999, bilden ge- fasste Meernabel ab (S. 181, Abb. 293, Herkunft Santiago de Compostela; S. 363, Abb. 776). 32 Hendrik Jan Engelbert van Beuningen - Adrianus Maria Koldeweij - Dory Kicken, Heilig en profaan 2 1200 laatmiddeleeuwse insignes uit openbare en particuliere collecties (Rotterdam Papers 12), Co- then 2001, S. 328, Abb. 1374.
92 Jorg Ansorge der das Verrutschen im Rahmen verhindem soil. Ein identischer Rahmen, mit oder ohne Figuren, diente zum SchlieBen des Diptychons. Die Zuweisung nach Aachen kann nur unter Vorbehalt erfolgen, die aufwendige Arbeit spricht zumin- dest fiir einen bedeutenden Marienwallfahrtsort. S 6. Thronende Maria Niederrhein, 14. Jahrhundert Pilgerzeichenfragment aus Aachen Blei-Zinn; H. 16 mm; Gewicht 1,8 g ALM 2005/620/205, Befund 12 Der fragmentarische Kopf einer thronenden romanischen Madonna lasst darauf schlieBen, dass die vollstandige Figur urspriinglich ca. 60-70 mm hoch war. Der Kopf, von einem Flachguss stammend, ist nimbiert (Perlenkranz) und tragt eine Lilienkrone. Das Stuck gehort zu einem mehr oder weniger einheitlichen Pilger- zeichentypus, der mit einer Reihe an Funden aus den Niederlanden und West- deutschland belegt ist.33 Andreas Haasis-Bemer vermutet aufgrund der Ikono- graphie der Marienfigur eine Entstehung am Niederrhein oder in Nordffankreich und halt u.a. auch Aachen fur den moglichen Entstehungsort.34 S 7. HI. Kaiser Karl (?) Niederrhein, 14. Jahrhundert Pilgerzeichen aus Aachen (?) Blei-Zinn; H. 52 mm; Gewicht 9,6 g ALM 2005/620/218, Befund 21 Ein Flachguss eines thronenden Heiligen, mit drei erhaltenen Osen am Thron. Die Figur halt in der rechten Hand einen Reichsapfel (Kreuz), der Kopf fehlt. Es bestehen Ahnlichkeiten mit Aachener Flachgiissen, die Karl den GroBen darstel- len.35 Dieser halt den Reichsapfel aber immer in der linken Hand. Das vorlie- gende Zeichen ist offensichtlich ein Nachguss eines originalen Pilgerzeichens, da es ungewohnlich dick ist und die Osen nicht durchbrochen sind. Ob das Stuck deshalb als Falschung anzusprechen ist, erscheint eher zweifelhaft. Vielmehr sollte man davon ausgehen, dass man am Ausgabeort des Zeichens Tonmodel von Originalen abgeformt hat. 33 Van Beuningen - Koldeweij - Kicken (wie Anm. 32), S. 344-345, Abb. 1432-1439. 34 Andreas Haasis-Berner, Archaologische Funde von Pilgerzeichen und Wallfahrtsandenken in West¬ falen. Westfalen 78 (2000), 2002, S. 345-363. S. 3581Г., Abb. 9a-d. 35 Van Beuningen - Koldeweij - Kicken (wie Anm. 32), S. 276, Abb. 1180-1181.
Pilgerzeichen sowie religiose und profane Zeichen aus Stralsund 93 Maastricht S 8. HI. Servatius Niederlande, 14. Jahrhundert Pilgerzeichen aus Maastricht Blei-Zinn; H. 65 mm (ohne Kopf); Gewicht 7,2 g ALM 2005/620/237, Befimd 12 Ein Servatius-Pilgerzeichen aus Maastricht mit den typischen Attributen des Hei- ligen: der Schliissel in der rechten Hand, stehend auf einem Drachen, stoBt er die- sem mit dem Bischofsstab in den Rachen. Das Zeichen ist einem Servatiuszeichen aus Brielle (NL) sehr ahnlich, aber nicht modelgleich.36 Das Zeichen war zwei- fach gefaltet, in der Einfaltung befand sich die Kriimme des Bischofsstabes. S 9. HI. Servatius Niederlande, 14. Jahrhundert Pilgerzeichen aus Maastricht Blei-Zinn; H. 54 mm; Gewicht 3,3 g ALM 2005/620/232, Befimd 21 Dieses Servatiuszeichen weist wie S 8 eine Einfaltung auf. AuBer Kopf, Schliis- sel und Bischofsstab fehlt auch der Drache. Das Stuck stimmt weitgehend mit einem Fund aus Nieuwlande (NL) iiberein, ist aber nicht modelgleich.37 S 10. HI. Servatius Niederlande, 14./15. Jahrhundert Pilgerzeichenffagment aus Maastricht Blei-Zinn; H. 26,8 mm; Gewicht 1,93 g ALM 2005/620/204, Befimd 1 Der Bischofskopf stimmt mit zwei in Nieuwlande (NL) gefundenen Servatius- btisten iiberein.38 36 Van Beuningen - Koldeweij - Kicken (wie Anm. 32), S. 293, Abb. 1259. 37 Hendrik Jan Engelbert van Beuningen - Adrianus Maria Koldeweij, Heilig en profaan. 1000 laatmid- deleeuwse insignes uit de collectie H.J.E. van Beuningen (Rotterdam Papers 8), Cothen 1993, S. 193, Abb. 340. 38 Robert Maarten van Heeringen - Adrianus Maria Koldeweij - Antonia Anna Geertruida Gaalman, Heiligen uit de modder. In Zeeland gevonden pelgrimstekens (Clavis kunsthistorische monografieen 4), Utrecht - Zutphen 1987, S. 65, Abb. 6.3; van Beuningen - Koldeweij (wie Anm. 37), S. 194, Abb. 2132* van Beuningen - Koldeweij - Kjcken (wie Anm. 32), S. 294, Abb. 1265.
94 JorgAnsorge Abb. 3: Pilgerzeichen aus derBaugrube des Ozeaneums in Stralsund, Blei-Zinn (Kat. Nr. S 7- S 18, S 27). Fotos: JorgAnsorge
Pilgerzeichen sowie religiose und profane Zeichen aus Stralsund 95 Abb. 4: Diptychon mit Marienflgur aus der Baugrube des Ozeaneums in Stralsund, Blei-Zinn (Kat. Nr. S 5). Fotos: Jorg Ansorge
96 Jorg Ansorge Sternberg S11. Hostienmonstranz Mecklenburg, um 1500 Pilgerzeichen aus Sternberg Blei-Zinn; H. 77 mm; Gewicht 9,8 g ALM 2005/620/211, Beftind 11 Das Pilgerzeichen aus Sternberg (Mecklenburg) war zusammengefaltet, es fehlen die beiden Hostien sowie das Kruzifix im oberen Teil. Links neben dem Stem befindet sich ein schrag eingeschlagenes Nagelloch. Die Inschrift in gotischen Minuskeln lautet ,,steme° °berch“.39 Die bisher bekannten Stemberger Pilgerzei¬ chen scheinen alle identisch und moglicherweise in ein und derselben Model ge- gossen worden zu sein. Der Stralsunder Fund ist der erste Nachweis eines Stem¬ berger Pilgereichens in Mecklenburg-Vorpommern.40 Wilsnack Es liegen drei Pilgerzeichen aus dem brandenburgischen Wilsnack vor, die typi- schen Dreihostienzeichen. Die Kreuze, die die beiden oberen Hostien bekronen, fehlen. Die Hostien zeigen Szenen aus der Passion Christi, wobei es sich bei den vorliegenden Stricken jeweils um Variationen handelt. S 12. Drei-Hostien-Zeichen Brandenburg, Ende 14./15. Jahrhundert Pilgerzeichen aus Wilsnack Blei-Zinn; H. (gesamt) 30,5 mm, Dm. (einzelne Hostie) ca. 15,5 mm; Gewicht 2,55 g ALM 2005/620/207, Befund 12 Eine der Dreiecksosen fehlt. Links oben erscheint die Auferstehung, rechts oben die Geiflelung, unten die Kreuzigung; die Kreuzigungshostie war gefaltet. 39 Die Lesung sternebereg bei KOhne - Brumme (wie Anm. 10), S. 28 und Ralf Jaitner - Gerhard KOHN, Ausgewahlte Pilgerzeichen aus dem Zisterziensernonnenkloster Seehausen in der Uckermark. Wisma- rer Studien zu Archaologie und Geschichte4,1994, S. 102-108, hier S. 103f. ist fehlerhaft. Eine sehr deutliche Inschrift ist auf einem Stemberger Pilgerzeichen aus Liibeck erhalten, Wittstock (wie Anm. 9), S. 15-21. 40 Abgiisse von Stemberger Pilgerzeichen finden sich in Mecklenburg auf Kirchenglocken in Pinnow (Landkreis Parchim, 1494), Siilten (Landkreis Demmin, 1494), Zierke (Landkreis Mecklenburg-Strelitz, Anfang 16. Jh.) und Peckatel (Landkreis Mecklenburg-Strelitz, um 1500.), Monika Schaugstat, Mit- telalterliche Pilgerzeichen auf Glocken in mecklenburgischen Dorjkirchen. Mecklenburgische Jahrbti- cher 109, 1993, S. 19-54. Die Datierung der Glocken in Pinnow und Siilten belegt die friihe Ausgabe von Pilgerzeichen, kurz nach Beginn der Wallfahrt im Jahr 1492. Noch 1523 wurde ein identisches Pil¬ gerzeichen auf einer Glocke in Stargard (Hinterpommem, poln. Stargard Szczecinski) abgegossen, Mar- cin Majewski, Ludwisarstwo Stargardskie ipomorskie XIV-XVII wieku, Stargard 2003, S. 102.
Pilgerzeichen some religiose und profane Zeichen aus Stralsund 91 513. Drei-Hostien-Zeichen Brandenburg, Ende 14715. Jahrhundert Pilgerzeichen aus Wilsnack Blei-Zinn; H. (gesamt) 29,9 mm, Dm. (einzelne Hostie) ca. 16,2 mm; Gewicht 3,6 g ALM 2005/620/208, Befund 12 Links oben erscheint die Kreuzigung, rechts oben die Auferstehung, unten die GeiBelung; die Kreuzigungshostie war gefaltet. 514. Drei-Hostien-Zeichen Brandenburg, um 1500 Pilgerzeichenfragment aus Wilsnack Blei-Zinn; Dm. (einzelne Hostie) ca. 15,5 mm; Gewicht 1,3 g ALM 2005/620/209, Befund 11 Fragmentarisches Zeichen, die Hostie rechts oben zeigt die Auferstehung, das Fragment der unteren Hostie zeigt die GeiBelung, die Hostie links oben fehlt. Pilgerzeichen unbekannter Herkunft Kreuzigungszeichen S15. Kreuzigungsgruppe Siidliches Baltikum (?), 2. Halfte 15. Jahrhundert Pilgerzeichen unbekannter Herkunft Blei-Zinn; Dm. 30-33 mm, T. 2-3 mm; Gewicht 6,1 g ALM 2005/620/219, Befund 21, Jesus am Kreuz mit Maria rechts und Johannes links als Assistenzfiguren, einge- fasst in einem runden Rahmen mit deutlichem Grat; robuster Gitterguss, wenig detaillierte Ausarbeitung der Figuren. Das Zeichen stimmt mit einem Fund aus Uppsala (Schweden)41 sowie Glockenabgiissen in Sundre (Gotland)42 und Fras- lev (Westseeland, Danemark)43 tiberein. Diese Zeichen wurden bisher nach Gotts- biiren in Hessen verortet, weisen im Gegensatz zu diesen aber einen profilierten Rahmen und keine Inschrift auf. Mit der Haufung dieser Zeichen in Skandinavien und dem Stralsunder Fund ist wohl eher an einen norddeutschen, vielleicht sogar 41 Lars Andersson, Pilgrimsmarken och vallfart. Medeltidapilgrimskultur i Skandinavien (Lund Studies in Medieval Archeaology 7), Kumla 1989, S. 121: Uppsala 2. Halfte 15. Jh. 42 Mats AmarK, Pilgrimsmarken pa svenska medeltidsklockor. Antikvariskt Arkiv 28, 1965, S. 1-52, hier S. 27, Abb. 18. 43 Niels-Knud Liebgott, Afstebninger af pilgrimstegn pa danske middelalderlige kirkeklokker. Aarboger for Nordisk Oldkyndighed og Histone, 1971, S. 216, Abb. 25. Die Glocke wurde 1495 von Oluv Kegge gegossen.
98 JorgAnsorge pommerschen Wallfahrtsort zu denken. Moglicherweise stammen vom selben Wallfahrtsort die identischen Kreuzigungsplaketten aus Seehausen und Danzig.44 Es liegen drei Kreuzigungszeichen vor, die bisher keinem Wallfahrtsort zuge- wiesen werden konnen und fur die identischen Vergleichsfunde fehlen. Es ist zu vermuten, dass es sich urn Plaketten des 15. Jahrhunderts aus einem nord- bzw. nordostdeutschen Pilgerort handelt. 516. Kruziflx Norddeutschland (?), 15. Jahrhundert Pilgerzeichen unbekannter Herkunft Blei-Zinn; H. 54 mm; Gewicht 8,25 g ALM 2005/620/213, Befiind 12 Ein Kruzifix mit sehr schlichter Darstellung des Gekreuzigten, die Kreuzenden sind erweitert und mit einem Rautenmuster verziert, die Fiifie gespreizt. 517. Kruzifix Norddeutschland (?), 15. Jahrhundert Pilgerzeichen unbekannter Herkunft Blei-Zinn; H. 39,7 mm; Gewicht 4,24 g ALM 2005/620/231, Befund 12 Pilgerzeichen mit detailreicher aber schlichter Darstellung des Gekreuzigten, die Fiifie sind gespreizt. Die Enden des Kreuzbalkens sind als Dreipass-Osen zur Be- festigung ausgebildet. Ein sehr ahnliches Zeichen liegt aus Alborg (Nordostjiit- land, Danemark) vor.45 518. Kruzifix Norddeutschland (?), 15. Jahrhundert Pilgerzeichenfragment unbekannter Herkunft Blei-Zinn; H. 33,5 mm; Gewicht 2,35 g ALM 2005/620/206, Befund 12 Fragment eines Kruzifixes. Der untere Teil des Kreuzes ist erweitert und mit einem Rautenmuster verziert, die Fiifie sind gespreizt. Das Zeichen ahnelt einem Danziger Fund46, ein weiterer Beleg liegt vom Frankendamm in Stralsund vor.47 44 KUHNE - Brumme (wie Anm. 10), Nr. 38, S. 351; Anna Paner - Henryk Paner, Gdanszczanie na pielgrzymkowych szlakacj w XIV iXVwieku. in: Gdansk Sredniowieczny. Gdansk 1998, S. 167-183, hierS. 182, Abb. 10 oben. 45 Andersson (wie Anm. 41), S. 119. 46 Paner - Paner (wie Anm. 44), S. 182, Abb. 10 rechts unlen. 47 Freundliche Mitteilung Renate Samariter, Landesamt fur Kultur und Denkmalpflege.
Pilgerzeichen some religiose und profane Zeichen aus Stralsund 99 Marienzeichen S 19. Stehende Maria mit Kind Norddeutschland oder siidliches Baltikum (?), 15. Jahrhundert Pilgerzeichen unbekannter Herkunft Blei-Zinn; H. 39,6 mm; Gewicht 2,63 g ALM 2005/620/220, Befirnd 21 Eine gekronte Marienfigur in krabbenbesetztem Architekturrahmen (Kreuz fehlt), mit dem Jesuskind auf dem Arm und einem schragen Kreuz iiber der Schulter. Das Zeichen stimmt mit Funden aus Seehausen (Uckermark)48 und Elbing49 iiberein.50 S 20. Stehende Maria mit Kind Norddeutschland oder siidliches Baltikum (?), 15. Jahrhundert Pilgerzeichen unbekannter Herkunft Blei-Zinn; H. 42 mm; Gewicht 3,2 g ALM 2005/620/201, Beftmd 12 Das Zeichen ist S 19 sehr ahnlich, lediglich die Krone weicht leicht von der des genannten Exemplars ab. S 21. Stehende Maria mit Kind Norddeutschland oder siidliches Baltikum (?), 15. Jahrhundert Pilgerzeichen unbekannter Herkunft Blei-Zinn; H. 33,2 mm; Gewicht 3,71 g ALM 2005/620/212, Beftmd 11 Fragment eines Marienpilgerzeichens in Architekturrahmen, ahnlich S 19 und S 20, der obere Teil fehlt. S 22. Stehende Maria (?) Norddeutschland oder siidliches Baltikum (?), 2. Halfte 15. Jahrhundert Pilgerzeichenfragment unbekannter Herkunft Blei-Zinn; H. 42,3 mm; Gewicht 3,58 g ALM 2005/620/2122, Befund 12 Ein leerer Architekturrahmen eines Marienpilgerzeichens, im unteren Feld die Inschrifi: ,,maria“ in gotischen Minuskeln; die Marienfigur fehlt. Dieses Zeichen stimmt offensichtlich mit einem Abguss auf der Glocke in Fincken (Landkreis * 11 KOhne - Brumme (wie Anm. 10), Nr. 36, S. 326. 1 Marian Rebkowski, Pilgrimages of the inhabitants of South Baltic medieval towns in the light ofpil¬ grim badges. An introduction to the subject [in Polish]. Kwartalnik Historii Kultury Materialnej 2/2004, 2004, S. 153-188, hierS. 174, Abb. 15. Der von Schaugstat (wie Anm. 40), Abb. 13a aus Finken (Landkreis Miiritz) publiziertp guss ist nur entfemt ahnlich; Kuhne - Brumme (wie Anm. 10), S. 326.
100 JorgAnsorge S 23 S 24 S 22 •mini S 25 S 26 S 39 e ♦ i c,n S 41 S 40 s 42 • • S 43 S 44 S 45 S 46 S 47 Abb. 5: Marienpilgerzeichen und religiose Zeichen aus der Baugrube des Ozeaneums in Stralsund, Blei-Zinn und Messing (S 26) (Kat. Nr. S 4, S 6, S 19 - S 26 und S 39 - S 47). Fotos: Jorg Ansorge
Pilgerzeichen sowie religiose und profane Zeichen aus Stralsund 101 Abb. 6: Pilgerzeichen aus der Baugrube des Ozeaneums in Stralsund, Blei-Zinn (Kat. Nr. S 1 - S 3, S 28 - S 38). Fotos: Jorg Ansorge
102 Jorg Ansorge Miiritz) iiberein, auch dort tragt die Marienfigur ein Kreuz. Die vier Zeichen S 19 bis S 22 stammen moglicherweise von ein und demselben Marien-Wallfahrtsort. Die Konzentration in Nordostdeutschland sowie die spate Datierung in die zweite Halfte des 15. Jahrhunderts bzw. die ersten Jahrzehnte des 16. Jahrhunderts las- sen, zu Zeiten uberwiegend regionaler Wallfahrt, an einen der bedeutenden pom- merschen Wallfahrtsorte, wie den Gollen (poln. Gora Chehnska) bei Koslin (poln. Koszalin) denken.51 Denkbar ware auch eine Herkunft aus Kenz bei Stralsund, dem wichtigsten vorpommerschen Marien-Pilgerort.52 S 23. Stehende Maria Norddeutschland (?), 15. Jahrhundert Pilgerzeichenfragment unbekannter Herkunft Blei-Zinn; H. 29,2 mm; Gewicht 1,71 g ALM 2005/620/224, Befund 12 Fragment eines bisher unbekannten Marienpilgerzeichens: gekrontes Marien- haupt mit Palmzweig (?) unter krabbenbesetztem Spitzgiebel; wohl urspriinglich mit vier Osen zur Befestigung. S 24. Stehende Maria Norddeutschland (?), 15. Jahrhundert Pilgerzeichen unbekannter Herkunft Blei-Zinn; H. 36,4 mm; Gewicht 3,72 g ALM 2005/620/223, Befund 12 Gitterguss eines Marienpilgerzeichens, links des gekronten Marienhauptes ein Stem, am rechten, von Kreuzen bekronten Architekturrahmen, ein Baum. Vier Osen zur Befestigung. Ein identisches, aber besser abgeformtes Zeichen stammt aus Westenschouwen (NL).53 51 Kuhne - Brumme (wie Anm. 10), S. 326. 52 Norbert Buske, Kenz als mittelalterlicher Wallfahrtsort und spaterer Gesundbrunnen. Herbergen der Christenheit 11,1977, S. 7-32. Eine heute noch erhaltene spatmittelalterliche Glasmalerei im Chorder Kenzer Wallfahrtskirche zeigt, im Gegensatz zu den vorliegenden Marienpilgerzeichen, die Maria mit Lilienzepter unter einem Architekturrahmen. Buske nennt als mogliche Kenzer Pilgerzeichen zwei auf der um 1500 gegossenen Glocke in Poseritz/Riigen befmdliche Marienzeichen. Die Zeichen sind nach einer Reparatur der Glocke Anfang der 1990er Jahre verwaschen und fur Vergleiche nur bedingt geeig- nct (Autopsie am 17. Juli 2007). Fur weitere Vergleiche miissten die Pilgereichen auf pommerschen Glocken inventarisiert werden. In Vorpommem gibt es noch etwa 50 mittelalterliche Glocken auf denen sich Pilgerzeichen befinden konnten. 51 Van Beuningen - Koldeweij - Kicken (wie Anm. 32), S. 348, Abb. 1456.
Pilgerzeichen sowie religiose und profane Zeichen aus Stralsund 103 S 25. Maria Deutschland (?), 15./Anfang 16. Jahrhundert Kopf einer Marienfigur Blei-Zinn; H. 22,8 mm; Gewicht 8,17 g ALM 2005/620/210, Befund 11 Abgetrenntes Haupt einer drcidimensionalen bekronten, hohl gegossenen Mari¬ enfigur, vermutlich aus einem bedeutenden Marienwallfahrtsort. S 26. Maria mit Kind Deutschland (?), 15./Anfang 16. Jahrhundert Marienfigur Messing, H. 24,5 mm; Gewicht 4,55 g ALM 2005/620/223, Befund 12 Massiv gegossene Marienfigur mit Christuskind, an der Unterseite Gusszapfen. Sonstige Pilgerzeichen und Pilgerdevotionalien S 27. Vera Icon? Norddeutschland (?), 15. Jahrhundert Pilgerzeichenfragment unbckannter Herkunft Blei-Zinn; H. 33,8 mm; Gewicht 2,94 g ALM 2005/620/223, Befund 12 In einem Architekturrahmen Vera Icon-Darstellung mit einer Hostie, auf der die Kreuzigung abgebildet wird, wahrscheinlich das Pilgerzeichen einer norddeut- schen (?) eucharistischen Wallfahrt. S 28.-31. Kreuze Norddeutschland (?), 15. Jahrhundert Anhanger Blei-Zinn; H. (max.) 36,3 mm; Gewicht 3,7 g, 4,1 g, 3,7 g, 5 g ALM 2005/620/227, 246-248, Befund 12 Vier in einer Model gegossene, zusammensteckbare Kreuzanhanger aus zwei Vierpasselementen. Die Kreuzenden sind schneckenformig aufgerollt, die mittlere Scheibe ist von einem Perlenkranz umgeben und mit einem Kreuz verziert. Auf der Riickseite dieser Scheibe nimmt ein Dorn das zweite Kreuzelement auf, von dem eine Scheibe als Ose gestaltet ist. S 32. Glockchen 14. Jahrhundert (?) Pilgerglockchen weiJ3es Zinn, H. 32 mm; Gewicht 16,5 g
104 Jorg A nsorge ALM 2005/620/200, Befund 1 Stark deformiertes Pilgerglockchen, der hakenformige Kloppel war mit einem Eisendraht aufgehangt. S 33. Miniaturampulle 14./15. Jahrhundert (?) Pilgerampulle (?) Blei-Zinn; H. 48 mm; Gewicht 34,3 g ALM 2005/620/221, Befund 12 Ampulle mit flachem Gefaflkorper und schlankem, konisch auslaufenden Hals, zwei viereckige Trageosen; die Mundung ist zugekniffen. Die eine Seite zeigt cincn nach rcchts vom Bctrachter steigenden Lowen in einem Dreiecksschild, die Gegenseite einen sechszackigen Stem in doppeltem Kreis. Aus den Niederlan- den gibt es einige Ampullen mit sehr ahnlichen, aber nach links steigenden Lowen.54 S 34. Miniaturampulle 14. /15. Jahrhundert (?) Pilgerampulle (?) Blei-Zinn; H. 45,8 mm; Gewicht 20,7 g ALM 2005/620/202, Befund 12 Ampulle mit flachem GefaBkorper und breitem, leicht konisch auslaufenden Hals, zwei viereckige Trageosen; die Mundung ist zugekniffen. Das Motiv im dreiek- kigen Wappenschild ist nicht zu identifizieren, die Kehrseite zeigt ein Bliiten- motiv. Die Ampulle wurde zweimal gefaltet und flach geklopft. Das geringere Gewicht der Ampulle und die hellere Farbe weist auf einen hohen Zinnanteil mit nur geringen Bleianteilen. S 35. Bischofsstab (?) Niedersachsen (?), spates 14./15. Jahrhundert Pilgerzeichenffagment (?) Blei-Zinn; H. 18,7 mm; Gewicht 0,7 g ALM 2005/620/243, Befund 12 Fragment eines Pilgerzeichens, wahrscheinlich die Kriimme eines Bischofsstabes. Die Kriimme mit der Lilie (?) erinnert an die Pilgerzeichen aus Nikolausberg bei Gottingen.55 54 Van Beuningen - Koldeweij - Kjcken (wie Anm. 32), S. 384, Abb. 1614-1617. 55 Horst Appuhn, Kloster Wienhausen. Der Fund vom Nonnenchor, Wienhausen 1973, S. 19.
Pilgerzeichen sowie religiose und profane Zeichen aus Stralsund 105 S 36. Mitra (?) 15. Jahrhundert Pilgerzeichenffagment (?) Blei-Zinn; H. 19,6 mm; Gewicht 0,76 g ALM 2005/620/203, Befund 1 Fragment eines Pilgerzeichens, wahrscheinlich Darstellung einer Bischofsmiitze. S 37. Kreuz Norddeutschland (?), 14./15. Jahrhundert Anhanger Blei-Zinn; H. 23,8 mm; Gewicht 1,36 g ALM 2005/620/235, Befund 21 Kreuzanhanger; gleichanniges Kreuz im Kreis, umgeben von sieben Kugeln. S 38. Kreuz Norddeutschland (?), 14./15. Jahrhundert Anhanger Blei-Zinn; B. (iiber die Kreuzenden) 17,8 mm; Gewicht 2,3 g ALM 2005/620/881, Befund 1 Kreuzanhanger mit Fassung fur einen Stein; Antoniuskreuz auf einseitig profi- liertem Ring. Die Kreuzenden sind durchlocht. Religiose Zeichen als Kleidungszierrat Neben den iiberwiegend als Blei-Zinn-Giisse ausgefuhrten Pilgerzeichen liegen noch einige gepragte Messing-Aufnaher mit religiosen Motiven vor, die mogli- cherweise in Pilgerorten erworben wurden, vielleicht aber aus einheimischer Pro- duktion stammen. Der hier vorgestellte Kleidungszierrat ist nur ein kleiner Teil der gefundenen mittelalterlichen Blei-Zinn- bzw. Messingapplikationen. S 39. Scheibe mit Kreuzstempeln Norddeutschland (?), 14./15. Jahrhundert Zierrat Messing; Dm. 28 mm; Gewicht 2,14 g ALM 2005/620/782, Befund 12 Durchlochte, oktogonale, leicht konvexe Scheibe, verziert mit sechs Kreuzstem¬ peln, drei Bohrungen. S 40. Scheibe mit Kreuzstempeln Norddeutschland (?), 14./15. Jahrhundert Zierrat
■ IV 106 Jorg Ansorge Ш S 50 S 51 * S 55 Abb. 7: Profane Zeichen aus der Baugrube des Ozeaneums in Stralsund, Blei-Zinn (Kat. Nr. S 49 - S 55). Fotos: Jorg Ansorge
Pilgerzeichen some religiose und profane Zeichen aus Stralsund 107 S60 S 62 О S 59 S 64 S 48 S61 Abb. 8: Zierschnallcn und Zierplatte aus der Baugrube des Ozeaneums in Stralsund, Blei-Zinn (Kat. Nr. S 48, S 56 - S 64). Fotos: Jorg Ansorge
108 Jorg Ansorge Messing; Dm. 21 mm; Gewicht 1,54 g ALM 2005/620/783, Befund 12 Durchlochte, blutenformige Scheibe, verziert mit funf Kreuzstempeln, drei Boh- mngen. S 41. Kleeblatt mit Kreuzstempeln Norddeutschland (?), 14./15. Jahrhundert Zierrat Blei-Zinn; Dm. 15 mm; Gewicht 0,6 g ALM 2005/620/929, Befund 8 Durchlochtes Vierblatt, verziert mit vier Kreuzstempeln. S 42. Applikation mit heraldischer Lilie Norddeutschland (?), 14./15. Jahrhundert Zierrat Messing; H. 22 mm; Gewicht 2,5 g ALM 2005/620/784, Befund 12 Gegossene Messing-Applikation mit aufgelotetem Lilienmotiv in zentraler Raute, zwei Bohrungen. S 43.-45. Drei gekronte Marienhaupter Norddeutschland (?), 15. Jahrhundert Pilgerzeichen (?) einer unbekannten Marienwallfahrt Messing, H. 15-17 mm; Gewicht 1,34, 1,36, 1,5 g ALM 2005/620/762a-c, Befund 12 Drei auf Leder genietete Applikationen eines gekronten Marienhauptes. Die ge- gossenen Applikationen waren wahrscheinlich auf einen Ledergiirtel appliziert. Aus analogen Funden von aufgenieteten Pilgermuscheln56 kann man vermuten, dass es sich moglicherweise um Pilgerzeichen aus einem Marienwallfahrtsort handelt. S 46. Scheibe mit Kreuz Norddeutschland (?), 14. Jahrhundert Zierrat Messing; Dm. 18 mm, T. 0,5 mm; Gewicht 0,97 g ALM 2005/620/238, Befund 21 Eine runde, doppelt gelochte, gepragte Messingscheibe mit Kreuzdarstellung, in 56 Klaus-Dieter Hoppe, Vier mittelalterliche Giirtelteile aus Wismarer Schwindgruben, Ausgrabungen und Funde 36, 1991, S. 147-151, hierS. 149, Abb. 1.
Pilgerzeichen sowie religiose und profane Zeichen aus Stralsund 109 den Kreuzzwickeln drei Kugeln. Umschrift ,,RVE MARIA44 in gotischen Majus- keln. Das A von AVE ist als R verschrieben.57 58S 47. Scheibe mit Kreuz Norddeutschland (?), 14. Jahrhundert Zierrat Messing; Dm. 14 mm; Gewicht 0,25 g ALM 2005/620/128, Befiind 1 Eine runde, stempelgepragte Messingscheibe mit Kreuzdarstellung, doppelt ge- locht. Die Enden der Kreuzbalken verschmelzen herzfonnig. Ein recht ahnlicher, jedoch kleinerer Fund liegt aus London vor.5* S 48. Applikation mit heraldischer Lilie spatmittelalterlich Zierrat Blei-Zinn; H. 33 mm, B. 33 mm; Gewicht 13,75 g ALM 2005/620/998, Befiind 6 Flachguss einer quadratischen Zierplatte mit Liliendarstellung in der zentralen Raute. Die Riickseite mit schraffiertem Rautenmuster. In den Ecken sind Nieten, mit denen die Platte auf Leder aufgenietet war. Profane Zeichen Im Gegensatz zu den religiosen Zeichen liegen nur sieben profane Zeichen vor. Zeichen mit erotischen Darstellungen, wie sie in den Niederlanden, Frankreich und England recht haufig sind, wurden in Stralsund nicht gefunden. S 49. Ritter Norddeutschland (?), 14. Jahrhundert Affix (?) Blei-Zinn; H. 46 mm; Gewicht 5,1 g ALM 2005/620/228, Befiind 12 Ritterfigur in knielangem Rock, Lanzenwimpel in der rechten Hand, Schwert und Schild in der linken. Der Rock ist mit Kriickenkreuzen verziert, der Kopf fehlt. Da auch das Schild mit einem Kreuz verziert ist, handelt cs sich wahrscheinlich um einen Kreuzritter. 57 Freundliche Mitteilung Jurgen Herald, Greifswald. 58 Geoff Egan - Frances Pritchard, Dress Accessories 1150-1450, Museum of London 2004 (second edi- ton reprinted), Nr. 791, S. 166: Swan lane, um 1400.
110 Jorg Ansorge S 50. Wilder Mann Norddeutschland (?), 14. Jahrhundert Affix (?) Blei-Zinn; H. 23,6, B. 21,3 mm; Gewicht 3,4 g ALM 2005/620/229, Befund 12 Wilder Mann mit Keule in rechteckigem, profilierten Rahmen. S51. Lowenkopf Norddeutschland (?), 14./15. Jahrhundert Affix (?) Blei-Zinn; H. 17 mm; Gewicht 2,6 g ALM 2005/620/233, Befimd 21 Profilierter Lowenkopf mit durchbrochener Mahne. S 52. Federbusch (?) Norddeutschland (?), 14./15. Jahrhundert Affix (?), Fragment Blei-Zinn; H. 37,5 mm; Gewicht 3,3 g ALM 2005/620/230, Befimd 12 Fragmentarisches Zeichen, vielleicht einen Federbusch darstellend. S 53./54. Zwei Fischgrillroste Norddeutschland (?), spatmittelalterlich Affix Blei-Zinn; H. 52, 41 mm; Gewicht 5,03,4,75 g ALM 2005/620/1000, 1001, Befimd 6 Zwei Gittergiisse mit Darstellung eines Fischgrillrostes mit vier Fischen. Die Stiicke stehen in der Tradition spatmittelalterlicher profaner Zeichen, da sie aus Befimd 6 stammen, kann eine jiingere Datierung aber nicht ausgeschlossen wer- den. Ein recht ahnlicher Fund liegt aus Lubeck vor, dort in das erste Viertel des 13. Jahrhunderts datiert.59 Aus Damme, Flandem, stammt ein gestielter Fisch- grillrost mit zwei Fischen60. S 55. Lanzenreiter Norddeutschland (?), spatmittelalterlich Spielzeug 59 Ursula Radies, Spielzeug: Fische auf einem Rost, in: Danen in Lubeck 1203-2003 [Ausstellungskata- log Lubeck - Naestved 2003/2004], hg. von Manfred Glaser - Doris Miihrenberg, Lubeck 2003, Nr. 42, S. 191 . - 60 Jos Koldeweij, Geloof & Geluk, Sieraad en Devotie in middeleeuws Vlaanderen [Ausstellungskatalog Brtigge 2006], Amheim 2006, S. 121, Abb. 7.82.
Pilgerzeichen sowie religiose unci profane Zeichen aus Stralsund 111 Blei-Zinn; B. 28 mm; Gewicht 2,85 g ALM 2005/620/1004, Befund 6 Der Tumier-Lanzenreiter aus Bleizinn war sicher ein Kinderspielzeug. Die de- tailreiche und naturgetreue Darstellung des Reiters mit Stechhelm, Hamisch und Tumierlanze sowie des Tumierpferdes mit vier freistehenden Beinen deutet auf eine Entstehung am Ende des 15. oder in der ersten Halfte des 16. Jahrhunderts, wobei eine jiingere Datierung auch hier nicht ausgeschlossen werden kann.61 Zierschnallen Aus Befiind 1 liegen acht Zierschnallen, bzw. Broschen vor, die in das spate 13. oder 14. Jahrhundert datiert werden konnen. Vier stempelgleiche Ave-Maria- Schnallen und ein Paar identischer Schnallen aus Blei-Zinn konnten ein Indiz fur paarweises Tragen dieser Broschen sein.62 S 56. Schnallenrahmen Norddeutschland (?), 14. Jahrhundert Blei-Zinn; Dm. 47 mm; Gewicht 14,5 g ALM 2005/620/882, Befiind 1 Schnallenrahmen mit sechs 7 mm hohen Kegelstiimpfen. Zwischen den Stiimp- fen waren ursprunglich sechs modelgleiche Stiftbliiten mit sechs Doppelblattem eingelotet, von denen lediglich zwei erhalten sind. Der Schnallendom saB ur¬ sprunglich wohl in der rechteckigen Ose. S 57./58. Zwei Zierschnallen Norddeutschland (?), 14. Jahrhundert Blei-Zinn; Dm. 29,5 mm; Gewicht 2,45 g, 2,81 g ALM 2005/620/50, 883, Befund 1 Zwei modelgleiche, filigran gearbeitete Zierschnallen. Um den inneren Kranz mit Domlager rankt sich ein Girlandenrahmen, der Gusszapfen befindet sich gegen- uber dem Domlager. S 59. Handtreue-Schnalle Norddeutschland (?), 14. Jahrhundert Blei-Zinn; Dm. 29 mm, B. (des Schnallenrahmens) 5 mm; Gewicht 3,2 g ALM 2005/620/884, Befund 1 61 Darstellungen von Tumierszenen vom Anfang des 16. Jh. finden sich u.a. in Holzschnitten von Lukas Cranach d. A. 62 Zur Trageweise von Ave-Maria-Schnallen und Handtreue-Schnallen siehe Ingo Heindel, Ave-Maria- Schnallen und Handtruwebratzen mit lnschriflen. Zeitschrift fur Archaologie 20,1986, S. 65-79, hier S. 7lf.
112 Jorg Ansorge Rahmen einer Handtreuschnalle ohne Inschrift, Domlager eingeschniirt, zwei ge- genstandige ineinandergreifende Handpaare.63 S 60.-63. Vier Ave-Maria-Schnallen Norddeutschland (?), 14. Jahrhundert Messing, Blei-Zinn; Dm. 24 mm; Gewicht 2,4-3,2 g ALM 2005/620/899-902, Behind 1 Es liegen vier identische Ave-Maria-Schnallen vor. Die Umschrift in gotischen Majuskeln ,,+AVEMARIAEDN“ beginnt tiber dem Lager des Messingdoms, es gibt keine Wort- oder Buchstabentrenner. Die Schnallen wurden in 0,1 mm dickes Messingblech gepragt, die auf der Riickseite entstandene Hohlkehle zur Stabili- sierung mit Blei-Zinn ausgegossen. Die Verbreitung der Ave-Maria-Schnallen und der Handtreue-Schnallen reicht weit iiber das von Ingo Heindel kartierte Ver- breitungsgebiet im siidlichen Ostseeraum hinaus. Funde in Norwegen64, Eng¬ land65, den Niederlanden66 und Frankreich67 weisen vielmehr auf ein europaisches Phanomen als Spiegel tiefer Religiositat hin. S 64. Adler Norddeutschland (?), spatmittelalterlich Blei-Zinn; H. 22,2 mm; Gewicht 3,75 g ALM 2005/620/999, Behind 6 Ein doppelkopfiger Adler mit 15 mm langem, nach oben gebogenem Dom. Mog- licherweise handelt es sich um einen Schnallendom, von dem die rechte Seite be- schnitten wurde. Aufgelotete Applikationen auf Schnallendomen finden sich mehrfach im Schatzfund von Pritzwalk.68 Zahlreiche Handtreueschnallen aus Blei-Zinn liegen aus dem Zisterzienserinnenkloster Seehausen in der Uckermark vor. Ralf Jaitner - Gerhard Kohn, Ein wiistes Zisterzienserinnenkloster bei Seehausen in der Uckermark. Prenzlau 1996. S. 71, Abb. 159. Asbjom Herteig, Giirtelschnalle mit Heiligen Drei Konigen, in: Die Hanse. Lebenswirklichkeit und Mythos. Eine Ausstellung des Museums fur Hamburgische Geschichte, hg. von Jorgen Bracker, 2 Bde. Hamburg 1989, Bd. 2, S. 155, Abb. 8.33. Egan - Pritchard (wie Anm. 58), S. 255-256, Abb. 164. Van Beuningen - Koldeweij - Kicken (wie Anm. 32), S. 469f. Bruna (wie Anm. 7), S. 307. Stefan Krabath - Lothar Lambacher, Der Pritzwalker Silberfund. Schmuck des spaten Mittelalters (Kunstgewerbemuseum der Staatlichen Museen zu Berlin, Bestandskatalog XXIII), Pritzwalk 2006, Nr. 1,2, 4, 5, 8, S. 53 und 67f.
Pilgerzeichen sowie religiose und profane Zeichen aus Stralsund 113 Keramik S 65.-68. Vier Marienapplikationen von SteinzeuggefaOen Siegburg, um 1400 Steinzeug; H. (der figiirlichen) 37 mm, H. (der Minuskel) 20 mm ALM 2005/620/5305a-d, Befimd 12 Aus Befimd 12 liegen vier Applikationen auf Siegburger SteinzeuggefaBen vor, drei Auflagen einer gekronten Maria mit Kind, davon zwei ffagmentarisch, sowie ein Minuskel ,,M“. Die Marienfiguren waren wahrscheinlich auf ein und dem- selben GefaB angebracht, die ,,M“-Applikation unterscheidet sich im Scherben und stammt somit von einem anderen GefaB. Zu diesen Stiicken haben sich, ob- wohl aus dieser Schicht viele Steinzeugscherben Siegburger Art stammen, keine Passscherben gefimden, was nahe legt, dass sie bewusst aufgehoben wurden, bevor man sie endgultig weg warf. Die offensichtlich in Siegburg am Rhein ge- topferten Trichterhalsbecher mit - in der Regel drei - Marienapplikationen, fan- den moglicherweise in Aachen Absatz als Pilgerandenken.69 Sehr ahnliche, viel- leicht sogar identische Applikationen finden sich auf Trichterhalsbechem aus der Zeit um 1400, die sich im Kunstgewerbemuseum70 sowie im Stadtmuseum71 Koln befinden. Solche Applikationsscherben liegen auch aus Amsterdam vor.72 S 69. Keramikhorn Niederrhein, spatmittelalterlich (?) Aachhom (?) Irdenware; L. 70 mm, Dm. (auBen) 20mm, Dm. (innen) 10 mm ALM 2005/620/5496, Befimd 6 Fragment eines Keramikhomes aus blassroter Irdenware. Ein Ansatz fur einen weiteren Rohrenumgang ist vorhanden. Moglicherweise handelt es sich um den Rest eines Aachhoms73, denkbar ist auch eine Verwendung als maritimes Signal- horn.74 69 In Raeren getopferte Pilgerflaschen aus Steinzeug waren den Wallfahrten nach Aachen, Maastricht und Komelimiinster gewidmet. Koldeweij, (wie Anm. 60), Nr. 4.18,4.19, S. 77. 70 Gisela Reineking-von Bock, Steinzeug, Koln 1976, Nr. 135, S. 151. 71 Sabine Wirth, Mittelalterliche Gefafikeramik, Die Bestande des Kolnischen Stadtmuseums, Koln 1990, Nr. 4.579, S. 204. 72 Jan Baart - Wiard Krook - Ab Lagerweij - Nina Ockers - Hans van Regteren Altfna - Tuuk Stam - Henk Stoepker - Gerard Stouthart - Monika van der Zwan, Opgravingen in Amsterdam. Amsterdam 1977, S. 240, Zeichnung 77. 73 Gunther Mangelsdorf, Das Aachhom von Greifswald - ein Beitrag zur mittelalterlichen Devotiona- lienkunde. Bodendenkmalpflege in Mecklenburg-Vorpommern 39, Jahrbuch 1991, 1992, S. 219-225. 74 Thomas FOrster, Schijfswracks, Hafenanlagen, Spemverke. Untersuchungen zur maritimen Kultur- landschaft der Wismarbucht. Bodendenkmalpflege in Mecklenburg-Vorpommern 50, Jahrbuch 2002, 2003, S.207-230.
114 Jorg Ansorge Abb. 9: Marienapplikationen aus Steinzeug und Fragment eines Keramikhomes aus der Baugrube des Ozeaneums in Stralsund (Kat. Nr. S 65 - S 69). Fotos: Jorg Ansorge
115 Cornelia Oefelein Pilgerzeichen - Neue Funde auf Glocken in Brandenburg Uber die kulturgeschichtliche Stellung der Glocken bemerkte Kurt Koster in der Einleitung zu seiner ersten, fur die Glocken- und Pilgerzeichenforschung bahn- brechenden, Publikation „Meister Tilman von Hachenburg“ von 1957: „Wir gehen wohl nicht fehl, wenn wir als eine der wichtigsten auBeren Ursachen fur die geringe Kenntnis dieser bedeutenden Denkmalergruppe die schwierige Zugang- lichkeit der ehrwiirdigen Zeugen auf unseren Glockenturmen ansehen.“ Und wei- ter: „Die Vemachlassigung der figiirlichen Glockenzier in den Denkmal-Inven- taren ist teilweise geradezu erstaunlich.“l An seinen Beobachtungen von damals hat sich bis heute - 50 Jahre spater - nicht viel geandert. Das triffi fur seine Fol- gebemerkung erfreulicherweise nicht mehr zu, in der er noch feststellten musste, dass die mittelalterlichen Pilgerzeichen auf den Glocken „in Deutschland bisher kaum wissenschaftliches Interesse gefiinden haben. [...] Auch die [...] Wall- fahrtsforschung ist an den Glockenzeugnissen fast ganz voriibergegangen.“2 Durch die vielen Arbeiten und Veroffentlichungen der letzten 20 Jahre hat sich das - vor allem dank Koster - grundlegend geandert. Fur unsere eigenen Untersu- chungen an den Glocken in Brandenburg bleibt die Arbeit Kurt Kosters stets An- regung und Vorbild zugleich. „Pilgerzeichenforschung ist in umfassendem Sinne ohne Glockenforschung nicht denkbar“ stellte Kurt Koster 1986 fest3, der mit seinem Lebenswerk in die- sem Bereich europaweit MaBstabe setzte. So entstanden neue Arbeiten zu Pil¬ gerzeichen auf Glocken fur Skandinavien, Mecklenburg, Trier, Thiiringen und Koln.4 Doch die systematische Untersuchung von Glocken im Rahmen der Wall- 1 Kurt KOSTER, Meister Tilman von Hachenburg. Studien zum Wcrk eines mittelrheinischen Glockengiefiers des jiinfzehnten Jahrhunderts. Mit besonderer Beriicksichtigung der als Glok- kenzier verwendeten mittelalterlichen Pilger- und Wallfahrtszeichen, Jahrbuch der hessischen kirchengeschichtlichen Vereinigung 8, 1957, S. 1-206, hierS. 3 und 5. 2 KOster (wie Anm. 1), S. 5. 3 Kurt KOSTER, Pilgerzeichen undftgurlicher Schmuck auf mittelalterlichen Glocken, in: Glok- ken in Geschichte und Gegenwart. Beitrage zur Glockenkunde, bearb. von Kurt Kramer, Karlsruhe 1986, S. 66-71, hier S. 66. 4 Lars ANDERSSON, Pilgrimsmarken och vallfart. Medeltide pilgrimskultur i Skandinavien (Lund Studies in Medieval Archeaology 7), Kumla 1989; Monika Schaugstat, Mittelalter- liche Pilgerzeichen auf Glocken in mecklenburgischen Dorjkirchen, Mecklenburgische Jahr- bucher 109,1993, S. 19-54; Jorg Poettgen, Vorreformatorische Wallfahrtsdevotionalien aus dem Matthiaskloster zu Trier, Kurtrierisches Jahrbuch 34, 1994, S. 47-76; Ders., Krypto- gramme und Pilgerzeichen auf spatmittelalterlichen Glocken im ostlichen Thiiringen. Studien
116 Cornelia Oefelein fahrtsforschung ist bei weitem noch nicht abgeschlossen. Lediglich die Pilgcr- zeichen auf den Glocken von Hessen wurden bisher flachendeckend erfasst. Auch eine flachendeckende Untersuchung der Pilgerzeichen auf den Glocken Brandenburgs wurde bisher nicht vorgenommen. In Friedrich Wolffs Inventar von 1920* 5 sind lediglich die Glocken des damaligen Regierungsbezirks Potsdam erfasst, allerdings ohne Vollstandigkeitsanspruch; Wallfahrtszeichen aus dcm ehe- maligen Regierungsbezirk Frankfurt an der Oder hat Wolff nicht gesammelt.6 Er hat zudem keinen eigenen Untersuchungen vor Ort vorgenommen. Seine Be- schreibungen der Glocken, deren Inschrifiten und Zier - d. h. auch die von ihm aufgefuhrten Pilgerzeichen - entnahm er groBtenteils den haufig fehlerhaften In- ventarbanden der Bau- und Kunstdenkmaler. Man muss vor allem beriicksichti- gen, dass man in der Pilgerzeichenforschung zu dieser Zeit gerade am Anfang stand. Heute konnen Zeichen, deren Provenienz Anfang des 20. Jahrhunderts noch unbekannt war, einem bestimmten Wallfahrtsort zugewiesen werden. Als Bei- spiel sei das bei Wolff bereits abgebildete, aber nicht identifizierte Zeichen auf der Glocke von Schonberg (Ostprignitz-Ruppin) genannt, das vom Typ her jenem Volto Santo-Zeichen aus dem 14. Jahrhundert entspricht, das Denis Brunajimgst Lucca zugeordnet hat.7 Die Aussagen in den zitierten Werken von Wolff und Koster haben uns zu dem Projekt inspiriert, eine neue Untersuchung der mittelalterlichen Glocken in den Dorfkirchen Brandenburgs vorzunehmen. In einer Art Vorstudie haben wir mit den mittelalterlichen Glocken in den Dorfkirchen entlang des ehemaligen Pil- gerwegs von Berlin nach Wilsnack begonnen. Dieser Weg erfuhr durch die Pil- gerzeichenfunde an den Glocken unterwegs eine nicht unerhebliche Korrektur. Zurzeit werden die Untersuchungen in den Regionen Prignitz und Ostprignitz- Ruppin weitergefiihrt. Angestrebt wird eine flachendeckende Untersuchung ganz Brandenburgs, mit dem Ziel, eine umfassende Dokumentation der Pilgerzeichen auf den mittelalterlichen Glocken Brandenburgs zu erstellen. Die Ergebnisse sol- len in Form eines Handbuches veroffentlicht werden. Anhand der relevanten Glocken- und Denkmalinventare fur Brandenburg wird zunachst versucht, die noch vorhandenen mittelalterlichen Glocken zu lokalisie- ren. Es erfolgen dann die eigenen Untersuchungen von Glockenbestanden an Ort zur Werkstatt des Meisters Herman Herlin in Jena, Jahrbuch fur Glockenkunde 9-10, 1997/98, S. 81-98; Andreas Haasis-Berner - Jorg Poettgen, Die mittelalterlichen Pilger¬ zeichen der Heiligen Drei Konige. Ein Beitrag von Archdologie und Campanologie zur Er- forschung der Wallfahrt nach Koln, Zeitschrift fur Archaologie des Mittelalters 30, 2002, S. 173-202. 5 Friedrich Wolff, Die Glocken der Provinz Brandenburg und ihre Giefier, Berlin 1920. 6 Wolff (wie Anm. 5), S. 28. 7 Wolff (wie Anm. 5), Tafel LX, Abb. 4; Denis Bruna, Enseignes despelerinage et enseignes pro¬ fanes (Musee National Moyen Age - Thermes de Cluny), Paris 1996, Nr. Cl. 5031, S. 64, Abb. 30.
Pilgerzeiclwri - Neue Funde auf Glocken in Brandenburg 117 und Stelle. Haufig miisscn wir feststellen, dass sich die Angaben zu den Glocken und ihrer Zier in den vorhandenen Inventaren als fehlerhaft und unvollstandig er- weisen. Beschreibungen von Glockenzeichen sind ohnehin sparlich und mangel- haft, und werden nur selten von Abbildungen begleitet. Nach wie vor, etwa in den aktuellen Unterlagen der Denkmalamter sowie in den neuesten Ausgaben der Denkmalinventare, werden Pilgerzeichen vielfach nicht als solche erkannt und als ,Relief, ,flgurliche Darstellung4 oder ,Medaillon‘ beschrieben. Die eigene Untersuchung in den Kirchturmen hat sich daher als unerlasslich erwiesen.8 So haben bereits die eher stichprobenartige Vorstudie entlang und in der na- heren Umgebung des Pilgerweges von Berlin nach Wilsnack sowie die inzwi- schen abgeschlossene systematische Untersuchung der Region Prignitz iiberra- schende neue Funde und Erkenntnisse zutage gefiihrt. An vielen Glocken wurden Pilgerzeichen vorgefunden, die in den Inventaren bisher nicht erfasst oder be¬ schrieben sind, und von denen bisher keine Abbildungen vorliegen. Die wichtig- sten Ergebnisse sollen im Folgenden naher vorgestellt werden. Auf der groBen Glocke in Metzelthin (Ostprignitz-Ruppin, Mitte 15. Jahrhun- dert) wurden drei Pilgerzeichen aus dem Johanniterpriorat Werben an der Elbe und ein Pilgerzeichen aus Konigslutter entdeckt, die zwischen den Worten der Inschrift verteilt sind. Auch die kleinere Glocke (Mitte 15. Jahrhundert) ist mit Zierbuchstaben, Miinzen, einem Tatzenkreuz sowie mit vier Reliefs, die noch nicht zugeordnet werden konnten, verziert. Nicht auszuschlieBen ist, dass auch die groBe rechteckige Plakette, von der sich noch ein Exemplar auf der Glocke von Liichfeld (ebenfalls Ostprignitz-Ruppin) befindet, und die drei runden Medail- lons aus Wallfahrtsorten stammen. Auf der Glocke von 1476 in Wildberg (Ostprignitz-Ruppin) befindet sich das Fragment eines Pilgerzeichens, das Wolff in seinem Inventar zwar erwahnt aber nicht naher beschreibt. Es handelt sich hierbei um die linke Halfte eines Zeichens aus Einsiedeln (Abb. 1) vom Motiv der ,,Engelweihe“ (Koster Тур B).9 Auf der kleinen, undatierten Glocke in Karwe (Ostprignitz-Ruppin, zweite Halfte 15. Jahrhundert) waren bisher drei Pilgerzeichen10 11 von Wolff inventari- siert und beschrieben worden; eines davon wurde schon 1984 von Koster als Qui- rinus-Zeichen identifiziert.11 Tatsachlich befindet sich auf dieser Glocke noch ein viertes Pilgerzeichen, rund und mit Osen, das mit den anderen runden Zeichen im 8 Fur seine unentbehrliche Unterstiitzung, fur die fotografische Dokumentation der Glocken und der Zeichen, sowie fur die Herstellung von Abdriicken und Gipsabgiissen danke ich mei- nem Mann, Prof. Rainer Oefelein. 9 Wolff (wie Anm. 5), S. 28; Koster (wie Anm. 1), FI5, S. 73-74, Taf. V, 27. ю Wolff (wie Anm. 5), S. 27: Zwei runde Zeichen im Kranz und ein Marienzeichen auf der Flanke. 11 Kurt KOster, Mittelalterliche Pilgerzeichen, in: Wallfahrt kennt keine Grenzen. Themen zu einer Ausstellung des Bayrischen Nationalmuseums und des Adalbert Stifter Vereins, Miin
118 Cornelia Oefelein Abb. 1: Pilgerzeichen aus Einsiedeln, “Engelweihe”; Glocke von 1476 in Wildberg (Ostprignitz-Ruppin). Foto: Rainer Oefelein
Pilgerzeichen - Neue Funde auf Glocken in Brandenburg 119 Abb. 2: Pilgerzeichen aus St. Matthias in Trier, hi. Matthias mit Adorant; Glocke von 1487 in Falkenhagen (Ostprignitz-Ruppin). Foto: Rainer Oefelein
120 Cornelia Oefelein Kranz angebracht ist. Das Motiv zeigt eine stehende Figur in langem, faltigem Gewand. Im Laufe unserer Untersuchungen, fanden wir dieses Zeichen auf vier weiteren Glocken vor: Falkenhagen (1487), Rohlsdorf (1487), Eberswalde (1518) und in Molchow (1522) sogar zwei Mai. Das Pilgerzeichen (Abb. 2) stellt den Apostel Matthias mit einem Buch in sei¬ ner linken und einer Hellebarde in der rechten Hand dar; links zu seinen FiiBen kniet ein Pilger.* 12 Das eher selten vorkommende Zeichen stammt aus dem Mat- thias-Kloster in Trier und wurde durch Koster in Abgiissen auf einer Glocke von 1475 in Wilster (Kreis Steinburg, Schleswig-Holstein) und auf rheinischen Glok- ken zwischen 1490 und 1535 belegt.13 Ein vollstandiges Original ist im Kloster Wienhausen erhalten14, auBerdem haben sich Fragmente in den archaologischen Funden von Bremen15 und den Niederlanden16 erhalten. Bisher wurde auf der sog. Pilgerglocke (zweite Halfite 15. Jahrhundert) im Turm der ehemaligen Wunderblutkirche von Wilsnack (Prignitz) lediglich das aus Wilsnack selbst stammende Pilgerzeichen identifiziert. Des Weiteren werden in der Literatur verschiedene ,Reliefs4 auf der Glocke beschrieben, darunter ein „stehender Bischof mit Stab und Spruchband“17 bzw. „der Bischof von Havel- berg“ - so der aktuelle Kirchenfuhrer.18 Dieses ,Relief ist tatsachlich ein Pilger¬ zeichen aus der ehemaligen Wallfahrtskirche Nikolausberg bei Gottingen (Abb. 3). chen, hg. von Lenz Kriss-Rettenbeck - Gerda Mohler, Bayrisches Nationalmuseum, Miin- chen 1984, S. 203-223, hier S. 214. Die Entstehungszeit der Quirinus-Zeichen dieses Typs hat Koster zwischen 1475 und 1489 angesetzt. Es erscheint in dieser Form als Abguss auf Glocken zwischen 1489 und 1525; Kurt KOster, Mittelalterliche Pilgerzeichen und Wall- fahrtsdevotionalien, in: Rhein und Maas. Kunst und Kultur 800-1400 [Ausstellungskatalog Koln 1972], hg. von Anton Legner, Bd. 2, S. 146-160, hier S. 156. Im Rahmen unserer Un- tersuchung wurden bisher insgesamt funf Quirinus-Zeichen in drei verschiedenen Versionen vorgefunden; vgl. hierzu Kurt KOster, Die Pilgerzeichen der Neufier Quirinus-Wallfahrt im Spatmittelalter, Neufier Jahrbuch fur Kunst, Kulturgeschichte und Heimatkunde, 1984, S. 11-29. 12 PZK Kurt Koster Тур В I; Poettgen Typ N: Poettgen (wie Anm. 4), S. 67-69, Abb. 21, 22 a und b. 13 KOster (wie Anm. 11), S. 157. 14 Horst Aimhjhn, Der Fund vom Nonnenchor (Kloster Wienhausen IV), Wienhausen 1973, Abb. S. 19. 15 Jurgen Wittstock, Der Bremer Pilgerzeichen-Fund, in: Der Jakobuskult in ,,Kunst“ und ,,Literatur“. Zeugnisse in Bild, Monument, Schrift und Ton, hg. von Klaus Herbers - Robert Plotz (Jakobus-Studien 9), Tubingen 1998, S. 85-107, hier S. 94-95, Abb. 7. 16 Hendrik Jan Engelbert van Beuningen - Adrianus Maria Koldeweij, Heilig en profaan. J000 laatmiddeleeuwse insignes uit de collectie H.J.E. van Beuningen (Rotterdam Papers 8), Co- then 1993, Inv.-Nr. 2059 und 1183, datiert 1400-1450, S. 203, Abb. 389 und 390. 17 Kunstdenkmaler des Kreises West prignitz, bearb. von Paul Eichholz, (Inventarder Bau- und Kunstdenkmaler der Provinz Brandenburg, Bd. 1, Teil 1), Berlin 1909, S. 334. 18 Ulrich WORONOWICZ, Evangelische Kirche St. Nikolai Bad Wilsnack (Schnell Kunstfuhrer 2125), Regensburg 1994, S. 38.
Pilgerzeichen - Neue Funde auf Glocken in Brandenburg 121 Es ist vom Typ her identisch mit dem Original aus dem Fund vom Nonnenchor im Kloster Wienhausen.19 Auf der bereits erwahnten Glocke in Falkenhagen (1487, heute ein Ortsteil von Pritzwalk, Prignitz) befinden sich insgesamt zehn Pilgerzeichen - nicht acht, wie bei Wolff zu lesen ist20 - die gleichmafiig auf der Glocke verteilt sind. Neben Zeichen aus Aachen, Konigslutter, Koln, Neuss, Maastricht und dem soeben be- sprochenen Matthias-Zeichen aus Trier, gibt es verschiedene Marienzeichen die noch einer Identifizierung harren. Die Glocke in Rohlsdorf (1487, Prignitz) tragt insgesamt 15 Pilgerzeichen - die bisher hochste Zahl auf einer einzigen Glocke in Brandenburg. Die vielen Ubereinstimmungen zwischen den Glocken von Falkenhagen und Rohlsdorf sind auffallig, so das gleiche Gussjahr und die hohe Zahl von Pilgerzeichenabgussen gleicher Provenienz und gleichen Typs. Eines der Zeichen auf der Rohlsdorfer Glocke stellt eine gotische Monstranz mit rundem FuB dar, in deren Mitte zwei Engel zwei Hostien empor halten. Der Abguss ist von guter Qualitat, das Zeichen vollstandig erhalten und die Details gut erkennbar (Abb. 4). Von diesem Pilgerzeichen ist noch ein Abguss von deutlich schlechterer Qualitat auf einer Glocke in Froslev (DK) bekannt. Es konnte je- doch bisher keinem Wallfahrtsort zugeordnet werden. In alien Einzelheiten stimmt es mit dem Rohlsdorfer Zeichen iiberein. Seit 2001 ist ein einziges Frag¬ ment eines Originals aus den archaologischen Funden in den Niederlanden belegt: Der markante runde FuB der Monstranz mit der Inschrift „CORP XPI BLOM- BERG“. Somit kann das Zeichen auf der Rohlsdorfer Glocke - und das auf der Glocke in Fraslev - eindeutig dem Westfalischen Wallfahrtsort Blomberg zuge¬ ordnet werden.21 Auf der kleineren Glocke von ca. 1350 in Nackel (Ostprignitz-Ruppin) wur- den zwischen den Worten der Inschrift insgesamt acht bisher nicht inventarisierte Pilgerzeichen vorgefiinden, darunter verschiedene stark vergossene Bischofs- oder Abtsfiguren und Marienzeichen. Am besten erhalten ist ein Zeichen mit dem hi. Georg, das nach Koster aus einem unbekannten franzosischen Wallfahrtsort stammt.22 Es handelt sich um die bisher alteste Glocke mit Pilgerzeichenabgus¬ sen dieser Untersuchung. Eines dieser Pilgerzeichen, zunachst als Reiterfigur interpretiert, konnte jetzt eindeutig dem elsassischen Wallfahrtsort Niedermimster zugeordnet werden: Es zeigt das Kamel aus der Griindungslegende des Klosters, mit dem Wunderkreuz 19 Appuhn (wie Anm. 14), Abb. S. 19. 20 Wolff (wie Anm. 5), S. 26. 21 Andersson (wie Anm. 4), S. 136, Nr. R6; Hendrik Jan Engelbert van Beuningen - Adria- nus Maria Koldeweij - Dory Kjcken, Heilig en profaan 2, 1200 laatmiddeleeuwse insignes uit openbare enparticuliere collecties (Rotterdam Papers 12), Cothen 2001, S. 367, Nr. 1541. 22 Das Zeichen entspricht K6STER (wie Anm. 1), Typ F44, S. 95 und Tafel IV, Nr. 26.
122 Cornelia Oefelein Abb. 3: Pilgerzeichen aus Nikolausberg, hi. Nikolaus; Glocke 2. H. 15. Jh. in Wilsnack (Prignitz). Foto: Rainer Oefelein
Pilgcrzeichen - Neue Funde auJ'GIocken in Brandenburg 123 Abb. 4: Pilgerzeichen aus Blomberg, Monstranz mit rundem Ful3; Glocke von 1487 in Rohlsdorf (Prignitz). Foto: Rainer Oefelein
124 Cornelia Oefelein auf seinem Riicken, und ist vom Typ her identisch mit dem Abguss auf einer Glocke (15. Jahrhundert) in Wolfershausen (Hessen) und auf einer bronzenen Taufe (fruhes 15. Jahrhundert) in Varde (DK).23 Von diesem Pilgerzeichen aus Niedermimster sind keine Originale erhalten; als Abguss ist es bisher sechs Mai belegt. Dieser siebte Abguss auf der Glocke von Nackel von 1350 ist zugleich das alteste bekannte Exemplar (Abb. 5). Auf der Glocke von 1515 in Preddohl (Prignitz) befinden sich insgesamt vier Pilgerzeichen: eines aus Sternberg, eines aus einem unbekannten Marienwall- fahrtsort und ein rundes Zeichen mit einem Antoniuskreuz (Durchmesser 25 Mil¬ limeter), das einem Original aus dem Fund von Seehausen entspricht.24 Das vierte Zeichen zeigt eine Figur mit groBem Kruzifix, die auf einem galoppierenden Pferd mit abgeschnittenem Schwanz reitet. Es handelt sich um ein Zeichen aus Can¬ terbury mit einer Sonderform des Motivs „Becket rides in triumph“.25 Ein ahnli- ches Exemplar ist auf der Glocke von Zierke (Mecklenburg) zu finden (Abb. 6).26 Unsere systematischen Untersuchungen an den mittelalterlichen Glocken Brandenburgs, aus denen hier nur auszugsweise erste Erkenntnisse vorgestellt werden konnten, werden fortgesetzt. Durch die ersten Funde in den Kreisen Ost- prignitz-Ruppin, Prignitz und Westhavelland werden durchaus Umnsse einer Pil- gerlandschaft erkennbar. Eine besondere Haufung von Funden kann man hier fur den Kreis Ostprignitz-Ruppin verzeichnen. Es gibt Auffalligkeiten bei den Mehr- fachbelegen von Pilgerzeichen aus bestimmten Wallfahrtsorten, die uberwiegend aus den Wallfahrtszielen Aachen, Koln, Maastricht, Neuss und Trier stammen. Nicht nur die Gesamtzahl an Exemplaren aus diesen Orten ist groft, sondem auch die Anzahl der verschiedenen Varianten. Zeichen aus den naher liegenden Wall¬ fahrtszielen Wilsnack, Werben, Tangermtinde oder Sternberg erscheinen fast immer im Zusammenhang mit einem Zeichen aus einem femeren Ziel im Rhein¬ land oder sogar in Frankreich, den Niederlanden (Flandem) oder GroBbritannien. Zusammen mit neuen archaologischen Funden - eine Muschel in Treskow (Ost¬ prignitz-Ruppin), die Originale aus dem Fund von Seehausen (Uckermark) - wei- sen diese Pilgerziele auf Fern wallfahrten, auch auf Santiago-Wallfahrten, aus die¬ ser Region hin. Fur Jakobspilger aus Berlin und dem Norden und Osten Bran¬ denburgs waren Wilsnack, Werben und Tangermimde Zwischenstationen. 23 Kurt KOster, Pilgerzeichen Studien. Neue Beitrage zur Kenntnis eines mittelalterlichen Mas- senartikels und seiner Oberlieferungsformen, in: Bibliotheca docet. Festgabe fur Carl Weh- mer, hg. von Siegfried Joost, Amsterdam 1963, S. 77-100, hier S. 84, Abb. 6; Andersson (wie Anm. 4), S. 84, Nr. Rl. 24 Ralf Jaitner - Gerhard Kohn, Ein wiistes Zisterzienserinnenkloster bei Seehausen in der Uckermark, Prenzlau 1996, S. 66, Abb. 146; Vgl. auch in diesem Band S. 155, Anm. 12. 25 Brian Spencer, Pilgrim Souvenirs and Secular Badges (Medieval Finds from Excavations in London 7), London 1998, S. 81-82. 26 Schauc.stadt (wie Anm. 4), S. 321, Abb. 2c.
Pilgerzeichen Neue Funde auf Glocken in Brandenburg 125 Als Abschluss ein Zitat aus der Arbeit Kurt Rosters von 1957, das unsere ei- genen Erfahrungen besonders treffend widerspiegelt: „Die [eigenen] Untersu- chungen [an Ort und Stelle], die [...] auf weit iiber 100 Glockenturmen vorgc- nommen wurden, gehoren zu den schonsten Erinnerungen, die sich fur den Ver- fasser mit dem Entstehen dieser Arbeit verbinden.4'27 Abb. 5: Pilgerzeichen aus Niedermunster, Kamel mit Wunderkreuz; Glocke von ca. 1350 in Nackel (Ostprignitz-Ruppin). Foto: Rainer Oefelein 27 KOster (wie Anm. 1), S. 9.
126 Cornelia Oefelein Abb. 6: Pilgerzeichen aus Canterbury, “Becket rides in triumph”; Glocke von 1515 in Preddohl (Prignitz). Foto: Rainer Oefelein
121 Carina Brumme Pilgerzeichen - Erhaltungsbedingungen und Verbreitungsraume An den verschiedensten Wallfahrtsorten wurden im Mittelalter kleine metallenen Signa verkauft, welche sich die Pilger fur den Riickweg an ihre Kleidung hefte- ten und die sie so, wenn alles gut ging, in ihre Heimat brachten. Jedes der Pil¬ gerzeichen symbolisiert daher eine Reise, eine Bewegung innerhalb eines Netzes von Wallfahrtsorten, das sich im Laufe des gesamten Mittelalters bis zur fruhen Neuzeit stetig entwickelte und verdichtete. Solche Reisen geschahen in so grofler Zahl, dass die Souvenirs durch ihre Mitnahme zum ersten Massenmedium im abendlandischen Europa wurden. Da liegt es nahe daruber nachzudenken, welche Arten von Informationen - iiber solche der Zuweisung und der Existenz einzel- ner Gnadenstatten hinaus - fur das mittelalterliche Wallfahrtswesen aus den Pil¬ gerzeichen gewonnen werden konnen. Der folgende Beitrag wird sich mit zwei Themen auseinandersetzen. Eines ist der raumlichen Bezug der Fundorte der Zeichen und ihrer Herkunftsorte, sowie der daraus zu gewinnenden Erkenntnisse. Zuvor soil aber der Focus auf der Ver- wendung der Zeichen nach der Reise und dem Verbleib der anzahlmaBig ur- spriinglich im zweistelligen Millionenbereich zu vennutenden Exemplare liegen. Erhaltungsbedingungen und Verbleib der Pilgerzeichen nach der Wallfahrt Bekanntlich steht den massenhaft ausgegeben Pilgerzeichen des Hoch- und Spat- mittelalters heute eine verschwindend geringe Anzahl an Fundstiicken zumeist in Form von Glockenabgiissen oder Originalfunden gegeniiber. Warum ist das so? Fiir die Bodenfiinde beruht die gangige Erklarung fur diese Tatsache auf der Annahme einer besonders schlechten Resistenz von Zinn, aus dem die Zeichen zum GroBteil bestehen, gegen Oxidationsvorgange - in diesem Zusammenhang oft auch als Zinnpest bezeichnet. Unterstiitzt wird diese These auch durch die aufFallend kleine Anzahl an mittelalterlichen Zinnartefakten, die als Bodenfunde angetroffen wurden. Die Funde stammten meist aus dem Feuchtbodenmilieu. Oxidation tritt bei anaeroben Bodenverhaltnissen weniger stark auf, diese wir- ken deshalb auf die meisten Materialien erhaltungsfordemd. Diese Hypothese vemachlassigt nach Ansicht der Verfasserin zwei wesentliche Aspekte, zum einen die chemischen Eigenschaften von Zinn und Zinnlegierungen und zum anderen die Frage nach dem Charakter der Feuchtbodenfunde, respektive nach der Art der
128 Carina Brumme Deponierung und damit indirekt nach der Sekundarverwendung. Die anschlie- Benden Oberlegungen verstehen sich als Beitrag zur Wiederbelebung dieser Dis- kussion. Wendet man sich den chemischen und physikalischen Grunden der schlechten Erhaltung der Pilgerzeichenoriginale zu, stellt man schnell eine groBe Diskre- panz zwischen den chemischen Eigenschaften des Elementes Zinn und den oben angefiihrten Argumenten fest. Denn gerade Zinn ist ein Metall, das eine beson- ders groBe Bestandigkeit gegen die im Allgemeinen destruktiven Oxidationsvor- gange hat. Anders als bei den meisten Stoffen reagieren Zinnatome dabei mit konvalenten Verbindungen, bei denen Elektronenpaare miteinander verknupft werden. So entsteht, anders als beispielsweise bei der Korrosion von Eisen, eine auBerst resistente Patina.1 Ahnliches gilt fur Blei, dem zweiten Hauptbestandteil der meisten Signa. Beide Elemente oxidieren im eigentlichen Sinne nur unter Einwirkung von starker Saure bei gleichzeitiger Abgabe von Wasserstoff. Auf- grund dieser Eigenschaften wird Zinn zur Herstellung von Konservendosen und WeiBblechtuben ebenso verwendet, wie schon im Mittelalter zur Verzinnung von Eisenblechen.1 2 Zinn weist zudem noch eine zweite Besonderheit auf. Es gehort zu den allo- tropen Elementen.3 Diese modifizieren ihre Atomstruktur und damit ihr Erschei- nungsbild aufgrund verschiedener auBerer Einflusse. Meist spielen bei solchen Allotropien Temperatur und Druck eine Rolle. Es handelt sich nicht um eine Re- aktion, sondem um eine von anderen Elementen unabhangige Umstrukturierung auf atomarer Ebene. Allgemein bekannt ist vor allem die Allotropie von Kohlen- stoff, der, wenn er ausreichend hohem Druck ausgesetzt wird, als Diamant auf- tritt. Die Allotropie von Zinn ist dagegen thermisch bedingt. Sinkt die Umgebungstemperatur unter 13,2 Grad Celsius tritt eine Wandlung vom weiBen, glanzenden (3-Zinn mit tetraederformiger Atomstruktur in graues, pulveriges a- Zinn mit kubischer Atomstruktur auf. Dieser Vorgang - welcher eigentlich die Zinnpest darstellt - ist unumkehrbar. Er endet erst, wenn die kritische Tempera¬ tur wieder iiberschritten wird. Rein auBerlich ist das Resultat der Modifikation leicht mit Oxidationsvorgangen wie Korrosion zu verwechseln. MaBgeblich ist aber, dass diese Umwandlung sauerstoffunabhangig ist, ebenso in aerobem und anaerobem Milieu auftritt. Die Zugabe von Blei oder Antimon stabilisiert die Struktur der Zinnatome und halt so den Zerfall auf. Die Verunreinigung mit Kup- 1 Michael Binnwies - Manfred Jackel, Allgemeine und anorganische Chemie, Mtinchen 2004, S. 439f. 2 Werner Gocht, Der metallische Rohstoff Zinn (Volkswirtschaftliche Schriften 131), Berlin 1969, S. 204. 3 Binnwies - JAckel (wie Anm. 1), S. 439; Julius Meyer, Die Allotropie der chemischen Ele¬ mente (Sammlung chemischer und chemisch technischer Vorgange, 2./3. Heft), Stuttgart 1910.
Pilgerzeichen — Erhaltungsbedingungen und Verhreitungsraume 129 fer und Zink beschleunigt den Vorgang allerdings immens.4 Fur Sammler wert- voller Zinnkunstwerke ist Kalte daher ein groBes Ubel. Eine Vielzahl von Orgel- pfeifen, Spielzeugautos, Zinnsoldaten etc. sind der Zinnpest zum Opfer gefallen. Je kalter es ist, desto schneller schreitet die Modifikation voran. Ihren Hohepunkt erreicht die rapide Wandlung bei etwa -48 Grad Celsius. Die napoleonische Armee soil 1812 im bitterkalten Winter vor Moskau tatsachlich unter einer be- sonders raschen Umwandlung der Uniformknopfe und des Zinngeschirrs in graues a-Zinnpulver gelitten haben. Ob es sich hier um einen Chemikermythos handelt, mochte die Verfasserin gem offen lassen.5 Die hohe Geschwindigkeit der Vorgange ist seit der Antike bekannt. Sowohl Aristoteles als auch Plutarch berichteten von der seltsamen Eigenschaft des Zinnes, bei groBer Kalte rasch zu zerfallen, was unter anderem an zerbroselnden Werkzeugen und umsturzenden Bildsaulen, welche mit Zinn in die Postamente gegossen worden waren, beob- achtet wurde.6 Oxidation ist demnach nicht der Grund fur die unproportionale Verteilung mit- telalterlicher Objekte aus Zinn bzw. Zinnlegierungen - mithin auch die der Pilger¬ zeichen. Eine Zerstorung durch allotrope Modifikation hatte andererseits ebenso in trockener wie auch feuchter Umgebung auftreten miissen und kommt damit auch nicht als Ursache in Frage. Erklarungsbediirftig ist auch, dass deutlich mehr Zinn- originale aus der romischen Antike als aus dem Mittelalter erhalten sind.7 Wenn man folglich von einem ahnlichen Materialschwund bei beiden Lage- rungen ausgeht, bedeutet dies - bei einem Anteil von Feuchtbodenfunden am Ge- samtvolumen der uberlieferten Originale von 80 Prozent dass schon zum Zeitpunkt der Einlagerung mehr Artefakte in dieses Milieu gelangten. Betrachtet man nun diese Fundstellen genauer, stellt man fest, dass zirka 70 Prozent der der- zeit bekannten Pilgerzeichenoriginale aus etwa zehn groBen Fundkomplexen stammen (Abb. 1). Allen ist gemeinsam, dass die Funde zum Zeitpunkt der Ein¬ lagerung nicht nur in feuchte Boden, sondem konkret unter Wasser gerieten. Sie wurden bei Ausbaggerungen von schiffbaren Fliissen wie der Seine in Paris8, der 4 Die Herstellung einer reinen Blei-Zinn- oder Antimon-Zinnlegierung ist heute unter moder- nen Produktionsprozessen problemlos zu leisten. Im Spatmittelalter wie auch noch einige Zeit danach war man liber den Inhalt der Rohstoffe und iiber die Konsequenzen bestimmter Mischungen verstandlicherweise weniger informiert, so dass die Metalle ihrer Zusammen- setzung nach wesentlich polyformer waren. Die Untersuchung eines Pilgerzeichens aus Tschechien ergab beispielsweise neben Blei und Zinn auch 15% Kupfer und weitere Metall- beimengungen; vgl. Dagmar Stara, К ceskyrn Stfedovekym poutnim odznakum, tasopis na- rodniho muzea-rada historicka 157, 1988, S. 140-148, hier S. 146. 5 Binnwies - Jackel (wie Anm. 1), S. 439. 6 Meyer (wie Anm. 3), S. 4. 7 Hanns-Ulrich HAEDEKE, Kleine Kulturgeschichte des Zinns, in: Zinn im Alltag, die Bestande des stadtischen Kramer Museums Kempen 1985, S. 6-31, hier S. 6. 8 Denjs Bruna, Enseignes de pelerinages et enseignes de profanes, Paris 1996.
130 Carina Bnimme I * S 6 7 I 7 « 11 1J 11 V. li « 17 « *7 70 ?1 Tl 77 74 7S Л V 76 7* Si 71 JJ JJ 7- И * Г M Abb. 2: Lageplan von Nieuwlande mit der Buntmetallkonzentration im Hafen. Zeichnung nach Hendrik Jan Engelbert van Beuningen, in: Hendrik Jan Engelbert van Beuningen - Adrianus Maria Koldeweij, Heilig en profaan. 1000 laatmiddeleeuxvse insignes uit de collectie H.J.E. van Beuningen (Rotterdam Papers 8), Cothen 1993, S. 27
Pilgerzeichen - Erhaltungsbedingungen und Verbreitungsraume 131 Themse in London9 und der Weser in Bremen10 geborgen, aber auch aus Hafen- becken, wie in den Niederlanden in Nieuwlande, Westenschouven und Dord¬ recht11, oder aus dem Uckersee am wiistgefallenen Zisterzienserinnen Kloster Seehausen12 bei Prenzlau. Bei den neueren grofien Fundkomplexen aus Danzig13 und aus Stralsund14 setzt sich dieser Behind fort. Uber die Hintergriinde wie und warum so viele Pilgerzeichen ins Wasser ge- langten, ist an verschiedener Stelle bereits diskutiert wurden.15 Die Verfasserin mochte den Annahmen, man habe aus rituellen, magischen oder auch apotropai- schen Griinden die Zeichen ins Gewasser geworfen, eine andere entgegenstellen. Die Zeichen konnten wie viele Kleinteile verloren gegangen und ins Wasser ge- fallen sein. Wo sie konzentriert und in groBcr Zahl auftreten, ist auch an Altme- tallhandel zu denken.16 9 Brian SPENCER, Pilgrim souvenirs and secular Badges, London 1998. 10 Jurgen WlTTSTOCK, Der Bremer Pilgerzeichen-Fund, in: Der Jakobus-Kult in ,,Kunst“ und ,,Literatur“, hg. von Klaus Herbers - Robert Plotz (Jakobus-Studien 9), Tubingen 1998, S. 85- 107. 11 Hendrik Jan Engelbert VAN Beuningen - Adrianus Maria Koldeweij, Catalogus religieuze insignes, in: Heilig en Profaan. 1000 laatmiddeleuwse insignes uit collectie H.J.E. van Beu- ningen, hg. von Hendrik Jan Engelbert van Beuningen - Adrianus Maria Koldeweij (Rotter¬ dam Papers 8), Cothen 1993, S. 115-239; Hendrik Jan Engelbert van Beuningen - Adrianus Maria KOLDEWEIJ - Dory Kicken, Catalogus religieuze en profane insignes, in: Heilig en Profaan 2. 1200 laatmiddeleuwse insignes uit collectie H.J.E. van Beuningen, hg. von Hen¬ drik Jan Engelbert van Beuningen - Adrianus Maria Koldeweij - Dory Kicken (Rotterdam Papers 12), Cothen 2001, S. 242-497. 12 Hartmut KUHNE, Der Pilgerzeichenfund am Kloster Seehausen und sein historischer Kontext. Mit einem Katalog des Seehausener Fundes von Carina Brumme, in: Sachkultur und reli¬ giose Praxis, hg. von Dirk Schumann (Studien zur Geschichte, Kunst und Kultur der Zister- zienser 8), Berlin 2007, S. 406^157. 13 Anna PANER - Henryk PANER, Gdahszczanie napielgrzymkowych szlakach w XIV i XVwieku, in* Gdansk sredniowieczny w swietle najnowszych badan archeologicznych i historycznych, Gdansk 1998, S. 167-183. 14 Siehe den Beitrag von Jorg ANSORGE, Pilgerzeichen sowie religose und profane Zeichen aus der Grabungjiir das Ozeaneum in Stralsund, in vorliegendem Band. 15 Vor allem die Frage, welche Bedeutung die Insignien nach der Riickkehr hatten, ob sie mut- willig ins Wasser geworfen wurden Oder verloren gegangen sind, ist dabei haufig diskutiert wurden. Unter anderem von Hendrik Jan Engelbert van Beuningen, Nieuwlande, in: Heilig en Profaan. 1000 laatmiddeleuwse insignes uit collectie H.J.E. van Beuningen, hg. von Hen¬ drik Jan Engelbert van Beuningen - Adrianus Maria Koldeweij (Rotterdam Papers 8), Cothen 1993 S. 26-32, hier S. 30f.; Hendrik Jan Engelbert van Beuningen, Insignevounsten uit Wes- tenschouwen, in: Heilig en Profaan 2. 1200 laatmiddeleuwse insignes uit collectie H.J.E. van Beuningen, hg. von Hendrik Jan Engelbert van Beuningen - Adrianus Maria Koldeweij - Dory Kicken (Rotterdam Papers 12), Cothen 2001, S. 54-58, hier S. 56; Wittstock (wie Anm. 10), S. 89. 16 Die Idee der Wiederverwendung des Metalls der Zeichen wurde bereits in einigen Aufsatzen erwahnt, ist aber meist wieder verworfen oder eingeschrankt worden. van Beuningen, Nieuw-
132 Carina Brumme Fur Letzteres sprechen vor allem drei Argumente: Erstens die auffallige Be- fimdsituation bei einigen der groBen Funde. In einer Buntmetallkonzentration im Hafenbecken der 1537 komplett iiberspiilten niederlandischen Siedlung Nieuw- lande wurden etwa 800 profane und religiose Zeichen angetroffen (Abb. 2).* 17 Sollte tatsachlich jedes dieser Signa fur eine Wallfahrt der Bcwohner des kleinen Ortes stehen? Auch im Bereich des mittelalterlichen Hafens von Westenschouven sind iiber 1.000 profane bzw. Pilgerzeichen18, bei Stadtkemausgrabungen in Dord¬ recht entlang des zentralen Kanals iiber 670 Zeichen (religiose und profane) ge- funden wurden.19 Bei den letzteren handelt es sich in beiden Fallen um einen Fundkomplex, der aus Pilgerzeichen sowie einer Vielzahl weiterer Metallarte- fakte, wie Miinzen, Miinzgewichte, Riemenzungen und Giirtelbeschlage, Ver- schlusshaken, Messer, Netzhaken, Nagel, etc. bestand. Es ist durchaus vorstellbar, dass hier Teile von Altmetallladungen iiber Bord gegangen sind und nicht wieder gehoben werden konnten oder auf einem anderen Weg dem ansassigen Handwerk verloren gegangen sind. Das Antreffen von gefalteten Zeichen in solchen Situa- tionen ist ebenfalls vor einem profanen Hintergrund erklarbar.20 Reines Zinn gibt einen kreischenden Ton von sich, wenn man es biegt, das charakteristische „Zinn- geschrei“. Durch die Beimengung anderer Metalle wird dieses akustische Merk- lande (wie Anm. 15), S. 30f. - Johann Hendriks formuliert aufgrund der besonderen Fund- lage in Dordrecht ausdriicklich die Vermutung, dass die Zeichen umgeschmolzen worden sein konnen: „Wellicht zijn vele insignes (kort) na aankomst van de pelgrim in de eigen stadt omgesmolten om er andere bijous van te maken.“ Johann Hendriks, Insignes in context? Pelgrimsinsignes van het statenplein in Dordrecht 1997-2000, in: Heilig en Profaan 2. 1200 laatmiddeleuwse insignes uit collectie H.J.E. van Beuningen, hg. von Hendrik Jan Engelbert van Beuningen - Adrianus Maria Koldeweij - Dory Kicken (Rotterdam Papers 12), Cothen 2001, S. 37-43, hier S. 38. Organisierte Altmetallverwertung ist bereits seit der Antike gut bekannt. Es gibt einige Un- terwasserfunde romischer Warentransporte, die nicht wieder gehoben werden konnten. Auch Altmetallrecycling selbst ist schon seit dieser Zeit bekannt, so u.a. aus dem spanischen Mu- nigua, wo man alte Bronzefiguren in Stiicke etwa gleichen Gewichtes zur besseren Portio- nierung zerlegte; vgl. Antje Krug, Munigua - der Anfang vom Ende. Die Aussage der Bronzeskulpturen und anderer Funde (Madrider Mitteilungen 47), Wiesbaden 2006, S. 152- 168. 17 van Beuningen, Nieuwlande (wie Anm. 15). 18 van Beuningen, Insignevounsten uit Westenschouwen (wie Anm. 15). 19 Hendriks (wie Anm. 16). 20 Die Frage, ob diese Faltung nur bei Pilgerzeichen vorkommt, und ob diese mutwillig zer- stort worden sind um einen Missbrauch zu verhindem, ist auf derGrundlage des derzeitigen Quellenbestandes nicht zu klaren; van Beuningen, Nieuwlande (wie Anm. 15), S. 31; siehe dazu auch den Beitrag von Jorg Ansorge (wie Anm. 14) - Bisher singular ist der Fund eines Sternberger Pilgerzeichens aus dem Seehausener Fundkomplex. Die Stemberger Zeichen zei- gen iiblicherweise eine Monstranz mit zwei Hostien. Beim Exemplar aus Seehausen sind sie herausgeschnitten worden, bevor es ins Wasser gelangte; vgl. Kuhne (wie Anm. 12).
Pilgerzeichen - Erhaltungsbedingungen und Verhrcitungsraume 133 mal verringert oder sogar unterbunden.21 Eine derartige Materialpriifung konnte liber die Zusammensetzung und somit liber den Materialwert Auskunft gegeben haben. Dies fuhrt zum nachsten Punkt: den wirtschaftlichen Motiven fur ein solches Handeln. Zinn ist ein wertvolles und teueres Material, das nur an wenigen Stel- len in Europa gefordert wurde.22 Auch aus diesem Grunde streckte man es mit Blei, z.T. so intensiv, dass fiir Zinngeschirr zum Wohle des Endverbrauchers ein Mischungsverhaltnis von hochsten 1 : 10 festgelegt werden musste.23 Altmetall war fur die Handwerker etwa um die Halfte billiger als Rohmetall.24 Der ab dem 12. Jahrhundert bis zum Ende des 14. Jahrhunderts im zweistelligen Prozentbe- reich ansteigende Buntmetallverbrauch von urspriinglich zwei bis zu 100 Kilo- gramm pro Haushalt, sowie die in einigen Gebieten zu geringe Zufuhr von Rohmetallen machte eine Wiederverwendung von Altmetall notig.25 Der dritte Aspekt ist das Wachstum der Glocken- und Geschiitzindustrie. Bei der Herstellung von Glocken und Geschiitzen wurde nur ein Flinftel bis ein Zehn- tel Neumetall verwendet. Der Rest war Schrott, besonders Metallc mit Zinn- und Bleibeimengungen, die bei anderen Techniken wie Treibarbeiten nicht verwendet werden konnten.26 Quellen bestatigen die Verwendung alter Topfe und Kannen beim Glocken- und Geschtitzguss, der Wert war gewichts- und materialabhan- gig 27 Eine Textquelle bezeugt schlieBlich direkt die Verwendung eines Pilger- zeichens als Sekundarrohstoff in einer GieBerei. Es handelt sich um einen Eintrag im Amersfoorter Mirakelbuch von 1474: „Ein Knecht zu Osterhout sollte ein Koet voll Blei gieflen. Als das Blei geschmolzen war, diinkte es ihm, es sei nicht genug. Und er suchte noch mehr Blei. Aber er fand keines, auBer einem Zeichen Unse- rer Lieben Frauen von Amersfoort. Das tat er zu dem librigen, und als es ge¬ schmolzen war, vollfiihrte er seinen Guss. Und das, was beiseite lief, wurde 21 Binnwies - Jackel (wie Anm. 1). 22 Bis ins Mittelalter nahm das englische Cornwall dabei die zentrale Stellung ein. Erst ab dem zwolften Jahrhundert wurde im Erzgebirge Zinn gefordert; Hanns Ulrich Haedeke, Zinn, Koln 1968. S. lOf. 23 Haedeke (wie Anm. 22), S. Ilf. 24 Stefan Krabath, Die hoch- und spatmittelalterlichen Buntmetallfunde nordlich der Alpen. Eine archaologisch-kunsthistorische Untersuchung zu ihrer Herstellungstechnik, funktiona- len und zeitlichen Bestimmung, 2 Bde. (Internationale Archaologie 63), Rahden/Westfalen 2001, Bd. 1,S. 298. 25 Ebenda, Bd. 1, S. 299f. 26 ebenda, Bd. 1, S. 298. 27 Wolfgang Vomm. Zur Ausstellung Zinn im Alltag, in: Zinn im Alltag, die Bestande des stad- tischen Kramer Museums, Kempen 1985, hier S. 3-4: „Beschadigtes oder unmodem gewor- denes Zinngerat nahmen sie in Zahlung und gossen es um.“ und weiter: „der Preis des neuen Stiickes richtete sich wenig nach der Schonheit der Ausfiihmng, mehr nach dem Gewicht des aufgewendeten Materials"
134 Carina Brumme sogleich wieder zu einem Zeichen Unserer Lieben Frau “28 Primar ein Bericht iiber die Thaumaturgie eines Pilgerzeichens, beschreibt er aber auf der zweiten Ebene ein Stuck Alltagskultur und damit potentiell gangige Praxis. Hin und wieder werden Pilgerzeichen auch direkt im Kontext von Gieflge- werken angetroffen. So fand man ein Ziegenhainer und ein Wersdorfer Zeichen in der Nahe einer metallverarbeitenden Werkstatt in Jena29 und ein Aachener Pil¬ gerzeichen im Befiind einer GrapengieBerwerkstatt in Greifswald.30 Die meisten Zeichen sind, so denkt die Verfasserin, eingeschmolzen und umgegossen wur- den, so dass die heutige quantitative Fundsituation durch die Altmetallverwer- tung der mittelalterlichen Buntmetallindustrie sehr stark beeinflusst wurde. Diese Erkenntnis bestimmt maBgeblich die Herangehensweise an das zweite Thema dieses Beitrages: die Beziehung zwischen Wallfahrtsort und Fundort des Pilger¬ zeichens. Denn aufgrund der dargelegten Erkenntnisse konnen heute auf der Grundlage des einschlagigen Materials keine sinnvollen Aussagen iiber Fund- konzentrationen und andere mengenbezogenen Erhebungen innerhalb des Ein- zugsgebietes einer Wallfahrt gemacht werden. Die raumliche Verteilung der Pilgerzeichen und die Entwicklung der Einflussgebiete von Wallfahrtsorten im Spatmittelalter Eine auf der Verteilung von Pilgerzeichen basierende Betrachtung der mittelal¬ terlichen Wallfahrtsmobilitat wird sich daher auf andere Parameter stutzen miis- sen. Gegenstand werden daher die Einflussgebiete31 der Wallfahrtsorte sein. Sie werden hier als die Distanz zwischen der Kultstatte und dem entlegensten Fund¬ ort eines zugehorigen Zeichens (Originalfund /Abguss) determiniert und sind als schematischer Wirkungsradius zu begreifen (Abb. 3). Diese Maximalreichwei- ten sollen hinsichtlich ihrer Dimension betrachtet werden und mit weiteren Pa- rametem wie der Initiationszeit des Kultes und dem Kultanlass in Beziehung 28 Kurt KOster, Pilgerzeichenstudien, neue Beitrage zur Kenntnis eines mittelalterlichen Mas- senartikels und seiner Uberlieferungsformen, in: Bibliotheca docet, Festschrift fur Carl Weh- mer, Amsterdam 1963, S.77-100, hierS. 82. 2>> Matthias Rupp, Zwei spatmittelalterliche Pilgerzeichenfragmente aus Jena, Ausgrabungen und Funde 38, 1993, S. 253-258. 10 Heiko Schafer, Eine Greifswalder Grapengiefierwerkstatt des 14. Jahrhunderts in der Briiggstrafie 25a, Bodendenkmalpflege in Mecklenburg-Vorpommern, 1994, S. 151-169, hier S. 158; Katrin Nagel „ ...umme salicheit miner zele... “ - Wallfahrten und Wallfahrtsde- votionalien in den Stddten Mecklenburg- Vorpommerns, in: Archaologie unter dem Strafien- pflaster. 15 Jahre Stadtkemarchaologie in Mecklenburg-Vorpommern, hg. von Hauke Jons - Friedrich Luth - Heiko Schafer, Schwerin 2005, S. 381-384, hier S. 384. 31 Diese wird durch das Recycling kaum beeinflusst worden sein, da das Sammeln von Altme- tall in der Regel ein regionales Gewerbe war.
Pilgerzeichen - Erhaltungsbedingungen und Verbreitungsraume 135 Abb. 3: Schematischer Wirkungsradius. Karte: Carina Brumme
136 Carina Brumme gesetzt werden. Ziel ist es, damit mogliche Entwicklungen und Veranderungen in- nerhalb des Systems zu erfassen.32 Wendet man dies Шг Deutschland und das angrenzende linksrheinische Ge- biet an, so ist zunachst festzustellen, dass hier 59 einschlagige Wallfahrtsorte mit lokalisierbarem Primarfundort zugewiesenen hoch- bzw. spatmittelalterlichen Pil- gerzeichen existieren. Stellt man zunachst alle Maximalenreichweiten summarisch in einem Dia- gramm zusammen, kristallisieren sich vor allem zwei Arten von Einzugsberei- chen heraus: regionale bis etwa 300 Kilometer und supraregionale, die weiter als 700 Kilometer reichen. Die Werte im Zwischenbereich liegen jeweils nur wenig unter bzw. liber dieser Grenze, wiirden also bis auf ein oder zwei Ausnahmen auch noch den regionalen bzw. Iiberregionalen Bereichen zugeordnet werden kon- nen (Abb. 4). Eine chronologische Entwicklung dieser Reichweiten wird erkenn- bar, wenn man die Radien der Wirkungskreise in Bezug zum Grundungszeitpunkt des zugehoren Wallfahrtsortes setzt. Dabei zeigt sich: Die wenigen vor 1300 ent- standenen Kulte wie Aachen, Koln, die Trierer Matthiasverehrung, Maastricht, und die elsassischen Orte Thann und der Odilienberg haben alle einen iiberre- gionalen Einflussbereich (Abb. 5).33 Nach 1300 nimmt die Zahl der Wallfahrtsorte zu, parallel dazu nehmen die Reichweiten dieser neuen Orte drastisch ab (Abb. 6). Diese Entwicklung intensiviert sich noch einmal bei den Neugriindungen des 15. und beginnenden 16. Jahrhunderts (Abb. 7). Vereinzelt zeigen aber auch im Spatmittelalter einsetzende Kulte eine uberregionale Verbreitung. Korrelliert man nun die Kultanlasse und Reichweiten unter Vemachlassigung der Entstehungszeit, bemerkt man, dass diese Extremwerte aus einer intemen Abhangigkeit dieser Aspekte resultieren (Abb. 8). So haben die Heiltumsweisungen in der Regel einen Wirkungskreis von we- nigstens 500 Kilometem. Das gilt besonders fur fhihe Grundungen wie Aachen oder Koln, aber auch ffir die seit dem Beginn des 16. Jahrhunderts stattfindende Weisung des Annenhauptes in Diiren.34 Ab dem 14. Jahrhundert sind auch Wei- sungen mit regionalem Wirkungskreis festzustellen wie in Bremen und Frecken- horst.35 Ganz ahnliche Resultate ergaben sich fur Wallfahrten zu originalen 32 Bei seiner Bearbeitung der skandinavischen Pilgerzeichenflinde hat Lars Andersson eine ahn¬ liche Methode angewandt; vgl. Lars Andersson, Pilgrimsmarken och vallfart. Medeltidapil¬ grims kultur i Skandinavien (Lund Studies in Medieval Archeology 7), Kumla 1989. 33 Vgl. Hartmut KiiHNE, Os tens io reliquiarum, Untersuchungen iiber Entstehung, Ausbreitung, Gestalt und Funktion der Heiltumsweisungen im romisch-deutschen Regnum (Arbeiten zur Kirchengeschichte, 75), Berlin/New York 2000. 34 Kurt KOSTiiR, Wallfahrtszeichen und Pilgerdevotionalien aus der Ftnihzeit der Diirener Sankt Anna-Wallfahrt, in: St. Anna in Diiren, hg. von Erwin Gatz, Monchengladbach 1972, S. 191- 209; weiterhin KOhne (wie Anm. 33, S. 465-477). 35 Hartmut Kuhne, Heiltumsweisungen. Reliquien - Ablafi - Herrschaft, Jahrbuch fur Volks- kunde, NF 27, 2004, S. 43-62, hier S. 55.
Pilgerzeichen — Erhaltungsbedingungen und Vcrbreitungsraume 137 Wirkungstatten und zu Reliquienschatzen ohne Heiltumsjubilaen. Fruhe Grun- dungen wie der Odilienberg36 und Thann37 zeigen iibcrregionale Reichweiten. An deren Popularity scheinen die im 15. Jahrhundert entstandenen Kulte in Brau- weiler38 und Munstereifel39 nicht heranzureichen. Im untersuchten Gebiet sind sechs eucharistische Wunderstatten, die in der Zeit von 1331 bis 1492 griindet worden sind, mit Pilgerzeichen prasent. Gotts- biiren40, zeitlich gefolgt von Wilsnack41, Andechs42, Blomberg43, Kranenburg44 und Sternberg45. Bis auf Andechs mit nur 40 Kilometer Radius, zeigen alle Werte von wenigstens 300 Kilometer. Wilsnack und Gottsburen liegen dabei mit 780 bzw. 950 Kilometer deutlich im uberregionalen Bereich. Nach Verbreitung des Andachtsbildes im nordalpinen Raum entwickeln sich ab dem 14. Jahrhundert diverse Gnadenstatten mit wundertatigen Bildnissen in gro¬ wer Zahl. Die Einflussbereiche dieser Orte sind hauptsachlich regional. Die im 14. Jahrhundert begonnenen Kulte haben durchschnittlich nur etwa 100, die nach 1400 entstandenen Orte haufiger bis 200 Kilometer messende Wirkungsradien. Darin konnte sich die steigende Bedeutung der Wallfahrten zu Gnadenbildem im 15. Jahrhundert niederschlagen (Abb. 9). Die Pilgerzeichen der Wallfahrt zur Jo- hanniterkompturei in Werben an der Elbe markieren mit 320 Kilometer einen etwas grofleren Raum.46 Hinter dem zweiten iiberdeutlichen Extremwert steht ein 36 Rudiger Burgiiardt, Odilia von Hohenburg, Der Odilienberg, Bd. 1, Berlin-Freiburg 2003. 37 Medard Barth, Zur Geschichte der Thanner Theobalduswallfahrt im Mittelalter, Annuaire de la societe d'histoire des regions de Thann-Guebwiller 1, 1948-1950, S. 19-82. 38 Jorg Poettgen, Die Leidenswerkzeuge Jesu auf einer Glocke - Ein spatgotisches Pilgerzei¬ chen aus Brauweiler?, Pulheimer Beitrage zur Geschichte und Heimatkunde 27, 2003, S. 36-40. 39 Wolfgang Haubrichs, Die Kultur derAbtei Priim zur Karolingerzeit, Bonn 1979. 40 Kurt KOSTER, Gottsburen, das hessische Wilsnack. Geschichte und Kulturgeschichte einer mittelalterlichen Heiligblutwallfahrt im Spiegel ihrer Pilgerzeichen, in: Festgabe fur Paul Kim, hg. von E. Kaufinann, Berlin 1961, S. 198-222. 41 Die Wilsnackfahrt. Ein Wallfahrts- und Kommunikationszentrum Nord und Mitteleuropas im Spatmittelalter, hg. von Felix Escher - Hartmut Kuhne (Europaische Wallfahrtstudien 2), Frankfurt an Main u.a. 2006. 42 KUHNE (wie Anm. 33), S. 348-372; Kuhne (wie Anm. 35), S. 52. 43 Kurt KOSTER, Ein spatmittelalterliches Blomberger Pilgerzeichen. Zu einern Amsterdamer Bodenfund von 1973, Lippische Mitteilungen aus Geschichte und Landeskunde 43, 1974, S. 9-18' Kurt KOster, Eine neuerschlossene Quelle zur Geschichte der Blomberger Wallfahr- ten und ihrer Pilgerzeichen, Lippische Mitteilungen aus Geschichte und Landeskunde 32, 1963, S. 5-15; Kuhne (wie Anm. 35), S. 54. 44 Joannes van Wanray, Historia S. Crucio Cranenburgensis, ofte grondelicke beschrijvinge van't oude mirakelense Cruys-Beelt tot Branenburch, sine loco 1666. 45 Fritz Backhaus, Die Hostienschdndungsprozesse von Sternberg (1492) und Berlin (1510) und die Ausweisung der Juden airs Mecklenburg und der Mark Brandenburg, Jahrbuch fur brandenburgische Landesgeschichte 39, 1988, S. 7-26. 46 Kuhne (wie Anm. 12).
Carina Вттте 138 Anzahl der Oite 30 . Qberregbnal/Femreisebereich 1 1 1000 Km Dlstanz Abb. 4: Strecken-Anzahl-Diagramm der Maximalreichweiten. Grafik: Carina Brumme Anzahl der Orte 15 . regional 10 ‘ uberregional/Femreisebereich 500 1 1000 km Dlstanz Abb. 5: Strecken-Anzahl-Diagramm der Maximalreichweiten der vor 1300 initierten Orte. Grafik: Carina Brumme
Pilgerzeichen - Erhaltungsbedingungen und Verbreitungsraume 139 Anzahl der Orte 15 . regional Qberregional/Fefnreieebereich 500 1000 km Distanz Abb. 6: Strecken-Anzahl-Diagramm der Maximalreichweiten der im 14. Jh. initierten Orte. Grafik: Carina Brumme Anzahl der Ode 15 . regional 500 Qberregional/Femreiseberetch 1000 km Distanz Abb. 7: Strecken-Anzahl-Diagramm der Maximalreichweiten der im 15./16. Jh. initierten Orte. Grafik: Carina Brumme
140 Carina Brumme Pilgerzeichenfund aus dem norwegischen Voss. Damit erreicht die mitteldeut- sche Mariengnadenstatte Elende einen beachtlichen Maximalwert von etwa 1.060 Kilometer. Die librigen Zeichen wurden in einen Umkreis von 300 Kilometer an- getroffen - immer noch ein erhohter Wert in dieser Vergleichsgruppe. Ein Blick ins Elender Mirakelbuch zeigt, dass es auch hier Eintrage von Pilgem gibt, die u.a. aus Koln, Danzig und Goteborg stammen.47 Der iiberwiegende Teil der Besucher kam aber wahrscheinlich aus einer Entfemung von unter 300 Kilometer, so zeigt das Elender Wohltaterbuch eine eher regionale Streuung.48 Im Ergebnis zeigt diese Analyse, dass sich in der chronologischen und inhalt- lichen Betrachtung der Wirkungsbereiche der Wallfahrtsorte die wesentlichen Entwicklungsziige des spatmittelalterlichen Wallfahrtswesens niederschlagen. Die Popularity der groBen Oberzentren des 13. Jahrhunderts mit den massen- wirksamen Heiltumsweisungen und die durchgangige Beliebtheit der groBen Ab- lassfeiem bis ins 16. Jahrhundert ist ebenso zu erkennen, wie die Kleinraumigkeit der Einzugsbereiche der spatmittelalterlichen Kultstatten. Die Dogmatisierung der Realprasenz Christi in der Eucharisti, die Durchsetzung des Transsubstantia- tionsdogmas und der auBerordentliche Zuspruch, den Statten mit Hostienmira- keln ab dem zweiten Viertel des 14. Jahrhunderts erfuhren, ist durch hohere Reichweiten gekennzeichnet, als sie den etwa zeitgleich aufkommenden Gna- denbildem eignen. Gleichzeitig verdeutlichen die Diagramme zwei divergente Mobilitatsarten. Die Entstehung der Unterzentren mit den kleineren Maximaldistanzen erklart sich dadurch, dass der Besuch solcher wundertatiger Bildnisse oft durch Geliibde bei personlichen Notlagen, Krankheiten, Unfallen etc. motiviert war und demnach wahrscheinlich haufiger geschah. Die Hohe des zum Teil auch fur den Besuch solcher Statten verliehenen BuBnachlasses war meist bescheiden. Die Statten mit Heiltumsweisungen und Wunderhostien gewahrten dagegen hohe Ablasse und dies oft zu bestimmten Jubilaen, man denke an den siebenjahrigen Rhythmus der Weisung in Aachen und den mit dem Aachenzyklus synchronisierten Weisungs- feiem anderer Orte im Rheingebiet. Aus der Konzentration auf einen Zeitpunkt resultiert eine zusatzliche Exklusivitat. Die schlagt sich in den deutlich groBeren Einzugsgebieten nieder. Auch der Wandel des spatmittelalterlichen Wallfahrts¬ wesens im 14. Jahrhundert erhellt aus der graphischen Darstellung. Der Trend wechselt ab dem spaten 13. Jahrhundert eindeutig von den exklusiven Femwall- fahrten, die zunachst haufig ein Privileg des Adels und des hoheren Klerus waren 47 Gabriela Signori, Das Wunderbuch, in: Das Wunderbuch Unserer Lieben Frau im thuringi- schen Elende (1419-1517), hg. von Gabriela Signori (VerofFentlichungcn der Historischen Kommission fur Thiiringen, Gr. Reihe 12), Koln 2006, S. 3-15, hier S. 15. 4K Thomas T. Muller, Das Wohltaterbuch, in: Das Wunderbuch Unserer Lieben Frau im thii- ringischen Elende (1419-1517), hg. von Gabriela Signori (Veroffentlichungen der Histori¬ schen Kommission fur Thiiringen, Gr. Reihe 12), Koln 2006, S. 17-27, hier S. 23f.
Pilgerzeichen - Erhaltungsbedingungen und Verbreitungsraume 141 ’^'asungen.: V > 100 200 300 400 500 600 700 800 km Abb. 8: Strecken-Kultanlass-Diagramm der Durchschnittsreichweiten. Grafik: Carina Brumme Distanx in km ▲ 1000 uberregional HU Illll regional .■■■■Illll 14. Jh. 1 5. Jh. Initiationszeit Abb. 9: Initiationszeit-Strecken-Diagramm der Wallfahrtsorte mit Gnadenbildem. Grafik: Carina Brumme
142 Carina Brumme und deren Zielorte mit spektakularen Reliquienschatzen lockten, hin zum Besuch im wahrsten Sinne popularer regionaler Gnadenstatten. Im 14. und 15. Jahrhun- dert hatte das religiose Unterwegssein alle Schichten erfasst. Speziell bei den Ar- meren in der Bevolkerung entsteht das Phanomen der ,,falschen“ Pilger.49 Das gut ausgebaute Netz an Hospitalem und Versorgungseinrichtungen bot besonders Armen und Kranken eine gute Moglichkeit zum Uberleben. Die Wallfahrt wurde damit - neben alien religiosen Motivationen - in sozialer Hinsicht zur Schutzin- stitution von Besitzlosen und auch von Kriminellen.50 Neben den weiterhin beliebten groBen Wallfahrtszielen nehmen die regionalen Gnadenstatten jetzt eine zentrale Stelle ein. Die zahlreichen Neugriindungen sind charakteristisch fur die Starke Intensivierung der Devotion, die ihren Hohepunkt im ausgehenden 15. Jahrhundert erreicht. Die hier dargelegte Entwicklung des spatmittelalterlichen Wallfahrtswesens entspricht den zeitgenossischen gesamteuropaischen Tendenzen.51 Vom ausge¬ henden Hochmittelalter bis zur beginnenden frtihen Neuzeit beginnt die spatiale Entwicklung der abendlandischen Wallfahrtsgeographie bei den groBen Zentren im Siidwesten und verlauft in Richtung Nordosten kleinraumiger bei steigender Quantitat. Die Bedeutung der Pilgerzeichen fur die Erforschung mittelalterlicher Mobi¬ lity geht weit iiber die eines Indikators hinaus. Sie ermoglichen die ErschlieBung entsprechender Kulturlandschaften liber die Einordnung der Mobilitatsraume nach inhaltlichen Aspekten und in eine chronologische Entwicklung. In der Pra¬ xis konnte dies auch die Zuweisung von bisher nicht identifizierbaren Zeichen insofem erleichtem, als man den zugehorigen Wallfahrtsort vomehmlich in einem Radius sucht, der fur die dargestellte Ikonographie und den zeitlichen Rahmen ty- pisch ist. 49 Ludwig Schmuc.ge, Der falsche Pilger, in: Falschungen im Mittelalter, 5, hg. von H. Fuhr- mann (Schriften der Monumenta Germaniae Historica 33,5), Hannover 1988, S. 486-501. 5I) Diese Zweckentfremdung wird spater zu einem der zentralen Kritikpunkte am Wallfahrts- wesen. Martin Luther schreibt zum Beispiel: „Daher kummen zso viel betler, die durch wal- len untzehlich buberey treyben, die betteln on not leren und gewonenn.“, Martin LUTHER, Werke (Weimarer Ausgabe), Bd. 6, Weimar 1888, S. 437; siehe auch Ilja Mieck., Zur Wall¬ fahrt nach Santiago de Compostela zwischen 1400 und 1650. Resonanz, Strukturwandel und Krise, in: Gesammeltc Aufsatze zur Kulturgeschichte Spaniens (Spanische Forschungen der Gorresgesellschaft, 1. Reihe 29), 1978, S. 508-509. 51 Lars Andersson kommt beziiglich der mittelalterlichen Wallfahrtsaktivitaten nordeuropai- scher Pilger zu einem iihnlichen Ergebnis; vgl. Andersson (wie Anm. 32), S. 183-202.
143 Andreas Haasis-Bemer Das Wallfahrtswesen im 14. Jahrhundert im Spiegel der Pilgerzeichen Eine These zur Geschichte des Wallfahrtswesens im Heiligen Romischen Reich Deutscher Nation Pilgem ist eine in vielen Religionen bekannte Erscheinung und ist im Christen- tum seit Anbeginn praktiziert worden. Nach der ersten Jahrtausendwende erhielt das Wallfahrtswesen aber im Zuge des Bevolkerungswachstums, der erhohten Mobilitat und des Handels im Hinblick auf den ,,Gewinn“ einer Wallfahrt eine neue Qualitat.1 Nunmehr wurde der bislang einzeln durchgefLihrte Bcsuch ciner Kultstatte zu einem Massenphanomen, das nicht mehr nur personliche Devotion, sondem auch den Gewinn von Ablassen als Beweggrund hatte. In diesem Zu- sammenhang sind die ffiihen Pilgerzeichen zu sehen.1 2 Sie kamen als auBeres Sym¬ bol der erfolgreich durchgefiihrten Wallfahrt im 11. Jahrhundert mit den Jakobs- Muscheln auf und wurden ab der zweiten Halfte des 12. Jahrhunderts durch Pil¬ gerzeichen aus Metall erganzt.3 Diese wurden zuerst in Frankreich hergestellt, fanden aber rasch Nachahmer in Italien, Spanien und England und ab 1200 auch im Rhein-Maas-Raum. Die Ampullen, wie wir sie aus Jerusalem oder Canterbury kennen, will ich hier auBer Acht lassen, da sie wahrscheinlich nicht als auBeres Zeichen getragen wurden und auch nicht auf bildlichen Darstellungen nachzu- weisen sind. Aus der Zeit bis 1350 sind bislang knapp 60 Wallfahrtsorte bekannt, an denen Pilgerzeichen hergestellt wurden. Die Gesamtzahl der bekannten Zeichen betragt bislang liber 700.4 Die Liste dieser Orte, liest sich wie ein „Who is who“ der be¬ kannten und beruhmten Wallfahrtsorte. Ab der Mitte des 13. Jahrhunderts gehor- ten dort Pilgerzeichen zur iiblichen Produktpalette. Doch wurden nicht an alien 1 Bernhard KOTTING, Peregrinatio religiosa - Wallfahrt in der Antike und das Pilgerwesen in der alten Kirche (Forschungen zur Volkskunde 33-35), Munster 1956; Hans Dunninger, Was ist Wallfahrt?, in: Ders., Wallfahrt und Bilderkult, Gesammelte Schriften, Wurzburg 1995, S. 271-281. 2 Bernhard SCHIMMELPFENNIG, Die Regelmdfligkeit der mittelalterlichen Wallfahrt, in: Wall¬ fahrt und Alltag, Internationales Round-Table-Gesprach Krems an der Donau. 8. Oktober 1990 Osterreichische Akademie der Wissenschaften, Philosophisch-Historische Klasse, Sit- zungsberichte 592. Veroffentlichungen des Instituts fur Realienkunde des Mittelalters und der Fruhen Neuzeit 14, Wien 1992, S. 81-93. 3 Andreas Haasis-Berner, Pilgerzeichen des Hochmittelalters (Veroffentlichungen zur Volks¬ kunde und Kulturgeschichte 94), Wurzburg 2003, S. 23-25. 4 Haasis-Berner (wie Anm. 3), S. 20.
144 Andreas Haasis-Berner Orten, die in der Literatur als mittelalterliche Wallfahrtsorte genannt werden, auch Pilgerzeichen hergestellt. Fur den Status als Wallfahrtsort musste eine Vielzahl von Kriterien erffillt sein; eines der wichtigsten Kriterien war das Vorhandensein von umfangreichen Ablassen. Es scheint hier deutliche Abstufungen und Quali- tatsunterschiede unter den Kultorten zu geben. So kennen wir aus Aachen, einem der politisch und kultisch zentralen Orte des Deutschen Reiches, dem Aufbe- wahrungsort zahlreicher Reliquien allerhochsten Ranges dennoch bis zum ffii- hen 13. Jahrhundert keinerlei Pilgerzeichen.5 Nicht die Heiligsprechung Karls des GroBen 1165, sondem frtihestens die Fertigstellung des Karlsschreines (1215) bzw. des Marienschreines (1220/1238) scheint zeitlich mit der Herstellung von diesen religiosen Andenken zusammenzufallen. Vielleicht war es auch erst der 40-tagige AblaB, der 1248 erstmals vergeben wurde. Fur eine exakte Festlegung sind die archaologischen Datierungen der Pilgerzeichen derzeit noch zu unge- nau. Die meisten Pilgerzeichen zeigen das Kultbild Mariens mit dem Jesuskind und nicht das Marienkleid oder Karl den GroBen. Somit ist ein Hiatus von etwa 50 Jahren festzustellen, wahrend dessen Aachen zwar ein wichtiger Kultort war und eine herrschaftliche Auszeichnung erfuhr, aber noch nicht zum Ausgabeort von Pilgerzeichen wurde.6 Vielleicht gilt ffir Koln entsprechendes.7 Wenn nun Pilgerzeichen als Antwort auf das sich verandemde Wallfahrtswe- sen aufkommen, so kann moglicherweise die vielgestaltige Veranderung der Pil¬ gerzeichen im Verlauf des 14. Jahrhunderts auf Entwicklungen im Wallfahrtswe- sen hinweisen. Dies gilt es im Folgenden zu untersuchen. Formale Veranderungen Die Pilgerzeichen des Mittelalters lassen sich formal in zwei Gruppen einteilen: in die alteren, ab etwa 1175 hergestellten Flachghsse, die im Verlauf des 14. Jahr¬ hunderts von den jiingeren Gitterglissen abgelost wurden. Hinter diesem Wandel diirften vorwiegend modische Entscheidungen stehen (bessere Wirkung durch Hinterlegen mit buntem Papier), wenngleich auch rein praktische Uberlegungen s Haasis-Berner (wieAnm. 3), S. 157-168. 6 Neben den spitz- bzw. rundgiebeligen Flachgiissen mit der Darstellung von Maria bzw. Karl dem GroBen gibt es noch eine Mariendarstellung, die sich durch einen in zweizipfeligen Enden auf der Brust auslaufenden Schleier auszeichnet. Diese ins 13. und 14. Jahrhundert zu datierende Darstellung ist im ganzen Regnum in groBer Zahl verbreitet und kann nur aus einem uberregional bedeutenden Wallfahrtsort wie Aachen stammen; vgl. Andreas Haasis- Berner, Archdologische Funde von mittelalterlichen Pilgerzeichen und Wallfahrtsandenken in Westfalen, Westfalen 78, 2000, S. 358-360. 7 Andreas Haasis-Berner - Jorg POETTGEN, Die mittelalterlichen Pilgerzeichen der Heiligen Drei Konige. Ein Beitrag von Archaologie und Campanologie zur Erforschung der Wallfahrt nach Koln, Zeitschrift fur Archaologie des Mittelalters 30, 2002, S. 173-202.
Das Wallfahrtswesen im 14. Jahrhundert 145 (geringeres Gewicht = geringere Stiickkosten) eine Rolle gespielt haben diirften. Gleichzeitig gibt es Orte, an denen die Zeichen deutlich groBer wurden, wodurch sie kaum noch als Kleiderbesatz dienen konnten (u.a. in Aachen und Koln).K In meinen Augen ist diese verbesserte formale Ausgestaltung auch auf die Konkur- renz der immer zahlreicher werdenden Wallfahrtsorte untereinander zuriickzu- fiihren. Denn prinzipiell hatten die Orte das gleiche ,,Angebot“, einen Ablass, der sich allenfalls in seinem zeitlichen Umfang unterschied. Bei einem gleichwerti- gen Ablass mussten die Kultorte schon weitere ,,Angebote“ einfuhren, um die Glaubigen anzuziehen. Dies erfolgte u.a. auch durch immer schoner gestaltete Pilgerzeichen, die nun nicht mehr romanische Formen zeigten, sondem gotische und die aufgrund der Herstellungsweise manchmal auch mit Spiegeln hinterlegt werden konnten (z.B. Aachen). Ab dem fruhen 15. Jahrhundert (zuerst in Frank- reich, ab dem spaten 15. Jahrhundert auch in Deutschland) sind auch Zeichen aus Edelmetall nachzuweisen.8 9 Inhaltliche Veranderung Ebenfalls zwischen dem spaten 13. und 14. Jahrhundert erfolgte eine Veranderung in der Trageweise. Wahrend die fruhen Pilgerzeichen nahezu ausschlieBlich auf der Pilgertasche angebracht waren, fanden sie nun immer haufiger auf der Pele¬ rine und dem Pilgerhut (der in der Ikonographie der Pilger im 12. und 13. Jahr¬ hundert nur vereinzelt vorkommt) ihren Platz.10 11 In der Tasche befanden sich die Papiere der Pilger, d.h. die Bestatigung, dass es sich um echte Pilger handelt bzw. dass sie tatsachlich in einem Wallfahrtsort waren. Die Tasche als solche, aber auch ihr Inhalt und die auf ihr angebrachten Zeichen, waren anfangs das „Kenn- zeichen“ der Pilger. Auch aus diesem Grund gait der Pilgersegen neben dem Stab auch der Tasche und nicht etwa dem Hut oder der Pelerine. Das Zeichen hatte auch eine rechtliche Funktion, indem es ,,bewies“ dass es sich um einen echten Pilger handelte. Das Anbringen auf dem Hut verband das Zeichen starker mit der Person, deren Gesicht man ja unweigerlich wahmahm. Es handelte sich aber zugleich um eine im 14. Jahrhundert aufkommende Mode. Denn etwa ab 1300 wurden, im deutlichen Gegensatz zur vorangehenden Zeit, an der Kleidung sehr viele Metallteile angebracht, wie Knopfe, Ketten, Bleche und vieles andere mehr.11 Dieser immer intensivere Schmuckgedanke wurde auch bei 8 HaaSIS-Berner - Poettgen (wie Anm. 7). 9 Andreas Haasis-Berner, Pilgerzeichenforschung. Forschungsstand und Perspektiven, in: Snatmittelalterliche Wallfahrt im mitteldeutschen Raum, hg. von Hartmut Kiihne - Wolfgang Radtke - Gerlinde Strohmaier-Wiederanders, Berlin 2002, S. 63-83, hier S. 66-68. 10 Haasis-Berner (wie Anm. 3), S. 35f. 11 Vgl Stefan Krabath - Lothar Lambacher, Der Pritzwalker Silberfund. Schmuck des spaten
146 Andreas Haasis-Berner anderen Gegenstanden praktiziert, denn in diese Zeit fiel auch das Anbringen der Pilgerzeichen auf den Glocken. Im gleichen Mafle also, wie man immer mehr me- tallene Verzierungen auf der Kleidung verwendete, wurden auch die Glocken ver- ziert.* 12 Das Pilgerzeichen entwickelte sich von einem eher kultisch-rechtlichen Symbol zu einem Trachtbestandteil, einem Kleiderbesatz wie andere Schmuck- stiicke auch. Diese Bedeutungsverschiebung konnte vor einigen Jahren auch Lars Andersson anhand der skandinavischen Pilgerzeichenfunde feststellen.13 Quantitative Veranderungen Anhand der erhalten gebliebenen Pilgerzeichen aus Metall sind quantitative Schwankungen innerhalb der Zeitachse nur schwer festzustellen. Das liegt zum einen an ihrer Verganglichkeit im Boden, denn Blei-Zinn-Giisse halten sich zu 90 Prozent in anaeroben Verhaltnissen und werden daher uberwiegend in Feucht- boden gefunden.14 Zum anderen liegt dies aber auch an der Tatsache, dass es nur wenige Wallfahrtsorte gibt, die liber einen langeren Zeitraum groflere Mengen an Pilgerzeichen emittiert haben. Nur dadurch konnen sie auch in datierbare Zu- sammenhange gelangt sein und mit diesen ausgegraben werden, so dass langffi- stige Entwicklungen nachgewiesen werden konnen. Schwankungen innerhalb der Zeitachse sind besonders bei den schwerer ver- ganglichen Pilgermuscheln zu erkennen. Sie sind in Fundzusammenhangen des 11. Jahrhunderts nur sehr selten nachzuweisen, in denen des spaten 12. und vor allem 13. Jahrhunderts recht haufig. Dagegen ist ihr Nachweis in der Zeit des 14. Jahrhunderts und danach nur noch vereinzelt moglich.15 Hier ist ein deutlicher Mittelalters (Kunstgewerbemuseum der Staatlichen Museen zu Berlin, Bestandskatalog XXIII), Pritzwalk 2006. 12 Kurt KOster, Meister Tilman von Hachenburg. Studien zum Werk eines mittelalterlichen Glockengiefiers des Junfzehnten Jahrhunderts. Mit besonderer Beriicksichtigung der als Glok- kenzier verwendeten mittelalterlichen Pilger- und Wallfahrtszeichen, Jahrbuch der Hessi- schen Kirchengeschichtlichen Vereinigung 8, 1957, S. 1-206. n Lars Andhrsson, Pilgrimsmdrken och vallfart. Medeltida pilgrimskultur i Skandinavien (Lund Studies in Medieval Archeology 7), Kumla 1989. 14 Eine Beobachtung, die nicht nur auf Pilgerzeichen zutrifft, sondem auf alle in archaologi- schein Kontext gefundenen Zinnobjekte. Haasis-Berner (wie Anm. 3), S. 20. - Siehe hierzu auch die kontrare Meinung von Carina Brumme, Pilgerzeichen - Erhaltungsbedingungen und Verbreitungsrdume, in vorliegendem Band. 15 Kurt KOs ier, Pilgerzeichen und Pilgermuscheln von mittelalterlichen Santiagostrafien: St- Leonard, Rocamadour, St-Gilles, Santiago de Compostella. Schleswiger Funde und Ge- samtiiberlieferung (Ausgrabungen in Schleswig. Berichte und Studien 2), Neumiinster 1983; Haasis-Berner (wie Anm. 3), S. 53. - Trotz einer erfreulichen und kontinuierlichen Zu- nahme an Neufimden in den vergangenen Jahren andert sich nichts an dieser Aussage.
Das Wallfahrtswesen im 14. Jahrhundert 147 Ruckgang zu verzeichnen. Dies diirfte natiirlich mit dem starken Bevolkerungs- riickgang zusammenhangen, der durch die zahlreichen Krisen, wie Hungersnote oder die Pestziige ab 1347 verursacht wurde. Sicherlich ist der Anteil der San- tiago-Pilger an der Gesamtbevolkerung gegeniiber dem 13. Jahrhundert stark zu- riickgegangen, da sich spatestens im 15. Jahrhundert die Masse der Pilger auf die Heiligen Jahre beschrankte.16 Trotz Anwachsen der Bevolkerung ab dem spaten 15. Jahrhundert nimmt die Anzahl der Muscheln in archaologischen Befunden nicht mehr zu. Dies ist im Hinblick auf die in Museen erhaltenen Gagatfiguren oder Pilgergewander, wie die des Sebastian Praun in Numberg, zu beriicksichti- gen. Allem Anschein nach sind nur noch wenige Personen, wahrscheinlich sogar iiberwiegend nur noch Mitglieder der reichen stadtischen und adeligen Schichten auf Femwallfahrten, wie z.B. nach Santiago, gegangen. Dies zeigen auch die im ffiihen 15. Jahrhundert aufkommenden Pilgerzeichen aus Edelmetall, deren Pro- duktion naturgemaB nur auf liquide Kaufer abgestimmt sein konnte. Zumindest von deutscher Seite her ist die Santiago-Fahrt bis in das letzte Jahrzehnt des 20. Jahrhunderts keine Massenwallfahrt mehr gewesen. Vor diesem Hintergrund bie- ten die Pilgerzeichen bei einigen Orten die Moglichkeit, Aussagen iiber ihre dy- namische Bedeutung als Wallfahrtsort zu treffen, die Schriftquellen nicht zu ent- locken sind. Topographische Veranderungen Zu den bis zur Mitte des 14. Jahrhunderts bekannten 60 Wallfahrtsorten, an denen Pilgerzeichen hergestellt wurden, kommen in der Zeit bis zum friihen 16. Jahr¬ hundert 200 weitere in ganz Europa hinzu.17 Besonders viele Orte kennen wir aus den Niederlanden, was sicherlich auch mit den giinstigen Uberlieferungs- und Publikationsbedingungen dort zu tun hat.18 Ein weiterer Grund ist auch eine klein- raumige Konkurrenz unter den Wallfahrtsorten, die in dieser dicht besiedelten Gegend besonders zahlreich waren. 16 Ilja MiECK, Zur Wallfahrt nach Santiago de Compostella zwischen 1400 und 1650. Resonanz, Strukturwandel und Krise, Spanische Forschungen der Gorres-Gesellschaft, Reihe 1,29. 1976, S. 483-533, hier S. 489. 17 Siehe die Liste in: Haasis-Berner (wie Anm. 9), S. 79-83; Haasis-Berner (wie Anm. 3). 18 Hendrik Jan Engelbert van Beuningen - Adrianus Maria Koldeweij, Heilig en profaan. 1000 laatmiddeleeuwse insignes uit de collectie H.J.E. van Beuningen (Rotterdam Papers 8), Co- then 1993; Hendrik Jan Engelbert van Beuningen-Adrianus Maria Koldeweij - Dory Kic- icen Heilig en profaan 2, 1200 laatmiddeleeuwse insignes uit openbare en particuliere col- lecties (Rotterdam Papers 12), Cothen 2001; Robert Maarten van Heeringen - Adrianus Maria Koldeweij - Antonia Anna Geertruida Gaalman, Heiligen uit de modder (Clavis kunsthistorische monografieen 4), Zutphen 1987.
148 Andreas Haasis-Benter Erstellt man eine Liste der Wallfahrtsorte, in denen in Deutschland Pilgerzei- chen gefimden wurden, wird das deutliche Uberwiegen siideuropaischer und ffan- zosischer Wallfahrtsorte in der Zeit bis ins friihe 14. Jahrhundert deutlich.14 * * * * 19 Etwa 50 Prozent aller Zeichen stammen aus diesen Regionen. Die anderen Zeichen stammen zum iiberwiegenden Teil aus dem Rhein-Maas-Gebiet. Derzeit sind nur zwei Orte bekannt, an denen im 13. Jahrhundert ostlich des Rheins Pilgerzeichen hergestellt wurden: Riga in Lettland (St. Maria)20 sowie Krakau in Polen (St. Sta¬ nislaus). 100 Jahre spater hatte sich das Bild vollig gewandelt. Nunmehr stammen we- niger als zehn Prozent aller Zeichen aus Siideuropa bzw. Frankreich. Hauptsach- liche Pilgerziele lagen nun im Deutschen Reich selbst. Es gibt acht Wallfahrtsorte, die ostlich des Rheins im 14. Jahrhundert Pilgerzeichen hergestellt haben. Dies sind: Marburg (kurz nach 1300)21, Gottsburen (1331)22, Nikolausberg (1353)23, Prag (ab ca. 1354), Thann (1377)24, Wilsnack (nach 1383)25 und Andechs (1391)26. ,,Erfolgreichster“ Ort war das brandenburgische Wilsnack. Rein quantitativ sind die Pilgerzeichen von Gottsburen, Nikolausberg, Thann und Wilsnack am hau- figsten vertreten. Dies wird direkt mit der Bedeutung der Wallfahrt zusammen- hangen. Die groBte Verbreitung dieser Zeichen lasst sich bei denen von Gottsbii- 14 Bislang sind drei groflere Regionen im deutschsprachigen Raum systematisch untersucht: Westfalen, vgl. Haasis-Berner (wie Anm. 6), Siiddeutschland mit Elsass und Schweiz, vgl. Andreas Haasis-Berner, Pilgerzeichen zwischen Main undAlpen, in: Wallfahrten in der eu- ropaischen Kultur / Pilgrimage in European Culture, hg. von Hartmut Kiihne - Daniel Dole- zal (Europaische Wallfahrtsstudien 1), Frankfurt a. M. u.a. 2006, S. 237-252 und Mecklen¬ burg-Vorpommern, vgl. den Beitrag von Katrin Nagel, Pilgerzeichenfunde in Mecklenburg- Vorpommern, in vorliegendem Band. 20 Haasis-Berner (wie Anm. 3), S. 199f. 21 Haasis-Berner (wie Anm. 3), S. 194-196 mit alterer Literatur. 22 Kurt KOster, Gottsburen, das hessische Wilsnack. Geschichte und Kultutgeschichte enter mit- telalterlichen Heilig-Blut- Wallfahrt im Spiegel ihrer Pilgerzeichen, in: Festgabe fur Paul Kim, hg. von E. Kaufmann, Berlin 1961, S. 198-222; Haasis-Berner (wie Anm. 3), S. 196-199. 21 Kurt KOster, Mittelalterliche Pilgerzeichen, in: Stadt im Wandel, hg. von Cord Meckseper, Braunschweig 1985, Bd. 1, S. 404-414. 24 Andersson (wie Anm. 13), S. 85ff. 25 Rita Bucholz - Klaus-Dieter Gralow, Zur Geschichte der Wilsnacker Wallfahrt unter be- sonderer Benicksichtigung der Pilgerzeichen (Kleine Schriftenreihe zur Geschichte von Bad Wilsnack 2), Bad Wilsnack 1992; Carina Brumme, Die spatmittelalterliche Wallfahrtsgeo- graphie auf dem Gebiet der heutigen Bundesrepublik Deutschland und den angrenzenden, westrheinischen Gebieten - raumliche Stmktur und inhaltliche Entwicklung, dargelegt an- hand ihrer Pilgerzeichen. Magisterarbeit, Humboldt-Universitat zu Berlin 2005, S. 94f. 26 Hartmut Kuhne, Ostensio reliquiarum, Untersuchungen iiber Entstehung, Ausbreitung, Ge¬ stalt und Funktion der Heiltumsweisungen im romisch-deutschen Regnum (Arbeiten zur Kir- chengeschichte, 75), Berlin/New York 2000, S. 348ff. - Stilistisch sind noch die Zeichen von St. Prokopius hinzuzufugen, die weder sicher datiert sind, noch einem Wallfahrtsort sicher zu- gewiesen werden konnen.
Das Wallfa/irtswesen im 14. Jahrhundert 149 ren, Thann und Wilsnack nachweisen, wahrend die Zeichen von Nikolausberg ,nur’ im mitteldeutschen Raum streuen.27 Diese Aussage lasst sich iiber Schrift- quellen bestatigen. Im UmkehrschluB bedeutet dies, dass die Quantitat und die weite Verbreitung von Pilgerzeichen im direkten Zusammenhang mit der Bedeu- tung des Wallfahrtsortes stehen. Gibt es zu einem Wallfahrtsort keine oder nur wenige Schriftquellen, so konnen iiber die Bedeutung des Ortes dennoch anhand der Pilgerzeichen zuverlassige Aussagen gemacht werden. Durch die Bevorzugung von Kultzielen innerhalb des Deutschen Reiches ver- ringerte sich auch der Abstand zwischen dem Wohnort und dem Wallfahrtsort. Dadurch konnten Wallfahrten schneller durchgeftihrt werden. Es waren nicht mehr Untemehmungen, die aufgrund der Distanz in kaum weniger als einem Jahr zu schaffen waren, und somit schon einen gewaltigen Unsicherheitsfaktor im Hin- blick auf eine Riickkehr einschlossen, sondem Reisen, die wenige Wochen oder gar nur wenige Tage in Anspruch nahmen. Dies diirfte auch die Anzahl der von einer Person im Laufe eines Lebens besuchten Wallfahrtsorte erhoht haben, was wiederum ein Grund fur eine groBere Konkurrenz der einzelnen Orte gewesen sein wird. Das Verhalten der Pilger ist ganz in dem Sinne modemer Freizeitfor- scher „kiirzer, aber offer44 zu verstehen.28 Ahnliche Feststellungen konnten auch in Skandinavien gemacht werden. Dort zeigt sich deutlich, dass die Masse (95 Prozent, n=40) der Pilgerzeichen des 13. Jahrhunderts aus Siideuropa (Santiago, Rom, Lucca, Bari) stammen. Im 14. Jahr¬ hundert ist das Verhaltnis mit 42 Prozent siideuropaischer Wallfahrtsorte zu 58 Prozent mitteleuropaischer Orte (v.a. Rhein-Maas-Raum) nahezu ausgeglichen. Im 15. Jahrhundert hat sich dieses Verhaltnis deutlich gewandelt. Jetzt stammen 81 Prozent der Zeichen aus Skandinavien selbst und nur noch acht Prozent (n=5) aus Siideuropa. Die Herstellung von Pilgerzeichen im skandinavischen Raum be- ginnt erst im 15. Jahrhundert. Auch in den Niederlanden ist das Bild entsprechend, wie anhand der Durch- sicht in den einschlagigen Katalogen leicht nachvollzogen werden kann, auch wenn bislang noch keine statistische Auswertung hierzu vorliegt.29 Der Rtickgang der Femwallfahrten zugunsten von Nahwallfahrten ab dem 14. Jahrhundert ist demnach keine spezifisch deutsche Erscheinung, sondem betrifft ganz Mittel- europa. 27 Brumme (wie Anm. 25), S. 83, Karte 53 (nach Anette Haucap, in: Stadt im Wandel, hg. von Cord Meckseper [Ausstellungskatalog Braunschweig 1985], Braunschweig 1985, Bd. 2, Nr. 332, S. 1360). 28 siehe die systematische Kartierung der Wallfahrtsorte und ihrer Pilgerzeichen bei Brumme (wie Anm. 25) und Dies., Pilgerzeichen - Erhaltungsbedingungen und Verbreitungsrdume, in vorliegendem Band. 29 Siehe Anm. 18.
150 Andreas Haasis-Berner Kultformen Gleichzeitig kamen neue Formen der Verehrung und der Presentation der Heil- tiimer hinzu. In Aachen - um ein Beispiel zu nennen - wurde das Marienkleid ab der Mitte des 14. Jahrhunderts regelmaBig zwischen den Tiiirnen des Domes pra- sentiert.30 Somit konnte die Reliquie zwar einer groBen Menge gleichzeitig ge- zeigt werden, der direkte Kontakt war aber unterbunden. Jetzt wurde von den Glaubigen auf den Platzen um den Dom auf irdenen Homem geblasen, um die Verehrung zu bezeugen.31 Derartige Homer konnten erstmals auch archaologisch bezeugt werden.32 Ebenfalls ab dieser Zeit versuchten die Glaubigen, das Bild der Reliquie in Spiegeln einzufangen.33 Homer und Spiegelzeichen wurden mit nach Hause ge- nommen. Die Homer wurden zum Schutz gegen Gewitter geblasen, die Spiegel dienten als eine Art Kontaktreliquie. Auf das Anbringen der Pilgerzeichen als Schmuck auf Glocken wurde schon hingewiesen, es ist aber auch in diesem Zu- sammenhang als eine neuen Kultpraxis zu verstehen. So, wie die Zeichen auf den Glocken als Apotropaikum dienten, so dienten sie auch bei den Menschen als Un- heil abwehrend. These Aus den genannten Beobachtungen - der formalen Veranderung der Pilgerzei¬ chen, der gleichzeitigen Veranderung der Trageweise, ihrer Anbringung auf Glok- ken, der Wandlung der Pilgerzeichen von einem kultisch-rechtlichen zu einem schmiickenden Amulett, dem Riickgang der Femwallfahrten und der gleichzeiti¬ gen Zunahme der Nahwallfahrten sowie aus den neuen Kultformen - folgere ich, dass sich das Wallfahrtswesen im Verlauf des 14. Jahrhunderts deutlich wandelte. Mit dem Ende des 13. Jahrhunderts kam der Brauch auf, nicht mehr nur fur den irdischen BuBerlaB Ablasse von bis zu 40 Tagen auszugeben, sondem Ablasse von vielen Jahren. Sie wurden gewahrt, um die jenseitigen Siindenstrafen zu re- duzieren. Mir scheint, daB dies ein moglicher Faktor fur die Veranderung der Ein- stellung gegenuber der Wallfahrt war. Die Veranderungen bei den Pilgerzeichen scheinen ein Reflex auf die Veranderungen im Wallfahrtswesen zu sein. 30 Kuhne (wie Anm. 26) mit alterer Literatur. 31 Andreas Haasis-Berner, Horner aus Keramik- Wallfahrtsdevotionalien oder Signalhbr- ner?, Zeitschrift fur Archaologie des Mittelalters 22, 1994 (1996), S. 15-38, bcs. S. 20-23. 32 Haasis-Berner (wie Anm. 31). 33 Kurt KOster, Gutenbergs Str aft burger A achenspiegel-Unternehmen von 1438/39, Guten- berg-Jahrbuch 58, 1983, S. 24-^4, bes. S. 33ff.
Das Wallfahrtswescn im 14. Jahrhundert 151 Dies steht im Einklang mit historisch belegten Entwicklungen innerhalb des Wallfahrtswesens, wie die Bevorzugung von Jubilaen, insbesondere fur Rom- fahrten, da diese Jubilaen mit besonderen Ablassen verbunden waren. Femer kamen auch nordlich der Alpen immer mehr Bischofe zu dem Recht, umfangrei- che Ablassen zu verleihen, was sie in groBem Umfang fur ihre eigenen Kirchen ausnutzten. Diese neuen Wallfahrtsorte waren entweder kirchliche Zentren, die schon lange bestanden und durch die Initiative der weltlichen oder geistlichen Obrigkeit mit entsprechenden Ablassen ausgestattet wurden (Andechs, Prag), oder solche, die durch anerkannte Wunder (zunachst Hostienwunder wie in Gotts- biiren und Wilsnack) das Interesse der Glaubigen auf sich zogen und durch die tat- kraftige Unterstatzung der verantwortlichen Bischofe in den GenuB von um- fangreichen Ablassen kamen, welche die Attraktivitat der Orte noch weiter stei- gerten. Pilgerzeichen sind demnach nicht nur in kunsthistorischer Hinsicht interes- sant, sondem erlauben wichtige Aussagen zur Bedeutung von einzelnen Wall- fahrtsorten, in ihrer Gesamtheit aber auch zur Geschichte der Wallfahrt allge- mein, wie sie anhand von Schriftquellen nicht immer getroffen werden konnen. Dies deutlich zu machen war stets auch das Anliegen von Kurt Koster.
153 Hartmut Kiihne Die Pilgerzeichenforschung in Deutschland seit dem Tod von Kurt Koster 1986 Kurt Koster pragte die deutsche Pilgerzeichenforschung nicht nur als ambitio- nierter Systematiker und akribischer Sammler von einschlagigen Informationen; er hatte es auch verstanden, die unscheinbaren, kleinteiligen und daher fur repre¬ sentative Ausstellungen eher ungeeigneten Pilgerzeichen in den letzten 15 Jahren seines Lebens auf den Biihnen der Kunst-, Landes- und Kulturgeschichte zu pra- sentieren. Nach Kosters 1957 gedruckter Arbeit uber den GlockengieBer Tilman von Hachenburg, die seinem methodischen Ansatz der Pilgerzeichentypologie zur wissenschaftlichen Anerkennung verhalf, bedeutete die 15 Jahre spater er- folgte Aufnahme der Pilgerzeichen in den Kanon der ausstellungswiirdigen Kunstobjekte bei der groBen Kolner Schau „Rhein und Maas. Kunst und Kultur gOO-MOO"1 den offentlichkeitswirksamen Durchbruch dieser Forschungen. Pil¬ gerzeichen wurden nun - unter fachkundiger Kommentierung durch Kurt Koster - in der Aachener Zisterzienserausstellung 19801 2, in der Marburger Elisabethex- position 1981, in der groBen Munchner Wallfahrtsausstellung 1984, in der Braun- schweiger Schau zu „Kunst und Kultur des Burgertums in Norddeutschland“ 1985 und im selben Jahr auch in der Genter Ausstellung zur Santiagofahrt gezeigt. Ein Jahr spater starb Kurt Koster. Mit seinem fruhen Tod fand die ,Erfolgsgeschichte’ der Pilgerzeichenfor¬ schung in Deutschland ein vorlaufiges Ende. Im Nachhinein war dieser Bruch aber wohl nicht vollig iiberraschend. So widmeten sich in der dem funfimdsech- zigjahrigen Kurt Koster im Jahr 1977 dargebrachten Festschrift nur zwei der 49 Beitrage einem einschlagigen Thema. Sigrid Thurm, die Bearbeiterin des inzwi- schen eingestellten Projektes „Deutscher Glockenatlas“, die ein Jahr vor dem Tode Kurt Kosters ihren 80. Geburtstag feierte, steuerte einen Beitrag uber den GlockengieBer Hans Lamprecht aus Deneuve bei.3 Der einzige Aufsatz, der die Pilgerzeichenpassion des hauptberuflichen Bibliothekars Koster ahnen lieB, be- 1 Vgl die Gesamtbibliographie der Arbeiten Kurt Kosters zu Pilgerzeichen und Glocken in vorliegendem Band. 2 Vffl auch zu den folgenden Ausstellungen die Gesamtbibliographie der Arbeiten Kurt Kosters zu Pilgerzeichen und Glocken in vorliegendem Band. 3 4iffrid Thurm, Die Werkstatt der Hans Lambrecht (Jean Lambert) von Deneuve, Hire Schu¬ ler und das unsignierte Friihwerk in Kleinsteinbach (Karlsruhe), in: Bibliothek - Buch - Ge- schichte. Kurt Koster zum 65. Geburtstag, hg. von Gunther Plug u.a., Frankfurt a. M. 1977, S. 413-418.
154 Hartmut Kiihne schaftige sich mit einem Pilgerzeichen aus Saint-Rombaut in Mecheln - ge- schrieben von dem Belgier Stefan Vandenberghe.4 Warum die Pilgerzeichenforschung von Kurt Koster in Deutschland kaum un- mittelbare Fortsetzung fand, wird sich nicht mehr klaren lassen. Eine Rolle spielte sicher, dass Koster seine Forschung jahrzehntelang ohne institutionelle Anbin- dung und damit auch ohne einen potentiellen Schiilerkreis betrieb, was wohl auch durch das Wtirzburger DFG-Projekt nicht ausgeglichen werden konnte, in dem von 1980-1985 seine private Zettelkartei durch Heidemarie Gruppe in eine ma- schinenschriftliche und allgemein benutzbare Form gebracht wurde.5 Auch scheint die souverane Kennerschaft Kurt Kosters in seinen letzten Lebensjahren bei manchen der jiingeren deutschen Wissenschaftler den Eindruck erweckt zu haben, dass auf dem Feld der Pilgerzeichen wenig Raum fur eigene Ambitionen sei - so hat es der Verfasser jedenfalls von einem inzwischen renommierten Hi- storiker gehort, der zu Beginn der 80er Jahre seine ersten Meriten bei der Erfor- schung der europaischer Pilgerbewegungen erwarb. Wahrend sowohl das Engagement Kosters als auch die Beschaftigung mit Pil¬ gerzeichen iiberhaupt in Deutschland im besonderen MaBe von den Pilgerzei- chenabgiissen auf Glocken bestimmt worden war, hatten die archaologische Funde von originalen Pilgerzeichen schon in den letzten Lebensjahren Kosters an Bedeutung gewonnen. Die einzige Monographie Kosters liber Pilgerzeichen, die 1983 erschien, war aus der Beschaftigung mit einem archaologischen Fund von vier Pilgerzeichen und einem knappen Dutzend Pilgermuscheln bei Ausgrabun- gen in Schleswig hervorgegangen.6 Die archaologischen Neufunde bestimmten - von den schon zahlenmaftig sensationellen Entdeckungen der niederlandischen Archaologen und Sondenganger flankiert7 - die Beschaftigung mit den Pilger¬ zeichen in Deutschland nach 1986. Dies verhalf wohl auch dem bis dato einzigen groBeren Fundkomplex von Pilgerzeichen in Deutschland zu einer gewissen Po- pularitat: Um die Neubearbeitung der Sammlung, die vor allem Ernst Grohne im ersten Drittel des 20. Jahrhunderts aus dem Schlamm der Weser fur das Bremer Focke-Museum gesichert hatte, bemiihte sich Jurgen Wittstock.8 4 Stefan Vandenberghe, Une medaille de pelerinage de saint-Rombaut et l ’ indulgence pont- Jicale sous lepape Nicolas V(1447-1455) a Mlines, in: Bibliothek - Buch - Geschichte (wie Anm. 3), S. 405-412. 5 Vgl. Heidemarie Gruppe, Zu BegriffundSache im DFG-Projekt „Pilgerzeichenkatalog”, in: Wallfahrt, Pilgerzeichen, Andachtsbild, hg. von Wolfgang Bruckner (Veroffentlichungen zur Volkskunde und Kulturgeschichte 14), Wurzburg 1982, S. 9-46. 6 Kurt KOstlr, Pilgerzeichen und Pilgermuscheln von mittelalterlichen Santiagostrassen: Saint-Leonard, Rocamadour, Saint-Gilles, Santiago de Compostela. Schleswiger Funde und Gesamtiiberliej'erung(N\isgrabm\%zn in Schleswig 2), Neumiinster 1983. 7 Vgl. dazu den Beitrag von Jos Koldeweij, Pilgrim and Secular Badges: Archaeological Finds in the Low’ Countries, im vorliegendem Band. * Jurgen Wittstock, Pilgerzeichen und andere Wallfahrtsdevotionalien in Norddeutschland,
Die Pilgerzeichenforschung in Deutschland 155 In den letzten zwei Jahrzehnten wurde ein guter Teil der Neufunde von Pil- gerzeichen und Pilgermuscheln in den Jahrgangen der „Archaologie in Deutsch¬ land" bzw. in den landesarchaologischen Periodika verzeichnet; einen Uberblick iiber neuere Funde aus der Schweiz geben zwei Beitrage von Susanne Frey-Kup- per9 und Andreas Haasis-Bemer10 11. Vor allem war es die verstarkte Bautatigkeit im Bereich der ehemaligen DDR nach der deutschen Wiedervereinigung, die den Stadtarchaologen zahlreiche Pil- gerzeichenfunde bescherte. Dies dokumentiert in vorliegendem Band exempla- risch fur das Land Mecklenburg-Vorpommern der Beitrag von Katrin Nagel und speziell fur Stralsund der Bericht von Jorg Ansorge. Ein umfangreicher Fund war bereits in den 80er Jahren bei Unterwassergrabungen am Uferdes Oberuckersees im Norden Brandenburgs geborgen worden. 1m Bereich eines Anlegestegs, der zu dem in der Reformation zerstorten Zisterziensemonnenkloster Seehausen gehorte, wurden mehrere tausend Kleinfunde entdeckt, die in einzigartiger Weise Ein- blicke in das Alltagsleben eines spatmittelalterlichen Frauenkonvents geben. Dazu gehoren auch 60 Pilgerzeichen bzw. Devotionalien aus Blei-Zinn-Legierungen, von denen einige bereits 1994 von den Prenzlauer Museologen Ralf Jaitner und Gerhard Kohn publiziert wurden11 und fur die seit 2007 auch ein Gesamtkata- log12 vorliegt. Freilich verlangen die verstreut und zum Teil auch entlegen publizierten Neu¬ funde geradezu nach einer aktuell gehaltenen, zentralen Datensammlung zu den europaischen Pilgerzeichen, eine Aufgabe, die der „Zentralen Pilgerzeichenkar- tei Kurt Koster" von ihrem Initiator urspriinglich zugedacht aber ohne eine per- sonelle Betreuung und kontinuierliche Weiterarbeit an der Pilgerzeichenkartei nicht zu leisten war. Wer heute mit der „Zentralen Pilgerzeichenkartei Kurt Ro¬ ster" im Germanischen Nationalmuseum in Niimberg arbeitet, stoBt zwischen in* Aus dem Alltag der mittelalterlichen Stadt, Bremen 1982, S. 193-200; Ders., Pilgerzei¬ chen in Lubeck-Alte und neue Funde, in: Liibecker Schriften zur Archaologie und Kunst- aeschichte 8, 1984, S. 15-21; Ders., Der Bremer Pilgerzeichen-Fund, in: Der Jakobskult in Kunst“ und ,,Literatur“, hg. von Klaus Herbers - Rudolf Plotz (Jakobus-Studien 9), Tubin¬ gen 1998, S. 85—107. 9 Susanne Frey-Kupper, Die Herstellung von Biei-Zinn-Marken und Pilgerzeichen im mittel¬ alterlichen Bern, in: Bems groBe Zeit. Das 15. Jahrhundert neu entdeckt, hg. von Ellen J. Beer u.a., Bern 1999, S. 250-259. 10 Andreas Haasis-Berner, Pilgerzeichen zwischen Main undAlpen, in: Wallfahrten in der eu- ronaischen Kultur/ Pilgrimage in European Culture, hg. von Hartmut Ktihne - Daniel Dole- zal (Europaische Wallfahrtsstudien 1), Frankfurt a. M. u.a. 2006, S. 237-252. 11 Ralf Jaitner - Gerhard Kohn, Ausgewahlte Pilgerzeichen aus dem Zisterziensernonnenklo- ter Seehausen in der Uckermark, in: Wismarer Studien zur Archaologie und Geschichte 4, hg von Klaus-Dieter Hoppe, Wismar 1994, S. 102-108. 12 Hartmut KOhne, Der Pilgerzeichenfund am Kloster Seehausen undsein historischer Kontext. Mit einem Katalog des Seehausener Fundes von Carina Brumme, in: Sachkultur und religiose
156 Hartmut Kuhne den bis 1986 geschriebenen Karteikarten auf einige jiingere Erganzungen, die fast ausschliefllich von zwei Personen stammen: dem Archaologen Andreas Haasis- Bemer und dem Campanologen Jorg Poettgen. Andreas Haasis-Bemer hatte fur seine im Jahr 1995 bei Heiko Steuer am In- stitut fur Ur- und Friihgcschichtc in Freiburg cingereichte Magisterarbeit iiber die Pilgerzeichen des Hochmittelalters die Ntimberger Pilgerzeichenkartei intensiv ausgewertet und auf dieser Basis eine Reihe von weiteren Beitragen zu einzelnen Pilgerzeichentypen sowie regionale Ubersichten zu Pilgerzeichenfunden publi- ziert.13 In einer iiberarbeiteten Fassung ist seine Magisterarbeit als Monographic mit einem Katalog samtlicher Pilgerzeichen-Flachgiisse im Jahr 2003 publiziert worden.14 Jorg Poettgen hatte mit seinen Forschungen zu Glocken und Glockengiefiem im Rhein- und Moselraum noch zu Lebzeiten Kurt Kosters begonnen und seit Mitte der 80er Jahre kontinuierlich Studien sowohl zur Campanologie wie auch zu Problemen der Pilgerzeichenforschung publiziert. Er hat so die fur die deutsche Forschungstradition aber auch die hiesige Uberlieferungssituation wichtige Ver- bindung zwischen Glockenkunde und Pilgerzeichenforschung bewahrt.15 Neben Praxis, hg. von Dirk Schumann (Studien zur Geschichte, Kunst und Kultur der Zisterzienser 8), Berlin 2007, S. 406-457. 13 Andreas Haasis-Berner, Horner aus Keramik. Pilgerzeichen oder Wallfahrtsdevotionalien?, Zeitschrift fur die Archaologie des Mittelalters 22,1994, S. 235-243; Ders., Die Jakobsmu- schel in Grabfunden - Hinweise zu Ursprung und Bedeutung eines Pilgerzeichens, Stemen- weg 16, 1995, S. 3-10; Ders. - Gunther Haberhauer, Zwei mittelalterliche Pilgerzeichen aus Bad Wimpfen, Regia Wimpina. Beitrage zur Wimpfener Geschichte 7, 1995, S. 10-15; Ders., St. Jodocus in Konstanz-Zu einem neugefunden Pilgerzeichen, Archaologische Nach- richten aus Baden 54, 1996, S. 29-33; Ders. - Jorg Poettgen, Pilgerzeichen als Zeugnisse der Wallfahrt zu den Heiligen Drei Konigen - Neue Funde und Typologie, in: Ad Summum. 1248. Der gotische Dom im Mittelalter. Ausstellung des Historischen Archivs der Stadt Koln aus Anlafi der Grundsteinlegung des Kolner Dorns vor 750 Jahren, Koln 1998, S. 167-179, Ders., Die Pilgerzeichen des 11. -14. Jahrhunderts. Mit einem Uberblick iiber die europai- sche Pilgerzeichenforschung, in: Archaologie als Sozialgeschichte. Studien zu Siedlung, Wirt- schaft und Gesellschaft im frtihgeschichtlichen Mitteleuropa. Festschrift fur Heiko Steuer zum 60. Geburtstag, hg. von Sebastian Brather u.a., Rahden 1999, S. 271-277; Ders., Ar¬ chaologische Funde von mittelalterlichen Pilgerzeichen und Wallfahrtsandenken in Westfa¬ len, Westfalen 78, 2000, S. 358-360; Ders. - Jorg POETTGEN, Die mittelalterlichen Pil¬ gerzeichen der Heiligen Drei Konige. Ein Beitrag von Archaologie und Campanologie zurEr- forschung der Wallfahrt nach Koln, Zeitschrift fur Archaologie des Mittelalters 30, 2002, S. 173-202; Ders., Pilgerzeichenforschung. Forschungsstand und Perspektiven, in: Spatmit- telalterliche Wallfahrt im mitteldeutschen Raum, hg. von Hartmut Kuhne - Wolfgang Radtke - Gerlinde Strohmaier-Wiederanders, Berlin 2002, S. 63-83; Ders. (wie Anm. 10). 14 Andreas Haasis-Berner, Pilgerzeichen des Hochmittelalters (Veroffentlichungen zur Volks- kunde und Kulturgeschichte 94), Wurzburg 2003. 15 Aus der Vielzahl der einschlagigen Veroffentlichungen seien hier neben den in Anm. 13 genannten, gemeinsam mit Andreas Haasis-Bemer verfassten Aufsatzen genannt: Jorg
Die Pilgerzeichcnforschung in Deutschland 157 den Arbeiten Jorg Poettgens ist in den letzten Jahren fur den deutschen Raum le- diglich von Monika Schaugstat eine groBere glockenkundliche Studie erarbeitet worden, die sich mit Pilgerzeichen befasst.16 Dies hat seinen Grund keineswegs darin, dass auf dem Feld der Glockeninventarisierung bereits alles getan ware. Eine im Jahr 2003 im Museum von Stargard Szczecinski von Marcin Majewski initiierte Ausstellung liber den Glockenguss in Stargard und Pommem vom 14. bis zum 17. Jahrhundert17 und seine inzwischen publizierte Dissertationsschrift zum selben Thema18 haben eine Reihe bisher unbekannte Abgusse von Pilgerzeichen POETTGEN, Zwei unbekannte Medaillen der Diirener St.-Annen-Wallfahrt, Diirener Ge- schichtsblatter 77, 1988, S. 25-28; Ders.: Die Andernacher Glockengiefierwerkstatt nach Tilman von Hachenburg. Ein Beitragzur Glockenkimde im Kurfiirstentum Trier von der Mine des 15. biszurMitte des 16. Jahrhunderts, Kurtrierisches Jahrbuch 32, 1992, S. 21^13; Ders., Trierer Glockengiefler bis zum Ende des 16. Jahrhunderts. Studien zur Glockenkunde im Kur- furstentum Trier, Kurtrierisches Jahrbuch 33, 1993, S. 65-122; Ders.: Vorreformatorische Wallfahrtsdevotionalien aus dem Matthiaskloster zu Trier. Mittelalterliche Pilgerzeichen auf Glocken, Kurtrierisches Jahrbuch 34, 1994, S. 47-76; Ders., Europaische Pilgerzeichenfor- schung. Die Zentrale Pilgerzeichenkartei (PZK) Kurt Kosters (f 1986) in Niirnberg und der Forschungsstand nach 1986, Jahrbuch fur Glockenkunde 7/8, 1995/1996, S. 195-206; Ders., Kryptogramme und Pilgerzeichen auf spatmittelalterlichen Glocken im ostlichen Thuringen. Studien zur Werkstatt des Meisters Herlin in Jena, Jahrbuch fur Glockenkunde 9/10, 1997/98, g 81—98; Ders., Die mittelalterliche Wallfahrt zum Heiligenberg - ein bisher ungedeutetes Pilgerzeichen aus Hoxter-Ovenhausen, Jahrbuch fur Glockenkunde 11/12, 1999/2000, S. 145-150; DERS., Die Anfange der Diirener St. -Anna-Wallfahrt im Zeugnis der Anna-Glocke von Vianden (1503), Diirener Geschichtsblatter85, 2001, S. 31-59; Ders. Pilgerzeichen auf Glocken. Studien zu Geschichte, Verbreitung und Motivation ihrer Venvendung, in: Heilig en profaan 2. 1200 laatmiddeleeuwse insignes uit openbare en particuliere collecties, hg. von Hendrik Jan Engelbert van Beuningen - Adrianus Koldewcij - Dory Kicken (Rotterdam Pa¬ pers 12), Cothen 2001, S. 128-136; Ders., Die Leidenswerkzeuge Jesu auf einer Glocke - Ein spatgotisches Pilgerzeichen aus Bramveiler?, Pulheimer Beitrage zur Geschichte und Hei- matkunde 27, 2003, S. 36-40. 16 Monika SCHAUGSTAT, Mittelalterliche Pilgerzeichen auf Glocken in mecklenbwgischen Dorf- kirchen Mecklenburgische Jahrbiicher 109, 1993, S. 19-55. Allerdings sind in den letzten Jah¬ ren auch einig kleinere Arbeiten erschienen, die auch mehr oder weniger ausfuhrlich auf neu entdeckte Pilgerzeichenabgiisse eingehen, u.a.: Frank Matthias Kammel, Die Glocken der Ber¬ liner Skulpturensammlung, Jahrbuch Preuflischer Kulturbesitz 33, 1996, S. 173-197; Gerhard Seib Hans Reese - ein MUhlhduser Glockengiefler des friihen 16. Jahrhunderts und seine Ar¬ beiten Muhlhauser Beitrage 25, 2002, S. 55-63; Hartmut Kuhne, Zwei Unbekannte in St. Mar¬ tin Ein Pilgerzeichenratsel, in: Die St.-Martins-Kirche zu Heiligenstadt. 17 Beitrage zu ihrer Geschichte, hg. von Thomas T. Muller (Heiligenstadter Schriften 2), Heiligenstadt 2003, S. 127-134; Matthias Donath, Die Wolfgangskirche in Meifien-Obermeisa, Monumenta Mis- nensia. Jahrbuch fur Dom und Albrechtsburg zu MeiBen 7, 2005/2006, S. 119-145. ,7 Martin Majewski, Ludwisarstwo Stargardzkie i pomorskie X1V-XVII wieku. Przyczynek do Corpusu campanorum Pomeranorum [Glockenguss in Stargard und Pommem im 14.-17. Jahrhundert. Ein Beitrag zum Corpus campanorum Pomeranorum], Stargard 2003. ,8 Магст Majewski, Ludwisarstwo Stargardzkie XV-XVI1 wieku [Glockenguss in Stargard im j4.-17. Jahrhundert], Stargard 2005.
158 Hartmut Kiihne zu Tage gebracht. Auch die Durchsicht des Materials aus zwei mittel- und nord- deutschen Glockeninventarisationsprojekten, die von Richard Heinzel19 und Hein¬ rich Schuster20 hauptsachlich in den 50er Jahren des 20. Jahrhunderts durchge- fiilirt wurden und die gut vierzig Jahre unbeachtet im Evangelischen Zentralarchiv in Berlin bzw. dem Landesamt fur Denkmalpflege in Halle lagen, lasst vermuten, dass eine systematische Erfassung der spatmittelalterlichen Glockenzier sicher noch viele Dutzend wenn nicht gar Hunderte neuer Pilgerzeichenabgiisse doku- mentieren wiirde. Welche Ergebnisse eine flachendeckende Untersuchung von Glocken in situ erbringen kann, zeigt in diesem Band am Beispiel Nordbranden- burgs der Beitrag von Cornelia Oefelein. Einen Gewinn fur die Kenntnis der franzosischen Pilgerzeichenproduktion des Spatmittelalters stellte die Publikation eines Katalogs der 157 einschlagige Ob- jekte umfassenden Sammlung des Museums der Stadt Worms dar, den Mathilde Griinewald 2001 aus Anlass einer Sonderaustellung herausgab.21 Diese Samm¬ lung war 1880 aus StraBburg von dem Kunstsammler Cornelius Wilhelm Heyl im Kunsthandel erworben und dem Paulus-Museum geschenkt22, aber trotz mehre- rer Anlaufe dazu iiber einhundert Jahre nicht bearbeitet oder publiziert worden. Die Wormser Sammlung besitzt eine Reihe von Stricken, die ahnlich oder auch als Dubletten in der auf Wilhelm Clemens zuruckgehenden Sammlung des Kol- ner Kunstgewerbemuseums, in der Sammlung des Prager Kunstgewerbemuse- ums und in der in diesem Band erstmals dokumentierten Sammlung des Berliner Kunstgewerbemuseums vorhanden sind. Damit ist angedeutet, dass fur die kiinf- tige Erforschung der franzosischen Pilgerzeichen eine Synopse all jener Samm- lungen sinnvoll ware, die in der zweiten Halfte des 19. Jahrhunderts aus dem franzosischen Kunsthandel erworben wurden und inzwischen iiber halb Europa verstreut sind.23 19 Evangelisches Zentralarchiv Berlin, Bestand 525: Glockenerfassung Richard Heinzel. 20 „Erbe von Erz“ Buchmanuskript und zugehorige Materialsammlung im Archiv des Landes- amtes fiir Denkmalpflege und Archaologie Sachsen-Anhalt, Halle. 21 Mathilde Grunewald, Pilgerzeichen, Rosenkranze, Wallfahrtsmedaillen. Die Beigaben aus Grdbern des 17. bis 19. Jahrhunderts aus dem Pfarrfriedhof bei St. Paul in Worms. Die Sammlung golischer Pilgerzeichen im Museum der Stadt Worms (Der Wormsgau, Beiheft 36), Worms 2001. 22 Grunewald (wie Anm. 21), S. 71, wusste nur, dass die Erwerbung ,,vor 1913“ stattfand. Das Datum und den Ort des Ankaufs teilt KOster (wie Anm. 5), S. 38, mit, ohne ffeilich seine Quelle anzugeben. Die Wormser Sammlung wird auch erwahnt von August von HEYDEN, Zwei Pilgerzeichen, Jahrbuch der PreuBischen Kunstsammlungen 8, 1887, S. 113-119, hier S. 114, mit dem Hinweis, dass das Wormser Museum diese Schenkung „der Freigiebigkeit des Herm Baron von Heyl verdankt.“ 21 Vgl. dazu auch Helena Koenigsmarkova, Die Pilgerzeichensammlung im Prager Kunstge- werbemuseum und meinen Beitrag Zur Bedeutung der PiIgerzeichensammlungen der Staat- lichen Museen zu Berlin, beide in vorliegendem Band.
Die Pilgerzeichen forschung in Deutschland 159 Einem von Kurt Koster als Erstem begangenen Weg folgt die 2003 in Trier angenommene kunstgeschichtliche Dissertationsschrift von Isabel von Bredow- Klaus, die sich mit in Stundenbuchem eingenahten Pilgerzeichen sowie deren il- lusionistisch dargestellten Wiedergaben in der flamischen Buchmalerei um 1500 befasst.24 Uberblickt man die skizzierte Entwicklung der deutschen Pilgerzeichenfor¬ schung in den letzten 20 Jahren ,nach Kurt Koster’ so wird man zwar von einem Bruch, nicht aber von Stillstand reden konnen. Es hat zahlreiche Publikationen zu Einzelfunden oder zur Typologie von Pilgerzeichen gegeben; Pilgerzeichen wur- den als Argumente in wallfahrts- oder kultgeschichtlichen Zusammenhangen ein- gesetzt und sie spielen wenigstens gelegentlich in verschiedenen Disziplinen, so der Mittelalterarchaologie, der Kunstgeschichte, der Epigraphik und Glocken- kunde, der Landes- und Kirchengeschichte ein Rolle. Was der deutschen Pilger¬ zeichenforschung aber fehlt, ist jene ,Mitte’, die in Deutschland von der Person des ,Kulturwissenschaftlers’ Kurt Koster reprasentiert wurde und die in der so erfolg- wie facettenreichen neueren niederlandischen Forschung das ,Duett’ des ambitionierten Pilgerzeichensammlers Hendrik Jan Engelbert van Beuningen mit seiner „Stichting Middeleeuwse Religieuze en Profane Insignes“ und Jos Kolde- weij samt seinem Team am Kunstgeschichtlichen Lehrstuhl der Universitat Nim- wegen geschaffen hat. Dass bisher keine deutsche wissenschaftliche Institution am Thema der Pilgerzeichen Interesse entwickeltc, ist in gewisser Hinsicht merk- wiirdig. So hatten den seit den 90er Jahren um den Begriff der ,,Medialitat“ krei- senden kulturwissenschaftlichen Diskursen die Pilgerzeichen und ahnliche Me- tallgusse als die ersten mittelalterlichen Massen-Bild-Medien schlechthin als Un- tersuchungsobjekte gleichsam in den SchoB fallen miissen. Hinzu kommt noch die von Kurt Koster entdeckte Verbindung zwischen der Erfmdung des modemen Buchdrucks und dem StraBburger Untemehmen Johann Gutenbergs als Spiegel- also Pilgerzeichenmacher fur die Aachener Heiltumsfahrt. Warum hat sich nie- mand von den Kulturwissenschaftlem am Ende der ,,Gutenberg-Galaxie“ auf die Pilgerzeichenfahrte locken lassen? Sieht man sich freilich etwa jene mittelalterliche Mediengeschichte an, die Werner Faulstich zehn Jahre nach dem Tode Kurt Kosters in einem renommier- ten Wissenschaftsverlag publizierte, so stellt man fest: Der Autor kennt die mil- lionenfach durch Europa getragenen mctallenen Bildplattchen offenbar gar nicht25 So erklart sich das relativ geringe Interesse, das dem wissenschaftlichen 24 Isabel von Bredow-Klaus, Heilsrahmen. Spirituelle Wallfahrt und Augentrug in der flami¬ schen Buchmalerei des Spatmittelalters und der friihen Neuzeit (Tuduv-Studien, Reihe Kunst¬ geschichte 81), Miinchen 2005. 25 Werner FAULSTICH, Medien und Offentlichkeiten im Mittelalter. 800-1400, Gottingen 1996. Den Pilgerzeichen wird weder ein eigencr Abschnitt eingeraumt noch tauchen sie nach Aus- weis des umfangreichen Registers im Text uberhaupt auf.
160 Hartmut Kuhne Erbe Kurt Kosters bisher entgegengebracht wurde, wohl auch aus jener Schere, die sich in den letzten Jahren wohl besonders in den deutschen Kulturwissen- schaften zwischen ambitionierten Theorien und der Kenntnis von historischen Realien geoffhet hat. Aber vielleicht entdeckt der gegenwartig von Mobilitat, Me- dien, Kommunikation und Raum redende Wissenschaftsdiskurs doch noch das „Zeichen am Hut im Mittelalter“.
161 Jos Koldeweij Pilgrim and Secular Badges: Archaeological Finds in the Low Countries In the last three to four decades of the twentieth century, a spectacular amount of pilgrim and other religious and secular badges dating from the later Middle Ages, i.e. from the late twelfth century up to around 1550, were unearthed in the Nether¬ lands. The majority of these are cast from pewter, lead, or a tin-lead alloy; some are made of bronze and, in a few exceptional cases, silver. Hand made and en¬ graved badges, usually bronze or brass, occasionally tin-lead or silver ones, were found as well. Badges stamped out of wafer-thin sheets of metal, mostly soft brass, silver, or (rarely) pewter, dating from the late fifteenth and the first half of the six¬ teenth century have also survived. Most recently, attention has focused on an as¬ sortment of-stamped badges discovered in the town of Malines, in a distinctive and typically Flemish devotional context: the so-called ‘enclosed garden’, small al- taipieces made for private devotion, originating most probably from the town of Malines. The practice of displaying pilgrim badges and other small devotional ob¬ jects in these ‘enclosed gardens’ is described in the catalogue published in con¬ junction with the exhibition ‘Faith & Fortune’ in the Gruuthuse Museum, Bruges (2006-2007). Flemish Books of Hours are another non-archaeological ‘Fundgrube’ of these thin and light stamped badges: sometimes they have survived in place, glued or sewn on the blank first or last leaves of the volumes; more frequently, they are preserved as imprints on the parchment where the badges had formerly been.1 The exhibition and its accompanying catalogue, ‘Geloof & Geluk. Sieraad en Devotie in middeleeuws Vlaanderen’ (“Faith & Fortune. Ornament and Devotion in medieval Flanders”, also available in French1 2), constitute the most recent and broadest presentation ever of late medieval badges within a cultural-historical context. Some five hundred badges are shown in connection with a broad spec¬ trum of other thematically related objects. All pins and badges on display - mostly trinkets but also some jewellery - are exclusively from Flemish finds, or sou¬ venirs originating from the County of Flanders. Most of the pieces exhibited come from private collections, but a significant number are preserved in public institu¬ tions, such as museums, archaeological services, etc. 1 Manolijn Kruip, Het Besloten Hofje: een spirituelepelgrimage; Hanneke van Asperen, Be- devaarten devotie: insignes in laatmiddeleeuwse manuscripten, both in: Jos Koldeweij, Ge¬ loof & Geluk. Sieraad en devotie in middeleeuws Vlaanderen, Arnhem 2006, pp. 231-234 and 234-245 respectively. 2 Jos Koldeweij, Foi & Bonne Fortune. Parure et Devotion en Flandre Medievale, Arnhem 2006.
162 Jos Koldeweij At the same time, this exhibition represents the latest research on medieval badges in the Netherlands, proceeding from a research project in this field at the Radboud University Nijmegen. The pilgrim badge database Kunera3 launched in early 1998 and jointly funded by the Netherlandish Organisation for Scientific Research (NWO) and the Radboud University, is another significant project of the Radboud research group. This extensive international database of both religious and secular badges currently contains some 14.000 badges. It is set up as a mod¬ em digital version of Kurt Koster’s Pilgerzeichenkartei, the German pioneer’s extraordinary documentation, now preserved in the Germanisches National Mu¬ seum in Niimberg. In 2006-2007 all badges inventoried by Kurt Koster were in¬ tegrated in the Kunera database and are thus available online now. The database continues to grow as ever more samples and types of badges are discovered by archaeologists and treasure hunters in the Netherlands and through¬ out Europe. Also, an increasing number of private and public collections have become accessible, while older publications from the mid-nineteenth and early twentieth century have yet to be reviewed in the light of modem studies and finds. The large number of archaeological finds in the Netherlands primarily in the Scheldt Delta area in Zeeland prompted the rather ambitious research project at the Department of Art History at Nijmegen University: several Ph D dissertations are in progress4, as well as the free online database described above.5 The spectacular finds in the Zeeland Delta area from the seventies onwards were first highlighted in an exhibition in the Museum for Religious Art ‘Rijksmu- seum Het Catharijneconvenf at Utrecht in 19826, an exhibition presenting around 130 badges together with other, more modem mass-produced devotional objects. It was a great pleasure to describe and photograph these badges for Kurt Koster and to guide him through the exhibition. This tour was followed by a visit to some of the detector pilots, successfully active in the first Scheldt area campaigns. The future impact of this meeting upon the author of this contribution, briefly out¬ lined above, was quite unforseeable at that time ... A much wider range of medieval finds - mainly of metal - found in the East Scheldt river estuary, including both religious and secular badges, was subse¬ quently exhibited in ‘Schatten uit de Schelde’ (“Treasures from the Scheldt”), Bergen-op-Zoom in 1987. The lewd and rather erotic subject matter of some of the profane badges caused a commotion at the time, triggering a revived interest in this material, some of which had actually been published in France in the nine- 11 »http://www.lct.ru.nl/ckd/kunera/«. 4 Dr. Elly van Loon-van de Moosdijk, Drs. Hanneke van Asperen, Drs. Katja Boertjes, Drs. Ma- rieke de Kroon, Dr. Marjolijn Kruip. s Mainly realised by Drs. Willy Piron, Drs. Hanneke van Asperen, Drs. Angelique van den Eerenbeemd under the supervision of Prof. Dr. Jos Koldeweij. f) Vroomheidper dozijn [Exhibition catalalogue], Utrecht 1982.
Archaeological Finds in the Low Countries 163 teenth century.7 Stephane Vandenberghe, curator at the municipal museums of Bruges, published several articles on badges in Belgium mainly in the nineteen- seventies; the historian Antoon Viaene from Bruges, who has written numerous articles on pilgrimage in general, also wrote some on badges. For a publication and an exhibition in 1987/1988 entitled “Saints from the Mud”, shown at the Zeeuws Museum in Middelburg and the Museum for Religious Art in Uden, an inventory was compiled of all religious badges found in the province of Zeeland.8 For some years, the former Provincial Archaeologist of Zeeland, Dr. Robert van Heeringen, documented the Zeeland finds in the Archeologische Kroniek van Zeeland. Over a period of many years, the great Dutch connoisseur and private collector H.J.E. van Beuningen built up his own extensive and valuable docu¬ mentation of Netherlandish and Flemish badges (from his and other collections), which has been partly digitalized and made available online.9 The best specimens from the Van Beuningen collection and a first inventory of badges found in the Netherlands from other collections, private and public, were published in two volumes entitled ‘Heilig en Profaan’ (Sacred and Secular), in 1993 and 2001 re¬ spectively.10 11 A third volume is in preparation and will be published in the near future. The first volume of‘Heilig en Profaan’ (1993) provided the basis for an exhibition in the Boijmans Van Beuningen Museum in Rotterdam displaying a se¬ lection from the 1.036 published badges of the Van Beuningen collection, while the second volume accompanied a selection of badges shown in the Hieronymus Bosch exhibition in Rotterdam in 2001.11 Several essays on badges were included the Festschrift for Hendrik Jan van Beuningen, published in commemoration of his eightieth birthday in 2000.12 7 Arthur FORGEAIS, Priapees, no place, no date, probably Paris 1858; I am indebted to Dr. Denis Bruna for providing me with a photocopy of this extremely rare booklet; Thomas Wright, The Worship of the Generative Powers during the Middle Ages of Western Europe, 1866, reprinted in Richard Payne Knight - Thomas Wright, A History of Phallic Worship, New York 1992, II, pp. 59-65 and plates IX-X. 8 Robert Maarten VAN Heeringen - Adrianus Maria Koldeweij - Antonia Anna Geertruida GAALMAN, Heiligen uit de modder. In Zeeland gevonden pelgrimstekens (Clavis kunsthisto- rische monografiedn 4), Utrecht - Zutphen 1987 (reprinted 1988). 9 Medieval Badges Foundation: »http://www.medievalbadges.org/«. i° Hendrik Jan Engelbert van Beuningen - Adrianus Maria Koldeweij, Heilig en profaan. 1000 laatmiddeleeuwse insignes uit de collectie H.J.E. van Beuningen (Rotterdam Papers 8), Co- then 1993; Hendrik Jan Engelbert van Beuningen - Adrianus Maria Koldeweij - Dory Kic- KEN pfeilig en profaan 2, 1200 laatmiddeleeuwse insignes uit openbare en particuliere col¬ leges (Rotterdam Papers 12), Cothen 2001. 11 jqieronvmus Bosch. All the paintings and drawings, ed. by Jos Koldeweij - Paul Vanden- broeck - Bernard Vermet, Rotterdam - Gent - Amsterdam - New York 2001. 12 Gevonden Voorwerpen, opstellen over middeleeuwse archeologie voor H.J.E. van Beuningen / Lost and found, essays on medieval archaeology (Rotterdam Papers 11), ed. by Dory Kicken - Adrianus Maria Koldeweij - Johannes Rein ter Molen, Rotterdam 2000.
164 Jos Koldeweij Local or more regional groups of badges have been published as well, only some of which can be mentioned here. Excavation campaigns from 1992 onwards and detector hunting on the Belgium coast near Oostende resulted in an interest¬ ing collection of 190 badges from the former fishing village Raversyde. A study of this interesting site was published in 1997/1998.13 Construction work for a new shopping centre with underground parking garage in the old city of ’s-Hertogen- bosch unexpectedly brought hundreds of badges along with other late medieval finds to the surface, that will be published in detail in late 2007.14 From a the¬ matic point of view, badges and ampullae from Canterbury found in the Nether¬ lands were published in a volume on Thomas Becket in Flanders15, some erotic badges in an exhibition catalogue on Carnival16, and various articles on pilgrim badges and the iconography of saints, ampullae from Vendome, and erotic badges as parodies of popular devotion.17 Badges cast on medieval bells from the duchy of Brabant were presented in a doctoral dissertation18, and many badges exca¬ vated in the Netherlands went to exhibitions all over Europe, for example to Lis¬ bon, Antwerp, Rome and Frankfurt.19 13 Mamix Pieters - Etienne Cools - Jos Koldeweij - Agnes Mortier, Middeleeuwse en la¬ tere insignes en devotionalia uit Raversijde (gemeente Middelkerke en stad Oostende, prov. West-Vlaanderen), Archeologie in Vlaanderen 1997/1998 (Instituut voor het Archeologisch Patrimonium), Zellik 2002, pp. 261-301. 14 Tekens van Leven. Opgravingen en vondsten in het Tolbrugkwartier in s-Hertogenbosch, ed. by Hans Louis Janssen, Utrecht 2007 [in print]. 15 Те Sente Thomas van Cantelberghe, in Inghelant... Pelgrimsinsignes en pelgnmstochten naar Thomas Becket, in: Thomas Becket in Vlaanderen. Waarheid of legende? [Exhibition ca¬ talogue Stedelijke Musea Kortrijk], Konrijk 2000, pp. 49-72. 16 Vastenavond, carnaval: feesten van de omgekeerde wereld [Exhibition catalogue Noordbra- bants Museum], ’s-Hertogenbosch 1992, p. 85. 17 Marike de Kroon, Medieval Pilgrim Badges and Their Iconographic Aspects, Katja Boert- jes, Pilgrim ampullae from Vendome: Souvenirs from a Pilgrimage to the Holy Tear of Christ', Jos Koldeweij, "Shameless and Naked Images”: Obscene Badges as Parodies of Popular Devotion, all in: Art and Architecture of Late Medieval Pilgrimage in Northern Europe and the British Isles, ed. by Sarah Blick - Rita Tekippe, Leiden - Boston 2005, pp. 385-404, 443—472, 493-510 respectively. 18 Elly VAN Loon-van de Moosdijk, Goet ende wael gheraect. Versieringsmotieven op luid- en speelklokken uit Middeleeuwen en Renaissance in het hertogdom Brabant (1300 tot 1559), Nijmegen 2004. |y Adrianus Maria Koldeweij, Insignia, in: The Fascinating Faces of Flanders - through art and society [tent, catalogue Lissabon - Antwerpen], ed. by Iris Kockelbergh, Antwerpen 1998, pp. 162-166, 199-201; Adrianus Maria Koldeweij, Insegna, in: Romei & Giubilei. 11 pellegrinaggio medievale a San Pietro (350-1350), ed. by Mario D'Onofrio [Exhibition Ca¬ talogue Palazzo Venezia, Rome 1999-2000], Milaan 1999, cat. 101, 103, 104, 110-112, 114, 115, pp. 340-342,345-347; Ulrich Schneider, Strassen des Glaubens. Der Souvenir im Mit- telalter, in: Der Souvenir. Erinnerung in Dingen von der Reliquie zum Andenken [Exhibition catalogue Museum fur Angewandte Kunst Frankfurt], Frankfurt 2006, pp. 60-78.
Archaeological Finds in the Low Countries 165 Finally and most recently, three contributions on Dutch pilgrim badge research appeared in the memorial volume for Kurt Koster’s colleague, the British pio¬ neer of pilgrim badge research: Brian Spencer.20 Just as Arthur Forgeais before them in nineteenth-century Paris, these distinguished scholars devoted their en¬ ergy with great enthusiasm to the examination, documentation and publication of these small, grey, rather inconspicuous objects, the trinkets of medieval men and women, and to passing on their passion to future generations. 20 Hendrik Jan Engelbert van Beuningen, Brian Watson Spencer s Good Work; Katja Boert- jes Pilgrim Ampullae of York minster and the Healing Oil from the Shrine of St William; Jos KOLDEWEIJ, A Pilgrim s Badge and Ampullae possibly from the Chartreuse of Champmol, all jn. Beyond Pilgrim Souvenirs and Secular Badges. Essays in Honour of Brian Spencer, ed. by Sarah Blick, Oxford 2007, pp. 17-36,48-63, 64-72 respectively.
167 Elek Вепкб Pilgerzeichenforschung und Pilgerzeicheniiberlieferung in Ungarn und in Siebenburgen Die Erforschung der mittelalterlichen Pilgerzeichen Ungams und Siebenbiirgens nahm erst in den letzten Jahren ihren Anfang. Angeregt durch zahlreiche bedeu- tende Publikationen der intemationalen Pilgerzeichenforschung und die Verof- fentlichung von Datenbanken wurde damit begonnen, die in Ungam bislang nicht in besonders groBer Zahl vorkommenden Exemplare aufzudecken und zu inter- pretieren. Dieser Ruckstand der Pilgerzeichenforschung steht in starkem Gegen- satz zu den bedeutenden Ergebnissen der ungarischen Geschichtsschrcibung, die bereits seit dem 19. Jahrhundert das komplexe System der Pilgerfahrten und der damit im Zusammenhang stehenden Auslandskontakte, Privatreisen und diplo- matischen Missionen dargelegt und jiingst - in Kcnntnis der europaischen For- schung - die bisherigen Ergebnisse auch in Form einer Monographic heraus- gegeben hat.1 Fiir die archaologische Forschung waren es gleich mehrere sachliche Griinde, die ein Hindemis darstellten. Auf dem Gebiet des heutigen Ungam wurde der mittelalterliche Glockenbestand zur Zeit der tiirkischen Besetzung fast aus- nahmslos vemichtet. Daher konnen an Glocken erhaltene Abgiisse von Pilger¬ zeichen nur ausnahmsweise - im Zusammenhang mit siebenbiirgischen Glocken - Anregung bieten. Auch die Zahl der aus dem archaologischen Kontext stam- menden Originalpilgerzeichcn ist in Ungam verhaltnismaBig gering. AuBerdem ist das Zusammenstellen der nicht erkannten und deshalb in den Inventaren nur unbestimmt - etwa als ,,Bleibeschlage“ oder „Seemuschelfragmente“ - ange- fiihrten Stiicke keine leichte Aufgabe, die noch dadurch erschwert wird, dass ein Teil davon infolge irrtumlicher Datierung romischen Sammlungen zugeordnet woirde. Die vorliegende Untersuchung ist ein erster Schritt des Autors zu einer umfassenden Zusammenstellung der mittelalterlichen Pilgerzeichen Ungams. Die Arbeit beriihrt, obwohl sie grundsatzlich in den Kreis der mittelalterlichen Archaologie gehort, auch die dem Mittelalter vorausgegangenen Jahrhunderte, da auch die fruhehristliehen Bewohner der Provinz Pannonien die Reliquien von 1 Eniko CSUKOV1TS, Kozepkori magyar zaremdokok [Ungarische Pilger aus dem Mittelalterj, Budapest 2003; Weitere wichtige Studien zum Thema: Gabor Barna, Fennvallfahrten und Wallfahrtsorte in Ungarn in der Arpadenzeit (11.-14. Jahrhundert), Acta Ethnographica Hun- garica 39, 1994, S. 275-294; Aron Phtneki, Advenae et peregrini, Szazadok 128, 1994, S. 352-393.
168 Elek Вепкд Heiligen verehrten. Gegenstandliche Denkmaler dieser Verehrung bilden kleine Tonampullen aus dem 5. bis 7. Jahrhundert, die wahrscheinlich zur Aufbewahrung geweihten dies dienten und mit der Gestalt des hi. Menas aus Agypten zwischen zwei Kamelen und der griechischen Inschrift „AHOY MHNA“ verziert sind. Die Mehrheit dieser Gegenstande gelangte durch den neuzeitlichen Kunsthandel nach Ungam, es ist aber auch ein in Szombathely (Westungam) zum Vorschein ge- kommenes Exemplar bekannt.2 Erst durch die Annahme des Christentums und die Staatsgriindungen um die erste Jahrtausendwende in Bohmen, Polen und Ungam konnten die Pilgerfahrten in dieser Region zu einer Massenbewegung werden. Hier sei auf die Initiative des staatsgriindenden Konigs Stephan I. (Reg. 1000-1038) hingewiesen, der den ins Heilige Land ziehenden Pilgem den Weg durch Ungam offhete und fur die un- garischen Pilger in Jerusalem, Konstantinopel, Rom und - nach einer Uberliefe- rung aus dem 13. Jahrhundert - auch in Ravenna Pilgerhauser griindete. Auf den hi. Stephan geht auch die Bestrebung der ungarischer Herrscher zu- riick, in dem erst kurz zuvor zum Christentum ubergetretenen Land die bis dahin nur in geringer Zahl vorhandenen Reliquien durch neue zu vermehren. Konig Stephan erwarb von Abt Odilo von Cluny Reliquien des heiligen Papstes Mar- cellus (Pont. 307-309) und vom byzantinischen Kaiser Basileos II. (Reg. 976— 1025) eine Partikel vom Heiligen Kreuz. Prinz Almos, der jiingere Bruder von Konig Koloman dem Bucherfreund (Reg. 1095-1116), brachte von seiner Reise ins Heilige Land eine mit der hi. Margarethe von Antiochia verkniipfte Reliquie mit und griindete nach seiner Heimkehr das ihr geweihte Monasterium der Be- nediktiner in Meszes und die ebenfalls zu Ehren der hi. Margarethe errichtete Propstei in Domos. Spater gelangten Reliquien vom Kopf des hi. Georg in die Kathedrale von Veszprem und vom hi. Barnabas in den Dom von Eger. Im 14. Jahrhundert waren unter den Reliquien in der Basilika von Szekesfehervar (Stuhl- weiBenburg) die wertvollsten jene des Taufers Johannes, des Apostels Andreas und des hi. Martin. Die Reliquie des Heiligen Blutes in der Kirche in Bata machte diese Siedlung im Mittelalter zu einem bedeutenden Wallfahrtsziel. Eine wichtige Kultstatte, die Massen von Pilgem anzog, war im mittelalterlichen Ungam das Paulinerkloster Budaszentlorinc in der Nahe von Budapest, wo die Reliquie des aus Venedig stammenden hi. Paul des Eremiten aufbewahrt wurde. Ein wichtiges Moment in der mittelalterlichen Pilgerzeichenforschung stellt die Tatsache dar, dass die ungarische Kirche bereits seit dem 11. Jahrhundert eigene Heilige hattc, die sich im Mittelalter groBcr Verehrung erfreuten. Im Jahre 1083 wurden die sterblichen Uberreste der Eremiten Andreas und Benedikt, die ein hei- 2 Laszlo TOrOk, Coptic Antiquities /, Rom 1993, S. 27-30, PI. XIX - XXVI. Von dem Stiick aus Szombathely habe ich durch personliche Mitteilung von Prof. Dr. Laszlo Torok Kenntms.
169 Pilgerzeichenforschung in Ungam liges Leben gefuhrt hatten, in St. Emmeram zu Nyitra (Neutra, slow. Nitra) in neuen Grabem beigesetzt. Gerhardus, Bischof von Csanad (rum. Cenad), der 1046 bei einem Heidenaufstand den Martyrertod erlitten hatte, wurde heilig gesprochen. Am 20. August wurde in Szekesfehervar das Grab des heiligen Konigs Stephan I., der die Ungam zum Christentum gefuhrt hatte, geoffhet und im Herbst des glei- chen Jahres sein Sohn Prinz Emmerich (t 1031), der ein vorbildliches Leben ge- fuhrt hatte, heilig gesprochen. Von dem auf wunderbare Weise unversehrten Kor- per Konig Stephans wurde die rechte Hand abgetrennt und im Mittelalter im Mo- nasterium Szentjobb (rum. Saniob) „Der Heiligen Rechten“ aufbewahrt. Ein noch bedeutenderer Kult als der an den Stuhlweil3enburger Grabem von Konig Stephan und seinem Sohn Emmerich entwickelte sich in der Bischofska- thedrale von Nagyvarad (GroBwardein, rum. Oradea), wo sich das Grab des 1192 heiliggesprochenen Konigs Ladislaus I. (Reg. 1077-1095) befand. Nach der Off- nung des Grabes wurden fur den Schadel und die Armc kunstvolle Reliquienbe- halter geschmiedet und uber dem Grab ein prunkvolles Grabdenkmal errichtet. Das Grab des Ritterkonigs, der die heidnischen Kumanen besiegt hatte, wurde wegen der sich dort ereignenden Wunder zu einem Wallfahrtsort von landeswei- ter Bedeutung. Im Mittelalter praktizierte man am Grab bzw. vor den Reliquien die sonderbare Rechtsgewohnheit der Feuerprobe als Gottesgericht. Neben dem Grab des im mittelalterlichen Ungam auBerordentlich beliebten Ritterkonigs wurde der ungarische Konig und deutsch-romische Kaiser Sigismund von Lu¬ xemburg (Reg. 1387-1437) bestattct. Ganz sicher ist es an der GroBwardeiner Ruhestatte des hi. Ladislaus, der in der mittelalterlichen bildenden Kunst Un¬ gams auf Wandgemalden und Ofenkacheln, als Bronzeskulptur und als Miniatur sowie auch auf Miinzen stets zu Pferd mit einer Streitaxt in der erhobenen Rech- ten dargestellt wurde, auch zur Anfertigung von Pilgerzeichen gekommen. Die ar- chaologische Forschung konnte allerdings bis heute noch keines nachweisen. Wallfahrtsorte von ungamweiter Bedeutung waren das Grab der im Mittelal¬ ter noch nicht kanonisierten, aber als Heilige verehrten Konigstochter Margare- the (t 1270) im einstigen Nonnenkloster der Dominikaner auf der heutigen Mar- garetheninsel in Budapest und das Grab des hi. Johannes von Capestrano (f 1456) im Kloster der Franziskaner von Ujlak (kroat. Ilok). Es ist bislang noch nichts dariiber bekannt, ob im Mittelalter an irgendeiner Kultstatte Ungams Pilgerzei¬ chen angefertigt und verkauft worden sind. Es gibt aber Hinweise darauf, dass es derartige Zeichen gegeben haben muss. Im Laufe von archaologischen Freile- gungen im Zisterzienserkloster in Pilisszentkereszt, wo sich das Grab der 1213 unter dramatischen Umstanden ermordeten Konigin Gertrud, der Gemahlin An¬ dreas II. und Mutter der hi. Elisabeth von Ungam, befand, wurde ein Gussfomi- fragment gefunden. Bei dessen chemischer Analyse stellte sich heraus, dass es zum GieBen von Bleilegierungen diente und zur Herstellung eines runden, flachen Gegenstandes benutzt worden war.
170 Elek Вепкд Die bisher auf dem Gebiet des mittelalterlichen Ungam zum Vorschein ge- kommenen Pilgerzeichen kniipfen ausschliefllich an auslandische Wallfahrtsorte an, die von ungarischen Glaubigen bereits friih aufgesucht worden waren. Aus der Zeit der Herrscher aus dem Hause Arpad (1000-1301) ist die Zahl der sich auf ungarische Pilger beziehenden Schriftquellen leider auBerordentlich gering. Sie belauft sich auf kaum ein Dutzend, diese aber kennzeichnen sehr gut die wich- tigsten Ziele der Pilgerfahrten. Die Mehrheit der aus historischen Angaben re- konstruierbaren Fahrten fuhrten in das Heilige Land3, gefolgt von den Pilger¬ fahrten nach Rom und einzelnen Nachweisen fur Wallfahrten nach Aachen und Santiago de Compostela. Die bedeutendsten Wallfahrtsorte dieser Zeit sind in einer ungarischen Urkunde aus dem Jahre 1307 angefuhrt, in welcher ein im Mord endender Streit zweier ad- liger Familien im Komitat Szepes iiberliefert wird. Dieser Urkunde zufolge musste der Morder in Begleitung von vier anstandigen Menschen nach Rom pilgem, von dort weiter nach Bari zum Grab des hi. Nikolaus und dann wieder zuriick nach Rom. In Rom durften ihn zwei seiner Begleiter verlassen, er aber musste weiter nach Santiago de Compostela ziehen und den Riickweg liber Aachen nehmen. Dafur war eine bedeutende Summe Geldes notwendig, die Kosten fur die lange Pil- gerfahrt waren auf 50 Silbermark veranschlagt.4 Die angefuhrten Reiseziele waren Wallfahrtsorte, die in Ungam im 13. und 14. Jahrhundert als herausragend wich- tig angesehen wurden. Dass sie haufig - offensichtlich weitaus ofter als aus der ge- ringen Zahl der schriftlichen Angaben zu erschliefien - aufgesucht wurden, be- weisen die bisher bekannten fruhesten Pilgerzeichen. Das alteste dieser Zeichen ist bei archaologischen Freilegungen in der Wii- stung Szentkiraly nahe der koniglichen und erzbischoflichen Residenz Eszter- gom (Gran) aus einer durch die Keramik in das 12. bis 13. Jahrhundert datierten Abfallgrube zum Vorschein gekommen.5 Das rechteckige Zeichen mit Lochem an den Ecken stellt zwei von einem Medaillon eingefasste Kopfe mit einem Schliis- sel darunter dar. Im Zeitraum der Erarbeitung dieses Artikels war es leider nicht moglich, diesen Gegenstand in dem noch unrestaurierten Grabungsmaterial zu finden. So kann ich mich nur auf eine Zeichnung aus der Grabungsdokumenta- tion beziehen. Zur Identifizierung ist allerdings auch diese kleine skizzenhafte Darstellung ausreichend, auf der ein Pilgerzeichen mit den Apostelfursten Petrus und Paulus zu erkennen ist. Eine gute Parallele dazu bildet ein Pariser Pilgerzei- 3 Wie oben bereits erwahnt, war es der hi. Stephan, der zwecks Verkiirzung der bis dahin aus- schlieBlich iiber das Meer fiihrenden Route die Strecke auf dem Landweg fur Pilger offiiete und sicher gestaltete. 4 A magyar nemzet tortenete [Die Geschichte der ungarischen Nation/, hg. von Sandor Szila- gyi, Bd. 3, Budapest 1895, S. 145-146. 5 Der Gegenstand ist 1978 bei Grabungen von Dr. Istvan Horvath (Esztergom, Balassa-Mu- seum) aus Grube 30A zum Vorschein gekommen.
Pilgerzeichenforschung in Ungarn 171 chen, das 1864 aus der Seine zum Vorschein gekommen ist und ins 13. Jahrhun- dert datiert wird.6 An dem Exemplar aus Ungam ist zu beobachten, dass es wohl erst nach langerer Benutzung in die Abfallgrube gelangt war, denn es waren an ihm Spuren einer Verbiegung und emeuten Begradigung zu erkennen und der Rand war mehrmals mit einer Schere eingeschnitten. Aus den archaologischen Fundbedingungen kann man schlieben, dass es moglicherweise am Ende des 12. oder zu Beginn des 13. Jahrhunderts in die Erde gelangt sein kann. Ein anderes, verhaltnismaBig fruhes romisches Pilgerzeichen wurde auf dem Gelande des mittelalterlichen Buda (Ofen, Budapest) in einer bei archaologischen Freilegungen entdeckten Abfallgrube in der mittelalterlichen St.-Georg-Gasse ge- funden, die auBer durch Keramik aus dem 14. Jahrhundert auch durch eine Miinze von Konig Karl I. Robert (Reg. 1301/08-1342) datiert wird.7 Die Osen des 3,4 x 2,9 Zentimeter groBen, leicht beschadigten Exemplars (Abb. 1) sind abgebro- chen. Es wurde nachtraglich an den Ecken durchbohrt, ansonsten ist es in einem recht guten Zustand. Auf der Vorderseite sind die Halbfiguren des hi. Laurentius und des hi. Stephan von einer Umschrift aus Antiqua- und Unzialschrit umge- ben: „+ SIGNA MARITRVM[!] LAVRENTII ET S[.. .]I.“ Auf der Riickseite be- finden sich diagonal verlaufende Rippen, was darauf hindeutet, dass das Zeichen in einer zweiteiligen Form gegossen worden ist. Durch die beiden Heiligen wird das Pilgerzeichen eindeutig an die Basilica di San Lorenzo fuori le Mura, eine der sieben bedeutendsten Kirchen Roms, gekniipft. Die aus der Literatur bisher be- kannten ahnlichen Stiicke (Paris, Bad Wimpfen)8 wurden in die Zeit zwischen 1200 und 1350 datiert. Das in Ofen gefundene Exemplar stiitzt und prazisiert diese Datierung auch unter Beachtung der Tatsache, dass es sich hierbei um ein Stuck handelt, das in beschadigtem Zustand in die Erde gelangt war. Im Dezso-Laczko-Museum in Veszprem befindet sich ein verhaltnismaBig groBes Pilgerzeichen (Abb. 2), auf dem eine romanische Madonna in einem Rock mit charakteristischen wellenformigen Falten dargestellt ist. Sie sitzt auf einem Thron, mit einer Lilienkrone auf dem Haupt, in ihrernach vom erhobenen Rcch- ten halt sie einen ein Apfel, mit der Linken das stehende Jesuskind. Die Osen des Zeichens fehlen. Die Riickseite war nicht zu sehen, da es sich um ein ausgestell- tes Stuck handelt, und so konnte auch die Hohe von etwa 7,5 Zentimeter nur an- nahemd bestimmt werden.9 Dieses in der Fachliteratur gut bekannte Stuck aus 6 Denis BRUNA, Enseignes de pelerinage et enseignes profanes, Paris 1996, S. 198. 7 Der Befund kam 1998, wahrend der Ausgrabung von Dr. Andras Vegh (Historisches Mu¬ seum der Stadt Budapest) zuin Vorschein (Buda, Szcnt Gyorgy utca 4-10.). Ich bedanke mich bei ihm fur die Uberlassung des unpublizierten Fundes recht herzlich. 8 Arthur Forgeais, Collection de plombs histories trouves dans la Seine, IV, Paris 1865, S. 168-170; Andreas Haasis-Berner - Gunther Haberhauer, Zwei mittelalterliche Pilgerzei¬ chen aus Bad Wimpfen, Regia Wimpina 7, 1995, S. 13f. 9 Das Pilgerzeichen gelangte vor 1966 unter unbekannten Umstanden ins Veszpremer Dezso-
172 Elek Вепкб Abb. 1: Pilgerzeichen aus Rom, gefunden in Buda, ehem. St. Georg-Gasse, Historisches Museum der Stadt Budapest. Foto: Elek Benko
Pilgerzeichenforschung in Ungarn 173 Abb. 2: Marien-Pilgerzeichen, Veszprem, Dezso- Laczko-Museum, Inv. Nr. 66.148.1. Abbildung nach Udneked Boldog Gizella kiralyne. Gizella kiralyne varosa az Arpad-korban. Kiallitas a kereszteny magyar allamalapitas ezredik evforduloja liszteletere a veszpremi Laczko Dezso Muzeumban, o.J.
174 Elek Вепкб Ungam konnte bislang noch keinem mit einem bestiminten Wallfahrtsort (Aachen?, Boulogne-sur-Mer?) verkntipften Pilgerzeichentypus zugeordnet wer- den. Seine Datierung innerhalb des 13. und 14. Jahrhunderts kann nicht naher be- stimmt werden, da seine romanischen Zuge auf das dargestellte Kultbild und nicht auf die Anfertigungszeit des Pilgerzeichens deuten.* 10 11Zu der in Bari aufbewahrten Reliquie eines der popularsten Heiligen im Mit- telalter, dem hi. Nikolaus, pilgerten ebenfalls regelmafiig ungarische Wallfah- rer. Ein Beweis dafiir ist nicht nur die oben angefuhrte urkundliche Quelle, son- dem auch ein Pilgerzeichen mit dem hi. Nikolaus (Abb. 3), das 1993 als Ober- flachenstreufund vom Gebiet des Dorfes Szentkiraly ins Balassa-Museum zu Esztergom gelangte.11 Das 3,8 x 2,7 Zentimeter gro/Зе, rechteckige, oben abge- rundete Pilgerzeichen ist beschadigt, teils fehlen die Osen, teils sind sie verbo- gen. Auch der abgerundete obere Teil ist nur fragmentarisch erhalten. Auf der Vorderseite ist der hi. Nikolaus im bischoflichen Omat als Halbfigur dargestellt, iiber seinen Schultem erscheint das Monogramm ,,S[anctus] N[icolaus]“. Dieses Pilgerzeichen ist in zahlreichen Varianten, die in der zweiten Halfte des 13. Jahr¬ hunderts bis etwa um 1300 angefertigt wurden, in einem Gebiet von Mahren (Olmutz, tsch. Oloumuc) bis nach Skandinavien zu Tage gekommen. Diese Vergleichsstiicke geben Hinweise zur annahemden Datierung des Fundes aus Esztergom-Szentkiraly.12 Uber fnihe gegenstandlichen Zeugnisse fur Wallfahrten nach Santiago de Com¬ postela war bis in jungste Zeit nichts bekannt. Es schien, dass Jakobsmuscheln als archaologische Funde in Ungam nicht zum Vorschein gekommen waren. Dieses Bild hat sich in den letzten Jahren bedeutend gewandelt. Auch fur alle weiteren Laczko-Museum, Inv.-Nr. 66.148.1. Das Foto davon stammt aus dem Ausstellungsfuhrer des Museums: Udneked Boldog Gizella kiralyne. Gizella kiralyne varosa az Arpad-korban. Ki- dllitas a kereszteny magyar allamalapitas ezredik evforduloja tiszteletere a veszpremi Laczko Dezso Muzeumban [Sei gegriiftt Du selige Konigin Gisela. Die Stadt der Konigin Gisela in der Arpadenzeit. Ausstellungzu Ehren des tausendsten Jahrestages der Grundung des christ- lichen ungarischen Staates im Veszpremer Dezso-Laczko-Museum]. Veszprem 2000, S. 15. Fur die Ubermittlung dieser Angabe danke ich Dr. Pal Rainer (Veszprem). 10 Andreas Haasis-Berner, Archaologische Funde von mittelalterlichen Pilgerzeichen und Wallfahrtsandenken in Westfalen, Westfalen 78, 2000, S. 358-360, Abb. 9. 11 UnverofTentlicht; fur die Mitteilung danke ich dem Direktor des Museums Dr. Istvan Horvath. 12 Lars Andersson, Pilgrimsmarken och vallfart. Medeltidepilgrimskultur i Skandinavien (Lund Studies in Medieval Archeaology 7), Kumla 1989, S. 104; Toma§ VelImsky, К nalezum stre- dovekych poutnich odznaku v ceskych zemich [Zu den mittelalterlichen Pilgerzeichenfunden aus den bohmischen Landern], Archeologia historica (Brno) 23, 1998, S. 445; Hendrik Jan Engelbert van Beuningen - Adrianus Maria Koldeweij - Dory Kicken, Heilig en profaan 2, 1200 laatmiddeleeuwse insignes uit openbare en particuliere collecties (Rotterdam Papers 12), Cothen 2001, S. 281; Andreas Haasis-Berner, Pilgerzeichen des Hochmittelalters (Ver- offentlichungen zur Volkskunde und Kulturgeschichte 94), Wurzburg 2003, S. 155-156.
Pilgerzeichenforschung in Ungarn 175 Abb. 3: Pilgerzeichen aus Bari, Esztcrgom, Balassa-Museum. Foto: Elek Benko Forschungen ist es lehrreich, dass der friiheste entsprechende Fund in Wirklichkeit ein bereits seit Jahren bekannter und publizierter Gegenstand ist. Das bei Ausgra- bungen in der einstigen romischen Siedlung Gorsium (Tac) gefiindene durchbohrte Seemuschelfragment (Pecten sp.) ist bisher unbeachtet geblieben, obwohl es zu- sammen mit Keramik aus der Aipadenzeit (12./13. Jahrhundert) zum Vorschein ge- kommen ist. Daher kann es sicher zu den gegenstandlichen Hinterlassenschaften des auf romischen Ruinen errichteten mittelalterlichen Dorfes gezahlt werden.13 Die Zahl der in den ungarischen Quellen des 14. und 15. Jahrhunderts erwahn- ten auslandischen Pilgerfahrten und Wallfahrtsorte steigt sprunghaft an und iiber- triffi die Uberlieferung aus der Arpadenzeit um das Funffache. Es tauchten neue Ziele auf, von denen man friiher nichts gehort hatte, so zum Beispiel Mariazell in der Steiermark, das Purgatorium des hi. Patrick in Irland, im 15. Jahrhundert St. Wolfgang in Oberosterreich, Altotting in Bayern, Rocamadour in Siidfrankreich und im 16. Jahrhundert dann Loreto in Italien sowie Czestochowa in Polen. Die Zahl war in Wirklichkeit noch hoher, wenn man berucksichtigt, dass die im fol- genden angefiihrten spatmittelalterlichen Pilgerzeichen auf Orte (Koln, Maastricht) deuten, die in den schriftlichen ungarischen Quellen nicht angefuhrt sind. Weiter- hin sind auch beriihmte Wallfahrtsorte bekannt, iiber die ungarische Aufzeich- 13 Jeno FlTZ - Vera LANYI - Zsuzsanna BAnki, Kutatasok Gorsiumban 1973-ban [Forschungen in Gorsium im Jahre 1973], Alba Regia (Szekesfehervar) 14, 1975, S. 303, 316 (Taf. XI/3). Auf diesen Gegenstand lenkte Imre Holl meine Aufmerksamkeit.
176 Elek Вепкб nungen nichts berichten und von denen bisher in Ungam auch noch keine Pilger- zeichen gefimden wurden, von denen die ortliche Tradition aber weiB, dass unga- rische Pilger regelmaBig dorthin wallfahrten, wie zum nach Beispiel Diiren. Zieht man die in Ungam erhaltenen Pilgerzeichen in Betracht, so wird man durch den Widerspruch verunsichert, der sich aus der bedeutenden Zahl der in den Quellen erwahnten Wallfahrten ins Heilige Land und dem Fehlen der auf die dortigen Ziele, vor allem auf Jerusalem, bezogenen Pilgerzeichen ergibt. Aber gerade iiber das Zeichen der Pilger ins Heilige Land, iiber das Kreuz an der Pil- gertasche, berichtet eine ungarische Quelle aus dem 13. Jahrhundert, der Pray- Codex, in der Formel des Segnens fur nach Jerusalem ziehende Pilger: „Domine Deus [...] quesumus has peras deuote humilitatis benedicere digneris, ut uene- rande crucis uexillum, cuius in eis est designata figura, sit inuictissimum robur tuorum seruorum contra antiqui hostis ualidissima temptamenta, sit in uia def- fensio, sit in domo proteccio, sit ubique presidium" 14 Trotzdem kann man die haufig schematisch dargestellten, manchmal unvollstandig erhalten gebliebenen, aus В lei gegossenen Kreuze nicht automatisch an Jerusalem kniipfen, besonders dann nicht - worauf ich spater noch zuriickkommen werde -, wenn an den Kreu- zen aufifallend hervorgehobene Nagel auf Nagelreliquien und damit in erster Lime offensichtlich auf Rom deuten. Im Laufe von Freilegungen kamen in Ungam zwei Bleigusse mit einem Kreuz zum Vorschein. Bei Ausgrabungen in der Burg von Buda wurde neben der Pa- lastkapelle in einem starken Schichtpaket aus dem 15. Jahrhundert ein unsorg- faltig gegossenes, 9,5 Zentimeter hohes, zerbrochenes Bleikreuz mit in Lilien en- denden Balken und einem an eine Inschrift erinnemden Muster auf dem Quer- balken gefunden (Abb. 4 a).15 Ein anderes, 4,4 Zentimeter hohes Bleikreuz- fragment (Abb. 4 b) ist bei der Freilegung der mittelalterlichen Kirche von Somogysamson-Marotpuszta auf dem die Kirche umgebenden Friedhof als Streu- fund zutage gekommen.16 Die Frage der Pilgerfahrten nach Santiago de Compostela ist - was Ungam be- trifft - darum beachtenswert, weil in den ungarischen Quellen verhaltnismaBig wenig iiber einen der bedeutendsten Wallfahrtsorte im mittelalterlichen Europa 14 Menyhert ZalAn, A Pray-kodex benedictioi [Die Benediktionen des Pray-Codex], Magyar Konyvszemle 34,1927, S. 47^48; Bela Holl, A kozepkori mag)W Jeruzsdlem-jards es Pecs- varadi Gabor utazasanak nehany tanulsaga [Einige Lehren aus den mittelalterlichen unga¬ rischen Wallfahrten nach Jerusalem und der Reise Gabriel Pecsvaradis], in: Bela Holl, Laus librorum, Budapest 2000, S. 66. 15 Imre Holl, A budai varpalota egy kozepkori retegsoranak elemzese [Analyse einer mittelal¬ terlichen Schichtenreihe des Burgpalastes von Buda], Archaelogiai Ertesito 112-113, 1987/88, S. 189, Abb. 3.9. 16 Laszlo KOlto, 16. szdzadi templom koriili temeto feltarasa Somogysamsonban [Die Ausgrabung auf einem Kirchhof des 16 Jahrhunderts in Somogysamson], in: A halal
Pilgerzeichenforschung in (Jngarn 177 verlautet. Zunachst mag es scheinen, dass Compostela - von einigen Ausnahmen abgesehen - fur die ungarischen Pilger ein zu weit entfemt liegendes Ziel war. Nach aufmerksamem Forschen muss man heute jedoch bereits vorsichtiger for- mulieren, denn westliche Quellen berichten 1434 und 1479 sehr wohl von einer be- deutenden Zahl ungarischer Pilger. Damit steht auch im Einklang, dass die Zahl der bei archaologischen Freilegungen in Ungam gefundenen Jakobsmuscheln in den letzten Jahren gestiegen ist. Die Gesamtzahl ist nicht sehr hoch, auBer den bereits erwahnten Fragmenten aus Tac-Gorsium sind an vier weiteren Orten derartige Funde zutage gekommen (Abb. 5 a, b): in Budapest17, Esztergom18, Szekesfeher- var19 und Marosvasarhely (rum. Targu Mure§)20. Trotzdem ist ihre historische Be- deutung groB, denn durch diese Exemplare verschiebt sich der Verbreitungskreis der Jakobsmuscheln von den bisher bekannten mahrischen (Briinn, tsch. Brno)21 und schlesischen Fundorten (Ratibor, poln. Raciborz und Breslau, poln. Wroclaw)22 nach Siidosten: bis nach Mittelungam um wenigstens 200 Kilometer, bis zum entfemten Marosvasarhely in Siebenbiirgen um fast 550 Kilometer. In Wirklichkeit ist die Entfemung noch viel groBer, denn die erwahnten Funde miissen noch durch ein interessantes Baudenkmal, die mittelalterliche Kirche von Homorodjanosfalva (rum. Ione§ti) in Siidostsiebenbiirgen erganzt werden, wo amyekanak volgyeben jarok.” Akozepkori templom koriili temctok kutatasa [„... Ich bin im Tal des Todesschatten.“ Die Erforschung der die mittelalterliche Kirche umgebenden Fried- hofe], hg. von Agnes Ritook - Erika Simonyi, Budapest 2005, S. 290, Taf. 3. 2. 17 Budapest, Logodi u. 11-13, aus einer spatmittelalterlichen Schicht slammender Streufund von Pecten maximus, zweimal durchbohrt, H.: 10,2 cm. Ausgrabungen von Judit Benda im Jahre 2004, Historisches Museum der Stadt Budapest, Inv.-Nr. 2004.9.4.4, unverofifentlicht. Fur die Angabe danke ich Judit Benda recht herzlich. 18 Esztergom, Szentgyorgy u. 10, als Streufund eine dicke Muschel fossilen Charakters mit zwei Durchbohrungen, H.: 10 cm (Balint-Balassa-Museum, Esztergom, Inv.-Nr. 99.25.1). 19 In dem 1936 an der koniglichen Basilika in Stuhlweil3enburg ffeigelegten Grab 72 (14./15. Jh ) mit reichen Beigaben (mit Gold durchwebtes Textilfragment, Fragmente von Gold- knopfen, Edelstein) lag neben dem linken Ellbogen eines Erwachsenenskeletts ein Pecten /waxr/wM^-Fragment. An dem ca. ein Viertel dergesamten Muschelschale ausmachenden Frag¬ ment sind keine Bohrungsspuren zu erkenne (Ungarisches Nationalmuseum, Budapest, Mit¬ telalterliche Sammlung, Inv.-Nr. 10.367, Fragmentmal3e: 2.7 x 3,2 cm). Fiir die Angabe danke ich Dr. Piroska Biczo (Ungarisches Nationalmuseum, Budapest). 20 Marosvasarhely, ehem. Franziskanerkirche, aus der Bauschicht vom Ende des 14. Jh. stammt ein Pecten waxi/m/J-Fragment, das entlang des Randes mehrmals durchbohrt ist (Freilegung von Zoltan Soos, 2006, Museum des Komitats Maros, Marosvasarhely, MaBe des Fragments: 9x6 cm). 21 Tornas VelImsKY, Reflection of Pilgrimages in the Material Culture of the Czech Middle Age, in* Wallfahrten in der europaischen Kultur/Pilgrimage in European Culture, hg. von Hartmut {Oihne - Daniel Dolezal, Tagungsband, Pribram 26.-29. Mai 2004 (Europaische Wallfahrts- studien 1), Frankfurt 2006, S. 253-270, dort S. 268. 22 Krzysztof Wachowski, Wallfahrten schlesischer Burger im Mittelalter. Jahrbuch fur Volks- kunde NF 28, 2005, S. 143.
178 Elek Вепкб Abb. 4 a: Bleikreuz, gefunden im Burgpalast von Buda. Foto: Elek Вепкб Abb. 4 b: Bleikreuzfragment, gefunden in Somogysamson- Marotpuszta. Abbildung nach Laszlo KOLT6, 16. szazadi templom koriili tcmcto fcltarasa Somogysamsonban, in: „... A halal amyekanak volgyeben jarok.” A kozepkori tem¬ plom koriili temetok kutatasa, hg. von Agnes Ritook - Erika Simonyi, Budapest 2005, S. 290, Taf. 3. 2.
Pilgerzeichenforschung in Ungarn 179 Abb. 5 a: Jakobsmuschelfragment, Fund aus Szekesfehervar, Ungarisches National- museum, Budapest, Mittelalterlichc Samm- lung, Inv. Nr. 10.367. Foto: Elek Benko Abb. 5 b: Jakobsmuschelfragment, Fund aus Maros- vasarhely/Targu Mure§, Museum des Komitats Maros, Marosvasarhely. Foto: Elek Benko
180 ElekBenko sich an den Konsolen des Chorgewolbes aus dem Jahre 1522 Steinmetzarbeiten befinden, die eine Muschel bzw. einen Pilgerstab und Pilgerbeutel darstellen (Abb. 6). Die Bildwerke verweisen auf den Brauch, dass die Pilger diese Requi- siten nach der Heimkehr ihrer Kirche iiberlieflen. In diesem Fall wissen wir durch historische Quellen, dass die Erbauer der Kirche von Homorodjanosfalva Klein- adlige waren, was darauf hindeutet, dass Pilger nicht nur aus dem Kreis der reich- sten sozialen Schicht stammten. Die iiberwiegende Mehrheit der mittelalterlichen Pilgerzeichen ist als Abguss an siebenburgischen Glocken erhalten geblieben. Ganz gewiss wiirde die syste- matische Aufarbeitung anderer mittelalterlicher Bronzegusswerke aus dem Kar- patenbecken, insbesondere des Glocken- und Taufbeckenbestandes im einstigen Oberungam, der heutigen Slowakei, ihre Zahl weiter erhohen. Die friihesten siebenburgischen Glocken mit Pilgerzeichenabgiissen23 schei- nen aufgrund ihrer formalen Eigenheiten Arbeiten aus Bistritz (ung. Beszterce, rum. Bistri{a) zu sein. Am Mantel der 1452 gegossenen Glocke von Mezoszabad (rum. Voiniceni) befinden sich an zwei gegenuberliegenden Punkten unter der Minuskelumschrift zwei Abgusse von ausgezeichneter Qualitat. Der eine stammt von einem romischen Pilgerzeichen mit der Vera Icon, zu beiden Seiten erschei- nen die Apostel Peter und Paul. Nach den verfugbaren Analogien zu urteilen, stammt das Zeichen noch aus dem 14. Jahrhundert und zahlt so zu den friihen Hinterlassenschaften romischer Wallfahrten in Siebenburgen. Das andere Pilger¬ zeichen an der Glocke von Mezoszabad stellt die Biiste eines heiligen Bischofs ohne Attribute dar. Die Forschung sieht in einem Pilgerzeichen aus Maastricht mit der Darstellung des hi. Servatius eine gute Analogie aus dem 15. Jahrhundert. Es scheint, dass ein ahnliches Pilgerzeichen einst auch die 1448 gegossene und 1873 zerstorte Glocke von Szabed (rum. Sabed) verzierte, denn an der Glocken- wand „war ein Medaillon mit einem die Hand zum Segnen erhobenen Bischof auf der einen Seite und dem gekreuzigten Christus auf der Ruckseite“24 dargestellt. Leider existiert keine schriftliche Nachricht, die auf die Besitzer der beiden be- nachbarten siebenburgischen Orte im 15. Jahrhundert deuten wiirde, um auf die¬ sem Wege den Auftraggebem der Glocken naher kommen zu konnen. Die Glocke von Saromberke (Scharenberg, rum. Dumbravioara) aus dem 15. Jahrhundert - vermutlich ebenfalls ein aus Bistritz stammender Guss - bewahrt gleich eine ganze Sammlung von romischen, Maastrichter und Kolner Pilgerzei¬ chen. Von den fiinf abgegossenen Zeichen sind drei romische Exemplare, was 23 Uber die Pilgerzeichen auf siebenburgischen Glocken: Elek BenkO: Erdely kozepkori harangjai es bronz keresztelomedencei [Mittelalterliche Glocken und bronzene Taufbecken in Siebenburgen], Buda- pest/KoIozsvar 2002; Elek BenkO, Mittelalterliche Pilgerzeichen auf siebenburgischen Glocken, in. „Quasi liber et pictura", Tanulmanyok Kubinyi Andras hetvenedik sziiletesnapjara. Studies in honour of Andras Kubinyi on his seventieth birthday, Budapest 2004, S. 55-64. 24 Balazs OrbAn, A Szekelyjold lelrasa [Die Beschreibung des Szeklerlandes], Bd. IV, Pest 1870, S. I .
Pilgerzeichenforschung in Ungarn 181 Abb. 6: Homorodjanosfalva/Ione§ti, Dorfkirche, Konsolen des Chorgewolbes. Fotos: Elek Benko eindeutig darauf hinweist, dass eines der wichtigsten Ziele der siebenburgischen Wallfahrer im Mittelalter Rom war. Das am Anfang der Glockeninschrift stehende runde Zeichen mit dem SchweiBtuch der Veronika ist mit dem Petersdom in Rom verbunden, der wegen der dort verwahrten SchweiBtuchreliquie eine Wallfahrts- statte von herausragender Bedeutung war. Eine in die erste Halfite des 15. Jahr- hunderts datierte Parallele zu diesem Pilgerzeichen wird in einer Sammlung in den Niederlanden aufbewahrt. Auf die groBe Mannigfaltigkeit der romischen Pil¬ gerzeichen mit dem SchweiBtuch der Veronika deutet der Umstand, dass an der Glocke von Saromberke auch der Abdruck eines Exemplars erhalten geblieben ist, das in der mir bekannten Fachliteratur bisher noch nicht vorkommt. Gut bekannt dagegen ist das dritte romische Pilgerzeichen mit Schliissel in einem Kreuz und der papstlichen Tiara. Die besten Parallelen aus dem 15. Jahrhundert dazu wur- den aus einer hollandischen Sammlung veroffentlicht. Zu einem ahnlich verbrei- teten Typ gehort das Maastrichter Pilgerzeichen der Saromberker Glocke, auf dem die Biiste des hi. Servatius von Engeln umgeben ist; der Engel auf der rech- ten Seite sticht mit einem Hirtenstab in den Rachen des sich unter der Bischofs- biiste windenden Drachen. Dieses Zeichen zahlt nicht nur in der Forschungsgc- schichte zu den bekanntesten, bereits in den ersten Jahrzehnten des 20. Jahrhun- derts identifizierten Typen, sondem auch im Musterschatz der mittelalterlichen Giocken, da es an den Bronzegiissen aus dem 15. Jahrhundert ziemlich haufig vorkommt.
182 Elek Вепкд Das funfte, das Kolner Zeichen an der Saromberker Glocke ist ein „kombi- niertes” Pilgerzeichen, auf dem die Heiligen Drei Konige und die hi. Ursula, deren Reliquien im mittelalterlichen Koln die Hauptsehenswiirdigkeiten waren, ge- meinsam dargestellt sind. (Abb. 7) Eine genaue Analogie zu diesem Zeichen ist mir nicht bekannt, annahemde Parallelen sind Dank nordeuropaischer Pilger an schwedischen und danischen Glocken aus dem 15. Jahrhundert erhalten geblie- ben. Dass diese Serie von Pilgerzeichen nach Siebenbiirgen und auf die Glocke von Saromberke gelangte, steht in engem Zusammenhang mit ihrem Auftragge- ber, einem Mitglied der adligen Familie Erdelyi, Vorfahren der graflichen Fami- lie Teleki, die seit 1405 Besitzer von Saromberke war und hier ein Herrenhaus er- richten lieB. Glocken mit Pilgerzeichen aus dem 15. Jahrhundert wurden nicht nur in die- ser nach Bistritz lokalisierten nordsiebenburgischen Werkstatt angefertigt. Ein groBes, die Pieta darstellendes fragmentarisches Aachener Pilgerzeichen verziert die 1481 in einer unbekannten Werkstatt gegossenen Glocke von Kalotaszentki- raly (rum. Sancraiu). Das aus drei iibereinander angeordneten Kreisen zusam- mengesetzte, urspriinglich 17 Zentimeter hohe Relief stimmt mit den Aachener Zeichen aus der zweiten Halfte des 15. Jahrhundert uberein und gehort zu deren groBten Varianten. Ein ratselhaftes Denkmal ist die zwischen den beiden Welt- kriegen verlorengegangene Glocke von Algyogy (rum. Geoagiu). Unter dem Ge- sichtspunkt der Pilgerzeichen ist sie von herausragender Bedeutung, denn auf einem alten Foto und einer Zeichnung sind romische, Maastrichter und andere unidentifizierbare Pilgerzeichen zu erkennen. Zu Beginn des 16. Jahrhunderts veranderte sich auch in Siebenbiirgen die Art und Weise, wie die Pilgerzeichen verwendet wurden. Entgegen der zuvor ge- brauchlichen individuellen und speziellen Anwendung der Pilgerzeichen als Glockenzier applizierten die auch namentlich bekannten und in erster Lime mit dem GieBen von Kanonen befassten Meister der Werkstatt von Bistritz im zwei¬ ten Viertel des 16. Jahrhunderts regelmaBig zwei verschiedene Zeichenabdrucke an ihren Schopfungen. Zu Beginn des 16. Jahrhunderts, zur Zeit der Meister An¬ dreas und Gregor, wurden zwei haufig verwendete Pilgerzeichen zum Leitmotiv der aus Bistritz stammenden Glocken in Hetur (Marienburg, rum. Hetiur), Ma- gyardccse (rum. Cire§oaia), Mezokobolkut (rum. Fantanita), Szaszujfalu (rum. Corvine§ti) und Vole (Woltz, rum. Veit). Von diesen beiden Pilgerzeichen kam jenes, das ein mit Nageln durchschlagenes Kreuz darstellt, friiher auf - an der 1529 gegossenen Glocke von Vole - und blieb bis in die 1540er Jahre hinein in Gebrauch (Hetur, 1544). Der Ursprung dieses Zeichens ist nicht bekannt, die Dar- stellung weist allerdings auf eine Gnadenstatte hin, an der die vom Kreuze Chri- sti stammenden Nagel verehrt wurden (Rom, Trier). Der bekannteste dieser Orte war S. Croce in Gierusalemme in Rom, eine der sieben bedeutendsten Pilger- statten Roms, wo sowohl Kreuz- als auch Nagelreliquien aufbewahrt wurden.
Pilgerzeichenforschung in Ungarn 183 Das zweite, zwischen 1532 und 1544 an Bistritzer Glockengiissen verwendete Pilgerzeichen stellt den hi. Georg als Drachenbezwinger dar. Es sei darauf hin- gewiesen, dass sich die bekannteste Wallfahrtsstatte des hi. Georg, die Kirche S. Giorgio, ebenfalls in Rom befand. So deuten die beiden an Bistritzer Glocken verwendeten spatmittelalterlichen Pilgerzeichen wohl auf Wallfahrten nach Rom. Das runde romische Zeichen an der Glocke von Saromberke lenkt die Auf- merksamkeit auf die Pilgermedaillons, jene runden, einseitigen Beschlage mit Darstellungen religiosen Inhalts, die zusammen mit den als ,,klassisch“ bezeich- neten Pilgerzeichen in Umlauf gelangten und die im 15. und 16. Jahrhundert in Westeuropa zusammen mit letzteren sehr gem in Gebetsbiicher eingenaht wurden, besonders von den wohlhabenden und eifrigen Glaubigen in Flandem. Da es hier nach dem heutigen Stand der Forschung um eine schwer zu umreiBende Denk- malgruppe geht, kann man aus dem Siebenburger Material nur mit groBer Vorsicht einige Stiicke herausheben, die Pilger- oder Gnadenmedaillons gewesen sein konnten. Aus dem Musterschatz einer nordsiebenbiirgischen, vielleicht Klausen- burger Werkstatt stammt ein kleines rundes Medaillon mit der Anbetung der Hei- ligen Drei Konige, das auf den 1523 fur Fejerd (rum. Feiurdeni) und Magyarigen (rum. Ighiu) gegossenen Glocken erhalten geblieben ist und das an die aus ver- goldetem Silberblech angefertigten Kolner Pilgerzeichen mit gepresster Verzie- rung erinnert. In dem Material aus Ungam sind auch einige aus Bleilegierungen angefertigte profane bzw. heraldische Darstellungen bekannt. Die schonste davon ist ein bei Ausgrabungen in der Innenstadt von Szekesfehervar (Arany Janos utca 3) aus einer spatmittelalterlichen Abfallgrube zum Vorschein gekommenes Fragment eines durchbrochenen Medaillons von 4,5 Zentimeter Durchmesser aus dem 13. Jahrhundert mit einer heraldischen Adlerdarstellung. Die chemische Untersu- chung ergab folgende Zusammensetzung: 96,95 Prozent Blei, 3 Prozent Zinn, 0 01 Prozent Antimon und 0,03 Prozent Arsen.25 Ein stark stilisiertes, rechtecki- ges oben abgerundetes Zeichen mit ahnlicher Darstellung kam bei archaologi- schen Forschungen im Dominikanerkloster in Schemnitz (ung. Selmecbanya, slow. Banska Stiavnica) zum Vorschein. An diesem in das 14. Jahrhundert da- tierten Werk von 6 x 4,5 Zentimeter waren Osen zur Befestigung angebracht.26 Seit Mitte der 1520er Jahre nahmen die Pilgerfahrten abrupt ab. Der Haupt- grund dafur wird die enorme Verbreitung der Reformation in Ungam und Sie- 25 Gyula SiklOsi, Sosos medailion a szekesfehervari SzetU Peter utcabol (Arany Janos utca 3) FEin Adlermedaillon aus der St.-Peter-Str. (Arany Janos utca 3) in Stuhlweiflenburg/, Alba Regia 24, 1990, S. 137-139. 26 Michael Slivka, Stredoveky homo viator [Die Beziehung der Slowakei zu den internationa- len Wallfahrtsorten], Archaeologia historica 23, 1998, S. 311, 320. In diesem Artikel sind auch einige weitere Pilgerzeichen vom heutigen Gebiet der Slowakei angefuhrt.
184 Elek Вепкд benbiirgen gewesen sein und in diesem Zusammenhang die Verringerung des see- lischen Bediirfhisses nach Wallfahrten und die Vemeinung einer durch Geld zu er- werbenden Siindenvergebung. Nach 1526 bildete auch die turkische Eroberung, durch welche die ungarische Landesmitte innerhalb weniger Jahrzehnte in be- deutendem MaBe zerstort worden war, auf lange Zeit ein schwerwiegendes Hin- demis fur Wallfahrten nach dem Westen. Abb. 7: Abguss eines Kolner Pilgerzeichens auf der Glocke von Saromberke/Dumbravioara, 15. Jahrhundert. Foto: Elek Benko
185 Helena Koenigsmarkova Die Pilgerzeichensammlung im Prager Kunstgewerbemuseum* Im Jahre 1894 bot der Pariser Antiquitatenhandler Joseph Egger dem bekannten Sammler und Kunstmazen Adalbert Freiherr von Lanna (1836-1909) einen in- teressanten Komplex fragiler Gegenstande an, die er in der Korrespondenz als „plombs histories44 bezeichnete. Dieser Name fur die heute im allgemeinen „Pil- gerzeichen44 genannten Objekte geht auf den erster Sammler und Spezialisten Ar¬ thur Forgeais (1822-1878) zuriick, derdiese bei derseit 1841 durchgefiihrten Re- gulierung der Seine in Paris gemachten Funde sein ganzes Leben lang systema- tisierte. Joseph Egger war in Prag, und hier besonders im 1885 neugegrtindeten Kunstgewerbemuseum, das sich damals jedoch noch nicht in seinem erst 1897— 1900 erbauten eigenen Gebaude befand, gut bekannt. Egger hatte namlich schon zuvor einige Akquisitionen nach Prag vermittelt und er wurde auch haufig von an- deren Sammlem, vor allem jenen mittelalterlicher Kunst, besucht. Die damali- gen Beziehungen zwischen Sammlem und Antiquitatenhandlem waren im All¬ gemeinen unkomplizierter als heute, so dass Egger 50 dieser ,,plombs“ als Probe mit der Post nach Prag sandte. Nach den Sitzungsprotokollen der damaligen Akquisitionskommission, in der unter anderem der spatere Architekt des im Neo- renaissance-Stil errichteten Museumsgebaudes Josef Schulz (1840-1917), der bekannte Bildhauer Josef V. Myslbek (1848-1922) und selbstverstandlich aufler Adalbert von Lanna auch der erste Museumskustos Karel Chytil (1857-1934) saflen, wurde der Ankauf als auBerordentliche und fur die Kenntnis der Kultur des Mittelalters sehr wichtige Aufgabe einstimmig genehmigt. Der Preis wurde auf ftinf Francs je Stuck festgesetzt. Egger sandte daraufhin das ganze Konvolut, das 500 Gegenstande umfasste, nach Prag. Inzwischen hatte auch der Direktor des Kaiser-Friedrich-Museums in Berlin, Wilhelm von Bode (1845-1929), diese Funde bei ihm in Paris besichtigt. Der Wiener Sammler Albert Figdor (1843— 1927)1, der das Konvolut wohl in Prag gesehen haben muss, zeigte ebenfalls In- teresse an den Stlicken. Adalbert von Lanna wollte beiden Kollegen entgegen- kommen. Darum entschied er sich, den erhaltenen Dokumenten zufolge, den Komplex aufzuteilen. In einem Brief teilte er beiden mit, dass sie sich ungefahr 330 Abzeichen teilen konnten. Die Aufteilung ubemahm offenbar der erste Ku- * In das Deutsche iibersetzt von Marie A. Kotrbova. 1 Zu den Pilgerzeichen in der Sammlung Figdor siehe den Beitrag von Lothar Lambachhr, Zur Geschichte der Pilgerzeichensammlung des Berliner Kunstgewerbemuseums, in vorlie- gendem Band.
186 Helena Koenigsmarkova stos und Museumsdirektor Karel Chytil zusammen mit seinem Vertreter Fran- tisek Borovsky (1852-1933). Die Inventarkarten des Prager Kunstgewerbemu- seums tragen jedenfalls deren Handschriften. Pilgerzeichen, diese kleinen Souvenir-Gegenstande, deren Themen mit einem Ort, einem verehrten Heiligen, einer Reliquie oder Legende zusammenhangen, wurden freilich in der Zeit ihrer ersten massenhaften Funde und somit auch bei ihrer Entdeckung fur die Realienkunde von den meisten Zeitgenossen unter- schatzt, weil sie die Kriterien der ,,groi3en“ Kunst vermeintlich nicht erfullten. Zu den Funden kam es seit der Mitte des 19. Jahrhunderts, als die wachsende In- dustrialisierung und die Entfaltung des Verkehrswesens in den Stadten die Rc- gulierung der Fltisse erforderte, wie dies in Paris der Fall war. Aus den schlam- migen Ablagerungen wurden neben zahlreichen weiteren Gegenstanden auch diese aus Blei-Zinn-Legierungen bestehenden Devotionalien geborgen, die der Schlamm im Unterschied zu anderen Milieus bewahrt hatte.2 Den Wert dieser Funde erkannte der junge Wissenschaftler Arthur Forgeais, der auch die mit den Wasserbauarbeiten Beschaftigten dazu bewog, nach solchen Gegenstanden zu su- chen und diese abzuliefem. Er hat die so entstehende Sammlung, die er zum groB- ten Teil dem Musee de Cluny (jetzt Musee national du Moyen Age - thermes et hotel de Cluny) ubergab, im Rahmen seiner Moglichkeiten selbst erforscht und beschrieben.3 Eine wirklich fachkundige Bearbeitung erfuhr die Sammlung je- doch erst in jiingster Zeit, als sie Gegenstand der Doktorarbeit von Denis Bruna wurde, der sie mehr als einhundert Jahre nach ihrer ersten Bearbeitung neu pu- bliziert und im Museum wieder ausgestellt hat.4 Das Konvolut im Kunstgewer- bemuseum Prag stammt ohne Zweifel aus derselben Quelle wie die Sammlung des Musee de Cluny. Frantisek Borovsky hat sich bei seiner Bearbeitung der Sammlung an die An- gaben in der Publikation von Germain Bapst5 und dem bekannten Handbuch der mittelalterlichen Archaologie von Victor Gay6 gehalten. Darum hat er auch die identifizierten Abzeichen, so etwa die vom Mont-Saint-Michel, als solche be- zeichnet und sie Pilgerzeichen genannt. Fur andere benutzte er die Bezeichnun- gen Applikation, Anhanger, Bibelot oder auch die im Tschechischen neue Wort- schopfung ,,nametek“ (von ,,namet“ = Thema). Der Katalog von Forgeais war 2 Siehe hierzu auch die kontrare Meinung von Carina Brumme, Pilgerzeichen - Erhaltungs- bedingungen und Verbreitungsraume, in vorliegendem Band. 1 Arthur Forgeais, Collection desplombs histories trouves dans la Seine, 5 Bde, Paris 1861- 1865. 4 Denis Bruna, Enseignes depelerinage et enseignes profanes, Paris 1996; Ders., Enseignes de plumb et autres menues chosettes du Moyen Age, Paris 2006. 5 Germain Bapst, L 'etain: les metaux dans I’antiquite et au moyen age, Paris 1884. 6 Victor Gay, Glossaire archeologique du moyen age et de la renaissance, 2 Bde., Paris 1887- 1928.
Pilgerzeichensammlung im Prager Kunstgewerbemuseum 187 ihm wohl nicht bekannt. Dennoch ordnete er die Gegenstande mehr oder weni- ger richtig ein. Als ich diese Sammlung im Rahmen einer sogenannten „physi- schen Inventur“ im Depot des Prager Kunstgewerbemuseums ftir mich entdeckte, stellte sich wohl bei mir ein ahnliches Geftihl ein wie bei Arthur Forgeais - so stelle ich es mir jedenfalls vor. Es war fur mich etwas vollig Unbekanntes, aber es war mir sofort klar, dass diese Sammlung eine einzigartige ikonographische und sozialgeschichtliche Quelle fur eine gcnauere Kenntnis der mittelalterlichen Lebenswelt darstellt. Ich habe daher die Bearbeitung der Sammlung in Form eines Kataloges zum Thema meiner kunstgeschichtlichen Dissertation an der Philoso- phischen Fakultat der Prager Karls-Universitat im Jahre 1977 gewahlt.7 Freilich war die damalige Situation im Hinblick auf die Fachliteratur sehr schwierig. Ich musste bald feststellen, dass es zu diesem Thema bei uns aufler der erwahnten Bearbeitung von Forgeais, die zum Gluck in der Nationalbibliothek in Prag vorlag, fast keine Spezialuntersuchungen gab. Mit den Pilgerzeichen als einem selbstandigen Phanomen mittelalterlicher Kultur begannen sich etwa ab den 60er Jahren des 20. Jahrhunderts zuerst einige wenige Spezialisten zu befas- sen die ihre Erkenntnisse in verschiedenen, ftir uns in der Tschechoslowakei da- mals schwer zuganglichen, Periodika verofTentlichten. Es war mir jedoch gelun- gen, mit ihnen Kontakt aufzunehmen und ich habe mich somit dem Thema wei- ter genahert. Es waren namentlich in Deutschland Kurt Koster, in England Brian Spencer und in Frankreich Colette Lamy-Lassalle. Fiir meine Arbeit, die bis heute unveroflfentlicht blieb, hatte ich aus dem Gesamtbestand von 174 Stricken 155 Abzeichen und Devotionalien aus dem 14. und 15. Jahrhundert bearbeitet; Du- plikate und einige offenkundig jiingere Objekte und Fragmente blieben unbe- riicksichtigt. Dem Konvolut waren weitere 43 Stiicke, zumeist Duplikate beige- geben, die ich nachtraglich ebenfalls inventarisiert habe. Im Prager Kunstgewer¬ bemuseum sind somit aus dem 1894 von Egger in Paris erworbenen Komplex 217 pilgerzeichen und ahnliche kleine Devotionalien nachgewiesen.8 Welches war das Schicksal der anderen oben angefiihrten Abzeichen? Die be- absichtigte Teilung und Ubemahme nach Berlin und Wien kam offenbar nicht zustande. Dagegen wurde im Jahre 1903 ein kleiner Komplex von 14 Abzeichen an das Kunstgewerbemuseum in Diisseldorf verkauft.9 Schriftliche Belege ftir diesen Vorgang fehlen aber in unserem Museum. Uber den Verkauf muss wohl der 7 Helena Koenigsmarkova, Stredoveke poutni odznaky ze sbirek UPM v Praze, masch. Diss. phil., Karlsuniversitat Prag 1977. к Vgl auch den Uberblick bei Helena Koenigsmarkova, Stredovekepoutni odznaky> ze sbirek UPM,in: Sbomik stati na pocest 60. vyroci narozeni Dagmar Hejdove (Acta Umelecko- pmmysloveho muzea Praha 15, Commentationes), Praha 1980, S. 54-71. 9 Vel Wolfgang SCHEPERS, Zinn [Ausstellungskatalog Kunstmuseum Diisseldorf. „Kunstge- werbeimKunstmuseum: I. Zinn“ 27.9.1981-31.1.1982], Diisseldorf 1981, Nr. 1-14, S. 18- 21.
188 Helena Koenigsmarkova damalige Direktor Karel Chytil entschieden haben. Warum das Museum aber dann den Rest der Sammlung nicht in sein Inventar aufgenommen hat, ist uns ebenfalls nicht bekannt. Moglicherweise geschah dies mit Rucksicht auf Adal¬ bert von Lanna. Dieser widmete noch im Jahre 1906 dem Kunstgewerbemuseum einen groflen Teil seiner Glas-Sammlung sowie weitere Gegenstande. Allerdings ist seinen Tagebiichem zu entnehmen, dass er im zunehmenden Mafle durch die Wandlungen des politischen Klimas enttauscht war, weil sich damals die Natio- nalitatenstreitigkeiten zuspitzten und der Zerfall seiner Welt - der Osterreichisch- Ungarischen Monarchie - nahe bevorstand. In diesem Zeitraum gab er seine ur- sprunglichen Planungen auf, von seinen Sammlungen weitere in Prag zu belas- sen und bereitete hingegen deren Verkauf in einer Auktion vor.10 Adalbert von Lanna starb im Jahre 1909. Nach dem Ersten Weltkrieg wurde das Museum im neuen Staat vor ganz an- dere fachliche Aufgaben gestellt. So verblieb das gesamte Konvolut unverandert beisammen, wurde aber nicht weiter beachtet. Erst infolge der Eingliederung zahl- reicher privater und kirchlicher Sammlungen, die nach 1948 durch das kommu- nistische Regime konfisziert wurden, fiihrte man am Ende der funfziger Jahre eine Gesamtinventur aller Museumsbestande durch. Der damalige Direktor des Museums, Emanuel Poche (1903-1987), wurde verhaftet und beschuldigt, Ei- gentum von „regimefeindlichen" Personen im Museum aufzubewahren. Zugleich wurde die Spezialisierung der Sammlungen der Prager Museen angeordnet und umfangreiche Komplexe urspriinglicher Sammlungsgegenstande wurden an an- dere Museen uberwiesen. Opfer dieser ,Sauberung’ wurde auch jener Teil der Sammlung von Pilgerzeichen, der einst vergebens auf die Ubernahmc nach Ber¬ lin oder Wien gewartet hatte. Im Jahre 1962 wurden 243 Abzeichen und Devo- tionalien in das Prager Nationalmuseum uberwiesen und dadurch endlich eben¬ falls inventarisiert. Freilich blieb eine griindliche Bearbeitung dieses Samm- lungsteils aus und dieser der Fachwelt daher auch weiterhin verborgen. In der Zeit uin 1977 war es selbst fur mich kompliziert, die Sammlung naher kennenzulemen. Damals war nur eine fliichtige Besichtigung moglich, so dass ich den Eindruck gewann, sie umfasste eher Duplikate und andere kleinere De- votionalien. Nach einem eingehenderen Studium in den letzten Jahren versuchte ich, das System zu verstehen, nach welchem die Abzeichen nach ihrem Ankauf sortiert worden waren. Offenbar wurden fur das Kunstgewerbemuseum beson- ders vollstandig erhaltene Abzeichen ausgewahlt, etwa solche, die sich mit ihrem Rahmen erhalten haben. Sodann spielte der Typ - Anhanger, Abzeichen zum An- heften oder Aufstellen etc. - eine Rolle. Von besonderer Bedeutung war eine deut- lich erfassbare bildliche Darstellung, auch wenn diese im Hinblick auf ihre iko- 10 Sammlung des Freiherrn Adalbert von Lanna Prag [Auktionskatalog], 3 Teile, Rudolph Lep- ke’s Kunst-Auktions-Haus, Nr. 1559, 1605 und 1614, Berlin 1909 und 1911.
Pilgerzeichensammlung im Prager Kunstgewerbemuseum 189 Abb. 1: Pilgerzeichen mit dem hi. Eligius, Nationalmu- seum Prag, Inv. Nr. 68095. Foto: Nationalmuseum Prag nographische Einordnung unklar blieb. Daneben tritt der formale Gesichtspunkt, also die stilistischen Merkmale der Zeichen, als Kriterium deutlich zutage. Im Konvolut des Nationalmuseums befinden sich jedoch auch einige wunderbare Gegenstande, die in den anderen bekannten Sammlungen, einschliefllich der Sammlung im Musee de Cluny, fehlen. Dies bedeutet vor allem, dass das bereits beim Antiquitatenhandler Egger aus- gewahlte Konvolut mit gro!3er Kenntnis der Materie zusammengestellt worden ist und keineswegs nur durch das zutallige Angebot irgendeines uneingeweihten Fin¬ ders entstanden sein kann. Es sind hier wohl alle bekannten franzosischen Wall- fahrtsorte vertreten, insbesondere jene in Nordostfrankreich und die Abzeichen vom Mont-Saint-Michel, aber auch solche aus dem spanischen Calzada. Die Samm¬ lung umfasst eine Auswahl von weltlichen, politischen sowie erotischen Abzeichen, Devotionalien in Miniaturformat, wie Fliigel kleiner Altare, Wandbeschlage von Reliquiaren, kleine Kreuze zum Anhangen, Ampullen und anderes mehr. In dem Konvolut das den auslandischen Kollegen iiberlassen werden sollte und das sich nun im Prager Nationalmuseum befindet, befinden sich zwar einige Duplikate der oben erwahnten Abzeichen, doch auch einige vollkommen unikate Stucke. Ganz einzigartig sind zwei Medaillons aus gepresstem Goldblech, die zum Aufnahen auf eine Unterlage mit Osen durchlochert sind und in ihrer Form mit den bei Bruna veroffentlichten Abzeichen der Heiligen Kosmas und Damian iiber- einstimmen.11 Auf dem Prager Abzeichen (Abb. 2) ist jedoch der hi. Maturinus von Larchant dargestellt, der die Prinzessin von einem Damon befreite. Das *и bruna (wie Anm. 4,1996), Nr. 166, S. Nr. 166, S. 127.
190 Helena Koenigsmarkova Abb. 2: Medaillon mit dem hi. Maturinus von Larchant, gepresstes Goldblech, Nationalmuseum Prag, Inv. Nr. NM 68076. Foto: Nationalmuseum Prag zweite Abzeichen weist die spezifische Ikonographie eines leeren Kreuzes mit Maria und Johannes sowie Maria Magdalena auf. Weitere Details, wie die Krone auf dem Gipfel des Kreuzes, die Dekoration mit den koniglichen Lilien und vor allem der mit einem Band umwundene FuB des Kreuzes sind wohl Bestandteil einer besonderen, mit einer Bruderschaft oder einer ahnlichen Verbindung zu- sammenhangenden, Symbolik. AuBergewohnlich ist femer eine in Blech ge- presste Plakette mit dem Andachtsbild einer Madonna vom Anfang des 15. Jahr- hunderts.12 Das Konvolut umfasst auch noch weitere Gegenstande, wie zum Bei- spiel mehrere Kinderklappem in Form kleiner Bimen. Zusammenfassend kann man sagen, dass Adalbert von Lanna seinen Kollegen in Berlin und Wien keinesfalls einen unbedeutenden, sondem ganz im Gegenteil einen gewichtigen Teil der Kollektion uberlassen wollte, der fur jede Sammlung mittelalterlicher Kunst einen groBen Wert darstellt. Ich schlieBe daher mit der Hoffhung, dass es mir vergonnt sein moge, das urspriingliche Konvolut noch als Ganzes zu bearbeiten und zu veroffentlichen, um das in jungster Zeit allmahlich wachsende Interesse an diesen unauffilligen Zeugnissen ihrer Zeit zu fordem. 12 H. 67 mm, B. 50 mm.
191 Christoph Henseler Die Pilgerzeichendatenbank - Genese und Aufbau eines Low-Budget-Projekts in der Geschichtswissenschaft Die Pilgerzeichendatenbank »http://www.pilgerzeichen.de« ist seit Mai 2002 on¬ line und verzeichnet inzwischen durchschnittlich etwa 400 Besucher am Tag1 - fur ein so kleines und randstandiges Angebot eine beachtliche Zahl. Wie aus den Riickmeldungen per email ersichtlich ist, findcn sich nicht nur Historiker, Ar- chaologen und Campanologen unter den Nutzem, sondem auch Heimatforscher und Pfarrer, die auf ,ihrer‘ Glocke ein Pilgerzeichen entdeckt haben. Diese Kon- takte zeigen nicht nur das Interesse am Angebot der Website, sondem bringen oft auch neue Hinweise auf Pilgerzeichen fur unsere Datenbank. Inzwischen hat die Pilgerzeichendatenbank durch das niederlandische Kunera-Projekt2 eine erfreu- liche Gesellschaft im Netz bekommen. Der Blick zuriick: die Entstehung der Pilgerzeichendatenbank Die Pilgerzeichendatenbank entstand im Anschluss an eine Ubung zu Pilgerzei¬ chen an der Humboldt-Universitat zu Berlin im Sommersemester 2001. Wahrend als Ziel der Veranstaltung zunachst die Einrichtung einer Website zu mitteldeut- schen Wallfahrtsorten und Pilgerzeichen geplant war, wurde dies rasch verwor- fen und stattdessen ein dynamisches Konzept, bestehend aus einem Datenbank- server und einer mit PHP generierten Website als Benutzerschnittstelle entwickelt. Nachdem ein entsprechender Antrag auf Fordermittel im Dezember 2002 von der Deutschen Forschungsgemeinschaft abgelehnt wurde, war klar, dass das Pro- jekt eher auf minimalistischer Basis als Low- bzw. No-Budget-Projekt gehand- habt werden musste. Dies machte es vorerst unmoglich, alle oder auch nur einen groBen Teil der Daten aus der Pilgerzeichenkartei Kurt Koster im Germanischcn Nationalmuseum rasch zu digitalisieren. Stattdessen haben wir uns darauf kon- zentriert, neben einer selektiven Aufhahme der Daten der Pilgerzeichenkartei Kurt Koster (mit dem Fokus auf mitteldeutsche Wallfahrtsorte) andere, teils entlegen publizierte Pilgerzeichen aufzunehmen und unbearbeitete Sammlungen von Pil- , Die Zahl bezieht sich auf den Zeitraum September 2006 bis August 2007; vgl. die jeweils ak- tuelle Statistik unter »http://www2.hu-berlin.de/statistik/annen/«. 2 >)jlttp://Www.let.kun.nl/ckd/kunera/«; Siehe dazu den Beitrag von Jos Koldeweij, Pilgrim and Secular Badges: Archaeological Finds in the Low Countries, in vorliegendem Band.
192 Christoph Henseler gerzeichen oder Glockeninventare zu erschlieflen3. Auch das Ziel, zu jedem Wall- fahrtsort einen kurzen historischen Abriss zu geben, musste aufgegeben werden. Dennoch hat sich unser Angebot bestandig weiterentwickelt. So traten neue Such- moglichkeiten hinzu, wie die Abfrage nach Heiligendarstellungen und diverse Online-Texte zur Wallfahrt im Allgemeinen und zu Pilgerzeichen im Besonderen. 2004 wurde das Layout der Website noch einmal grundlegend iiberarbeitet. Aufbau und Angebot Die gesamte Entwicklung und Realisierung der Pilgerzeichendatenbank musste mit moglichst geringen Mitteln bzw. als Freizeitprojekt verfolgt werden. Solche Rahmenbedingungen setzten dem Projekt Grenzen, sowohl hinsichtlich der Menge des Datenmaterials, das aufgenommen werden konnte, als auch im Hin- blick auf die technischen Moglichkeiten. Zugleich bewahrte es uns aber auch vor einigen klassischen Fehlem des Webdesigns, insbesondere dem Uberladen des eigentlichen Informationsangebots mit diversen Tools und Zusatzmoglichkeiten, die das System obskur machen und von den zentralen Funktionen ablenken. Die Pilgerzeichendatenbank ist grofltenteils direkt auf die von der Pilgerzei- chenkartei Kurt Koster ubemommenen Nutzungsweisen zugeschnitten. Der Zu- griff gestaltet sich nicht liber generische Suchfunktionen, sondem liber dynamische Indizes: nach Herkunftsorten der Pilgerzeichen, nach Heiligen als Bildmotiven und nach Fundorten. Hinzu kommt eine Volltextsuche im Feld ,,Darstellung“ zur bes- seren Ermittlung von Bildinhalten, die in Zukunft auf Grund expliziter Nachffagen durch Nutzer noch durch eine Volltextsuche liber alle Felder erganzt werden sollte. Die Datensatze selbst sind dann entweder als Datenblatt oder als Liste einsehbar. Diese Recherchemoglichkeiten entsprechen durchweg den typischen Frage- stellungen. Die Datenbank lasst sich wegen ihrer Indexstruktur auch von nicht Intemet-affinen Nutzem einfach bedienen, da sie kein Verstandnis von ihrem Auf¬ bau verlangt. Zudem sind Recherchen fur diejenigen, die mit der Pilgerzeichen- kartei Kurt Koster vertraut sind — deren Zahl diirfte allerdings Iiberschaubar sein - geradezu intuitiv moglich. Auch im inneren Aufbau ist die Datenbank weitge- hend der Pilgerzeichenkartei Kurt Koster nachempfunden. Hier wie dort bildet die Pilgerzeichenkartei (-tabelle) das Kemstiick, erganzt durch die Orts- und Litera- turkartei. Die Veranderungen bestehen vor allem in einer Anpassung der Struk- tur der Kartei an die Erfordemisse eines Datenbanksystems, primar in der Besei- tigung von Redundanzen (Abb. 1). 3 Dies betraf neben der Sammlung des Berliner Kunstgewerbemuseums u.a. auch die Sammlung im Prenzlauer Kulturhistorischen Museum: Hartmut Kuhne, Der Pilgerzeichen fund am Klo- ster Seehausen und sein historischer Kontext. Mit einem Katalog des Seehausener Fundes
Die Pilgerzeichendatenbank 193 Herkunftsort Veiweis Seitenzohl ( jd ) ( ) ( Kirche ) Abb. 1: Struktur der Pilgerzeichendatenbank. Grafik: Christoph Henseler
194 Christoph Henseler Quasi als Nebenprodukt des Aufbaus der Datenbank findet sich zu jedem Wall- fahrtsort eine allgemeine Bibliographie sowohl zur Wallfahrt als auch zu den ent- sprechenden Pilgerzeichen. Die Pilgerzeichendatenbank bietet damit auch eine gute Recherchemoglichkeit fur denjenigen, der an einem Wallfahrtsort an sich interessiert ist. Der Blick nach vorn: automatische Kartierung Seit Ende 2006 findet sich eine neue Komponente der Datenbank in der Erpro- bung: die automatische Erzeugung von raumlichen Verteilungskarten fur Pilger¬ zeichen. Schon zu Beginn des Projektes bestanden bei uns Uberlegungen, wie sich die Daten aus der Pilgerzeichendatenbank noch besser aufbereiten lieBen und welchen wissenschaftlichen Mehrwert wir durch die Uberfuhrung der Pil- gerzeichenkartei Kurt Koster in eine elektronische Fonn generieren konnten. Bis- her wurde zwar die Zuganglichkeit enorm verbessert - vom Archiv im Kellerge- schoss des Germanischen Nationalmuseums in die ubiquitare Verfugbarkeit des Internet die Benutzungsweisen sind allerdings groflenteils gleich geblieben. Eines der interessantesten Merkmale der Pilgerzeichen ist, dass sie ein reales Zeugnis von mittelalterlicher und fruhneuzeitlicher Mobilitat ablegen. Durch Ihre В indung einerseits an den Ort der Ausgabe - den Wallfahrtsort - und anderer- seits an den Fundort, stecken sie das Einzugsgebiet einer Wallfahrt geographisch ab. Sie bilden zudem eine der wenigen quasi seriellen bzw. quantitativen Sach- quellen aus dem Mittelalter. Dies ist nun eines jener Felder, in dem eine digitale Aufbereitung einen echten Erkenntnisgewinn und neue Fragestellungen ermog- licht und nicht nur den Zugriff auf die Daten vereinfacht. Die Idee, automatisch Verteilungskarten zu plotten, entstand schon zu Beginn des Projektes. Doch war zu diesem Zeitpunkt weder die notige Software fur solche Anwendungen ver- fugbar noch lagen uns die entsprechenden Ortskoordinaten vor. Die Situation anderte sich mit dem Entstehen der Magisterarbeit von Carina Brumme4 tiber die spatmittelalterliche Wallfahrtsgeographie, fur welche die Au- torin Verteilungskarten fur eine groBe Zahl von Wallfahrtsorten erstellte. Im Zuge dieser Arbeit zeigte sich, dass sich auf dem Gebiet der G1S- (Geographische In- formationssysteme) Software und Daten einiges getan hatte, womit erstmals die Realisierung unserer Idee denkbar erschien. Wie sich herausstellte, befinden sich von Carina Brumme, in: Sachkultur und religiose Praxis, hg. von Dirk Schumann (Studien zur Geschichte, Kunst und Kultur der Zisterzienser 8), Berlin 2007, S. 406^457. 4 Carina Brumme, Die spatmittelalterliche Wallfahrtsgeographie auf dem Gebiet der heutigen Bundesrepublik Deutschland und den angrenzenden, westrheinischen Gebieten -rdumhche Struk/ur und inhaltliche Entwicklung, dargelegt anhand ihrer Pilgerzeichen. Magisterarbeit, Humboldt-Universitat zu Berlin 2005.
Die Pilgerzeichendatenbank 195 die meisten der von uns benotigten geographischen Ortskoordinaten frei verfug- bar auf dem GEOnet Names Server.5 Diese wurden fur einen gro!3en Teil der Orte im Zuge der erwahnten Magisterarbeit in die Pilgerzeichendatenbank einge- pflegt.6 Auch komplette Kartendaten - also die Grundlage fur die Arbeit mit Kar- tierungsprogrammen - sind inzwischen frei verfugbar. Eine Vielzahl von Initia¬ tives reprasentiert durch das Open Geospatial Consortium7, hat sich die Erstel- lung und Verfugbarmachung von freiem Kartenmaterial zum Ziel gesetzt.8 Wir be- nutzen bisher allerdings die von einem kommerziellen Anbieter - dem Marktfuhrer ESRI - zur freien Verfligung gestellte Weltkarte.9 Diese ist fur un¬ sere Zwecke eine keineswegs optimale Wahl, da es sich um eine politische Karte mit Staatsgrenzen von 1998 handelt. Allerdings deckt sie den gesamten Ein- zugsbereich der in der Datenbank enthaltenen Wallfahrtsorte ab und die aktuelle politische Landkarte erleichtert zumindest die Orientierung. Es wird aber ange- strebt, mittelfristig auf Karten mit Gelandemarkierungen und ohne Staatsgren¬ zen umzusteigen, da dies fur die Erstellung von thematischen Karten zu histori- schen Sachverhalten angemessener erscheint.10 Mindestens genauso wichtig waren allerdings die Neuerungen im Bereich der GIS-Software. Seit 2005 ist mit UMNMapServer ein Freeware-Tool fur webba- siertes Mapping verfugbar. Obgleich der MapServer mit seinen diversen Kom- ponenten das Erstellen komplexer Anwendungen mit diversen Zoom- und Na- vigationsfimktionen erlaubt, haben wir uns auch hier einen eher minimalistischen Ansatz zu eigen gemacht. In der aktuellen Testversion kann man, ausgehend ent- weder von dem Datenblatt eines einzelnen Pilgerzeichens oder eines Wallfahrts- ortes, auf die Mapping-Komponente zugreifen. In einem zweiten Schritt legt man den Zuschnitt des Kartenausschnitts fest. Nach dem Absenden der Anforderung wird man direkt zur generierten Karte weitergeleitet. 5 »http://earth-info.nga.mil/gns/html/« Es finden sich dort die geographischen Daten von vier Millionen Objekten weltweit (auBer USA) verzeichnet, die Daten sind Public Domain. Dabei handelt sich um die Daten der National Imagery and Mapping Agency (NIMA) und des U.S. Board on Geographic Names (US BGN). 6 Obgleich sich die GEOnet-Daten durch ihre klare Tabellenstruktur eigentlich sehr leicht in relationale Datenbanken integrieren lassen, haben wir auf einen direkten Import verzichtet, da die Zuordnung von Ortsnamen zu Koordinaten letztlich doch hatte iiberpruft werden miis- sen Der groBte Teil wurde somit nach einer automatischen Vorselektion durch Carina Brumme von Hand eingepflegt. 7 »http://www.opengeospatial.org/«. « Einen guten Uberblick bietet das Freegis-Portal: »http://freegis.org/«. 9 Erhaltlich auf dem GEO Data Portal der UNEP (United Nations Environment Programme). |° Noch besser ware es natiirlich, Kartenmaterial zu nutzen, wie es beispielsweise das Projekt ViaStoria »http://www.viastoria.ch« fur die Schweiz bereitstellt, das historische StraBenver- laufe digital aufbereitet. Leider ist aber einerseits ein solches Projekt fur Deutschland oder gar europaweit nicht absehbar und auch die Schweizer Daten sind proprietor, so dass dies wohl
196 Christoph Henseler Der Verzicht auf weitere Bedienelemente ist hierbei eine bewusste Design- entscheidung. Einerseits kommt die Ausgabe als einfache JPEG-Datei unseren Nutzem zugute, die sich die Karte ausdrucken oder sie fur eine Publikation ver- wenden mochten. Da es sich hierbei um gemeinfreie Daten handelt, stellt dies kein rechtliches Problem dar. Zum anderen sollen die Verteilungskarten vor allem einen raschen Uberblick fiber die raumliche Verteilung der Fundstiicke vermitteln und sind wegen der geringen Genauigkeit zum Zoom kaum geeignet.11 Mittelfristig soli aus der lokalen Testversion ein frei zugangliches Feature der Pilgerzeichendatenbank werden. Diese neue Komponente hat schon nebenbei einen Erkenntnisgewinn gebracht: Es wurden bei der Erprobung der Kartie- rungsfiinktion einige Fehlzuweisungen erkannt und berichtigt, die auf der Karte durch ganzlich untypische Verteilungen leicht sichtbar waren. Dies ist natiirlich nur eine und zudem recht spezifische Verwendung dieser Funktion, viele andere sind denkbar. Einige der oben genannten Features werden, wenn denn die Uberfiihrung der Mapping-Komponente auf den zentralen Webserver der Humboldt-Universitat vollzogen ist, schon in absehbarer Zeit verftigbar sein. Vieles aber ist zum ge- genwartigen Zeitpunkt12 noch feme Zukunftsmusik, zumal auch nicht gewiss ist, ob und in wie weit die Pilgerzeichendatenbank auch nach der Schlieftung des Lehrstuhls fur Christliche Archaologie, Denkmalkunde und Kulturgeschichte im April 2007 als Trager des Projektes mittelfristig erhalten, gepflegt und weiter- entwickelt werden kann. Zu tun gabe es genug: Nicht nur die Inbetriebnahme der Kartierungskompo- nente und die Verbessemng ihrer Funktionalitat ist geplant. Wichtig ware die Er- ganzung bibliographischer Angaben und der Pilgerzeichendaten, die Integration weiterer Testimonien, vor allem aber eine bessere Aufarbeitung und Standardi- sierung der Ikonographie der Pilgerzeichen zum Zweck leichterer Recherchier- barkeit. auf absehbare Zeit nicht realisierbar sein wird. 11 Anders als in anderen Anwendungen von Geomapping in der Archaologie benutzen wir keine genaucn Ortsdaten der Fundstelle - die auch kaum mehr beschaffi werden konnten - sondem den nachstliegenden Ort als Refcrenzpunkt. Fiir die Frage nach der Verbreitung von Wall- fahrtsdestinationen reicht diese Genauigkeit vollig aus. 12 Bei Redaktionsschluss der vorliegenden Publikation im September 2007.
197 Julia Dilger und Konrad Vanja Von Pilgern und Zeichen-Die Wallfahrtssammlung des Museums Europaischer Kulturen Das Museum Europaischer Kulturen - Staatliche Museen zu Berlin verfugt mit seinen rund 270.000 Objekten zur Alltagskultur und popularen Kunst iiber eine der groflten europaischen volkskundlichen Sammlungen weltweit. Zu dieser be- achtlichen Menge an Objekten zahlen religiose Zeugnisse wie Wallfahrtsanden- ken, Andachtsbilder, Pilgerzeichen, (Schutz-)Amulette, Votive und Schluckbild- chen - Dinge, von denen sich die Trager oder Uberbringer Heilung und Schutz erhofften. Als Objekte der Frommigkeitsgeschichte werden sie seit der Muse- umsgriindung 1889 gesammelt.1 Trotz hoher Verluste im Verlaufe des Zweiten Weltkrieges verfugt das Haus dennoch weiterhin iiber auBergewohnlich gute und bedeutende ,,Altbestande“ im Bereich der Devotionalkultur.1 2 Nach dem Zweiten Weltkrieg konnte durch eine langjahrige Zusammenarbeit mit Gertrud Weinhold3 ihre umfangliche Sammlung „Das Evangelium in den Wohnungen der Volker“ dauerhaft an das Haus gebunden werden, die neben einer groBen Krippensamm- lung Skulpturen zur popularen Frommigkeit aus aller Welt ausweist. Die The- matik Wallfahrt wird nur indirekt beriihrt, insbesondere durch die Sammlungs- bereiche zum Prager Jesulein, zu Tschenstochau oder Marienwallfahrten. Zur Wallfahrtsthematik verfugt das Museum iiber viele Dokumente und Objekte aus verschiedenen europaischen Landem vor allem aus den letzten funfzig Jahren des 1 Vgl. Konrad Vanja, Haussegen und Ilimmelsbriefe als Thema der Alltags- und Sonntags- heiligung und des Schulzes. Beispiele aus der Sammlung des Museums Europaischer Kultu¬ ren, Berlin, Volkskunde in Sachsen 10/11, 2001, S. 37-62. 2 Zur bedeutenden Sammlung der Votive von Marie Andree-Eysn: Konrad Vanja, Das Mu¬ seum Europaischer Kulturen und seine Sammler, in: Das Lob der Sammler, hg. von Peter- Klaus Schuster, Berlin 2007, S. 251-269 (im Druck); vgl. auch den Abschnitt Bilder in den Religionen, in: Erika Karasek u. a., Faszination Bild. Kultur Kontakte Europa (Schriftenreihe Museum Europaischer Kulturen 1), Berlin 1999, S. 291-331. Zu den weiteren religiosen Sammlungen vgl. zuletzt: Julia Dilger - Konrad Vanja, Creches protestantes, in: Rever Noel: Faire la creche en Europe, hg. von Marie-Pascale Malle, Paris 2006, S. 136-143. 3 Gertrud WEINHOLD, Das Evangelium in den Wohnungen der Volker. Komparative volks- kundliche und okonomische Sammlung, in: Lebendiges Gestem. Erwerbungen von 1959 bis 1974 [Festschrift fur Lothar Pretzell], Mit Beitragen von Ingolf Bauer - Edgar Harvolk - Theodor Kohlmann u. a. (Schriften des Museums fur Deutsche Volkskunde 1), Berlin 1975, S. 217-257; vgl. auch: Konrad Vanja, Das Evangelium in den Wohnungen der Volker. Oku- menische und vergleichende Sammlung Gertrud Weinhold, Jahrbuch Preuflischer Kulturbe- sitz 36, 2000, S. 173-182.
198 Julia Dilger und Konrad Vanja 20. Jahrhunderts. Zwei hervorzuhebende Konvolute modemer Pilgerzeichen sind jene aus Lourdes aus den 1990er Jahren und aus Santiago de Compostela von 2006.4 Diese alltaglichen Wallfahrtsandenken werden im Museum Europaischer Kul- turen durch eine umfassende Sammlung von rund 300 bayrischen und osterrei- chischen Votivtafeln aus dem 17. bis 19. Jahrhundert erganzt. Wallfahrtskultur wird hier unter dem Aspekt des Zusammenhanges von Alltagskultur. Frommig- keitsgeschichte und Migration thematisiert und erforscht. Eine groBe Bereiche- rung stellen zudem die Sammlungen der ehemaligen Abteilung Europa des Eth- nologischen Museums dar, die seit 1999 Bestandteil des Museums geworden sind. Durch die Presentation der Wallfahrtsobjekte aus der Sammlung des Muse¬ ums Europaischer Kulturen in der Ausstellung „Das Zeichen am Hut im Mittel- alter. Europaische Reisemarkierungen“ ist es gelungen, die Kontinuitat der The- matik und die Aktualitat der Pilgerzeichen aus dem spaten Mittelalter bis in die heutige Zeit aufzuzeigen. Fur das modeme Pilgem stehen die Souvenirs, die mit den gleich gebliebenen Symbolen immer noch massenweise verkauft werden. Hier wird der touristische Aspekt deutlich: Pilgerzeichen ubemehmen die Funk- tion eines Mitbringsels, eines Reiseandenkens. Pilgerzeichen haben einen Funk- tionswandel erlebt, in sie wird seltener die Hoffnung um Schutz gelegt, sie die- nen vielmehr der Erinnerung und als Beweis dafur, dass der Besitzer eine ent- sprechend weite Reise zuriickgelegt hat und sind damit auch Teil einer heutigen Tourismusforschung. Zu den typischen Pilgerzeichen und -utensilien, die sich bis in unsere Zeit er- halten haben, zahlen nach wie vor Pilgerhut und -stock, Pilgerabzeichen und Pil- gerbrief. Diese signifikanten Dinge, die den gemeinen Wanderer zum Pilger wer¬ den lassen, scheinen notig zu sein, um sich mental der Pilgerreise zu nahem und diese zu meistem. Im Mittelalter bestand das christliche Pilgerkleid des Westens aus einem brau- nen oder grauen Gewand, das nachts als Decke diente. Der breitrandige Pilger¬ hut zum Schutz gegen Sonne und Regen war mit der Jakobsmuschel geziert - daher stammt die heute eher abfallige Redensart, man konne sich dieses oder jenes an den Hut stecken.5 Am Pilgerort angekommen erhalt der Pilger seinen Pilgerbrief. Diese Tradition hat sich bis in unsere Zeit erhalten. Auf seinem Weg kann sich der Pilger die Sta- tionen bzw. Herbergen stempeln lassen, an denen er rastet. Gleichzeitig dient der Brief als Beweis der zuriickgelegten Strecke, anhand der Wegeslange konnen zu- gleich die auf sich genommenen Strapazen belegt werden. 4 Fur letzteres sei insbesondere Hartmut Kiihne gedankt. s Norbert Oiilizr, Pilgerstab und Jakobsmuschel. Wallfahren in Mittelalter und Neuzeit. Diis- seldorf- Zurich 2000. Das einzig vollstandig erhaltene Pilgerkleid aus Mittelalter und Fruhneuzeit ist das Gewand
Wallfahrtssammlung des Museums Europaischer Kulturen 199 Pilgern Im beginnenden 21. Jahrhundert verfugen Wallfahrtsziele wie Lourdes, Santiago de Compostela oder Jerusalem immer noch iiber eine groBe Anziehungskraft. Fast 100.000 Menschen pilgerten 2006 beispielsweise nach Santiago in Nordspanien. Die gestiegene Zahl an Femwallfahrem lassen zu, dieses Phanomen als einen Pil- gertourismus zu bezeichnen. Ein weiteres Kennzeichen dafur ist die beeindruk- kende Menge an Ratgeberliteratur und Intemetforen, die sich mit Vorbereitung und Reflexion von Pilgerfahrten beschafitigen. Den altesten deutschen Pilgerfiih- rer nach Santiago de Compostela schrieb 1495 Hermann Kiinig von Vach: „Ich, Hermann Kiinig von Vach, will mit Gottes Hilfe ein kleincs Biichlein machen, das ,Sankt Jakobs StraBe’ heiBen soil. Darin will ich Wege und Stege beschreiben, und wie sich jeder Jakobusbruder mit Trinken und Essen versorgen soll.“* 6 2006 ver- offentlichte der deutsche Komiker Hape Kerkeling seine Erlebnisse einer Pilger- reise.7 „Ich bin dann mal weg - meine Reise auf dem Jakobsweg44 war wochen- lang auf Platz 1 der Bestsellerliste des Magazins „Der Spiegel44. Diese Publika- tion wird heute selbstverstandlich fur die Dokumentation in die Sammlung des Museums aufgenommen. Um den Ansturm der Wallfahrer zu bewaltigen, entsteht in den Pilgerorten eine entsprechende Infrastruktur mit Wanderwegen, Ausflugslokalen und Devotiona¬ lienladen. In Lourdes sind letztere besonders stark vertreten. Uber den speziellen Pilgerbedarf hinaus werden zudem Souvenirs wie Lederwaren, Parfiim, Schmuck und Bucher angeboten.8 In der Ausstellung „Das Zeichen am Hut im Mittelalter“ zeigte das Museum Europaischer Kulturen Souvenirs aus Lourdes, die im Be- reich zwischen Andenken, Devotionalie und profanem „Kitsch44 anzusiedeln sind. Dies weist darauf hin, wie sich die Motive heutiger Wallfahrer gewandelt haben. Jerusalem Jerusalem im heutigen Israel zahlt zu den bedeutendsten christlichen Wallfahrts- orten. Aus Jerusalem ist im Museum Europaischer Kulturen cin Pilgerbricf des Karl Goll erhalten. Karl Goll aus Friedland in Schlesien wird darin bescheinigt, er habe sich vom 15. Dezember 1916 bis zum 3. Januar 1917 im Katholischen Deutschen Hospiz in Jerusalem aufgehalten. Dort habe er „die heiligen Orte, das des Numbergers Stephan Praun, heute im Germanischen Nationalmuseum in Niimberg. 6 pie strafi zu Sankt Jakob. Der diteste deutsche Pilgerfuhrer nach Compostela, hg. von Klaus Herbers - Robert Plotz, Ostfildem 2004. 7 Hape Kerkeling, Ich bin dann mal weg - meine Reise auf dem Jakobsweg, Miinchen 2006. 8 Manfred Buttner et al., Grundfragen der Religionsgeographie. Mit Fallstudien zum Pilger- tourismus, Berlin 1985.
200 Julia Dilger und Konrad Vanja Ziel seiner Sehnsucht, besucht, um anbetend an jenen Statten zu weilen, an denen der gottliche Heiland unsere Erlosung wirken wollte“9 Zu den typischen Andenken einer Pilgerreise nach Jerusalem zahlt das Jeru- salemkreuz. Es wird als Christus und die vier Evangelisten oder als die funf Wun- den Christi gedeutet. Heute ist es immer noch ein beliebtes Symbol auf Souve- niren der Stadt Jerusalem, es findet sich zum Beispiel auf Schlusselanhangem und ahnlichen Dingen des alltaglichen Bedarfs wieder. Die ersten Pilger-Anden- ken aus Jerusalem waren kleine Bestandteile heiliger Statten oder Gegenstande: heiliges Wasser aus dem Jordan, heiliger Sand, Blutenstaub, getrocknete Blumen oder Kreuze und Ikonen, die an einem heiligen Ort geweiht waren. Lourdes Lourdes ist einer der weltweit am haufigsten besuchten katholischen Wallfahrts- orte (Abb. 1). Im Schnitt kommen jahrlich rund sechs Millionen Pilger aus uber einhundert verschiedenen Staaten in den Wallfahrtsort am Fufle der Pyrenaen. 2008, dem 150. Jahrestag der Marienerscheinung, werden sogar noch mehr Pil¬ ger erwartet. Ein typisches Souvenir aus Lourdes ist ein Flaschchen Heilwasser. Wasser, das an einem sakralen Ort aus einer Quelle entspringt, wird eine beson- dere Wirkung zugesprochen. Christliche Wallfahrer trinken das Wasser, benetzen ihre Augen und fullen es in mitgebrachte oder am Ort gekaufte GefaBe ab und bringen es mit nach Hause. Das international bekannteste Heilwasser ist jenes aus der Grotte von Massabielle bei Lourdes, wo Bernadette Soubirous 1858 ihre erste Marienerscheinung erlebte. Das heilkraftige Lourdeswasser wird jahrlich in groflen Mengen in alle Welt versandt. Medaillen sind klassische Wallfahrtsandenken. Auch aus Lourdes gibt es eine Fiille von Medaillen, die als Erinnerung an die Wallfahrt mitgebracht werden. Vielfach werden die um den Hals getragenen Medaillen wie Amulette zur Ab- wehr des Bosen verstanden. Zu diesem Zweck werden sie auch von den heimge- kehrtcn Pilgem im Haus oder im Stall aufgehangt oder auf dem Feld vergraben. Santiago de Compostela Vom 11. Jahrhundert an wurde Santiago zu einem der bekanntesten Wallfahrts- zentren des Abendlandes, durch ganz Europa fuhrten feste Wallfahrtswege dort- hin. Bis ins 15. Jahrhundert zog der Ort mehr Pilger an als Rom oder Jerusalem. Die Pilger auf dem ,,Camino“, dem Jakobsweg, erhielten am Ziel damals eine 9 Museum Europaischer Kulturen, Inv. Nr. 51 В 42.
Wallfahrtssammlung des Museums Europaischer Kulturen 201 Muschel, mit der sie dann ihren Pilgerhut zierten.10 11 Diese Tradition ist bis heute erhalten geblieben. Wallfahrt ist als touristisches Erlebnis wieder modem ge- worden. Wer heute wenigstens 100 Kilometer zu FuB Oder 200 Kilometer mit dem Fahrrad hinter sich gebracht hat, erhalt im Pilgerbiiro die ersehnte Urkunde, quasi als Beweis der erbrachten (Geh-)Leistung. 1993 erklarte die UNESCO den spanischen Hauptweg sogar zum Weltkulturerbe. Damit erhielt nicht nur ein Ort, sondem ein ganzer Weg diese hohe kulturelle Auszeichnung.11 100.000 der jahrlich 10 Millionen Touristen kommen als Pilger nach Santiago de Compostela. Im „Heiligen Jahr“ 2004 - der 25. Juli, der Festtag des Apostels Jakobus, fiel auf einen Sonntag - pilgerten fast 180.000 Menschen in die nord- spanische Stadt. Signifikante Symbole des Jakobusweges werden in riesigen Mengen an die Pilgertouristen verkauft. Vor allem die Jakobs-Muschel fmdet sich in den verschiedensten GroBen und Ausformungen als Anstecker, Anhanger, ein- facher Schmuck, als Feuerzeug und Flaschenoffner wieder. Hinter den Pilgerzei- chen verbirgt sich eine ganze Tourismusindustrie: Pilgerandenken als Massen- produkt, billig und einfach zu produzieren. Dazu zahlen des Weiteren zahlreiche Figuren des hi. Jakobus, beispielsweise in einer Schneekugel thronend, kleine Klappaltarchen oder eine Miniaturausgabe des Botafumeiro - des 1,6 Meter hohen Weihrauchfasses, das in der Kathedrale von Santiago de Compostela an einem etwa 30 Meter langen Seil von der Decke hangt. Votivtafeln Die sicher bekanntesten Ausstattungen von Wallfahrtskirchen sind bis heute die Vo¬ tivtafeln (Abb. 2). Man nimmt sie nicht von einer Pilgerfahrt mit, man bringt sie am Wallfahrtsziel, in Wallfahrtskapellen mit wundertatigen Gnadenbildem sichtbar an. Sie sind kein Mitbringsel, keine Erinnerung, sie sind Gaben. Votiv leitet sich von dem lateinischen Wort fur Geliibde ab: votum. Der Votant ,,verlobt“ oder verspricht sich aufgrund eines individuellen Bediirfhisses einem Heiligen oder der Mutter- gottes. Mit dem Votiv, das der Votant darbringt, lost er das im Geliibde gegebene Versprechen fur alle Welt sichtbar ein. Mit dem Anbringen dankt er fur seine Er- rettung, beispielsweise aus einer schweren Krankheit oder bittet um Schutz fur sich oder andere. Die aufgestellten Votive erfullen noch eine weitere Funktion: Fiir an- dere Glaubige sind sie sichtbarer Beweis fur die Wundertatigkeit der Heiligen. Die ersten volkstiimlichen Votivtafeln treten am Ende des 15. Jahrhunderts in Italien auf. In den folgenden zwei Jahrhunderten erfahrt dieser Brauch eine mas- senhafte Ausweitung im katholischen Mitteleuropa. Votivbilder sind nach einem 10 Siehe in vorliegendem Band den Beitrag von Robert Pi.Otz, Signum peregrinationis - Hei- lige Erinnerung und spiritueller Schutz. 11 Klaus HERBERS, Jakobsweg. Geschichte und Kultur einer Pilgerfahrt, Miinchen 2006.
202 Julia Dilger und Konrad Vanja Abb. 1: „St. Maria von Lourdes, P. Marya de Lourdes“, Chromolitographie auf gedrucktem Ralimen, Neurodcr Kunstanstalten, Neurode, Schlesien, um 1890, Museum Europaischer Kulturen, Inv. Nr. 33 S 2232. Foto: Ute Franz-Scarciglia
Wallfahrtssammlung des Museums Europaischer Kulturen 203 Abb 2* S. Jacob", Andachtsbild, wohl Siiddeutschland, um 1810, Deckfarbe mit Feder, Museum Europaischer Kulturen, Inv. Nr. 33 В 153. Foto: Ute Franz-Scarciglia
204 Julia Dilger und Konrad Vanja typisierten Bildaufbau gestaltet: Oben im Bild erscheint auf einem Wolkenband die angerufene himmlische Person, darunter kniet der Votant. Die sehr realistisch dar- gestellte Umgebung erzahlt das Geschehen, das zur Votation fuhrte. So werden also ein Unfall, ein Kriegsschauplatz Oder ein Krankenzimmer dargestellt. Im un- teren Bildteil wird der Votationsanlass noch einmal in Worte gefasst. Mit der Dar- bringung eines Votives wird die Bitte um Genesung oder der Dank fur eine Hei- lung verbildlicht. Daher findet sich auf den Tafeln meist eine Szene, in der die Rettung vor einem Ungluck dargestellt wird oder der Votant ist nebst seinen Tie- ren, fur deren Schutz und Erhalt er bittet, gemalt. Zur Darstellung gehoren wei- terhin ein Heiliger oder die Muttergottes, deren Schutz sich der Votant anheim- gibt. Der abgebildete Heilige fungiert als Mittler der Anrufung. Fiir bestimmte An- liegen wurden spezielle Heilige als Flirbitter in Anspruch genommen, zum Beispiel der hi. Leonhard als Schutzheiliger fur Pferde und Rinder. In der Regel handelte es sich um Auftragsarbeiten, die von nebenberuflichen ,,Taferlmalem“ ausgefuhrt wurden, ihre Namen sind fast immer unbekannt. Meist waren es am Wallfahrtsort ansassige Maler. Votivtafeln wurden iiberwiegend mit Olfarbe auf Holztafeln ge- malt. Eine weitere gebrauchliche Technik ist die Hinterglasmalerei, dabei wird das Bild auf der Riickseite gemalt, die Buchstaben miissen also spiegelverkehrt ge- schrieben werden. Hinterglasbilder wurden in groBer Menge - vielfach seriell ge- fertigt - aus den Herstellungszentren an die Wallfahrtsorte zum Verkauf geliefert.12 Im Zuge der Kirchenreform wurden Anfang des 19. Jahrhunderts viele Votiv¬ tafeln aus den Wallfahrtsstatten entfemt. Dennoch sind Votivbrauche noch nicht ganz verschwunden: In den katholischen Gnadenorten lassen sich noch immer Votive in begrenzter Zahl vorfmden. Heute sind es zumeist handgeschriebene Zettel oder Fotos der Votanten, es gibt aber auch schlichte Tafeln mit der unper- sonlichen Aufschrift ,,Dank“ oder wie in Frankreich ,,Merci“. Neben den Votivtafeln kennen wir noch plastische Votive aus Wachs, Metall oder Holz. Ton als Material zur Votivanfertigung wurde bereits in der Antike fur Dankop- fer verwandt. Seit dem 17. Jahrhundert wurden Tier- und Menschenvotive vor allem aus Eisen gearbeitet. Holzvotive symbolisierten meist den Wunsch nach Heilung der inneren Organe wie Lunge oder Herz. Einzelne Korperteile, wie Arme, Beine oder Hande, wurden vor allem aus Wachs hergestellt. In Slid- und Siidosteuropa sind in Silberblech gepresste Metallvotive noch alltaglich im Handel der kleinen Stadte und Dorfer zu erhalten. Figuren von Madchen und Jungen, Herzen und Augen sowie Sol- daten deuten den cngen Bezug der Votive fur die sie nutzenden Menschen an.13 12 Edgar Harvolk, Votivtafeln aus Bayern und Osterreich (Bilderhefte der Staatlichen Museen Preuflischer Kulturbesitz 32), Berlin 1977; Ders., Votivtafeln: Bildzeugnisse von Hilfsbe- diirftigkeit und Gottvertrauen, Miinchen 1979; Klaus Beitl, Die Votivbilder der Montafonei Gnadenstdtten, iiberarbeitete Neuauflage, Bludenz 2002. 13 Vgl. neben Karasek u. a. (wie Anm. 2) zuletzt auch Objekte aus der Sammlung des Museums Eu-
Wallfahrtssammlung des Museums Europdischer Kulturen 205 Andachtsbilder Eine der besten und schnellsten Moglichkeiten, sich iiber Wallfahrten und insbe- sondere Wallfahrtsorte zu infomiieren sind neben Postkarten, Fotos oder Kunst- fuhrem die sogenannten Andachtsbilder: Sie enthalten meist eine Darstellung des Wallfahrtsortes, der Wallfahrtskirche oder des Gnadenbildes, zu dem die Wallfahrt fuhrt und dessen Nahe und , Anriihrung44 Schutz, Segen und Heilung im Sinne der Wallfahrtslegende verspricht. Als „Kleine Andachtsbilder44 - im Gegensatz zu den groflformatigen Tafelbildem der Kirchen, etwa der Volto-Santo-Darstellungen - sind es meist kleinformatige Pergamentbilder, Papierschnitte, Stanzbilder oder ko- lorierte Drucke, die als Einlegezettel im Gebetbuch, im Kalender oder heute im Portemonnaie den Glaubigen begleiten. In der Tradition mittelalterlicher Mystik sind Andachtsbilder damit Anschauungshilfen zur innigen Versenkung und zur Ge- betsbegleitung und bis zum heutigen Tage weit verbreitet.14 Als „Erinnerung44 oder Souvenir44 gehoren sie auch zu den Wallfahrtsandenken: „Dieses heilige Andenken hier/Bring ich von der Wallfahrt Dir44, wie es auf einem Andachtsbildchen des Ver- lages Sig. Rudl, Prag, von ,,S. Maria von Einsiedeln44 um 1860 heiBt.15 Das Anlie- gen des Wallfahrers kann auch genauer benannt sein, wie es aus einer handschrift- lichen Eintragung fur Hella v. d. H. hervorgeht, die auf der Lourdes-Wallfahrt 1999 das „Sakrament der Krankensalbung“ empfangen hat.16 In ihrer fast unendlichen Fulle - die europaischen Sammlungen in offentlichen wie privatem Besitz uber- schreiten in der Regel oft die Zahl von 10.000 Einzelobjekten17 - sind Andachts¬ bilder ein kulturgeschichtlich bedeutsames Spiegelbild der Wallfahrtstraditionen und ein gleichgewichtiges Pendant zu den iibrigen Wallfahrtszeichen (Abb. 2). Graphische Sammlung Neben dem Kleinen Andachtsbild als Objekt wie als Dokument der Frommigkeit kann auch die iibrige religiose Grafik in dieser Doppelfunktion gesehen werden. Die umfangreichen Sammlungen im Museum Europaischer Kulturen nehmen viele ropaischer Kulturen in: Schmerz: Kunst + Wissenschaft, hg. von Eugen Blume - Annemarie Hiir- limann - Thomas Schnalke - Daniel Tyradellis, Berlin 2007. 14 Immer noch grundlegend: Adolf Spamer, Das kleine Andachtsbild vom XIV. bis zum XX. Jahr- hundert, Miinchen 1930; vgl. allgemein: Wolfgang Bruckner, Andachtsbilder, in: Christa Pieske, Das ABC des Luxuspapiers. Herstellung, Vcrarbeitung und Gebrauch 1860 bis 1930. Unter Mit- arbeit von Konrad Vanja u. a. (Schriften des Museums fur Deutsche Volkskunde 9), Berlin 1983, S. 79-81. Zur Bibliographic: Wolfgang Bruckner, Kunst und Konsum. Massenbilderforschung (Veroffentlichungen zur Volkskunde und Kulturgeschichte 6) Wurzburg 2000. is Kolorierte Federlithographie, Museum Europaischer Kulturen, Inv. Nr. 33 В 2334. 16 Sammlung ,,v. d. H.“ im Museum Europaischer Kulturen. 17 Zu den offentlichen Sammlungen vgl. Bruckner (wie Anm. 14), S. 80f.; hinzuzufugen ware etwa die
206 Julia Dilger und Konrad Vanja Themen sowohl der Wallfahrtsdarstellungen als auch der verehrten Heiligen auf. Der Bilderbogen als einseitig bedruckte Grafik auf meist diinnem Papier, der iiber Bilderhandler oder den Papierwarenhandel vertrieben wurde, nimmt dabei eine bedeutende Stellung ein. Erdmute Nieke hat in ihrer Dissertation von 2007 am Beispiel der Neuruppiner Bilderbogen zwischen 1835 und 1918 auf ca. 2.000 re¬ ligiose Blatter verweisen konnen, von denen alleine etwa 70 Blatter die Heilig- Rock-Wallfahrten, Kevelaer oder Einsiedeln zum Thema haben.18 Die ebenfalls iiber den Wanderhandel, aber auch iiber die Kunsthandlungen vertriebenen und auf Karton cachierten kolorierten oder chromolithographierten Wandbilddrucke, die im 19. und beginnenden 20. Jahrhundert fur Kapellen, Kirchen oder Stuben be- stimmt waren, nahmen das Thema der Wallfahrten und der Wallfahrtsheiligen glei- chermaBen auf. In den Sammlungen sind insbesondere die chromolithographier¬ ten Blatter zu Lourdes reich vertreten, die in Deutschland von May in Frankfurt am Main - iibemommen von den Kunstanstalten May AG (KAMAG) in Dresden, spater Fiirth und AschafFenburg - in alien GroBen und Varianten seit dem Ende des 19. Jahrhunderts produziert wurden und teilweise bis heute im Vertrieb sind.19 Schluss Frommigkeitsgeschichte als Teil der Alltagkultur zeigt in den zahlreichen Ob- jekten rund um das Thema Wallfahrt eine groBe Vielfalt.20 Bedeutsam ist, dass die Sachzeugen im Laufe der Geschichte zwar ihre Formen wandeln und veran- dem, dass aber der innere Bezug des Menschen zu ihnen bis zum heutigen Tag nicht vcrloren geht. Das Wiederaufleben des Wallfahrens in den vergangen Jah- ren mag zu neuen Formen Anlass geben, die damit verbundene Religiositat oder, profaner ausgedriickt, die damit verbundene Gemiithaftigkeit ist allemal auch weiterhin ein Thema, dem sich alltags- und kulturgeschichtliche Museen in ihren Sammlungen dokumentierend und explorierend annehmen werden und miissen - und dies auch iiber die Grenzen christlicher Traditionen hinaus. Bibliotheque du Saulchoir in Paris oder die Privatsammlung Elisabetta Gulli Grigioni in Ravenna. lH Erdmute Nieke, "Ruht Segen auf dem Bilderkauf'. Religiose Bilderbogen aus Neuruppin. Eine Untersuchungzur Frommigkeit im 19. Jahrhundert, Diss. theol. Humboldt-Universitat zu Berlin 2007 (noch ungedruckt), hier S. 317-326; vgl. allgemein: Theodor Kohlmann, Neuruppiner Bilderbogen (Schriften des Museums fur Deutsche Volkskunde 7), Berlin 1981. 19 Zur Thematik der Populargraphik allgemein: Christa Pieske, Bilder fur jedermann. Wand¬ bilddrucke 1840-1940. Mit einem Beitrag von Konrad Vanja (Schriften des Museums fur Deutsche Volkskunde 15), Berlin 1988. 20 Immer noch grundlegend: Lenz Kriss-Rettenbeck, Bilder und Zeichen religiosen Volks- glaubens, 2. Auflage, Miinchen 1971; Albrecht A. Grjbl, Volksfrommigkeit. Begrijf, Ansatze, Gegenstand, in: Wege der Volkskunde in Bayern. Ein Handbuch, hg. von Edgar Harvolk, Miinchen - Wurzburg 1987, S. 293-333.
207 Lothar Lambacher Zur Geschichte der Pilgerzeichensammlung des Berliner Kunstgewerbemuseums Mittelalterliche Pilgerzeichen und artverwandte Gusswerke aus WeiBmetall zah- len nicht zu den traditionellen Sammelgebieten des 1867 als „Deutsches Gewer- bemuseum“ gegriindeten Berliner Kunstgewerbemuseums1. Sein Griindungsauf- trag als Institut zur Forderung des Kunsthandwerks und der anspruchsvollen In- dustrieproduktion wies dem Museum die Funktion einer kunsthandwerklichen Mustersammlung zu, fur die es gait, „das Vorziiglichste herbeizuschaffen, was zu irgend welchen Zeiten, in irgend welchen Landem auf diesem Gebiete hervorge- bracht worden ist.“2 Damit war die Sammeltatigkeit des jungen Kunstgewerbe¬ museums in eine ganzlich andere Richtung gelenkt, als auf das alteste massenhaft reproduzierte Bildmedium der europaischen Kunstgeschichte, die soeben durch umfangreiche Funde aus der Seine in Paris sowie deren Erwerbung fur das Musee de Cluny und ihre Publikationen durch Arthur Forgeais3 als Gattung wieder ent- deckten Pilgerzeichen aus billigen Blei-Zinn-Legierungen. Selbst im Zuge der Ubemahme von mehr als 6.500 Werken aus der aufgelosten Koniglichen Kunst- kammer4 gelangten 1875 gerade einmal 44 „Amulette, Rosenkraenze, Wall- fahrtszeichen und andere christliche Cultgegenstande“5 in den Bestand des Ber¬ liner Kunstgewerbemuseums. Auch darunter befanden sich bezeichnender Weise keine mittelalterlichen Gusse aus unedlen Metallen, sondem es handelte sich bei 1 Zur Geschichte des Berliner Kunstgewerbemuseums u. a.: Julius Lessing, Das Kunstge- werbe-Museum zu Berlin. Festschrift zur Eroffnung des Museumsgebaudes, Berlin 1881; Barbara Mundt, Die deutschen Kunstgewerbemuseen im 19. Jahrhundert, Miinchen 1974, S. 4q_43 und passim; Gunter Schade, Das Berliner Kunstgewerbemuseum in Vergangenheit und Gegenwart, in: Kunstgewerbemuseum Berlin. Geschichte - Wiederaufbau - Neuerwer- bungen, Berlin 1983, S. 7-34; Daten zur Geschichte des Berliner Kunstgewerbemuseums, in: Burkhardt GOres et al., Kunstgewerbemuseum Berlin, Fiihrer durch die Sammlungen, Ber¬ lin 1988, S. 172-182; Barbara Mundt, 125 Jahre Kunstgewerbemuseum. Konzepte, Bauten und Menschen fur eine Sammlung (1867-1939), Jahrbuch der Berliner Museen 34, 1992, S. 173-184. 2 Lessing (wie Anm. 1), S. 33. 3 Arthur FORGEAIS, Collection des plombs histories trouves dans la Seine, 5 Bde, Paris 1861- 1865. 4 Franz Adrian DREIER, Zwei historische Wurzeln des Berliner Kunstgewerbemuseums. Ein Beitrag zur Geschichte seiner Sammlungen, Jahrbuch PreuBischer Kulturbesitz, Sonderband 1, Berlin 1983, S. 179-207, hier S. 180-190. 5 inv. Nr. K4106 bis К 4149.
208 Lothar Lambacher diesen ehemaligen Kunstkammerbestanden ganz tiberwiegend um silbeme Wall- fahrtsdevotionalien aus dem 17. und 18. Jahrhundert. 1881, beim Einzug des Kunstgewerbemuseums in den ersten eigens fur seine Sammlungen und die an- gegliederte Kunstgewerbeschule nach Planen von Martin Gropius (1824-1880) errichteten Museumsneubau an der Prinz-Albrecht-StraBe, befand sich nach Aus- weis der Erwerbungsinventare kein einziges Pilgerzeichen aus Weifimetall in sei- nem Bestand. An diesem Zustand hatte sich auch vier Jahrzehnte spater noch immer nichts geandert, als das Museum im September 1921 im Berliner Schloss ein neues Domizil gefunden hatte, wo es seither unter dem Namen „Schlofimu- seum“ firmierte. Pilgerzeichen in den Sammlungen der Berliner Museen Noch bevor die Untersuchungen von Frederik Uldall6 und Paul Liebeskind7 liber die Verwendung von Pilgerzeichen als Glockenzier zu Beginn des 20. Jahrhun- derts einen neuen Aufschwung in der Pilgerzeichenforschung8 brachten, hatte auch an den Koniglichen Museen zu Berlin der Aufbau einer musealen Kollek- tion von Pilgerzeichen begonnen, freilich zunachst nicht am Kunstgewerbemu- seum, sondem an der fruhchristlich-byzantinischen Sammlung der Abteilung der Bildwerke der christlichen Epochen.9 Hier wurden zwischen 1886 und 1914 ins- gesamt 27 italienische Exemplare erworben, teils als Ankaufe aus dem Kunst- handel, teils als Schenkungen, von denen vor allem zwei aus romischem Besitz in den Jahren 1892 und 1910 erwahnenswert sind. Leider sind alle diese Pilger¬ zeichen des heutigen Museums fur Byzantinische Kunst seit 1945 verschollen. In 6 Frederik Uldall, Danmarks middelalderlige Kirkeklokker, Kopenhagen 1906. 7 Paul Liebeskind, Pilger- oder Wallfahrtszeichen auf Glocken, Die Denkmalpflege 6, 1904, S. 53-55, 7, 1905, S. 117-120 und S. 125-128, 9,1907, S. 56; Paul Liebeskind, Dasdltere Wilsnacker Pilgerzeichen, Die Denkmalpflege 9, 1907, S. 131. 8 Zur Forschungsgeschichte der Gattung allgemein: Jorg Poettgen, Europdische Pilgerzei¬ chenforschung. Die Zentrale Pilgerzeichenkarlei (PZK) Kurt Fosters (f 1986) in Nurnberg und der Forschungsstand nach 1986, Jahrbuch fur Glockenkunde 7/8, 1995/96, S. 195-206; Andreas Haasis-Berner, Pilgerzeichenforschung. Forschungsstand und Perspektiven, in: Spatmittelalterliche Wallfahrt im mitteldeutschen Raum. Beitrage einer interdisziplinaren Ar- beitstagung (Eisleben 778. Juni 2002), hg. v. Hartmut Kiihne — Wolfgang Radtke- Gerlinde Strohmaier-Wiederanders, Berlin 2002, S. 63-85. Zur jiingeren Forschung siehe den Beitrag von Hartmul Kuhne, Die Pilgerzeichenforschung in Deutschland seit dem Tod von Kurt Kd- ster 1986, in vorliegendem Band. 4 Oskar Wulit, Altchristliche und mittelalterliche byzantinische und italienische Bildwerke, Tail 2, Mittelalterliche Bildwerke (Beschreibung der Bildwerke der christlichen Epochen / Konigliche Museen zu Berlin, Bd. 3,2), Berlin 1911, S. 72-77; Oskar Wulff und Wolfgang Fritz Volbach, Die altchristlichen und mittelalterlichen byzantinischen und italienischen Bildwerke (Beschreibung der Bildwerke der christlichen Epochen / Konigliche Museen zu
Geschichte der Pilgerzeichensammlung des Kunstgewerbemuseums 209 den Katalogteil des vorliegenden Bandes sind sie jedoch mit aufgenommen wor- den10 11, urn der Forschung erstmals einen vollstandigen Uberblick liber den Ge- samtbestand an abendlandischen Pilgerzeichen in den Staatlichen Museen zu Ber¬ lin und seinen heutigen Verbleib zu bieten.11 Am Ende des 19. und im ersten Drittel des 20. Jahrhunderts gelangten um- fangreichere Bestande an Pilgerzeichen auch in den Besitz anderer deutscher Mu¬ seen, so zwischen 1880 und 1887 durch Wilhelm von Heyl zu Hermsheim (1843— 1923) in das Museum der Stadt Worms12, 1919/20 mit der Stiftung von Wilhelm Clemens (1847-1934) in das Kunstgewerbemuseum der Stadt Koln13 und bis Ende der zwanziger Jahre etwa 70 Exemplare aus Weserfunden in das Bremer Focke-Museum14. Am Berliner Kunstgewerbemuseum bezeichnete der Wechsel im Amt des Di- rektors von Julius Lessing (1843-1908) zu Otto von Falke (1862-1942) im Jahre 1907 eine Schwerpunktverlagerung im Selbstverstandnis des Museums, die sich auch auf die Sammelpolitik des Hauses auswirkte. Die meisten Werke auBereu- ropaischer Kulturen waren ausgegliedert worden und bildeten fortan den Nukleus eigenstandiger Spezialsammlungen islamischer und ostasiatischer Kunst. Die Er- werbung zeitgenossischen Kunsthandwerks wurde ebenso eingestellt wie die An- schafifung galvanoplastischer Kopien und anderer Nachbildungen fur die Zwecke Berlin, Erganzungsband), Berlin 1923, S. 80f.; Wolfgang Fritz Volbach, Mittelalterliche Bildwerke aus Italien und Byzanz (Bildwerke des Kaiscr-Friedrich-Museums / Staatliche Museen zu Berlin), Berlin - Leipzig 19302, S. 135-147. 10 jn vorliegendem Band Kat. Nr. 247-273. Fur das Einverstandnis zur Publikation der Werke aus dem Museum fur Byzantinische Kunst im Rahmen des vorliegenden Bandes danken die Herausgeber Herm Direktor Prof. Dr. Arne Efifenberger und fur wertvolle Hilfeleistungen Frau Dr. Gabriele Mietke und Herm Michael Kliihs. 11 Selbst in der Fachliteratur kam es nach 1945 immer wicdcr zu Unsicherheiten iiber den Ver¬ bleib und die fur AuBenstehende schwer durchschaubare verwaltungstechnische Zuordnung zu den verschiedenen Sammlungen der zudem bis 1991 zweigeteilten Staatlichen Museen zu Berlin. 12 Mathilde Grunewald, Pilgerzeichen, Rosenkranze, Wallfahrtsmedaillen. Die Beigaben aus Grdbern des 17. bis 19. Jahrhunderts aus dem Pfarrfriedhof bei St. Paul in Worms. Die Sammlung gotischer Pilgerzeichen im Museum der Stadt Worms (Der Wormsgau, Beiheft 36) Worms 2001; Zur Erwerbungszeit vgl. den Beitrag von Hartmut Kuhne (wie Anm. 8), in vorliegendem Band. 13 Elisabeth Moses, Der Schmuck der Sammlung W. Clemens, Kunstgewerbe-Museum der Stadt Koln Koln o. J. [1925]; Hanns-Ulrich Haf.decke, Zinn. Kunstgewerbemuseum der Stadt Koln у Koln 1968. 14 Emst GROHNE, Bremische Boden und Baggerfundet Jahresschrift des Focke-Museums Bre¬ men 1929, Bremen 1929, S. 44-102, hier S. 93-100; Jurgen Wittstock, Pilgerzeichen und andere Wallfahrtsdevotionalien in Norddeutschland, in: Aus dem Alltag dermittelalterlichen Stadt Bremen 1982, S. 193-200; Ders., Pilgerzeichen in Lubeck-Alte und neue Funde, in: Liibecker Schriften zur Archaologie und Kunstgeschichte 8, 1984, S. 15-21; Ders., Der Bre- mer Pilgerzeichen-Fundy in: Der Jakobskult in ,,Kunst“ und ,,Literatur“ (Jakobus-Studien 9),
210 Lothar Lambacher einer praxisorientierten Vorbildersammlung. Dagegen wurde, den wissenschaft- lichen Neigungen Otto von Falkes entsprechend, insbesondere der Ausbau der Mittelaltersammlung vorangetrieben. Als Erich Meyer15 (1897-1967; Abb. 1) im Februar 1928, einen Monat nach dem Amtsantritt des neuen Direktors Robert Schmidt (1878-1952), die Leitung der Mittelaltersammlung des SchloBmuseums ubemahm, war diese zu einer der bedeutendsten ihrer Art weltweit angewachsen. Noch immer enthielt sie aber keine Pilgerzeichen, ein Umstand der angesichts der Erwerbungstatigkeit anderer Museen auf diesem Gebiet von Meyer ofFenbar als dringend zu behebendes Desiderat empfimden wurde. Durch den Erwerb von WeiBmetallgiissen aus der Sammlung von Albert Figdor (1843-1927) in Wien und von Lambert Jagenau in Den Haag brachte Meyer innerhalb weniger Jahre auch im Berliner SchloBmuseum einen beachtlichen Bestand zusammen. Im Pil- gerzeichenarchiv von Kurt Koster16 (1912-1986) findet sich ein drei Seiten um- fassendes, unvollendet gebliebenes Manuskript von Erich Meyer, in dem einlei- tend die Situation der Berliner Sammlungsbestande an mittelalterlichen Pilger¬ zeichen am Ende des Zweiten Weltkrieges beschrieben wird: „Durch Ankaufe aus der Sammlung Figdor und aus dem hollandischen Kunst- handel hat das Museum in den letzten Jahren etwa 300 Bleizierate und -gerate erworben. AuBer einigen Schmuckstiicken, Spielsachen und Votivgaben sind es in der Hauptsache Pilgerzeichen, wie sie von den Wallfahrem an Hut oder Kleid getragen und sehr geschatzt waren, weil sie ihrem Trager bezeugten, dass er die Wallfahrt wirklich durchgefuhrt hatte. Auch eine heilbringende Wirkung mag man ihnen beigemessen haben. Trotzdem scheint kaum ein einziges Stuck be- wusst aufbewahrt und bis in die Gegenwart hinein gehiitet worden zu sein. Was erhalten ist, stammt aus Bodenfunden. In unserem Lande sind diese freilich bis heute so sparlich geblieben, dass man kaum etwas von den deutschen Pilgerzei¬ chen wiisste, hatten die GlockengieBer sie nicht so eifrig zum Schmuck ihrer Werke verwendet. Besser steht es um die italienischen Abzeichen aus den groBen Wallfahrtszentren Rom und Loretto. Von ihnen besitzt die fruhchristlich-byzan- tinische Abteilung der Museen eine Anzahl. In groBen Mengen sind uns dabei al- lein die franzosischen erhalten. Franzosisch sind - wenn ich recht sehe - die von unserem Museum erworbenen Abzeichen, durch die nun auch die franzosischen Pilgerzeichen in den Berliner Museen recht gut vertreten sind. [...] Aus [...] Sei- nefunden scheinen [...] die Pilgerzeichen der Sammlung Figdor herzuriihren, wahrend die bei einem Haager Handler erworbenen Stiicke nach den Angaben des Verkaufers aus der Schelde stammen sollen.“17 hg. von Klaus Berbers - Rudolf Plotz, Tubingen 1998, S. 85-107. 15 Zur Person: Rainer Ruckert, Erich Meyer f, Kunstchronik 20, 1967, S. 168-171. 16 Zur Person: Wolfgang Bruckner, Kurt Koster und die Pilgerzeichenforschung, in vorlie- gendem Band, mil weiterer biografischer Literatur. 17 Erich Meyer, Die mittelalterlichen Pilgerzeichen des Berliner Schlofimuseums, unveroffent-
Geschichte der Pilgerzeichensammlung des Kunstgewerbemuseums 211 Abb. 1: Erich Meyer (1897 1967), Kustos der Mittelalterabteilung am Berliner Schlossmuseum von 1928 bis 1947, Aufnahmenach 1947. Foto: Museum fur Kunst und Gewerbe Hamburg
212 Lothar Lambacher Erwerbungen aus der Sammlung Albert Figdor, Wien Die Erwerbung von WeiBmetallgiissen aus der Privatsammlung von Albert Fig- dor erfolgte in zwei Phasen: Im Juni 1930 wurde auf der Wiener Auktion dieser Sammlung das Lot 212 mit insgesamt 20 Pilgerzeichen* 18 erworben und 1935 kamen aus den 1930 nicht versteigerten Sammlungsteilen noch ftinf Pilgeram- pullen19 in den Berliner Museumsbestand. Der am 16. Mai 1843 in Wien als Sohn eines erfolgreichen Bankiers geborene Albert Figdor20 hatte sich nach einem Ju- rastudium mit groBer Leidenschafit und bemerkenswertem Kenntnisreichtum ganz dem Sammeln von Kunst verschrieben. „Zwei Ziige waren fur die Sammlung Fig¬ dor wesentlich: eine groBe Anzahl von systematisch zusammengebrachten Spe- zialsammlungen auf den verschiedenartigsten Gebieten kunsthandwerklicher Ar¬ beit und die vielen hervorragenden Einzelstucke von Kunst und Kunstgewerbe. Trotz dieser Betonung des kiinstlerischen Moments aber lag [...] in der Samm¬ lung Figdor das Hauptgewicht nicht auf dem Asthetischen, sondem auf dem Kul- turhistorischen und gewissermaBen Menschlichen.“21 Im Laufe der Zeit war die Kollektion auf annahemd 6.000 Werke angewachsen, die der kinderlose Samm- ler noch vor seinem Tod am 22. Februar 1927 seiner Nichte Margarete Becker- Walz in Heidelberg vermachte.22 23 Auf der Grundlage des seit 1918 geltenden oster- reichischen Denkmalschutzgesetzes war die Sammlung Figdor zum unteilbaren Ganzen erklart worden und unterlag einem strikten Ausfuhrverbot. Beide Re- striktionen wurden 1930 nach dem Ankauf der Sammlung durch ein Konsortium und der Stiftung von liber 2.000 Werken an das Kunsthistorische Museum Wien auf- lichtes Ms., Faszikel Erich Meyer, Nachlass Kurt Koster, Deutsches Glockenarchiv, Germa- nisches Nationalmuseum Niimberg. 18 Die Sammlung Dr. Albert Figdor, Wien. Erster Teil, Erster Band, Bildteppiche, Samt- und Seidenstoffe, Stickereien, Spitzen, Kniipfteppiche, Blei und Zinn, Goldschmiedearbeiten, kirchliches und weltliches Silbergerdt, hg. von Otto von Falke, Wien — Berlin 1930 [nach- folgend zitiert als: Kat. Figdor 1930], Nr. 212 a-u; in vorliegendem Band Kat. Nr. 1-20. 19 Inv. Nr. F 810, F 1321, F 1865, F 1899 a und b; in vorliegendem Band Kat. Nr. 21-25. 20 Zur Person u.a.: Ernst H. Buschbeck, Albert Figdor, Belvedere 11, 1927, S. 3-6; Gustav Gluck, Dr. Albert Figdor und seine Sammlung, Zeitschrift fur Bildende Kunst 6, 1927/28, S. 247-257. 21 Hans Tietze, Dr. Albert Figdor-Stiftung, Belvedere 14, 1929, S. 264-268, hier S. 267. 22 Josephine Hildebrand, Albert Figdor, Wien (1843-1927). Sammler aus Berufung, in: Gluck, Leidenschafl und Verantwortung. Das Kunslgewerbemuseum und seine Sammler, hg. von der Julius-Lessing-Gesellschaft, Verein derFreunde des Kunstgewerbemuseums, Berlin 1996, S. 27-31, hier S. 28. 23 Christian M. Nf.bf.hay, Die goldenen Sessel meines Voters. Gustav Nebehay (1881-1935) Antiquar und Kunsthandler in Leipzig, Wien und Berlin, Wien 1983, S. 238-254. - Zur Stif¬ tung an das Kunsthistorische Museum Wien: Tietze (wie Anm. 21); Vorlaufiges kurzes Ver- zeichnis der Dr. Albert Figdor-Stiftung, Kunsthistorisches Museum, Wien 1931; Hans Tietze, Dr. Albert Figdor-Stiftung im Wiener Museum, Der Kunstwanderer 13, 1931, S. 193-194;
Geschichte der Pilgerzeichensammlung des Kunstgewerbemuseums 213 gehoben.23 Die im gleichen Jahr erfolgende Auktion von etwa 1.400 Objekten24, aus der das Berliner Schlofimuseum sein erstes Konvolut an Pilgerzeichen er- warb, geriet wegen der allgemeinen Wirtschaftslage zum finanziellen Fiasko. Fast alle damals und auf einer Nachauktion 193225 nicht verkauften Bestande gelang- ten als Pfandgut in den Besitz der Dresdner Bank und wurden 1935 fur die Staat- lichen Museen zu Berlin erworben, die seither den grofiten Bestand an Werken aus der Sammlung Figdor bewahren. Albert Figdors einstiger Sammlungsbestand an Pilgerzeichen, profanen Zei- chen und Formen fur den Guss derartiger WeiBmetallarbeiten lasst sich anhand verschiedener Quellen relativ genau ermitteln. Im ersten Band des Auktionska- taloges von 1930 sind unter Lot 210 bis 216 insgesaml 64 Einzelpositionen auf- gefuhrt.26 27 weitere artverwandte Werke verzeichnet der im Besitz der Nach- kommen erhaltene Zettelkatalog Albert Figdors.27 Wenn man davon ausgeht, dass sich darunter tatsachlich auch alle 13 der im Lot 213 des Auktionskataloges nicht hinreichend beschriebenen Objekte befinden, ergibt sich eine Mindestanzahl von 78 Werken. Ohne Anrechnung dieser moglichen Identitaten und unter Beriick- sichtigung aller anderen Nachweise28 lasst sich ein Gesamtbestand von bis zu 93 Pilgerzeichen sowie anderer mittelalterlicher WeiBmetallarbeiten und Gussfor- men rekonstruieren, der sich ehemals in der Sammlung Figdor befand. Als Pro- venienz wird fur die 62 im Auktionskatalog unter Lot 210 bis 214 verzeichneten Arbeiten „zumeist Seine Funde“29 angegeben. Die 21 in Figdors Zettelkatalog unter der Nummer 1829 zusammengefassten Werke werden dort ebenfalls als ,,zu Paris, in der Seine gefunden“ bezeichnet. Fiir sie sind meist auch die Vorbesitzer Arpad WeixlgArtner, Fuhrer durch die Dr. Albert Figdor-Stiftung, Wien 1932; Herbert Haupt, Das Kunsthistorische Museum. Die Geschichte des Hauses am Ring. 100 Jahre Spie¬ gel historischer Ereignisse, Wien 1991, S. 108-112. 24 Otto VON Falke - Max J. FriedlAnder, Die Sammlung Dr. Albert Figdor, Wien. Artaria, Gliickselig, Wien, 11.-13. Juni 1930, Paul Cassirer, Berlin, 29. -30. Sept. 1930, 5 Bde., Wien — Berlin 1930. 25 Kostbare Bucher und Manuskripte aus den Sammlungen des Zaren von Russ land, Albrecht von Sachsen-Teschen, Dr. A. Figdor, Wien, Gilhofer und Ranschburg, Luzern 14. 15. Juni 1932, Luzern 1932. 26 Kat. Figdor 1930(wieAnm. 18), Nr. 210-216. 27 Zentralarchiv der Staatlichen Museen zu Berlin, Zettelkatalog der Sammlung Albert Figdor, digitale Kopie auf CD-ROM, nachfolgend: Zettelkatalog Slg. Figdor. 28 Alfred von Walcher-Molthein, Deutsches und franzosisches Edelzinn aus zwei Wiener Sammlungen, Kunst und Kunsthandwcrk 7, 1904, S. 65-86; Andre Csatkai Dagobert Frey, Osterreichische Kunsttopographie, 24, Die Denkmale des politischen Bezirks Eisenstadt und der Freien Stadte Eisenstadt und Rust, Baden bei Wien 1932, hier: Sammlung Alexander (Sandor) Wolf, S. 124-154, speziell S. 148 (Bleiarbeiten, aus der Sammlung Figdor); Zen- trale Pilgerzeichenkartei Kurt Koster, Germanisches Nationalmuseum Niimberg, nachfol¬ gend: PZK Koster. 29 KAT. Figdor 1930 (wie Anm. 18), Nr. 210—214.
214 Lothar Lambacher Abb. 2: Gussform fur ein Pilgerzeichen mit der Inschrifi ,,nordlingen‘\ ehem. Slg. Figdor, MAK Wien, Inv. Nr. F 523. Foto: MAK Wien/Georg Mayer
Geschichte der Pilgerzeichensammlung des Kunstgewerbemuseums 215 angegeben: Richard Forrer in StraBburg (12 Werke), Julius Bohler in Miinchen (3 Werke), Victor Gay in Paris (3 Werke) und de Lannoy in Paris (1 Werk). Damit wird deutlich, dass Albert Figdor seine Sammlung an Pilgerzeichen von interna¬ tional renommierten Handlem und Sachverstandigen und nicht unmittelbar von Findem oder Ausgrabem erworben hatte. Aufler den 25 nach Berlin gelangten Werken konnte bislang der spatere Ver- bleib von 38 weiteren Objekten dieser Werkgruppe aus der Sammlung Figdor nachgewiesen werden: Im MAK Wien befinden sich aus der Stiftung von 1930 zwei Gussformen fur Pilgerzeichen30, eine angeblich franzosische aus dem 18. Jahrhundert31 sowie eine mit dem hi. Leonhard unter einer dreiteiligen spatgoti- schen Kielbogenarchitektur mit der Beischrift „nordlingen44 (Abb. 2).32 Eine dritte Gussform aus der Sammlung Figdor fiir ein Regensburger Pilgerzeichen aus dem friihen 16. Jahrhundert mit der Darstellung der Heiligen Dionysius, Emmeram und Wolfgang befindet sich heute in den Museen der Stadt Regensburg.33 35 Pil¬ gerzeichen aus Figdors Besitz befanden sich 1932 in der Sammlung Alexander (Sandor) Wolf in Eisenstadt.34 Darunter waren alle 15 Pilgerzeichen aus dem Lot 211 der Auktion von 1930 und weitere 19 Werke, die zwar im Zcttclkatalog Fig- dors, nicht aber im Auktionskatalog sicher identifiziert werden konnen. Derheu- tige Verbleib der in die Sammlung Sandor Wolf gelangten Pilgerzeichen ist dem 30 Freundliche schriftliche Mitteilung von Dr. Elisabeth Schmuttermeier, MAK. Wien, vom 19.06.2007. 31 MAK Wien, Inv. Nr. F 522; Stein, H. 70 mm, B. 95 mm, T. 28 mm. Vorderseite: Maria mit Kind, hi. Katharina und hi. Pilger, Riickseite: Kleine Kreu7igung. 32 MAK Wien, Inv. Nr. F 523; Schiefer, H. 128 mm, B. 80 mm, T. 33 mm. Vorbesitzer: Drey, Miinchen; Zettelkatalog Slg. Figdor 444 b - Der Wallfahrtsbezug dieses bislang unbekann- ten Zeichens ist fraglich, in Betracht kommen vor allem eine 1409 von der Backcrzunft ge- stiftete und 1646 zerstorte Leonhard-Kapelle vor dem Lopsinger Tor in Nordlingen sowie die Wallfahrtskirche St. Leonhard in Nordling bei Rain am Lech. Fiir die erste sprechen In- schrift und Stadtwappen des Zeichens, fur die zweite ihre aus nachmittelalterlicher Zeit be- legte Pferdewallfahrt. Vgl.: Dietmar-Henning Voges, Die Reichsstadt Nordlingen, Miinchen 1988, S. 88; Adalbert Riehl, Das Wallfahrtskirchlein St. Leonhard in Nordling, „Der Da- niel“/Nordschwaben, Zeitschrift fur Landschaft, Geschichte, Kultur und Zeitgeschehcn, 1/1984, S. 47f. Freundliche Mitteilung von Andrea Kugler, Stadtmuseum Nordlingen. 33 Museen der Stadt Regensburg, Inv. Nr. К1978/38; Solnhofer Stein, H. 130 mm, B. 105 mm, T. 45 mm; Vorbesitzer: Hauptmann Geiger, Ulm; nach 1930: Privatsammlung Karl Ruhmann, Wildon (Steiermark). - Zettelkatalog Slg. Figdor 444 a; Kurt KOsier, Ein rdtselhafter „Sie- geldruck" des 15. Jahrhunderts aus Regensburg. Studien zur mittelalterlichen Wallfahrt nach St. Emmeram und ihren Pilgerzeichen, in: Bibliothekswelt und Kulturgeschichte. Eine inter- nationale Festgabe fur Joachim Wiederzum 65. Geburtstag, dargebracht von seinen Freunden, hg. von Peter Schweigler, Miinchen 1977, S. 123-137, hier S. 129f. mit Abb. 4; Wallfahrt kennt keine Grenzen [Ausstellungskatalog Miinchen 1984], hg. von Bayerisches Nationalmu- seum und Adalbert Slifter Verein, Miinchen 1984, Nr. 53, S. 48 mit Abb. (Thomas RafT). 34 CsaTKAI - Frey (wie Anm. 28), Bleiarbeiten, Nr. 1-34, S. 148.
216 Lothar Lambacher Verfasser unbekannt geblieben.35 Von alien gegenwarlig nicht mehr nachweisba- ren mittelalterlichen Weiflmetallarbeiten aus Albert Figdors Kollektion sind neben den in Berlin verschollenen noch ftinf weitere Werke zumindest durch fotografi- sche Abbildungen iiberliefert, darunter eine Ampulle aus Vendome, La Sainte Larme36, ein friiher rechteckiger Flachguss mit der Darstellung der Enthauptung einer Heiligen37 sowie ein profanes Zeichen in Gestalt eines Hirsches mit Ose38. Geschenk von Johannes Jantzen, Bremen Am 15. Januar 1931 schenkte der Bremer Sammler Johannes Jantzen (1887— 1972) dem Berliner Schloflmuseum ein einzelnes Pilgerzeichen mit der Darstel¬ lung des hi. Georg zu Pferd, das jedoch im Museums in ventar noch als Zugang des Vorjahres verzeichnet wurde.39 Uber die Herkunft dieses Werkes ist nichts be- kannt, vielleicht stammt es, wie viele der kurz zuvor ins Bremer Focke-Museum gelangten Exemplare, aus der Weser. Jantzen, als Sohn einer wohlhabenden han- seatischen Familie in Shanghai geboren, hatte Jura studiert. Seit friiher Jugend an Kunst interessiert, untemahm er ausgedehnte Reisen und besuchte Handler, Sammler, Bibliotheken sowie Museen und trug im Laufe der Zeit auf verschie- denen Gebieten - darunter Rollsiegel40, Gemmen41, Bronzen42 und Glaser43 - be- deutende Kollektionen zusammen. Pilgerzeichen haben in Jantzens Sammlungen jedoch keine besondere Rolle gespielt. Da ihm wahrend der Herrschaft des Na- tionalsozialismus die Ausiibung seines Berufes verboten war, verschrieb er sich ganz der Kunst, organisierte mehrere Ausstellungen und verfasste Bucher sowie 35 Laut Kurt Koster wurde das darin enthaltene Zeichen von Boulogne-sur-Mer (Kat. Figdor 1930 [wie Anm. 18], Nr. 211 k; Csatkai - Frey [wie Anm. 28], Nr. 24, S, 148) 1956 an die Galerie Fischer in Luzern verauBert; PZK Koster, Boulogne-sur-Mer, В II b. 36 Walcher-Molthein (wie Anm. 28), Abb. S. 78; Kat. Figdor 1930 (wie Anm. 18), Nr. 216. 37 Walcher-Molthein (wie Anm. 28), Abb. S. 72; Csatkai - Frey (wie Anm. 28), Nr. 2, S. 148; Zettelkatalog Slg. Figdor 1829 n. - Umschrift: „See quiteris virginis et martiris de marso‘\ H. 41 mm, B. 35 mm. 3K Walcher-Molthein (wie Anm. 28), Abb. S. 74; Kat. Figdor 1930 (wie Anm. 18), Nr. 213 b; Csatkai - Frey (wie Anm. 28), Nr. 11, S. 148. 39 Inv. Nr. 1930,103; in vorliegendem Band Kat. Nr. 26. 40 Thomas Beran, Die altorientalischen Rollsiegel der ehem. Sammlung Johannes Jantzen im Museum fur Kunst und Gewerbe Hamburg, Archaologischer Anzeiger, 1968, S. 103-122. 41 Peter Zazoff, Die minoischen, griechischen und etruskischen Gemmen der Privatsammlung Dr. Johannes Jantzen, Bremen, Archaologischer Anzeiger 1963, S. 4ИТ. 42 Johannes Jantzen, Deutsche Bronzen des Mittelalters und der Renaissance, Medaillen und Goldschmiedearbeiten [Ausstellungskatalog Schloss Cappenberg 1960], Dortmund 1960. 43 Seine 189 Stiicke umfassende Hohlglassammlung hatte Jantzen bereits 1940 an das Kunst- museum der Stadt Diisseldorf verkauft. Vgl. Johannes Jantzen, Deutsches Glas ausfiinf Jahrhunderten, Diisseldorf 1960.
Geschichte der Pilgerzeichensammlung des Kunstgewerbemuseums 217 kunsthistorische Aufsatze44. Sein Sachverstand wurde von Museen und in Samm- lerkreisen hoch geschatzt.45 Das Berliner Kunstgewerbemuseum erwarb zwischen 1932 und 1944 noch funf weitere Werke verschiedener Gattungen aus dem Besitz von Johannes Jant- zen.46 Die mit der Schenkung des Pilgerzeichens im Winter 1930/31 erstmals ak- tenkundige Verbindung zwischen dem Bremer Sammler und Erich Meyer blieb auch bestehen, nachdem der Kustos der Mittelalterabteilung des SchloBmuseums Berlin 1947 verlassen hatte und Direktor am Hamburger Museum fur Kunst und Gewerbe geworden war, wie die 1961 von Meyer in Hamburg organisierte Aus- stellung „Sechs Sammler stellen aus“ belegt, auf der die Sammlung von Johan¬ nes Jantzen als Ganzes vertreten war.47 Ankauf von Lambert Jagenau, Den Haag Die umfangreichste Erwerbung von Pilgerzeichen und anderen mittelalterlichen WeiBmetallgussen gelang Erich Meyer am 20. April 1944, als er von dem Samm¬ ler und Antiquar Lambert Jagenau in Den Haag 280 Exemplare zum Preis von ins- gesamt 3.981 Reichsmark ankaufen konnte.48 Uber den niederlandischen Vorbe- sitzer konnte bislang nichts Naheres in Erfahrung gebracht werden.49 Auch zu der aus seiner Hand erworbenen Sammlung fehlen im Kunstgewerbemuseum auBer dem summarischen Inventareintrag jegliche Unterlagen. Die Akten des Erwer- 44 Johannes Jantzen, Unbekannte Arbeiten des "Meisters mit dem Blattfries" und seines Krei- ses, Zeitschrift fur Kunstwissenschaft 10, 1956, S. 193-198 und 18, 1964, S. 65-72; Johan¬ nes Jantzen, Kleinplastische Bronzeportrats des 15. bis 16. Jahrhunderts und Hire For men, Zeitschrift des Deutschen Vereins fur Kunstwissenschaft, 17, 1963, S. 105-116; Johannes Jantzen, Die Pisanello-Medaille auf Leonello d'Este, Hill Corpus Nr. 25, Schweizer Miinz- blatter 17, 1967, S.108-112. 45 Zur Person in: DerDom. Ein Museums-Objekt hochsten Ranges wird versteigert [Auktions- katalog], Hampel Kunstauktionen Miinchen, 18. Marz2005. 46 Lowenfigur von einem Kronleuchter im Liineburger Rathaus, Nachguss von Otto Haege- mann, Geschenk vom 12.05.1932 (Inv. Nr. 1932,10); Gravierte Seitenplatte von einem Trag- aitar, Westfalen, 12. Jh., Tausch am 12.12.1933 (Inv. Nr 1933,62); Weiblicher Kopf aus Gelb- guss* 15. Jh., Ankauf vom 31.05.1937 (Inv. Nr. 1937,28); Zwei Stand leuchter, Frankreich, um 1790, Ankauf vom 26.10.1943 (Inv. Nr. 1943,73 a/b); Noppenglas, Siidtirol, 15. Jh., Ankauf vom 10.08.1944 (Inv. Nr. 1944,24). 47 Sechs Sammler stellen aus, Museum fur Kunst und Gewerbe, Hamburg 1961; vgl. Johannes Jantzen, Europaische Meisterwerke in bremischem Privateigentum, in: Jahrbuch des Club zu Bremen 1959/62. 48 Archiv Kunstgewerbemuseum, Staatliche Museen zu Berlin, Erwerbungsinventar 1944, Nr. 18. 49 Auch Prof. Dr. Jos Koldeweij, Nijmegen, war der Antiquar Lambert Jagenau bislang unbe- kannt; freundliche schriflliche Mitteilung vom 09.05.2007.
218 Lothar Lambacher bungsvorganges50 sind, wie alle derartigen Dokumente des SchloBmuseums, seit 1945 verschollen und eine von Erich Meyer angefertigte wissenschaftliche Do- kumentation hatte dieser 1947 mit sich genommen. 1957 lieB Meyer eine Reihe darin enthaltener Fotografien am Rheinischen Bildarchiv Koln reproduzieren.51 Den wohl friihesten Eingang in die Pilgerzeichenliteratur fanden seine Angaben zur Berliner Sammlung 1964 im Kolner Domblatt.52 Wahrscheinlich im Jahr 1966 ubergab er seine Unterlagen schlieBlich an Kurt Koster, in dessen Nachlass sie sich als „Material Prof. Erich Meyer“53 heute befinden. Koster hat die Aufzeich- nungen Meyers ftir seine Pilgerzeichenkartei und ftir eigene Publikationen54 in- tensiv ausgewertet. Dank dieses Materials konnte Шг den vorliegenden Katalog55 erstmals der Gesamtbestand der von Lambert Jagenau erworbenen Pilgerzeichen zu groBen Teilen rekonstruiert werden. Die Information iiber die Herkunft des gesamten 1944 erworbenen Konvolutes aus Funden im Flussbett der Schelde be- ruht auf den durch Meyer vermittelten Aussagen Jagenaus, ihre Zuverlassigkeit ist jedoch durchaus zweifelhaft.56 Die urspriinglich 280 Werke waren bei ihrer Erwerbung mittels diinner Drahte auf mindestens 77 gelblichen Pappkartons im Format von 105 x 80 Millimeter fi- xiert, von denen noch 36 erhalten sind (Abb. 3). Jedoch fehlen auch auf den vor- handenen Kartons gelegentlich einzelne Oder mehrere Zeichen, wie die Befesti- gungsspuren zeigen. Die Anzahl der gegenwartig im Berliner Kunstgewerbemu- seum bewalirten Werke aus dem Ankauf von Lambert Jagenau betragt mit 139 fast * 10 Staatliche Museen zu Berlin, SchloBmuseum, Rapp. 44,13. 1 Rheinisches Bildarchiv Koln, Negativbuch L 679, Arbeitsmaterial Wallfahrtszeichen Erich Meyer; freundliche schrifitliche Mitteilung von Unda-Marina Frohling, Rheinisches Bildar¬ chiv Koln, vom 13.06.2007. Ich danke Jorg Poettgen, Overath, fur die Uberpriifimg des Fo- tomaterials im Rheinischen Bildarchiv. 2 Edith Meyer-Wurmbach, Kolner .Zeichen 'und .Pfennige ’zu Ehren der Heiligen Drei Ko- nige, in: Achthundert Jahre Verehrung der Heiligen Drei Konige in Koln 1164-1964 (Kolner Domblatt 23/24), Koln 1964, S. 205-292, hierNr. 108, 109 und 112, S. 257f. 1 Der Faszikel Erich Meyer im Nachlass Kurt Koster, Deutsches Glockenarchiv, Germanisches Nationalmuseum Niimberg, umfasste urspriinglich 132 Blatt (davon 131 gezahlt) und 306 Fotos, die groflteils zur Erstellung der „Zentralen Pilgerzeichenkartei Kurt Koster“ herange- zogen wurden, so dass gegenwartig nur noch 16 Blatt als Konvolut zusammen liegen. 1 Vgl. Kurt KOster, Pilgerzeichen und Pilgermuscheln von mittelalterlichen Santiagostrafien. Saint-Leonard, Rocamadour, Saint-Gilles, Santiago de Compostela. Schleswiger Funde und Gesamtuberlieferung (Ausgrabungen in Schleswig 2), Neumiinster 1983, S. 13, Nr. L 3, S. 27, R 21, S. 69, G 1,S. 100undG7-9, S. 104f; Kurt Koster, Pilgerzeichen undAmpullen. Zu neuen Braunschweiger Bodenfundeny in: Stadtarchaologie in Braunschweig (Forschungen der Denkmalpflege in Niedersachsen 3), hg. von Hartmut Rotting, Hameln 1985, S. 277- 286. 55 Inv. Nr. 1944,18; in vorliegendem Band Kat. Nr. 27-246. 5,) Siehe dazu den Beitrag von Hartmut Kuhne, Zur Bedeutung der Pilgerzeichensammlung der Staatlichen Museen zu Berlin, in vorliegendem Band.
Geschichte der lJiIgerzeichensammlung des Kimstgewerbemuseums 219 Abb 3: Karton 61 der 1944 erworbenen Sammlung Lambert Jagenau mil Kat. Nr. 180 184, Zustand 2004. Foto: Wolfgang Pohl
220 Lothar Lambacher genau die Halfte des urspriinglichen Bestandes. Weitere 81 verschollene Gusse konnte Hartmut Kiihne durch die Auswertung der Eintrage in der Pilgerzeichen- kartei von Kurt Koster und der Unterlagen von Erich Meyer nachweisen. Damit sind immerhin 78,5 Prozent des gesamten Konvolutes erhalten oder zumindest dokumentiert. Unklar bleibt, wann genau die heute fehlenden Teile vom erhalte- nen Bestand getrennt wurden und auf welche Weise sie in Verlust geraten sind. Si- cher ist, dass die erst 1944 erworbenen Pilgerzeichen vor dem Ende des Zweiten Weltkrieges nicht mehr an einen der Bergungsorte der Sammlung auBerhalb des Berliner Schlosses verlagert wurden. Eine Aufstellung vom 12. Januar 1949 iiber alle damals im Kunstgewerbemuseum noch vorhandenen Werke verzeichnet mit 138 Pilgerzeichen bereits den heute vorhandenen Bestand.57 Erich Meyer hatte sich offenbar im Winter 1944/45 intensiv mit der Pilgerzeichensammlung des SchloBmuseums beschaftigt und uber den Gegenstand mit Hans Wentzel (1913— 1975) in Stuttgart korrespondiert.58 Es ist sehr wahrscheinlich, dass er zum Zwecke naherer Untersuchung zahlreiche Pilgerzeichen aus dem Ankauf von Ja- genau von ihren Kartontragem abgetrennt hat. Vielleicht als ungliickliche Folge ihrer separaten Verwahrung scheint es dann am Ende des Krieges59 zum Verlust dieser Werke gekommen zu sein, wahrend der weiterhin auf Kartons montierte Bestand erhalten blieb. Museums- und Forschungsgeschichte der Berliner Pilgerzeichensammlung Neben den 141 verschollenen Werken aus der Sammlung Jagenau sind seit dem Ende des Zweiten Weltkrieges auch 18 Werke aus der Sammlung Figdor und das einzelne Zeichen aus der Sammlung Jantzen verschollen. Das gleiche Schicksal ereilte den gesamten Bestand europaischer Pilgerzeichen des Museums fur By- zantinische Kunst, so dass die Berliner Museen insgesamt einen Verlust von 187 Pilgerzeichen60 aus ihren Sammlungen zu beklagen haben. Dem seit 1949 wieder 57 Archiv Kunstgewerbemuseum, Staatliche Museen zu Berlin, Akten kriegsbedingte Be- standsverlagerung, Aufstellung vom 12.01.1949. - Offenbar ist ein Fragment damals nicht mitgezahlt worden. Ebenfalls nicht eingeschlossen in diese Zahlung waren die beiden erhal- tenen Pilgerzeichen (in vorliegendem Band Kat. Nr. 2 und 19) und ffinf Ampullen (Kat. Nr. 21-25) aus der Sammlung Figdor. 58 Brief von Hans Wentzel an Erich Meyer vom 08.02.1945, Faszikel Erich Meyer, Nachlass Kurt Koster, Deutsches Glockenarchiv, Germanisches Nationalmuseum Niimberg. Siehe den Beitrag von Hartmut Kuhne, Zur Bedeutung der Pilgerzeichen sammlungen der Staatlichen Museen zu Berlin, in vorliegendem Band (mit Abbildung des Manuskriptes). 59 Etwa bei dem verheerenden Bombenangriff am 3. Februar oder bei der Einnahme des Stadt- zentrums von Berlin Anfang Mai 1945. 60 Diese Zahl umfasst neben den eigentlichen Pilgerzeichen auch die verschollenen artverwand
Geschichte der Pilgerzeichensammlung des Kunstgewerbemuseums 221 Kunstgewerbemuseum genannten SchloBmuseum blieben nach 1945 aber im- merhin 146 mittelalterliche WeiBmetallgiisse erhalten. Sie wurden gemeinsam mit den anderen in Berlin verbliebenen Restbestanden des Museums vor der Sprengung des Berliner Schlosses 1950 in ein provisorisches Domizil, die Where Loge ,,Zu den drei Weltkugeln“ in der Splittgerbergasse, iiberfiihrt. Das Kunst¬ gewerbemuseum besafl nun kein eigenes Museumsgebaude mehr. Urn Abhilfe aus dieser nicht erst nach der 1958 erfolgten teilweisen Riickfiihrung der „Beu- tekunst“ aus der Sowjetunion ganzlich unbefriedigende Situation zu schaffen, be- gann am 3. Januar 1963 der Umzug des Ost-Berliner Sammlungsteils in das Schloss Kopenick, das am 22. Juni 1963 als Kunstgewerbemuseum eroffnet wurde.61 Den Pilgerzeichen wurde hier zunachst nur wenig Beachtung zuteil. Nach der Wiedervereinigung Deutschlands, in deren Folge auch die geteilten Ber¬ liner Museen wiedervereinigt werden konnten, sind 1995 zunachst die wichtig- sten mittelalterlichen Werke, darunter auch funf Pilger- und ein profanes Zei- chen62, aus Schloss Kopenick in den 1985 fur den West-Berliner Sammlungsteil eroffheten Museumsneubau am Kulturforum verbracht und ausgestellt worden. Im Zuge der konzeptionellen Neuausrichtung des Kunstgewerbemuseums wurde 1998 schlieBlich auch der magazinierte Bestand der mittelalterlichen WeiBme- tallgiisse in das Hauptgebaude iiberfuhrt. Das Schloss Kopenick wurde nach mehrjahriger griindlicher Instandsetzung im Mai 2004 als Dependance vor- nehmlich fur Werke der Raumkunst aus Renaissance, Barock und Rokoko wie- dereroffnet. Die Mittelaltersammlung des Museums ist seither vollstandig am Kulturforum am Potsdamer Platz in Berlin-Mitte konzentriert. Die erste Ausstellung von acht Pilgerzeichen aus dem Bestand des Kunstge¬ werbemuseums erfolgte noch zu Zeiten der DDR 1989 in der Exposition ,,Da- sein und Vision. Burger und Bauem um 1500“.63 Nach der Wiedervereinigung wurden ab 1999 neun Zeichen und eine Ampulle in der Ausstellung „Faszination Bild — Kulturkontakte in Europa“ im Museum Europaischer Kulturen, damals Museum fur Volkskunde, in Berlin-Dahlem ausgestellt und im Katalog verzeich- net.64 Zu einer emeuten wissenschaftlichen Bearbeitung der gesamten Pilgerzei¬ chensammlung des Berliner Kunstgewerbemuseums war es seit Erich Meyers ten WeiBmetallgiisse aus den Erwerbungen ex coll. Figdor und ex coll Jagenau. 61 Lothar Lambacher, Kunstgewerbemuseum, in: Die Stunde Null - UberLeben 1945, hg. von Maren Eichhom - Jorn Grabowski - Konrad Vanja, Berlin 2005, S. 58-61. 62 In vorliegendem Band Kat. Nr. 2, 19, 17, 45, 52 und 242. 63 Dasein und Vision. Burger und Bauem um 1500. Ausstellung im Alten Museum vom 8. De- zember 1989 bis 12. Februar 1990, Berlin 1989, Nr. A 147, S. 52 (Angelika Wesenberg, zu K.at. Nr. 2, 19, 27, 45, 52, 186, 188 und 242 in vorliegendem Band). 64 Faszination Bild. Kultur Kontakte Europa (Schriftcnreihe Museum Europaischer Kulturen 1), Berlin 1999, Nr. 6/175-6/184, S. 306f. (zu Kat. Nr. 22,40, 78, 100, 131, 165, 187, 207,210 und 232 in vorliegendem Band).
222 Lothar Lambacher Bestandsauftiahme von 1944/45 jedoch nicht gekommen. Aus diesem Grunde er- folgte seit November 2004 durch eine Arbeitsgruppe unter der Leitung von Hart- mut Kiihne vom damaligen Lehrstuhl fur Christliche Archaologie, Denkmalkunde und Kulturgeschichte der Theologischen Fakultat der Humboldt-Universitat zu Berlin in Zusammenarbeit mit dem Kunstgewerbemuseum eine systematische Neuerfassung und griindliche Bestimmung dieses Sammlungsbestandes. Die er- sten Ergebnisse wurden dem Museumspublikum im Rahmen einer Sonderaus- stellung unter dem Titel „Das Zeichen am Hut im Mittelalter. Europaische Rei- semarkierungen“ vom 25. November 2006 bis 23. September 2007 prasentiert, die gemeinsam vom Kunstgewerbemuseum, dem Museum Europaischer Kulturen und dem Lehrstuhl ffir Christliche Archaologie, Denkmalkunde und Kulturge¬ schichte der Humboldt-Universitat veranstaltet wurde.65 Die Eroffnung dieser Ausstellung bildete zugleich den Auftakt fur ein wissenschaftliches „Symposion in memoriam Kurt Koster (1912-1986)“ am 25. November 2006 anlasslich des 20. Todestages des Nestors der deutschen Pilgerzeichenforschung. Die Beitrage dieser Tagung sind im ersten Teil des vorliegenden Bandes publiziert. Die wissenschaftliche Bearbeitung des gleichzeitig vorgelegten, kombinierten Bestands- und Verlustkataloges der Pilgerzeichensammlungen des Kunstgewer- bemuseums und des Museums fur Byzantinische Kunst der Staatlichen Museen zu Berlin erfolgte durch Hartmut Kiihne, unter Mitarbeit von Cornelia Brumme, Stefan Krabath und dem Verfasser. Es darf erhoffi werden, dass die mittelalterli- chen WeiBmetallgiisse der Berliner Museen durch diese Veroffentlichung die ilinen gebiihrende Aufmerksamkeit der intemationalen Forschung sowie der in- teressierten OfFentlichkeit erlangen. 65 Hartmut Kuhne, Das Zeichen am Hut im Mittelalter. Europaische Reisemarkierungen, Mu- seumsJoumal 20, IV/2006, S. 68.
223 Hartmut Kiihne Zur Bedeutung der Pilgerzeichensammlungen der Staatlichen Museen zu Berlin Die Geschichte der Entdeckung und Erforschung der mittelalterlichen Pilgerzei- chen wurde bestimmt durch die Initiative von privaten Sammlem und wissen- schaftlichen Enthusiasten, die ihre Forschungen in der Regel im Nebenberuf be- trieben und kaum in die Institutionen der akademischen Kunstgeschichte einge- bunden waren. Dies gilt nicht erst fur Kurt Koster (1912-1986), sondem schon fur den Pionier der modemen Pilgerzeichenforschung, den Bilderrestaurator Ar¬ thur Forgeais (1822-1878), der durch seine zunachst private Sammeltatigkeit der im Schlamm der Seine verborgenen mittelalterlichen WeiBmetallglisse das Tor zu einer bis dahin unbekannten Bildwelt aufgestoBen hatte. Auch wenn diese Sammlung ihren Weg in das Musee de Cluny, das heutige Musee National du Moyen-Age - thermes et hotel de Cluny, fand, hat die ztinftige franzosische For- schung Forgeais diese Leistung weder zu Lebzeiten noch in den folgenden Jahr- zehnten gedankt. Erst einhundert Jahre nach dem Erscheinen seiner Kataloge der „plombs histories44 hat er zunachst in Colette Lamy-Lassalle1 und in den letzten Jahren besonders in Denis Bruna1 2 zwei engagierte Erben seiner wissenschaftli- chen Bemuhungen im eigenen Lande gefunden. Auch in privaten Sammlerkreisen scheint das auslandische Interesse an den neuentdeckten mittelalterlichen WeiBmetallgiissen am Ende des 19. Jahrhunderts starker gewesen zu sein, als in Frankreich selbst. Die erste groBere Kollektion von WeiBmetallgiissen aus der Seine, die in das Ausland verkauft wurde, erwarb der Wormser Kunstsammler Freiherr Cornelius Wilhelm von Heyl zu Hermsheim (1843-1923) 1880 in StraBburg. Er iibergab die 157 Stiicke spatestens 1887 dem Wormser Paulus-Museum.3 August von Heyden bezeichnete diese Sammlung 1 Colette Lamy-Lassalle, Recherches stir un ensemble de plombs trouves dans la Seine, Musee des antiquites de Rouen et collection Bossard de Lucerne, Revue des societes savantes de Haute-Normandie 49, 1968, S. 5-24; Dies., Une collection d'enseignes de pelerinage an Musee des Arts decoratifs deLyon, Bulletin de la Societe nationale des antiquaires de France 1969 S. 264-170; Dies., Les enseignes de pelerinage du Mont Saint-Michel, in: Millenaire monastique du Mont Saint-Michel, Teil 3: Culte du St. Michel et pelerinages au mont, Paris 1971, S. 271-286; Dies., Les representations de St. Jacques-Baptiste sur les enseignes de pelerinage, Bulletin trimestriel de la Societe des Antiquaires de Picardie 1973, S. 156-164. 2 Denis BRUNA, Enseignes de pelerinage et enseignes profanes, Paris 1996; Ders., Enseignes deplomb et autres menues chosettes du Moyen Age, Paris 2006. 3 Vgl. den Katalog von Mathilde GRUNEWALD, Pilgerzeichen, Rosenkrdnze, Wallfahrtsme- daillen. Die Beigaben aus Grabern des 17. bis 19. Jahrhunderts aus dem Pfarrfriedhof bei
224 Hartmut Ktihne 1887 als die einzige bedeutende ihrer Art in Deutschland.4 Eine ebenfalls um- fangreiche Sammlung von knapp 100 Pilgerzeichen und ahnlichen Devotiona- lien hat wenig spater Albert Figdor (1843-1927) in Wien zusammengetragen.5 In Miinchen sammelte gleichzeitig Wilhelm Clemens (1847-1934) Pilgerzeichen und ahnliche WeiBmetallgiisse, die 1919/1920 zusammen mit einem groBen Teil seiner gesamten Kunstsammlung als Geschenk an das Kunstgewerbemuseum der Stadt Koln kamen.6 Zwar umfasste die Sammlung Wilhelm Clemens nur 60 Pil¬ gerzeichen, aber seine Erwerbungen von italienischen Zeichen machen diese Sammlung bis heute besonders wertvoll.7 Die neben der Kollektion des Musee de Cluny umfangreichste Sammlung von etwa 500 Seinefunden wurde 1894 durch den Pariser Kunsthandler Joseph Egger angeboten und von dem Prager Kunstsammler Adalbert Ritter von Laima (1836— 1909) angekauft.8 Neben Albert Figdor interessierte sich auch Wilhelm von Bode (1845-1929) fur diese Kollektion. Warum der von Bode mit Adalbert von Lanna verabredete Ankauf eines Teiles dieser Sammlung fur Berlin nicht zustande kam, ist noch ungeklart.9 Bemerkenswert bleibt an dem Vorgang, dass Wilhelm von Bode am Ende des 19. Jahrhunderts wohl der einzige deutsche Museumsdirektor und Kunsthistoriker war, der den kunst- und kulturgeschichtlichen Wert dieser Objekte erkannte und sie bei seiner Sammlungspolitik berucksichtigte. Die Pilgerzeichensammlung im vormaligen Kaiser-Friedrich-Museum Erfolgreicher als im Fall der Prager Pilgerzeichen hat Wilhelm von Bode aus Ita- lien immer wieder kleinere Konvolute und einzelne Pilgerzeichen beschaffen kon- nen. Auch wenn die Provenienzen der Stiicke zum Teil etwas unsicher sind, so St. Paul in Worms. Die Sammlung gotischer Pilgerzeichen im Museum der Stadt Worms (Der Wormsgau, Beiheft 36), Worms 2001. 4 August von Heyden, Zwei Pilgerzeichen, Jahrbuch der PreuBischen Kunstsammlungen 8, 1887, S. 113-119, hierS. 114. 5 Vgl. dazu den Beitrag von Lothar Lambacher, Zur Geschichte der Pilgerzeichensammlung des Berliner Kunstgewerbemuseums, in vorliegendem Band. 6 Zur Sammlung Wilhelm Clemens vgl. den Ausstellungskatalog Die Sammlung Clemens, hg. vom Kunstgewerbemuseum der Stadt Koln, Koln 1963, hier insbesondere das Vorwort von Erich Kollmann. 7 Der Katalog Die Sammlung Clemens (wie Anm. 6) verzeichnete nur 39 Pilgerzeichen u.a. Giisse. Bei Hanns-Ulrich HaedeCKE,Zinn. Kunstgewerbemuseum der Stadt Koln, Koln 1968, Nr. 10-60 und 62-70, werden 60 Pilgerzeichen u.a. Devotionalien und Affixe aus der Samm- lung von Wilhelm Clemens aufgelistet. Vgl. zu den Pilgerzeichen der Sammlung Clemens auch Elisabeth Moses, Der Schmuck der Sammlung W. Clemens, Koln o. J. [1925], S. 37-43. 8 Vgl. dazu den Beitrag von Helena KoenigsmarkovA, Die Pilgerzeichensammlung im Pra¬ ger Kunstgewerbemuseum, in vorliegendem Band. 9 Vgl. KoenigsmarkovA (wie Anm. 8).
Bedeutimg der Pilgerzeichensammlungen der Staatlichen Museen 225 sind doch die Erwerbungen der knapp 30 Pilgerzeichen aus Italien, welche die Ab- teilung der Bildwerke der christlichen Epochen im Kaiser-Friedrich-Museum bis 1945 besaB, grundsatzlich nicht zweifelhaft. Wahrend vor einhundert Jahren mit Ausnahme von vier Plaketten mit der Darstellung der beiden Apostelfursten aus der romischen Peterskirche10 11 und den drei Vera Icon-Darstellungen aus derselben Kir- che die Herkunft der iibrigen Pilgerzeichen noch unklar war, ist inzwischen davon auszugehen, dass diese Berliner Sammlung einst die umfangreichste italienischer Pilgerzeichen darstellte. Lediglich eines der damals erworbenen Zeichen stammt mit Sicherheit nicht aus dem mittelalterlichen Italien: das Fragment eines Engel- weihezeichens aus Einsiedeln.11 Neben den sieben bereits genannten Zeichen ent- hielt die Sammlung weitere romische Pilgerzeichen aus S. Maria Rotunda (S. Maria ad Martyres)12 und aus S. Giovanni in Laterano13. Mindestens ein Zeichen mit einem Brustbild des hi. Nikolaus stammte aus Bari14 und zwei Gittergiisse aus Loreto15. Eine Medaille mit der Darstellung des hi. Berhardinus kam evtl. aus Siena16 und eine als Amulett anzusprechende Plakette mit dem Bild des hi. Paulus konnte in Rom vertrieben worden sein.17 * Es ist daher eine nicht ganz unwahr- scheinliche Vermutung, dass auch einige von den nicht lokal zugewiesenen Zei¬ chen aus dem Kaiser-Friedrich-Museum nicht nur in Italien erworben, sondem dort urspriinglich auch vertrieben wurden. Da die italienische Forschung sich in den letzten Jahrzehnten sehr wenig mit dem Thema der Pilgerzeichen beschaf- tigte, gibt es allerdings kaum Anhaltspunkte daflir, welchen Kirchen in Rom und im mittelalterlichen Italien diese Pilgerzeichen hypothetisch zuzuordnen waren.ls In der ehemaligen Pilgerzeichensammlung der Abteilung der Bildwerke der christlichen Epochen des Kaiser-Friedrich-Museums finden sich fiinf unter- schiedliche Typen von Zeichen mit einer Madonnendarstellung, die bisher keinem Herkunftsort zugewiesen werden konnten. Nur einer dieser Typen ist ein Gitterguss und damit sicher in die Zeit nach der Mitte des 14. Jahrhunderts zu verweisen.19 Ein hochrechteckiger Flachguss mit defekter Inschrift stellt eine thronende Maria lactans dar.20 Die Darstellung hat eine gewisse Ahnlichkeit mit dem Zen- 10 Inv Nr. 1906, 2998, 6407 und 6687; in vorlicgendem Band Kat. Nr. 251, 261, 266 und 269. 11 Inv. Nr. 6409; in vorliegendem Band Kat. Nr. 268. 12 Inv. Nr. 1915; in vorliegendem Band Kat. Nr. 256. 13 jnv Nr. 6405 und 6406; in vorliegendem Band Kat. Nr. 264 und 265. 14 Inv. Nr. 6404; in vorliegendem Band Kat. Nr. 263. 15 Inv Nr. 2999 und 6408; in vorliegendem Band Kat. Nr. 262 und 267. 16 Inv. Nr. 1917; in vorliegendem Band Kat. Nr. 257. 17 Inv. Nr. 1911; in vorliegendem Band Kat. Nr. 254. is Vgl. zum Forschungsstand Alessandra Rodolfo, „Signa super vestes‘\ in: Romei e giubilei. II pellegrinaggio medievale a San Pietro (350-1350) [Ausstellungskatalog Museo Palazzo Venezia Rom 2000], hg. von Mario D'Onofrio, Milano 1999, S. 151-156. 19 Inv. Nr. 1910; in vorliegendem Band Kat. Nr. 253. 20 jnv* Nr. 1904; in vorliegendem Band Kat. Nr. 249.
226 Hartmut Kiihne trum des Fassadenmosaiks der romischen Marienkirche in Trastevere, das am Ende des 13. Jahrhunderts hergestellt wurde.21 Die Ausfiihning als Flachguss und die Majuskelschrift machen eine Herstellung des Zeichens im 13. allenfalls noch am Beginn des 14. Jahrhunderts wahrscheinlich. Diese zeitliche Ubereinstim- mung zwischen Mosaik und Pilgerzeichen, vor allem aber die Auftiahme des fur die italienische Kunst im 13. Jahrhundert seltenen Motivs der Maria lactans macht die Herkunft des Zeichens aus der auch fur Rompilger interessanten Marienkir¬ che in Trastevere erwagenswert.22 Ein zweiter Bildtypus stellt die Verkiindigung an Maria in einem trapezformi- gen Rahmen dar.23 Es handelt sich um einen Flachguss mit Majuskelschrift, was den Entstehungszeitraum zwischen dem 12. und dem Beginn des 14. Jahrhun¬ derts eingrenzt, wobei die Schrift wegen der zahlreichen Ligaturen nach dem pa- laographischen Urteil eher in die erste Halfte dieses Zeitraums verweist.24 Von diesem Pilgerzeichentypus sind inzwischen 16 Exemplare25 bekannt, die von Fundplatzen aus ganz Europa und dem Nahen Osten stammen: Niederlande (7), Belgien (1), Frankreich/Paris (2), Schweden (1), GroBbritannien (2), Syrien/Tyrus (1), Italien (2). Diese Fundverteilung macht es sehr wahrscheinlich, dass es sich um das Zeichen einer Marienkirche handelt, die bereits im Hochmittelalter, spa- testens in der ersten Halfte des 13. Jahrhunderts, ein in der gesamten abendlan- dischen Christenheit bekanntes Pilgerziel darstellte. Es sind verschiedene Orte als Ursprung dieser Zeichen erwogen worden. Aron Andersson hat 1981 den schwedischen Fund von Visby wegen der beiden Pariser Seinefunde im Musee National du Moyen-Age - thermes et hotel de Cluny nach Paris verweisen wol- len.26 Dagegen hat die jiingere niederlandische Forschung nach dem ersten Fund 21 Vgl. die Abb. bei Walter Oakeshott, Die Mosaiken von Rom vom dritten bis zum vierzehn- ten Jahrhundert, Wien - Miinchen 1967, S. 273, Abb. 139. 22 Zur Darstellung der Marienkirche in den romischen Pilgerfuhrem vgl. die zusammenfassende Darstellung von Nine Robijntjc Miedema, Die romischen Kirchen im Spatmittelalter nach den „Indulgentiae ecclesiarum urbis Romae" (Bibliothek des Deutschen Historischen Institute in Rom 97), Tubingen 2001, S. 683-689. 23 Inv. Nr. 2307; in vorliegendem Band Kat. Nr. 260. 24 Ich habc Klaus Hallof, Berlin, fur diese Mitteilung zu danken. 25 Vgl. den Katalog von Andreas Haasis-Berner, Pilgerzeichen des Hochmittelalters (Verof- fentlichungen zur Volkskunde und Kulturgeschichte 94), Wurzburg 2003, S. 201-204, der 14 Exemplare verzeichnet. Es fehlen ein Fund aus Antwerpen aus einer Privatsammlung (vgl. den Eintrag in der Datenbank des Centrum voor Kunsthistorische Documentatie der Univer- sitat Nimwegen »http://www.let.kun.nl/ckd/kunera/« unter Maria, Nazareth, Objektnummer 09803) und ein romischer Fund in den Vatikanischen Museen (Biblioteca Apostolica Vaticana, Museo Sacro, Inv. Nr. 1060: Romei e giubilei (wie Anm. 18), Nr. 146, S. 364. 2t' Aron Andersson, Jungfru Marie Bebadelse, ett parisiskt pilgrimsmdrkefunnel i Visby, Fom- vannen 76, 1981, S. 30-35; ihm folgend Lars Andersson, Pilgrimsmdrken och vallfart. Me- deltida pilgrimskultur i Skandinavien (Lund Studies in Medieval Archaeology 7), Kumla 1989, S. 91.
Bedeutung der Pilgerzeichensammlungen der Staatliehen Museen 227 eines solchen Zeichens in Middelburg Nazareth als Ursprungsort erwogen.27 Die- ser Vorschlag hat verschiedene Argumente fur sich, weshalb er u.a. auch von An¬ dreas Haasis-Bemer aufgegriffen wurde.28 Zum ersten verweist die Szene der Verktindigung im Rahmen der biblischen Erzahlung eindeutig auf Nazareth. Die beiden Heiligtiimer, die im mittelalterlichen Europa den Ort der Verkiindigung adaptierten - das Heilige Haus in Walsingham (Norfolk) und die Santa Casa in Loreto - emittierten Pilgerzeichen, die diesem Pilgerzeichentyp nicht entspre- chen. Zum zweiten konnte das in Tyrus gefundcnc Zcichen auf eine Herkunft aus Palastina verweisen. Allerdings wirft die Nazareth-Hypothese einige Probleme auf. Da Nazareth nach der Schlacht von Hattim 1187 fur die Kreuzfahrer verlo- ren ging und die Nachrichten uber die Wiederherstellung der christliche Herr- schaft uber die Stadt durch den Friedensvertrag von 1229 sehr unsicher sind29, miissten diese Zeichen wohl bereits vor 1187 hergestellt worden sein, also in der Friihphase der Entstehung der Pilgerzeichen. Uber die Herstellung von metalle- nen Zeichen in den Kreuzfahrerstaaten sind aber keine schriftlichen Quellen be- kannt30 und es gibt bisher auch keine archaologischen Funde von metallenen Pil¬ gerzeichen oder Gussmodeln in Israel31, welche die Produktion solcher Zeichen wahrend der Kreuzfahrerherrschaft oder auch im Spatmittelalter belegen wiirden. Auch die seit der Mitte des 14. Jahrhunderts dichte Uberlieferung der Berichte von Palastinapilgem und besonders die vereinzelt iiberlieferten Rechnungsbii- cher schweigen uber den Erwerb von metallenen Zeichen im Heiligen Land. Zu diesem grundsatzlichen Zweifel an der Produktion von Pilgerzeichen in Palastina kommt hinzu, dass Nazareth weder im 12. Jahrliundert noch in den drei folgcn- den Jahrhunderten ein besonders attraktives Pilgerzentrum gewesen ist. Ohne die Herkunft der Pilgerzeichen aus Nazareth vollig ausschlieBen zu konnen, soli hier deshalb an eine bereits vor gut 100 Jahren von Anton de Waal geauBerte Vermu- tung erinnert werden: de Waal hatte im Jahre 1900 als erster auf das in den Vati- kanischen Museen bewahrte Exemplar dieses Pilgerzeichntypus hingewiesen, das in der Nahe der Engelsbriicke im Tiber gefunden worden sein soil.32 Wahrend de Waal sich bei dieser ersten Publikation im Hinblick auf die romische Herkunft des Pilgerzeichens noch im Unklaren war, so hielt er ffinf Jahre spater die Lokalisie- 27 Robert Maarten van Heeringen - Adrianus Maria Koi.deweij - Antonia Anna Geertruida GAALMAN, Heiligen uit de modder. In Zeeland gevonden pelgrimstekens (Clavis kunsthisto- rische monografieen 4), Utrecht - Zutphen 1987, S. 105f. 28 Haasis-Berner (wie Anm. 25), S. 201 f. 29 Ygi Hans Eberhard Meyer, Geschichte der Kreuzziige, Stuttgart 1965, S. 212. 30 Ich habe Marie-Luise Favreau-Lilie, Berlin, ganz herzlich fiir diese Auskunft zu danken. 31 Ich bin Mordechai Lewy und Pnina Arad, beide Jerusalem, fur die Auskiinfte und Recherchen und in der Israelischen Altertumsbehorde (IAA) zu Dank verpflichtet. 32 Anton DE Waal, Andenken an die Romfahrt im Mittelalter, Romische Quartalschrift 14, 1900, S. 54-67, hier S. 67. Zum Fund vgl. die Angaben in Romei egiubilei (wie Anm. 18), Nr. 146, S. 364.
228 Hartmut Ktihne rung nach S. Maria Maggiore fur ,,wahrscheinlich“ 33 Dass an dieser romischen Hauptkirche, die Teile der Krippe Jesu und andere mit der Geburt Christi ver- bundene Reliquien besaB34, keine Pilgerzeichen emittiert worden sind, ist wenig wahrscheinlich. Insofem sollte dieser Hinweis bei zukiinftigen Recherchen be- dacht werden, auch wenn die romische bzw. italienische Herkunft dieses Zei- chens wie auch der anderen verlorenen Pilgerzeichen des Kaiser-Friedrich- Museums vorerst eine Arbeithypothese bleiben muss. Die Pilgerzeichensammlung im Berliner Kunstgewerbemuseum Wahrend die seit 1945 ausnahmslos verschollenen mittelalterlichen Pilgerzei¬ chen des vormaligen Kaiser-Friedrich-Museums in ahnlicher Weise wie die der Kolner Sammlung Clemens die italienische Kultgeographie widerspiegeln, so waren die zwischen 1930 und 1944 von Erich Meyer (1897-1967) fur das Berli¬ ner Kunstgewerbemuseum, das damalige SchloBmuseum, betriebenen Akquisi- tionen vomehmlich auf franzosische Pilgerzeichen und ahnliche Devotionalien gerichtet.35 In dieser Zeit war das um 1900 in Sammlerkreisen noch lebendige Interesse an diesen Objekten bereits fast vollig erloschen und die Forschung wurde von den Entdeckungen der Pilgerzeichenabgusse auf Glocken bestimmt. Die Situation am Ende des Zweiten Weltkrieges, in der sich Erich Meyer nach dem Ankauf der Sammlung Lambert Jagenau aus Den Haag mit den Pilgerzeichen verstarkt zu beschaftigen begann, wird durch ein Schreiben beleuchtet, in dem Hans Wentzel, der damalige Mitarbeiter Otto Schmidts am Reallexikon zur deutschen Kunstgeschichte in Stuttgart, am 8. Februar 1945 auf eine Anfrage aus Berlin antwortete (Abb. I).36 Meyer muss sich bei Wentzel nach bibliographi- schen Hinweisen zu Pilgerzeichen und den Bearbeitem des Lemmas fur das RDK erkundigt haben. Die mitgeteilten ,,Pilgerzeichen-Notizen“ verweisen auf die Sammlungen in Worms und Berlin, uberwiegend aber auf Literatur zu Pilgerzei- chenabgiissen auf Glocken in den Beitragen von Paul Liebeskind und in einzel- nen Banden der Kunstinventare der deutschen Lander. Eine kleine Uberraschung ist die 1932 angekiindigte GieBener kunstgeschichtliche Dissertation zum Thema Pilgerzeichen, die aber nicht abgeschlossen wurde: Johanna Pfeiffer war im Ge- gensatz zur urspriinglichen Planung am 28. Mai 1936 mit einer Arbeit zur roma- 33 Anton DE Waal, Roma Sacra. Die ewige Stadt in ihren chrisllichen Denkmalern und Erin- nerungen alter und neuer Zeit, Munchen 1905, S. 258. 34 Vgl. zu den Reliquien und der Kapelle der Wiege Christi Miedema (wie Anm. 22), S. 259- 295, besonders Nr. 8-11, S. 263f. und S. 273f. 35 Vgl. zu den einzelnen Erwerbungen den Beitrag von Lothar Lambacher (wie Anm. 5). 36 Der Brief befindet sich im Nachlass Kurt Koster, Faszikcl Erich Meyer im Deutschen Glok- kenarchiv, Germanisches Nationalmuseum Niimberg.
Bedeutung der Pilgerzeichensammlungen der Staatlichen Museen 229 nischen Plastik am Kunstgeschichtlichen Institut in Gieflen promoviert wordcn.37 Moglicherweise hatte ihr Lehrer und Doktorvater Christian Rauch (1877-1976), der damals das Kunstinventar des Kreises Bingen fur die Kunstdenkmaler im Grofiherzogthum Hessen bearbeitete und dabei auch auf Pilgerzeichenabgiisse stieB, das Thema vorgeschlagen.38 Die bis zum Kriegsende am Berliner SchloBmuseum entstandene Sammlung von Pilgerzeichen stellte schon durch ihre GroBe eine aussagekraftige Basis fiir die Beschaftigung mit dieser Objektgruppe dar. Mit liber dreihundert einzelnen Objekten war es die umfangreichste Sammlung franzosischer Pilgerzeichen und WeiBmetalldevotionalien in Deutschland. Offenbar war Erich Meyer entschlos- sen, durch seine Beschaftigung mit den Berliner Erwerbungen der Erforschung dieser Metallgusse einen neuen Impuls zu verleihen. Der Verlust eines groBen Teiles der Pilgerzeichensammlung wohl in den letzten Wochen des Krieges und Meyers politisch motivierter Abschied vom SchloBmuseum im Jahr 1947 hat diese Absichten vereitelt. Auch wenn er keine einschlagigen Publikationen ver- offentlichte, scheint er auch spater als Direktor des Hamburger Museums fur Kunst und Gewerbe ein gewisses Interesse an dem Gegenstand bewahrt zu haben — eine fur deutsche Kunsthistoriker in der Mitte des 20. Jahrhunderts ganz unge- wohnliche Erscheinung.39 Im Hinblick auf die Bedeutung der im SchloBmuseum zusammengetragenen Sammlung wird man zunachst einer historischen Fehldeutung widersprechen mussen. Erich Meyer teilt in seinem fragmentarischen Essay iiber den Ankauf des Sammlungsteils in Den Haag mit, der Verkaufer habe die Objekte als Schel- defunde bezeichnet.40 Dieser Behauptung ist nicht zu trauen. Zunachst kann man davon ausgehen, dass die damals angekaufte Sammlung keinen geschlossenen 37 Johanna Pfeiffer, Studien zum romanischen Kruzifixus der deutschen Plasiik, Wetzlar 1938, zugleich GieBen, Phil. Diss. 1936. Erstgutachter war Christian Rauch, Zweitgutachter der Archaologe Walter-Herwig Schuchhardt. Nach der biographischen Skizze ebenda, S. 95 scheint Rauch der bestimmende Lehrer gewesen zu sein. 38 Die Kunstdenkmaler des Kreises Bingen, bearbeitet von Christian Rauch (Kunstdenkmaler im GroBherzogthum Hessen B: Provinz Rheinhessen = Die Kunstdenkmaler im Volksstaat Hes¬ sen 10), Darmstadt 1934. Pilgerzeichen fanden sich u.a. auf den Glocken Tilman von Ha- chenbergs in Heidesheim, vgl. ebenda, S. 346ff. 39 Dieses Interesse wird jedenfalls nahegelegt durch die Anmerkungen von Monica Rydbeck, Ein Detail im Pilgerwesenpuzzle, in: Festschrift fur Erich Meyer zum sechzigsten Geburts- tag. 29. Oktobcr 1957. Studien zu Werken in den Sammlungen des Museums fur Kunst und Gewerbe Hamburg, hg. von Werner Gramberg - Carl Georg Heise u.a., Hamburg 1959, S. 122-125, und Edith Meyer-Wurmbach, Kolner,Zeichen ’und,Pfennige 'zu Ehren der Hei- ligen DreiKonige, in: Achthundert Jahre Verehrung der Heiligen Drei Konige in Koln 1164— 1964 (Kolner Domblatt 23/24), Koln 1964, S. 205-292, hier S. 205 mit Anm. 4. 40 Aus solchen Seinefunden scheinen auch die Pilgerzeichen der Sammlung Figdor herzuruh- ren wahrend die bei einem Haager Handler erworbenen Stiicke nach den Angaben des Ver- kaufers aus der Scheidc stammen sollen.“ Erich Meyer, Die mittelalterlichen Pilgerzeichen
230 Hartmut Kiilme Fundkomplex darstellt, sondem aus unterschiedlichen Bestanden zusammenge- fuhrt wurde. Dies legt schon der Zustand einzelner Stiicke nahe, die, bevor sie mit Draht auf jene Pappen montiert wurden, auf denen sie bis zur jetzt vorliegenden Bearbeitung magaziniert waren, in einem anderen Sammlungskontext mit Kleb- stoff auf einem Papptrager befestigt gewesen waren.41 Fur weitere Recherchen zur Genese der Haager Sammlung konnte von Bedeutung sein, dass von minde- stens zweien ihrer Stiicke Gipsabgiisse existierten, deren Fotos sich im Silber- museum Sterckshof in Deume (Antwerpen) befanden.42 Da durch die umfangrcichcn niederlandischen Funde der letzten 25 Jahre43 die iibliche Zusammensetzung niederlandischen Feuchtbodenfunde besser bekannt ist als dies vor 60 Jahren der Fall war, ist die Herkunft eines groBeren Teils der in Den Haag erworbenen Weiflmetallgiisse aus der Schelde unwahrscheinlich. Anzunehmen ist vielmehr, dass sie in Frankreich und dort wohl in der Seine ge- fimden wurden. Die Ahnlichkeiten der von Jagenau verkauften Stiicke mit den Sammlungen im Musee National du Moyen-Age - thermes et hotel de Cluny sowie mit denen in Prag, Worms und Koln ist weit grofler, als die Beriihrungen zu den gut 2.000 in den letzten Jahren von Hendrik Jan Engelbert van Beuningen und Adrianus Maria Koldeweij publizierten niederlandischen Funden. Lediglich fur einzelne Stiicke wie etwa eine die Herrschafit Karls V. (Kaiser 1519-1556) symbolisierende Hellebarde44 oder das Kolner Drei-Konigs-Zeichen45 ist ein nie- derlandischer Fundzusammenhang wahrscheinlicher als ein franzosischer. Im Hinblick auf die mittelalterliche Wallfahrtsgeographie Frankreichs deckt die Sammlung mit 15 gesicherten46 und zwei weiteren vermutlichen Herkunfts- des Berliner Schlofimuseums, Typoskript im Nachlass Kurt Koster, Faszikel Erich Meyer, Deutsches Glockenarchiv im Germanischen Nationalmuseum Niimberg. Das offenbar un- vollendet gebliebene Manuskript Meyers ist auszugsweise zitiert bei Lambacher (wie Anm. 5). 41 Dies gilt u.a. fur die Inv. Nr. 1944,18 (63 b); in vorliegendem Band Kat. Nr. 194 und die Inv. Nr. 1944,18 (63 e); in vorliegendem Band Kat. Nr. 197. 42 Es handelt sich um die die Inv. Nr. 1944,18 (6 e); in vorliegendem Band Kat. Nr. 37. Das Foto des Abgusses ist mit der Herkunftsbezeichnung „Museum Sterckshof, Fotosammlung 166“ als eigenstandiger Nachweis in die PZK Kurt Koster aufgenommen worden. Im Fall der Inv. Nr. 1944,18 (27 c); in vorliegendem Band Kat. Nr. 68, hat Kurt Koster auf der Karteikarte fur das inzwischen verlorene Berliner Original den Gipsabguss als Foto in der „Foto-Sammlung de Beer, Antwerpen-Deume, Sterckshof-Museum“ notiert. Eine Reproduktion findet sich ebenfalls dort. 43 Vgl. dazu auch den Beitrag von Jos KOLDEWEIJ, Pilgrim and Secular Badges: Archaeologi¬ cal Finds in the Low Countries, in vorliegendem Band. 44 Inv. Nr. 1944,18 (63 b); in vorliegendem Band Kat. Nr. 194. 45 Inv. Nr. 1944,18 (19 a); in vorliegendem Band Kat. Nr. 52. 46 Amiens, BouIogne-sur-Mer, Le Puy , Mont-Saint-Michel, Mont Sainte-Odile (Odilienberg), Rocamadour, Rouen (Sainte-Catherine-du-Mont), Saint-Claude, Saint Gilles-du-Gard, Saint- Maur-des-Fosses, Saint Nicolas-du-Port, Saint-Quentin, Tomblaine, Val Vauvert, Vaudouan,
Bedeutung der Pilgerzeichensammlungen der Staatlichen Museen 231 orten* 47 ein knappes Drittel der 57 bisher bekannten Wallfahrtsorte mit Pilgerzei- chenproduktion im heutigen Frankreich ab.48 Hinzu kommt ein auch in alien an- deren Sammlungen franzosischer WeiBmetallgiisse haufig anzutreffendes Mari- enzeichen, dessen Herstellung in einer GieBerwerkstatt am Mont Saint Michel kiirzlich durch die Auffindung eines entsprechenden Gussmodels nachgewiesen wurde 49 Der geographische Schwerpunkt der Herkunftsorte jener Pilgerzeichen, die einem Kultort zugeordnet werden konnten, liegt zwischen der Bretagne im Westen, dem Artois im Norden und der ile-de-France. Aber auch die groBen Pil- gerzentren im Siiden Frankreichs sind in der Sanunlung vertreten. Dies gilt fur die Zeichen aus St. Gilles-du-Gard50 - an der Via Tolosana des Jakobswegenetzes gelegen - und das Fragment aus Le Puy51 sowie das Zeichen aus Rocamadour52, beide an der Via Podiensis. Die Sammlung umfasst mit vier typengleichen Pilgerzeichen aus Saint- Claude53 eine auBerordentlich groBe Zahl dieses relativ seltenen Flachgusstypus, von dem Kurt Koster insgesamt zwolf bekannte Exemplare verzeichnet. Dieselbe Bildahnlichkeit, durch die alle vier Zeichen unserer Sammlung miteinander ver- bunden sind, besitz allerdings nur noch ein weiterer Seinefund im Musee de Cluny54 — die iibrigen typengleichen Giisse sind durch eine andere Haltung der Hande und des Stabes von diesen fiinf unterschieden. Ein merkwurdiger Umstand ist, dass das Berliner SchloBmuseum zwei Exem¬ plare eines identischen Pilgerzeichens besaB, das in keiner anderen Pilgerzei- vgl. auch das Ortsregister am Ende des vorliegenden Bandes. 47 Eine Ampulle, Inv. Nr. 1944,18 (65 c); in vorlicgendem Band Kat. Nr. 205, konnte aus der Kartause von Dijon stammen, zwei Exemplare eines identischen Pilgerzeichens evtl. aus der Kathedrale Notre-Dame in Paris, Inv. Nr. 1930,60 m und 1944,18 (6 e); in vorliegendem Band Kat. Nr. 12 und 37. 48 Diese Zahl beruht auf der Ubersicht bei Andreas Haasis-Berner, Pilgerzeichenfnrsehung. Forschungsstand und Perspektiven, in: Spatmittelalterliche Wallfahrt im mittcldeutschcn Raum, hg. von Hartmut Kiihne - Wolfgang Radtke - Gerlinde Strohmaier-Wiederanders, Berlin 2002, S. 63-83, hier S. 79-83. Die von Kurt Koster, Mittelalterliche Pilgerzeichen, in: Wallfahrt kennt keine Grenzen. Themen zu einer Ausstellung des Bayerischen National- museums und des Adalbert-Stifter-Vereins, hg. von Lenz Kriss-Rettenbeck - Gerda Mohler, Miinchen - Zurich 1984, S. 203-223, hier S. 214f. in der Gesamtiibersicht genannten 91 fran- zosischen Kirchen umfassen nicht nur Pilgerzeichen, sondem auch andere Devotionalien. 49 Es handelt sich urn die Inv. Nr. 1944,18 (25); in vorliegendem Band Kat. Nr. 66. Vgl. Mvre au Moyen Age. Archeologie du quotidien en Normandie, XIIIе - XVе siecles [Ausstellungs- katalog Caen - Toulouse - Evreux 2002/2003], hg. von Monique Rey-Delquc, Mailand 2002, Nr. 262. Ich habe Stefan Krabath, Dresden, fur den Hinweis auf diese Publikation zu danken. 5° inv. Nr. 1944,18 (3 a) und 1944,18 (45 a-c); in vorliegendem Band Kat. Nr. 30 und 105-107. 51 Inv. Nr. 1944,18 (63 f); in vorliegendem Band Kat. Nr. 198. 52 Inv. Nr. 1944,18 (44 c); in vorliegendem Band Kat. Nr. 104. 53 Inv. Nr. 1944,18 (1), 1944,18 (lb?), 1944,18 (2) und 1944,18 (4); in vorliegendem Band Kat. Nr. 27-29 und 31. 54 BRUNA (wie Anm. 2), Nr. 163, S. 125.
232 Hartmut Kiihne chensammlung vertreten zu sein scheint - eines davon wurde aus der Sammlung Figdor erworben und eines stammt aus dem Haager Ankauf.55 Lediglich die 1911 in Miinchen auktionierte Luzemer Sammlung Bossard enthielt die fragmentari- sche linke Halfte eines ahnlichen Gittergusses, iiber dessen weiteren Verbleib nichts bekannt ist.56 Kurt Koster hat dieses Zeichen in der PZK an zwei Stellen verschlagwortet: einmal unter dem Formtyp „2 Bischofe, Formtyp J“ und zum zweiten Mai unter „Florentinus und Vindemialis“ - leider ohne einen weiteren bi- bliographischen oder sachlichen Hinweis zu geben. Daher konnte bei der Bear- beitung des Katalogs dieser Identiflzierung nicht weiter nachgegangen werden. Das Attribut des Drachen, dem die linke Bischofsgestalt den Kreuzstab in das Maul stoflt, konnte aber auch auf den Pariser Stadtpatron Macellus hindeuten, dem dann wohl der hi. Dionysius zur Seite steht. Die auf die Verkundigung eines vollstandigen Ablasses verweisende Inschrift „plaine pardon“ ware dann mogli- cherweise auf jenen Ablass bezogen, den die Pariser Kathedrale Notre-Dame nach dem Vorbild der Abtei Saint-Denis seit dem Beginn des 15. Jahrhunderts fur ihre Besucher beanspruchte.57 Ebenfalls singular sind fiinf metallene Palmwedelchen.58 Ihrer Grofle nach zu urteilen, muss es sich um selbstandige Abzeichen und nicht um Fragmente von anderen Darstellungen handeln. Zwar erinnem diese Objekte an die natiirlichen Palmwedel, die als Zeichen der Heilig-Land-Fahrer von diesen nach Hause mit- gebracht wurden59; als metallene Zeichen der Jerusalem-Pilgerfahrt sind aber nur die so genannten Jerusalemkreuze belegt.60 Moglicherweise waren diese Palm- 55 Inv. Nr. 1930,60 m und 1944,18 (6 e); in vorliegendem Band Kat. Nr. 12 und 37. 56 Diese Angabe beruht auf der Notiz in der PZK Kurt Koster, 2 Bischofe, J. Der Auktionska- talog Sammlung J. Bossard, Luzern: II. Abteilung: Arbeiten in Edelmetall - Bestecke - Ar- beiten in Zinn, Bronze, Elfenbein etc. vorwiegend der Gothik und der Renaissance, Auktion Hugo Helbing (Miinchen) am 22. bis 24. 5. 1911, Miinchen 1911, war dem Vf. leider nicht zuganglich. 57 Zum Ablass von Notre-Dame vgl. diekurze Notiz bei Petrus Comelis Boren, Heiligdoms- vaart Maastricht. Schets van de geschiedenis der heiligdomsvaarten en andere juhelvaar- ten, Maastricht 1962, S. 144. Eine neuere Untersuchung zu diesem Reliquicn- und Ablass- fest scheint zu fehlen; fur Auskiinfte zum historischen Kontext danke ich Ralf Liitzelschwab, Berlin, und Philippe Cordez, Paris/Berlin. Zum Ablass von Saint-Denis vgl. den Uberblick bei Nikolaus Paulus, Geschichte des Ablasses im Mittelalter, 3 Bde., Paderbom 1922f., neu hg. und eingeleitet von Thomas Lentes, Darmstadt 2000, Bd. 2, S. 256-260. 58 Inv. Nr. 1944,18 (68 a-e); in vorliegendem Band Kat. Nr. 210-214. 59 Vgl. Robert PlOtz, Peregrini - Palmieri - Romei. Untersuchungen zum Pilgerbegriffder Dantezeit, Jahrbuch fur Volkskunde N.F. 2, 1979, S. 103-134, hier S. 123-129. 60 Vgl. Wallfahrt kennt keine Grenzen. Ausstellung im Bayerischen Nationalmuseum Miinchen, hg. von Lenz Kriss-Rettenbeck u. a., Miinchen 1984, Nr. 89, S. 75f. und 123, S. 88; Morde- chay Lewy, Das Jerusalemkreuz - ein enigmatisches Zeichen? Versuch einer Entwwklungs- geschichte seit den Kreuzziigen, Deus lo vult. Jahrbuch der deutschen Statthalterei des Rit- tcrordcns zum Heiligen Grab zu Jerusalem N.F. 70, 2004, S. 26-36.
Bedeutung der Pilgerzeichensamrnlungen der Staatlichen Museen 233 wedel aber auch wesentlich weiter verbreitet gewesen, als es die ffinf Objekte ahnen lassen. Ahnliche Funde sind vielleicht auch dcshalb bisher iibersehen wor- den, weil sie leicht den beim Gieflen von Blei-Zinn-Legierungen in Modeln ent- stehenden Gusstutzen, also einem Abfallprodukt, ahneln. Eine weitere Besonderheit der Sammlung des Kunstgewerbemuseums besteht darin, dass sich viele Stiicke bis heute in einem unrestaurierten Zustand befin- den. Dies lasst sie auf den ersten Blick weniger attraktiv erscheinen, als bei- spielsweise die akribisch gesauberten und restaurierten Stiicke im Prager Kunst- gewerbemuseum. Freilich haben sich aber auch deshalb auf einigen der Berliner Objekte Spuren erhalten, die eine fhihere Restaurierung moglicherweise beseitigt hatte. So finden sich auf einer Plakette mit der Darstellung der Weisung des Jo- hanneshauptes in Amiens noch Spuren roter Farbe.61 Die farbige Bemalung von Pilgerzeichen scheint nicht ungewohnlich gewesen zu sein, ist aber an den Ob- jekten selten nachzuweisen. Reste der roten Fassung eines Wilsnacker Pilgerzei- chens haben sich auf einem im niedersachsischen Kloster Wienhausen gefundenen Exemplar erhalten.62 Bei zwei Agnus-Dei-Kapseln lassen sich noch Reste von Wachs hinter dem Bildfeld ausmachen63, die dafur sprechen, dass diese Devotionalien nicht nur wegen der bildlichen Darstellung, sondem auch wegen des in ihnen enthaltenen geweihten Wachses als Agnus Dei anzusprechen sind.64 Eine besondere Uberra- schung barg aber eine der Miniaturampullen, die aus der Sammlung Figdor stammt. Die Ampulle mit einem charakteristischen Schuppendekor, fur die durch ahnliche Fundstucke in Dordrecht, Braunschweig und Korinth die Entstehung in einer von weiten Kreisen der lateinische Christenheit aufgesuchten Pilgerregion wie dem Heiligen Land wahrscheinlich ist, barg einen mittelalterlichen Seiden- stoff, in den ein kleines mineralisches Objekt sorgfaltig eingewickelt war.65 Der Leser wird im Katalog sicher eine Reihe weiterer Details entdecken, die unsere Kenntnis liber die religiosen Devotionalien des Mittelalters und die Um- welt, aus der sie stammen, zu bereichem vermogen. Freilich ist bei der Bearbei- tung auch deutlich geworden, wie bruchstiickhaft unsere Kenntnis der mittelal- 61 inv_ Nr. 1944,18 (41); in vorliegendem Band Kat. Nr. 101. 62 Vgl. Horst Appuhn, Kloster Wienhausen. Der Fund vom Nonnenchor, Kloster Wienhausen 1973, S. 17f. Eine farbige Abbildung des Pilgerzeichens jetzt auch in Wunder-Wallfahrt- Widersacher. Die Wilsnackfahrt, hg. von Hartmut Kiihne - Annc-Katrin Zicsak, Regensburg 2005, S. 83. 63 Inv. Nr. 1944,18 (56 j) und 1944,18 (57 g); in vorliegendem Band Kat. Nr. 153 und 160. 64 Zur Sache vgl. Wolfgang Bruckner, Christlicher Amulett-Gebrauch in der friihen Neuzeit. Grundsatzliches und Spezifisches zur Popularisierung des Agnus Dei, in: Ders., Kulturtech- niken. Nonverbale Kommunikation, Rechtssymbolik, Religio camalis (Volkskunde als hi- storische Kulturwissenschaft 85), Wurzburg 2000, S. 141-197. 65 Inv. Nr. F 810; in vorliegendem Band Kat. Nr. 21.
234 Hartmut Kiihne terlichen Pilgerzeichen und Devotionalien insbesondere im Hinblick auf die fran- zosischen Herkunftsgebiete noch immer ist.66 Deshalb kann auch der hier vorge- legte Katalog nur ein Schritt hin zu einer Gesamtdarstellung dieser unscheinba- ren aber fur die religiose Alltagskultur so aussagekraftigen Objektgruppe der Pil¬ gerzeichen und Metalldevotionalien des spaten Mittelalters sein. 1 U4eJkr'hJ}$uL ' ^ trb'rb* { ^ toZt- Ач*. К*- fU** A»* /•"<*._ . 1- t&'&. Ol*. йи \ —a j ])*a , fcnrftAjb fi —* ,/*** pf 4^(K Jiff . - * V , А Jt i) fa,-w/ujinl. ItJ p/ti; *rK-\ Д/^Л' -- 2*:#4л^6у+АлK flfrywL' /**s AJI^ brbff •лд»Ш|| «diralbtnl £ >* Abb. 1: Brief von Hans Wenzel an Erich Meyer vom 8. Februar 1945. Fotos: Hartmut Kiihne 66 In den letzten Jahren ist in Frankreich neben der Entdeckung der Pilgerzeichenwerkstatt auf dem Mont-Saint-Michel - vgl. Vivre au Moyen Age (wie Anm. 49) - ein besonders umfang- reicher Fund von ca. 350 Zeichen in Valenciennes zu erwahnen, vgl. Amaud Tixador, Ens- eignes sacrees et profanes medievales decouvertes a Valenciennes. Un peu plus dun kilo¬ gramme d’histoire, Valenciennes 2004. Ich bin Philippe Cordez, Paris/Berlin, fur diesen bi- bliographischen Hinweis zu Dank verpflichtet.
235 Stefan Krabath Profane Zinngusse des Mittelalters im Berliner Kunstgewerbemuseum Die Sammlung des Berliner Kunstgewerbemuseums verfugt liber einen ansehn- lichen Bestand an hoch- und spatmittelalterlichen Glissen aus Zinn-Blei- Legierungen. Der uberwiegende Teil dieser Gegenstande besitzt einen sakralen Charakter und kann sennit als Pilgerzeichen oder Wallfahrtsdevotionalie ange- sprochen werden. Eine wesentlich kleinere Gruppe umfasst profane Giisse in Form von Fingerringen, Spangen, Rahmen und dergleichen (Kat. Nr. 177, 178, 180, 182, 185-187, 197,215-242). Zu diesem Museumsbestand gehoren auch zwei Schmuckstiicke aus einer Kupferlegierung und aus Silber (Kat. Nr. 222, 227), die schon vom Vorbesitzer wahrscheinlich aufgrund ihrer dunkelgrauen - Шг Zinn typischen - Patina zu diesen Weichmetallarbeiten geordnet wurden. Profane Gegenstande aus weichen Blei- oder Zinnlegierungen standen bislang kaum im Focus archaologischer oder kunsthistorischer Forschung. Dieser Um- stand mag ihrer groBen Seltenheit geschuldet sein. Aufgrund einer ahnlichen Dichte und ihrer grauen Patina (Oxidationsschicht) lassen sich Blei-Zinn- bzw. Zinn-Blei-Legierungen haufig nur schlecht aufgrund ihres optischen Eindrucks voneinander unterscheiden. Blei ist seit der Antike bekannt und wurde schon vor der Wende vom ersten zum zweiten nachchristlichen Jahrtausend vomehmlich fur die Deckung von Da- chem, die Verglasung von Kirchenfenstem und als Legierungsbestandteil von Buntmetallen eingesetzt. Selten haben sich dariiber hinaus profane bzw. sakrale Bleigegenstande erhalten: Zu nennen sind beispielsweise das Typar Kaiser Kon¬ rads II. (Reg- 1024-1039) aus der Klosterruine Limburg bei Bad Diirkheim1, Grabfunde [n Form eines Reliquiars aus der Mitte des 11. Jahrhunderts im Dom zu Limburg an der Lahn (Landkreis Limburg-Weilburg)1 2 oder die Herrschaftsin- signien aus dem Grab Kaiser Lothars III. von Slipplingenburg (Reg. 1125-1137) in der Stiftskirche zu Konigslutter am Elm (Landkreis Helmstedt).3 Abgesehen von einigen Kastchenbeschlagen und Kirchenleuchtem wurde der uberwiegende Teil der bekannten hoch- und spatmittelalterlichen Zinngegenstande 1 Historisches Museum der Pfalz Speyer (Museen in Rheinland-Pfalz 1), Speyer 1983, S. 1 OOf. (Glinter Stein). 2 Freiherr Eberhard SCHENK ZU Schweinsberg, Bleireliquiar und Kurzboldgrab in Limburg an der Lahn. Versuch einer Umdatierung, Nassauische Annalen 73, 1962, S. 17-26. 3 Hartmut ROtting, Die Grablege Lothars III. in der Stiftskirche zu Konigslutter, in: Kirchen, Kloster, Manufakturen, Braunschweig 1985, S. 61-82.
236 Stefan Krabath als Bodenfund geborgen.4 Zinnobjekte treten erst seit dem spaten 12. und 13. Jahr- hundert unter den archaologischen Bodenfunden haufiger in Erscheinung. In diese Zeit fallt eine bedeutende Phase des Landesausbaus, einhergehend mit zahlreichen Stadtgriindungen, die einen erhohten Bedarf und somit eine groBere Produktion be- dingten. Die Nachffage nach dem in Mitteleuropa relativ raren Metall Zinn wurde seit der Antike durch die Lagerstatten in Cornwall (GroBbritannien) gedeckt. Seit dem 12. Jahrhundert verbesserte sich die Verfiigbarkeit des Rohstoffs durch die Entdeckung neuer Vorkommen im sachsisch-bohmischen Erzgebirge. Die erste ZinngieBerzunft wird 1285 in Ntimberg genannt.5 Aus dem 13. Jahrhundert stam- men auch die ersten archaologischen Belege fur eine umfangreiche handwerkliche Produktion von Schmuckstiicken, beispielsweise in Magdeburg. Einzelfunde von GieBformen stellen jedoch die Regel dar. Eine Kalksteinform fur ,,Hansekannen“ des ausgehenden Mittelalters belegt eine GieBerei in Visby auf Gotland (Schwe- den).6 Dariiber hinaus konnen einzelne Formen fur Schmuckstucke fiber weite Teile Mitteleuropas nachgewiesen werden. Der Hauptteil der ffiihen profanen Zinngegenstande gehort zu den Trachtbe- standteilen. Auch Lofifel finden sich schon in Befunden des friihen 12. Jahrhun- derts.7 Daneben treten seit dem 14. Jahrhundert vermehrt Kastchen8 bzw. Dosen, Becher9, Teller, Kriige, Kannen, Flaschen und Leuchter10 * auf.11 Seltener sind seit dem 15. Jahrhundert Messerscheiden, Wandbrunnen und LavabogefaBe iiberliefert.12 4 Beschlage auf einem norddeutschen (?) Zinnkasten im Kunstgewerbemuseum Dresden, 14. Jh.: Kerstin StOver, Die „Demiani'sche Zinn-Sammlung“ - wissenschaftliche Piomer- leistung eines Privatiers, in: Vom Schenken und Sammeln. 125 Jahre Kunstgewerbemuseum Dresden [Ausstellungskatalog Dresden 2001], hg. von Igor A. Jenzen, Dresden 2001, S. 81- 115, Nr. 3.1, S. 90; Siebenarmiger Leuchter, Warendorf, Westfalen, Ende 15. Jh.: Margarete Pieper-Lippe - Karl-Heinz Husmann, Zinn in Westfalen, Bd. 3: Munstersches Zinn nach 1700, niunsterlandisches Zinn, Nachtrag zum sudwestfalischen Zinn. Westfalen, Sonderheft 24, Munster in Westfalen 1988, Nr. MA 8, S. 4 f. 5 Theodor Kohlmann in: Reinhold Reith, Lexikon des alten Handwerks. Vom spaten Mittelal- ter bis ins 20. Jahrhundert, Miinchen, 2. Auflage 1991, S. 272. 6 Die Hanse. Lebenswirklichkeit und Mythos. Eine A usstellung des Museums fur Hamburgische Geschichte, hg. von Jorgen Bracker, 2 Bde., Hamburg 1989, Nr. 14.103, Bd. 2, S. 293. 7 Seit dem spaten 11 ./friihen 12. Jh. belegt, vgl. Geoff Egan, Butcher, Baker, Spoon- and- Can¬ dlestick Maker?, in: Gevonden voorwerpen. Festschrift fur Hendrik Jan Engelbert van Beu- ningen, hg. von Dory Kicken - Adrianus Maria Koldeweij - Johannes Rein ter Molen (Rot¬ terdam Papers 11), Rotterdam 2000, S. 102-115, hier S. 102 f. 8 Joseph Braun, Der christliche Altar in seiner geschichtlichen Entwicklung, 2 Bde., Miin- chen 1924, Bd. 1, S. 641 f. 9 Fund aus Leipzig, spates 13./friihes 14. Jh.: Leipzig original. Stadtgeschichte vom Mittelalter bis zur Volkerschlacht (Katalog zur Dauerausstellung des Stadtgeschichtlichen Museums Leipzig im Alten Rathaus 1), hg. von Volker Rodekamp, Leipzig 2006, S. 54f. (Thomas Westphalen). 10 Rudolf Grenz, Die Anjdnge der Stadt Miinden nach den Ausgrabungen in der St. Blasius-Kir- che (Schriften zur Geschichte der Stadt Hannoversch Miinden 1), Hannoversch Miinden 1972, S. 79-84, Abb. 28-31; EGAN(wieAnm. 7), S. 102-104.
Profane Zinngiisse des Mittelalters im Kunstgewerbemuseum 237 Einige Pilgerzeichen weisen Reste einer ursprunglich vorhandenen farblichen Fassung auf.13 Moglicherweise kann dies auch fur einige der Schmuckstiicke vor- ausgesetzt werden, jedoch kann dieser Umstand ohne detaillierte chemische Ana- lysen derzeit nicht naher belegt werden. Liistrierungen konnten ebenfalls zur op- tischen Aufwertung des grauen Metalls verwendet worden sein, um ein hoher- wertiges Material zu imitieren. Eine Spange von der Ruine Lutzelhardt bei Lahr (Ortenaukreis) besitzt beispielsweise einen Uberzug aus edlerem Metall.14 Die bedeutenden Pilgerzeichensammlungen Europas enthalten zu einem ge- ringen Anteil auch Schmuckstiicke und Miniaturen ohne religiosen Charakter. Genannt seien in diesem Kontext die Kollektionen von Hendrik Jan Engelbert van Beuningen in Rotterdam15 und die im 19. Jahrhundert in Paris aus der Seine gebaggerten Giisse im Musee National du Moyen Age - thermes et hotel de Cluny.16 Doch der Schein triigt - profane Miniaturen waren im Mittelalter weit- aus haufiger als es die Stichproben der beiden genannten Sammlungen vermuten lassen. Eine dem Dresdener Miinzkabinett von Ida von Boxberg (1803-1893) ge- schenkte Sammlung - die heute leider verschollen ist - enthielt liber 300 in Frank- reich gefundene Fingerringe und Plomben.17 Haufig kamen neben Pektoralen auch Schmuckstiicke und Spielzeuge zu Tage. Auffallend erscheint eine Fundhaufung in den Niederlanden und in Skandinavien.18 Das mitteleuropaische Binnenland bleibt demgegeniiber weitgehend ffei von der- 11 Hanns-Ulrich Haedeke, Zinn. Ein Handbuch fur Sammler und Liebhaber (Bibliothek flir Kunst- und Antiquitatenfreunde 16), Braunschweig, 2. Auflage 1973, S. 37-77; Hanns-Ul- rich Haedeke, Kunstgewerbemuseum der Stadt Koln. Zinn (Kataloge des Kunstgewerbemu- seums Koln 3), Koln, 2. erweiterte Auflage 1976, Nr. 109-114, S. 96-98. 12 Messerscheide aus Rchburg-Loccum (Ldkr. Nienburg): Sonja Konig - Stefan Krabath, Mit- telalterliche undfnihneuzeitliche Bodenfunde von der Rehburg in Rehburg-Loccum am Stein- huder Meer. Ein erster Uberblick. Die Kunde N. F. 55, 2004, S. 11-31, hier S. 25, Abb. 10; Lavabo-Gefafl, 2. Halfte 15. Jh.: Christiane HOLLER, Pfalzgcilerie Kaiserslautern. Zinn. (Be- standskataloge der kunsthandwerklichen Sammlungen 1), Kaiserslautern 1991, Nr. 43, S. 46 f.; Wandbrunnen aus der Ostsee bei Rostock: Dieter Nadolski, Altes Gebrauchszinn. Aussehen und Funktion ubersechs Jahrhunderte, Gutersloh 1983, S. 265, Abb. 349. 13 j)enis BRUNA, Enseignes depelerinage et enseignesprofanes, Paris 1996, Nr. 277, S. 185. 14 Karl HAMMEL, Burgruine Liitzelhardt bei Seelbach, Landkreis Lahr. Ein Beitrag zur Datie- rung mittelalterlicher Keramik. Badische Fundberichte 19, 1951, S. 87-99, Nr. 15, S. 97. 15 Hendrik Jan Engelbert van Beuningen - Adrianus Maria Koldeweij, Heilig en prof dan. 1000 laatmiddeleeuwse insignes uit de collectie H.J.E. van Beuningen (Rotterdam Papers 8), Co- then 1993; Hendrik Jan Engelbert van Beuningen - Adrianus Maria Koldeweij - Dory Kic- ICEN Heilig en profaan 2, 1200 laatmiddeleeuwse insignes uit openbare en particuliere col- lecties (Rotterdam Papers 12), Cothen 2001. Bruna (wie Anm. 13). •7 Stefan KRABATH - Nicolas Melard, Die erste Archdologin Sachsens. Auf den Spuren der Ida von Boxberg, Archaeo 2, 2005, S. 33-37. is Vgl. die gro/Зе Bandbreite der Funde bei Geoff Egan, Playthings from the Past. Lead Alloy miniature artefakts c. 1300-1800, London 1996.
238 Stefan Krabath artigen Funden. Diese Fund vertei lung lasst sich im Wesentlichen auf das dort ver- mehrt anzutreffende feuchte Bodenmilieu zuriickfiihren, das eine entscheidende Voraussetzung fur die Erhaltung von Zinngegenstanden darstellt.19 Ein ausgepragtes Recycling des wohl relativ teuren Zinns kann vorausgesetzt werden. Der iiberwiegende Teil der Funde gelangte mutmaBlich durch Verlust in den Boden. Wahrscheinlich konnen die zahlreichen Flussfunde im Umfeld von Briicken und die Einzelstiicke aus Entsorgungseinrichtungen so interpretiert wer¬ den. Davon ist die sakrale Deponierung in samischen Opferfunden aus Skandi- navien abzusetzen. Aufgrund ihrer geringen iiberlieferten Anzahl konnen die wichtigsten Materi- algruppen hier kurz vorgestellt werden. Spangen Die fnihesten Spangen stammen aus Schichten der zweiten Halfte des 12. Jahr- hunderts von Novgorod am Ilmensee (Russland).20 In einer Kloakenverfiillung in der Bergstadt Freiberg lagen zwei Spangen der zweiten Halfte des 13. Jahr- hunderts.21 Ebenso in das 13. Jahrhundert gehoren Funde aus den Altstadtkemen von Arhus (Danemark)22, Lund (Schweden)23 und Greifswald.24 Bei GroB Neu¬ endorf (Landkreis Markisch-Oderland) konnten mehrere aufwandig gearbeitete Schmuckstiicke aus den Ablagerungen der Oder geschlammt werden.25 Verglei- che zu Bodenfunden aus GroBbritannien legen eine Datierung in das 14. Jahr- 19 Siehe hierzu die kontrare Meinung von Carina Brumme, Pilgerzeichen - Erhaltungsbedin- gungen und Verbreitungsraume, im vorliegendem Band. 20 Boris Aleksandrovid KolCin, Drevnij Novgorod - prikladuve isskustvo i archeologija [Das alte Novgorod. Kunsthandwerk und Archaologie], Moskau 1985, S. 75, Abb. 137. 21 Arndt Guhne et al., Eine Abfullgrube des 13. Jahrhunderts mit zwei Fiirspanen von Frei¬ berg, Ausgrabungen und Funde 34, 1989, S. 40-45. 22 H. Hellmut Andersen - P. J. Crabb - H. J. Madson, Arhus sondervold en byarkceologisk undersogelse (Jysk arkaeologisk skrifter 9), Kopenhagen 1971, S. 215, Abb. AHF. 23 Anders W. MArtensson, Uppgrdvt forjlutetfor PKbanken i Lund. En investering arkeologi (Archaeologia Lundensia 7), Lund 1976, S. 297, Abb. 269. 24 Ingeburg Nilius, Einige bemerkenswerte mittelalterliche Funde aus dem Greifswalder Stadt- kertu Ausgrabungen und Funde 28, 1983, S. 144-148, Taf. 23 a; Heiko Schafer, Kleidung undSchmuck im Spiegel archaologischer Quellen, in: Archaologie unter dem Strafienpflaster. 15 Jahrc Stadtkemarchaologie in Mecklenburg-Vorpommern, hg. von Hauke Jons - Friedrich Liith (Beitrage zur Ur- und Friihgeschichte Mecklenburg-Vorpommerns 39) Schwerin 2005, S. 347-350, hierS. 349, Abb. 5. 25 Funde aus GroB Neuendorf (Ldkr. Markisch-Oderland): Blandine Wittkopp, Gekronte Hdup- ter und Rosen, Aufiergewohnlicher Schmuck aus Grofi Neuendorf Lkr. Markisch-Oderland, Archaologie in Berlin und Brandenburg 2004 (2005), S. 106-108.
Profane Zinngiisse des Mittelalters im Kunstgewerbemuseum 239 hundert nahe.26 Bislang unpublizierte Einzelstucke stammen aus Bodenwerder (Landkreis Holzminden) und aus der Altstadt von Schleswig. Der ursprungliche Formenbestand war weitaus umfangreicher als uns die heute iiberlieferten Ge- genstande vor Augen ffihren. Zwei Spangen von der Burgruine Liitzelhardt bei Seelbach (Ortenaukreis)27 und von der Burg Kleiner Everstein bei Negenborn (Landkreis Holzminden)28 konnten auf einen Gebrauch im adeligen Umfeld hin- deuten. Auch die Freiberger Funde stammen aus dem sozial gehobenen Milieu einer prosperierenden Bergstadt. Seit dem 15. Jahrhundert wurden Spangen von anderen Gewandverschliissen abgelost. In den Volkstrachten haben sie sich je- doch noch bis heute gehalten. Eine Verbreitung der Weichmetallspangen aufler- halb Deutschlands von Groflbritannien29, den Niederlanden30 iiber Skandinavien31 bis nach Schlesien32 und Osteuropa deckt sich weitgehend mit den Belegen aus Kupferlegierungen oder Edelmetall.33 Die Herstellung der Spangen aus Blei-Zinn-Legierungen erfolgte nach derzei- tigem Forschungsstand ausschliefllich im Formguss. Relativ einfach gestaltete 26 Brian Spencer, Pilgrim Souvenirs and Secular Badges (Medieval Finds from Excavations in London 7), London 1998, Abb. 131-132, hierS. 124; Michael Mitchiner, Medieval Pilgrim & Secular Badges, London 1986, Nr. 642-643, S. 189. 27 Hammel (wie Anm. 14), Taf. 11.2. 28 stefan Krabath, Die hoch- und spdimittelalterlichen Buntmetallfunde nordlich der Alpen. Eine archdologisch-kunsthistorische Untersuchung zu ihrer Herstellungstechnik, funktiona- len und zeitlichen Bestimmung, 2 Bde. (Internationale Archaologic 63) Rahden/Westfalen 2001, Bd. 2, Nr. XV.3, S. 495, Taf. 27.11 - weitere Zinnspangen befmden sich in einer pri- vaten Schmucksammlung: Heinrichsburg bei Harzgerode (Ldkr. Quedlinburg), Plesse bei Bovenden (Ldkr. Gottingen), Schoneberg bei Hofgeismar (Ldkr. Kassel), Hohnstein bei Nord- hausen, Brandenfels bei Sontra (Werra-MeiBner-Kreis), Wallenstein bei Schwarzenborn (Schwalm-Eder-Kreis); ffeundliche Mitteilung von Hanns-Ulrich Haedeke, Solingen. 29 Anthony NORTH - Andrew Spira, Pewter at the Victoria and Albert Museum, London 1999, Nr. Ilf., S. 46. 30 z B. aus Goeree-Overflakkee: Rias Olivier, Bodemvondsten uit Goerre-Overflakkee in bo- detnvondsten. 25 jaar archeologisch en historisch onderzoek door de Motte, De Motte 1994, S. 229-231. 31 Morttrasket, Lappland: Inger Zachrisson, De Samiska Metalldepaema ar 1000-1350 i Iju- set avfyndetfran Morttrasket, Lappland [TheSaami Metal Deposits A. D. 1000-1350 in the Light of the findfrom Morttrasket. Lappland] (Archaeology and Environment 3), Umea 1984, S 35, Abb. 17; Gratrask, Schweden: Inga Serning, Lapska offerplatsfyndf'ran jarndldern och medeltidi de svenska lappmarkerna (Acta Lapponica 11), Stockholm 1956, Taf. 38; Tyr- vaa, Finnland: Olavi Tapio, Varhaisia esineloytoja Tyrvaan vanhan kirkon kaivaukista [Die Funde aus der alten Kirche von Tyrvaa], Suomen Museum 73, 1966, S. 57-63, hier S. 58, Abb. 9. 32 Breslau, Breslauer Ring, Nadlergasse, 14. Jh.: freundliche Mitteilung von Prof. Dr. Jerzy Pie- kalski, Breslau. 33 Stefan KRABATH, Die metallenen Trachtbestandteile und Rohmaterialien aus dem Schatzfund von Fuchsenhof in: Der Schatzfund von Fuchsenhof, hg. von Thomas Kiihtreiber - Bernhard Prokisch (Studien zur Kulturgeschichte von Oberosterreich 15), Linz 2004, S. 231-305.
240 Stefan Krabath Abb. 1: Gussformhalfte (Fragment) fur Spangen, aus dem Fundkomplex von Magdeburg, Kalkstein, 13. Jahrhundert. Foto: Landesamt fur Denkmalpflege und Archaologie Sachsen-Anhalt
Profane Zinngiisse des Mil tela Iters im Kunstgewerbemuseum 241 massive und meist beidseitig annahemd plane Rahmen, wie sie in der Berliner Sammlung mit zwei Exemplaren vertreten sind (Kat. Nr. 238, 239), wurden in zweiteiligen Formen gegossen (Abb. 1), die jeweils den oberen bzw. den untcrcn Teil des Rahmens ausformten, wobei im Bereich des AuBen- bzw. Innenrandes eine randparallele Gussnaht entstand. Der gleiche Formtyp wurde auch fur die Herstellung der Miniaturgurteltasche im Berliner Kunstgewerbemuseum einge- setzt (Kat. Nr. 242). Aufwandigere Spangen mit breitem, oftmals durchbrochenem Rahmen mit plastischen Zierelementen, die auf der Riickseite aus Grunden der Materialeinsparung hohl ausgeflihrt waren, wurden demgegeniiber in aufwandi- geren Formen hergestellt. Diese bislang unter anderem in Magdeburg und Lund34 nachgewiesenen Formen besitzen ein komplexes System von Kanalen zur Ent- liiftung und Abfuhrung von Warme im Umfeld der Gusskammer. Kronen Kronen oder Diademe sind durch die Funde von Magdeburg und Lund seit der Zeit um 1200 bekannt.35 Neben profanen Szenen wie Darstellungen von Tumie- ren wurden auch sakrale Themen aufgegriffen.36 In der hier besprochenen Be- standsgruppe des Berliner Kunstgewerbemuseums kommt diese Kategorie jedoch nicht vor. Fingerringe Fingerringe aus WeiBmetall sind bislang aus archaologischem Kontext nur selten bekannt geworden. Zu den fruhen iiberlieferten Beispielen dieser Art von Kor- perschmuck gehoren ein Exemplar des spaten 12. Jahrhunderts aus York37 und ein solches aus Norwich.38 Die relativ zahlreichen Funde aus London zeigen ein 34 Monica Rydbeck, Medieval casting-mould and bronze matrix from Lund, Medelanden fran Universitets Historiska Museum 1946, S. 209-216. 35 Heiliges Romisches Reich Deutscher Nation 962 bis 1806. Von Otto dem Grofien bis zum Ausgang des Mittelalters. 29. Ausstellung des Europarates in Magdeburg und Berlin und Landesausstellung Sachsen-Anhalt, 2 Bde., hg. von Matthias Puhle - Claus-Peter Hasse, Dresden 2006, Nr. IV. 104 (Bemd Ulrich Hucker) und Nr. IV. 105 (Christian Gildhoff), S. 326- 328* Spencer (wie Anm. 26), S. 264, Abb. 259-259a; Lund, um 1200: MArtensson (wie Anm. 23), S. 342, Abb. 302. 36 Arthur FoRGEAIS, Collection de plombs histories trouves dans la Seine, 4e serie: Imagcric religieuse, Paris 1865, S. 24-28; Bruna (wie Anm. 13), Nr. 314-319, S. 204-206. 37 Patrick Ottaway, Craft, Industry and Everyday Life: Finds from Medieval York (The Ar¬ chaeology of York 17, Teil 15), York 2002, S. 2922, Taf. 1492.12953; vgl. auch einen Fund des 12. Jh. aus Lund: MArtensson (wie Anm. 23), S. 139, Abb. 12.
242 Stefan Krabath Abb. 2: Schemazeichnung einer zweischaligen Gussform fur Fingerringe, ohne MaBstab. Graflk: Sonja Konig Abb. 3: Gussformhalfte (Fragment) einer zweischaligen Form fur Fingerringe, aus dem Fundkomplex von Magde¬ burg, Kalkstein, 13. Jahrhundert. Foto: Landesamt fur Denkmalpflege und Archaologie Sachsen-Anhalt
Profane Zitmgiisse cles MittelaIters im Kunstgewerbemuseum 243 Abb. 4: Schemazeichnung einer dreiteiligen Guss- form fur Fingerringe, ohne MaGstab. Grafik: Sonja Konig Abb. 5: Dreiteilige Gussform fur Fingerringe, aus dem Fundkomplex von Magdeburg, Kalkstein, 13. Jahrhundert. Foto: Landesamt fur Denkmalpflege und Archaologie Sachsen-Anhalt
244 Stefan Krabath Aufkommen des Weichmetallschmucks in der ersten Halfte des 13. Jahrhunderts, wobei eine Fundhaufung in der zweiten Halfte des 14. und im 15. Jahrhundert zu konstatieren ist.38 39 Einige ohne archaologischen Befundkontext geborgene Ringe konnen nur stilistisch annahemd datiert werden.40 Die Berliner Fingerringe (Kat. Nr. 217-237) wurden mutmaBlich in steinemen Formen gegossen. Als Grundmaterial fur die Formen ist Sandstein, Kalksand- stein oder Schiefer41 iiberliefert. Fur die Herstellung der Ringe im Berliner Kunst- gewerbemuseum lassen sich aufgrund der charakteristischen Gussnahte drei Formtypen rekonstruieren: Das einfachste Konstruktionsprinzip umfasst zwei Formhalften (Abb. 2 und 3): In die eine Halfte ist eine Gusskammer in Form des gewiinschten Gegenstandes eingetieft. Ringschiene und -kopf werden plan in gestreckter Ausdehnung aus- geformt. Eine zweite Formhalfte deckt den Gussraum ab. Windpfeifen gewahr- leisten eine Entliiftung der Form wahrend des Gussvorgangs. Nach der Ausfor- mung wurde der Rohguss um einen runden Stab gebogen und seine beiden Enden ruckseitig gegeniiber dem Ringkopf verlotet (vgl. Kat. Nr. 221,223,225,226 und 230). Dieses Verfahren eignet sich bevorzugt fur Ringe mit weitgehend planer Schiene und planem Ringkopf. Die fertigen Gussstiicke sind durch umlaufende Gussnahte an den Schmalseiten von Kopf und Schiene unmittelbar an der Kante zur Unterseite beider Elemente gekennzeichnet. Komplexer sind dreiteilige Formen ausgefuhrt: Ein Formteil gestaltet die Vor- derseite des Ringkopfes wahrend zwei zugehorige Elemente die Riickseite des Kopfes sowie jeweils die Halfte der Ringschiene ausformen (Abb. 4 und 5). Die fertigen Gussstiicke zeigen eine Gussnaht an der Riickseite des Ringkopfes, am AuBenrand desselben sowie in der Mitte der AuBen- bzw. Innenseite der Ring- schienen (vgl. Kat. Nr. 220,224,228 und 229). Indirekt lasst sich die Existenz von dreiteiligen Formen durch einen Rohguss aus Mainz nachweisen. Egon Warners 38 Brian Ayers, Excavations at St. Martin-at-Palace Plain, Non\’ich, 1981 (East Anglian Ar¬ chaeology Report 37), Norwich 1987, S. 64, Abb. 55.5. 39 Geoff Egan — Francis Pritchard, Dress accessories c. 1150—1450 (Medieval finds from ex¬ cavations in London 3), London 1993, S. 335. 40 Exemplar in der Sammlung Hans T. Pfeifer, Dietersheim, aus Flandem, 12. Jh.: Hans T. Pfeif¬ fer, Fingerringe von der Antike bis zur Neuzeit aus einer suddeutschen Privatsammlung, Dietersheim o. J., Nr. 84 (wohl etwas zu fnih angesetzt). 41 Braunschweig, Form fur Pilgerzeichen und Applikation, 13. Jh.: Gotz Alper, Eine mittelal- terliche Feinschmiedewerfcstatt in der Braunschweiger Altstadt, Archaologie in Niedersach- sen 8, 2005, S. 70-74, hier S. 74, Abb. 5; Bruna (wie Anm. 13), Nr. 686-694, S. 352-357; Wallfahrt kennt keine Grenzen. Ausstellung im Bayerischen Nationalmuseum, hg. von Lenz Kriss-Rettenbeck u. a., Miinchen 1984, Nr. 52-53, S. 47^48 (Thomas Raff); Middelburg, Zeeuws Museum: Robert Maarten van Heeringen - Adrianus Maria Koldeweij - Antonia Anna Geertruida Gaalman, Heiligen uit de modder. In Zeeland gevonden pelgrimstekens (Clavis kunsthistorische monografiedn 4), Utrecht - Zutphen 1987, S. 42, Abb. 21.
Profane Zinngiisse des Mittelalters im Kunstgewerbemuseum 245 halt das Exemplar fur das Halbfabrikat einer Scheibenfibel, jedoch kame meines Erachtens auch eine Interpretation als Fragment eines Fingerringes in Betracht.42 Moglicherweise datiert der Streuflmd noch in das fruhe Mittelalter. Der Komplex der Magdeburger GieBformen belegt dieses Verfahren sicher fur das 13. Jahrhundert. Eine dritte Formvariante besteht ebenfalls aus drei Formteilen: zwci Schalen und einem Kern (Abb. 6 und 7). Eine Unterschale formt die komplette Vorderseite der Ringkopfe sowie eine Halfte der Schienenvorderseite aus. Die Oberschale formt die zweite Halfte der Schienenvorderseite aus, wahrend der Kern die Riick- seite der gesamten Schiene, einschlieBlich des Kopfes, bildet. Die Fertigprodukte zeigen Gussnahte entlang der riickwartigen Auflenkanten der Ringschienen. Zwei waagerechte Nahte finden sich zusatzlich auf gegenuberliegenden Seiten der Schienen in waagerechter Anordnung (vgl. Kat. Nr. 217,231-234,236 und 237). Zweischalige steineme Gieflformen mit konischem Kern sind fur weite Teile Europas belegt.43 Die friihesten sicher datierten Exemplare stammen aus dem 13. Jahrhundert. Die einzelnen Formteile wurden beim GieBvorgang - wie sich aus verschie- denen Bodenfunden erschliefien lasst - durch metallene Passstifte und eine Draht- umwicklung gegen Verrutschen arretiert. Um Fehlgiisse zu vermeiden, sollte der Temperaturunterschied zwischen der Gieflform und der im Tiegel geschmolzenen Speise moglichst gering sein. Zu diesem Zweck wurden die Formen erhitzt. Schatzungen zu Folge konnten in einer Kalksteinform rund 200 Gussvorgange ausgefuhrt werden. Steineme Formen wurden noch bis in das 19. Jahrhundert von Goldschmieden fur die Fertigung von Modellen verwendet. In der Regel sind diese Formen jedoch wesentlich weniger detailliert ausgearbeitet als die mittelalterlichen und friih- neuzeitlichen Werkzeuge.44 Auch heute noch werden Wallfahrtsdevotionalien in Steinformen gegossen.45 42 Egon WAMERS, Die friihmittelalterlichen Lesefunde aus der Lohrstrafie (Baustelle Hilton 11) in Mainz (Mainzer Archaologische Schriften 1), Mainz 1994, Nr. 298, S. 171, Abb. 101. 43 z. B. Mont-Saint-Michel (Dep. Manche), Frankreich, 14./15. Jh.: Vivre au Moyen Age. Ar- cheologie du quotidien en Normandie, XIIIе - XVе siecles [Ausstellungskatalog Caen - Tou¬ louse - Evreux 2002/2003], hg. von Monique Rey-Delque, Mailand 2002, Nr. 266-267, S. 245; Magdeburg ; Sitno bei Ilija (Bezirk2uar nad Hronom), Slowakei, 13./14. Jh.: Jozef La- BUDA, Nalez Polovice na odlievante stitkovych prstenov na Sitne [Die in Sitno aufgefundene Halfte eines Tiegel zum Abgiefien der Scheibenfingerringe], Archeologicke rozhledy 39, 1987, S. 685-686; Krabath (wie Anm. 33), S. 791, Abb. 49e; ehem. Sammlung Albert Fig- dor (1843-1927), Wien, Museum fur Angewandte Kunst (dort aus einer Kupfcrlegierung); Sammlung von Prinz Johann Georg von Sachsen (1869-1938): Sammler - Pilgcr - Wegbe- reiter. Die Sammlung des Prinzen Johann Georg von Sachsen [Ausstellungskatalog Mainz 2004], hg. von Birgit Heide - Andreas Thiel, Mainz 2004, Nr. VII.7, S. 295 (Andreas Thiel). 44 Vgl. Inge BEHRMANN - Christian L. Kuster, Volkstumlicher Schmuck aus Norddeutschland (Sammlungen des Altonaer Museums in Hamburg 11) [Ausstellungskatalog 1979], Hamburg
246 Stefan Krabath Abb. 6: Schemazeichnung einer zweiteiligen Gussform mit einsetzbarem Kern fur Fingerringe. Grafik: Sonja Konig Abb. 7: Zweischalige Gussform mit einsetzbarem Kern fur Fingerringe, aus dem Fundkomplex von Magdeburg, Kalkstein, 13. Jahrhundert. Foto: Landesamt fur Denkmal- pflege und Archaologie Sachsen-Anhalt
Profane Zinngiisse des Mittelalters im Kunstgewerbemuseum 247 Abb 8* Delitzsch, Pilgerzeichen aus Gottsbiiren im Reinhardswald, Durchmesser 38 mm und Fingerring, Breite 19 mm, aus einer Zinn-Blei-Legierung, 14. Jahrhundert.
248 Stefan Krabath Der Guss in Sepia kann an den Berliner Exemplaren dagegen nicht beobach- tet werden.* 45 46 Neben Produkten in Vollguss konnen beispielsweise Spielzeuge und Kannchen im Sturzgussverfahren als Hohlkorper hergestellt worden sein.47 Rahmen Das Berliner Kunstgewerbemuseum kann vier Rahmen aus WeiBmetall sein Eigen nennen. Solche Rahmen waren bereits in der Antike bekannt.48 Friihe nachantike Rahmen gehoren dem 13. Jahrhundert an, wie ein Exemplar aus Hann. Miinden (Landkreis Gottingen) belegt.49 Zwei Exemplare der Berliner Sammlung (Kat. Nr. 215, 216) besitzen ihre nachsten Parallelen in einem Bodenfimd aus Leiden (Siidholland) aus der zweiten Halfte des 15. Jahrhunderts.50 Die Rundeln am Au- Benrand korrespondieren mit einem Londoner Pilgerzeichen der gleichen Zeit.51 Was die Rahmen urspriinglich umschlossen haben, lasst sich nicht mehr mit Be- stimmtheit ausmachen. Die feinen Haken an der Riickseite gestatten sowohl die Arretierung von organischen als auch von anorganischen Tragem. Moglicher- weise waren Papier, Rinde Oder Holz mit einer Darstellung auf der Vorderseite ge- fasst. Auch einige Pilgerzeichen weisen in einem Rahmen ein separat gegossenes planes Bildnis auf.52 Eine Interpretation als Spiegelrahmen mit glasemem Zentrum 1979, S. 26, Abb. c; Bemward Deneke, Volkstiimlicher Schmuck aus Nordwestdeutschland mit einem Beitragzur Geschichte der Gold- und Silberschmiede Byl /Leer - Sammlung Mu- seumsdorf Cloppenburg, Cloppenburg 1977, Nr. 278, S. 121 - Bleiabgtisse des 19. Jh. bei Inge Behrmann, Volkstiimlicher Schmuck (Kataloge des Museums fur Kunst und Gewerbe Hamburg 7), Hamburg 1985, S. 37, Abb. 19; StOver (wie Anm. 4), Nr. 3.37, S. 115 - vgl. auch Modelle im Heimatmuseum Leer. 45 Thomas Raff, Die Wallfahrts- und Weihemedaillen der Zinngiefierei Schweizer in Diefien am Ammersee. Ein Beitrag zu Herstellung und Vertrieb von Devotionalien im 18. und 19. Jahrhundert, Jahrbuch fur Volkskunde N.F. 11, 1988, S. 134-218. 46 Vgl. eine Sepia-Guhform bei Spencer (wie Anm. 26), S. 156, Abb. 166. 47 Judith Oexle, Minne en miniature — Kinderspiel im mittelalterlichen Konstanz, in: Stadtluft, Hirsebrei und Bettelmonch. Die Stadt um 1300, hg. von Marianne und Niklaus Fliieler, Sutt- gart 1992, S. 392-395, hier S. 394, Abb.; Hanns-Ulrich Haedexe, Kunstgewerbemuseum der Stadt Koln. Zinn (Kataloge des Kunstgewerbemuseums Koln 3), Koln, 2. erweiterte Auflage 1976, Nr. 70A,S. 74. 4S Haedeke (wie Anm. 47), Nr. 4, S. 54. 49 Stefan Krabath, Schmuck aus der Gosse. Untersuchungen zu den mittelalterlichen Bunt- und Edelmetallfunden aus Hann. Miinden, in: Im Schatten von Kirche und Rathaus. Ar- chaologische Funde aus Hann. Miinden (Sydekum-Schriften zur Geschichte der Stadt Miin¬ den 31), hg. von Andrea Bulla, Hannoversch Miinden 2000, S. 56-67, hier S. 62, Abb. 8. 50 van Beuningen - Koldeweij (wie Anm. 15), Nr. 1019, S. 320. 51 Spencer (wie Anm. 26), Nr. 105, S. 113. 52 z. B. Bruna (wie Anm. 13), Nr. 8, S. 51; vgl. auch die GieBform fur einen aufwandig ge- stalteten Rahmen: Rhein und Maas. Kunst und Kultur 800-1400 [Ausstellungskatalog Koln
Profane Zinngiisse des Mittelalters im Kuns tgewerbemuseum 249 каше ebenso in Betracht, lasst sichjedoch aufgrund fehlender Uberreste des Gla- ses nicht zweifelsfrei belegen.51 Friihe Beispiele datieren in das 13. Jahrhundert wie ein Exemplar aus Hann. Mtinden (Landkreis Gottingen).* 53 54 Eine Schliisselrolle fur die Erforschung der Herstellung von WeiBmetallgiissen spielt der Abfall einer Werkstatt in der Magdeburger Altstadt aus der Zeit vor 1284.55 Die dort in einer Grube geborgenen mehrere Hundert Kalkstein-GieBfor- men zeigen ein breites Produktionsspektrum, welches von profanen Trachtbe- standteilen iiber MiniaturgefaBe, Leuchter, Kastchen bis hin zu Besteckteilen reicht. Sakrale Motive bilden in diesem Bestand die Ausnahme. Ein vergleich- barer _ Wenn auch wesentlich kleinerer - Fund wurde in der Altstadt von Zerbst (Landkreis Anhalt-Zerbst) geborgen.56 Ein kleiner Wcrkstattkomplex der zwei- ten Halfte des 13. Jahrhunderts aus Rostock lieferte dagegen nur Formen Шг die Herstellung von Anhangem und Applikationen.57 In der Regel stellen die dariiber hinaus geborgenen Formen Einzelfunde dar. Hervorzuheben ist eine solche Form des 13. Jahrhunderts fur die Herstellung von Spangen in Form eines Pfaues mit aufsitzendem Reiter aus Ribnitz (Landkreis Ribnitz-Damgarten).58 Eine zwei- schalige GieBform aus dem 13. Jahrhundert aus Lodose (Schweden) diente zur Herstellung von Pilgerzeichen und einem Spinnwirtel.59 Die beiden Formenkomplexe aus Magdeburg und Zerbst belegen die Produk- tion von uberwiegend profanen Gegenstanden. Daneben lasst sich aus dem For- menbestand einer GieBerei des 14./15. Jahrhunderts auf dem Mont-Saint- Michel (Dep. Manche) in Frankreich die gleichzeitige Herstellung sakraler und profaner Produkte ablesen.60 Singulare GieBformen fur Pilgerzeichen in Werk- 1972], hg. von Anton Legner, Koln 1972, Nr. VIII.58, S. 158 (Kurt Koster). 53 Vgl. zu den Glasspiegeln im Mittclalter: Ingeborg Krueger, Glasspiegel im Miitelalter Fak- ten Fund und Fragen, Bonner Jahrbiicher 190, 1990, S. 232-319 und insbesondere Inge¬ borg KRUEGER, Glasspiegel im Mittclalter 11 Neue Funde und neue Fragen. Bonner Jahrbu- cher 195, 1995, S. 209-248, hier S. 246 mit Abb. 46. 54 Krabath (wie Anm. 49), S. 62, Abb. 8. 55 Kat. Magdeburg 2006 (wie Anm. 35), Nr. IV. 107, S. 329-333 (Ditmar Gosta-Trauth). 56 Michael Malliaris, Archaologische Entdeckungen in Zerbst (Kleine Hefte zur Archaologie in Sachsen-Anhalt 4), Halle 2005, S. 37. 57 Ralf MULSOW, Archaologische Nachweise zum mittelalterlichen Handwerk in Rostock, in: Lubecker Kolloquium zur Stadtarchaologie im Hanseraum V: Das Handwerk, hg. von Man¬ fred Glaser, Lubeck 2006, S. 285-302, hier S. 296, Abb. 13. 5» Thomas Rutz, Grapen, Glocken, Kupferkessel - Bunt- und Edelmetallhandwerk im Spiegel archaologischer Befunde, in: Archaologie unter dem StraBenpflaster. 15 Jahre Stadtkemar- chaologie in Mecklenburg-Vorpommern (Beitrage zur Ur- und Friihgeschichte Mecklenburg- Vorpommems 39), hg. von Hauke Jons - Friedrich Liith, Schwerin 2005, S. 295-300, hier S. 299, Abb. 13. 59 Ornamenta ecclesiae. Kunst und Kiinstler der Romanik [Ausstellungskatalog Koln 1985], 3 Bde., hg. von Anton Legner, Koln 1985, Nr. В 98, Bd. 1, S. 322f. (Birgit Bansch). 60 CaenToulouse - Evreux 2002/2003 (wie Anm. 43), Nr. 258-282, S. 240-254.
250 Stefan Krabath stattbereichen der Buntmetallverarbeitung indizieren die gleichzeitige Verarbei- tung von Kupferlegierungen und Weichmetallen.61 Im Bereich des Liineburger St. Michaelisklosters wurde eine Form fur die Herstellung von Spangen und schildformigen Applikationen geborgen. Somit konnten im klosterlichen Milieu auch profane Schmuckstiicke produziert worden sein.62 Der Fund einer sech- spassformigen Spange in einer niedergebrannten Werkstatt der zweiten Halfte des 13. Jahrhunderts in Alborg (Danemark)63 lasst sich nicht sicher dem Produkti- onsspektrum des dort ansassigen Nadlers zuordnen. Die Schmuckstiicke des Ber¬ liner Kunstgewerbemuseums zeigen deutliche Gussgrate, die - wie bei den Fin- gerringen aus Mainz und Delitzsch64 - nicht versaubert wurden. Diese Beobach- tung mag zu der These fuhren, dass es sich bei den Stiicken um Massenprodukte handelt, die in groflen Stuckzahlen fur einen breiten Kauferkreis gefertigt wurden. Der sachsische Fund gelangte zusammen mit einem Pilgerzeichen aus Gottsbii- ren (Landkreis Kassel, Abb. 8) in eine Kastenlatrine des 14. Jahrhunderts. Na- turwissenschaftliche Analysen konnten gegebenenfalls die gleiche Herkunft bei- der Schmuckstiicke wahrscheinlich machen. In der Regel ahmen die Schmuckstiicke aus weichen Metallen Exemplare aus edleren Materialien wie Kupferlegierungen, Silber oder Gold nach. Die wenigen Vergleichsfunde aus relativ gut datierbaren Befiindkontexten erschweren die pra- zise zeitliche Ansprache der Objekte. Der Bestand des Berliner Kunstgewerbe¬ museums an gegossenen profanen Schmuckstiicken aus Zinn-Blei-Legierungen kann allein schon aufgrund ihres seltenen Auftretens unter den archaologischen Bodenfimden als bedeutend eingeschatzt werden. 61 z. B. cine Werkstatt in Braunschweig: Alper (wie Anm. 41). 62 Helmuth Plath, Das Michaeliskloster von 1376 in Liineburg. Ein Ausgrabungsbericht, Lii- neburg 1980, Abb. 106 und Autopsie des Verfassers im Museum fur das Fiirstentum Liine- burg. 63 Peter Riismoller, Nalemageren i Strandstien. Et middelalderligt metalvcerksted i Aalborg [Der Nadler in Strandstien. Eine mittelalterliche Werkstatt in Alborg], Kuml 1960, S. 117- 131, hier S. 124, Abb. 9. 64 Kathrin Balfanz - Ingo Kraft, Die Ausgrabungen am Delitzscher Markt, Arbeits- und For- schungsberichte zur sachsischen Bodendenkmalpflege 45,2003, S. 466-471, S. 469, Abb. 4.
Europaische Pilgerzeichen und verwandte Weifimetallgiisse des hohen und spaten Mittelalters in den Sammlungen der Staatlichen Museen zu Berlin 251 Katalog Hartmut Kiihne unter Mitarbeit von Carina Brumme, Stefan Krabath und Lothar Lambacher Hinweise zum Aufbau und zur Benutzung des Kataloges Der vorliegende Katalog umfasst sowohl die erhaltenen wie die seit 1945 ver- schollenen europaischen Pilgerzeichen des hohen und spaten Mittelalters im Kunstgewerbemuseum und im Museum fur Byzantinische Kunst. Damit wird erstmals der Gesamtbestand dieser Werkgruppe in den Sammlungen der Staatli¬ chen Museen zu Berlin dokumentiert. Die heute nicht mehr vorhandenen Objekte sind durch einen Hinweis im Anschluss an die Inventamummer bezeichnet. Aus provenienzgeschichtlichen Griinden wurden die Werke des Kunstgewer- bemuseums entsprechend ihrer Herkunft aus den Sammlungen Albert Figdor (Wien), Johannes Jantzen (Bremen) und Lambert Jagenau (Den Haag) gruppiert. Aus den Erwerbungen von Figdor und Jagenau sind auBer Pilgerzeichen und an- deren Wallfahrtsdevotionalien auch Schmuck aus WeiBmetall sowie einzelne Werke aus Buntmetall erhalten, die im Interesse der moglichst vollstandigen Er- fassung dieser bislang weitgehend unpublizierten Bestande im vorliegenden Ka¬ talog ebenfalls verzeichnet sind. Die wissenschaftliche Bearbeitung der profanen Schmuckgegenstande (Kat. Nr. 177,178, 180, 182, 185-187, 197, 215-242) uber- nahm Dr. Stefan Krabath, Sachsisches Landesamt fur Archaologie Dresden. Die seit 1945 in ihrer Gesamtheit verschollenen abendlandischen Pilgerzei¬ chen der Abteilung der Bildwerke der christlichen Epochen im vormaligen Kai- ser-Friedrich-Museum, der heutigen Skulpturensammlung und dem Museum fur Byzantinische Kunst im Bodemuseum, sind in der Reihenfolge des Samm- lungsinventars und damit nach dem Zeitpunkt ihrer Erwerbung verzeichnet. Zur geografischen und ikonographischen ErschlieBung des Kataloges dienen die ent- sprechenden Register am Ende des Bandes. Die Materialbestimmungen erfolgten bei den erhaltenen Werken nach Augen- schein. Naturwissenschaftliche materialanalytische Untersuchungen wurden bis¬ lang nicht vorgenommen. Bei verschollenen Objekten steht nach der Material- bezeichnung regelmaBig in Klammem ein Fragezeichen, auch wenn die Angabe
252 Katalog sehr wahrscheinlich ist. Wertvolle Hinweise zu Material und Technologie gab Wolfgang Pohl, Metallrestaurator am Kunstgewerbemuseum Berlin. Die Katalogtexte enthalten neben einer Kurzbeschreibung - wo angezeigt - Hinweisen zur wissenschaftlichen Diskussion. Soweit moglich, wurden alle In- schriften durch Prof. Dr. Klaus Hallof, Berlin-Brandenburgische Akademie der Wissenschaften, neu gelesen. Werkbezogene Provenienzangaben erfolgten nur fur die Bestande des Muse¬ ums fur Byzantinische Kunst, fur die des Kunstgewerbemuseums ergeben sie sich aus der Gliederung des Kataloges. Vergleichshinweise sind in folgender Reihen- folge verzeichnet: Werke im vorliegenden Katalog, Werke in anderen Sammlun- gen, Werkangaben in der Literatur. Unter den Literaturangaben zum Stuck selbst finden sich auch Verweise auf archivalische Nachrichten, regelmafiig wird jedoch nur bei verschollenen Werken auf ihre Erwahnung in der PZK Kurt Koster bzw. im Material Meyer verwiesen. Referenzen sind entsprechend des Erscheinens der jeweiligen Publikation verzeichnet. Abbildungsnachweis fur den Katalogteil Staatliche Museen zu Berlin, Kunstgewerbemuseum, Saturia Linker Kat. Nr. 2, 19, 21-25, 27, 33-38, 40, 43^15, 52, 53, 75-80, 82-85, 93-102, 113-120, 123- 137, 140, 141, 143, 144, 147, 148, 150-154, 156, 160, 161, 164-169, 176-200, 203-217, 220-234, 236-242. Staatliche Museen zu Berlin, Kunstgewerbemuseum, Fotoarchiv: Kat. Nr. 1,3-18, 20, 26. Staatliche Museen zu Berlin, Skulpturensammlung und Museum fur Byzantini¬ sche Kunst, Fotoarchiv: 247-273. Germanisches Nationalmuseum Numberg, Zentrale Pilgerzeichenkartei Kurt Koster oder Material Meyer: Kat. Nr. 28-32, 39, 41,42, 46-51, 54-74, 81, 86- 92, 103-112, 121, 122, 145, 146, 162, 172, 173,202,243,244, 246. Verzeichnis der im Katalog verwendeten Abkurzungen Allgemein B. Breite Dep. Departement Dm. Durchmesser H. Hohe Inv. Nr. Inventamummer Lit. Archivalien und Literatur Prov. Provenienz T. Tiefe Vgl. Vergleiche
Katalog 253 Archivalien Material Meyer Germanisches Nationalmuseum Niimberg, Deutsches Glockenarchiv, Nachlass Kurt Koster, Faszikel E. Meyer. PZK Kurt Koster Germanisches Nationalmuseum Niimberg, Zentrale Pilgerzeichenkartei Kurt Koster. ZA SMB, Zettelkatalog Figdor Zentralarchiv der Staatlichen Museen zu Berlin, Zettelkatalog der Sammlung Albert Figdor, digitale Kopie auf CD-ROM. Literatur d’Allemagne 1928 Henry Rene d'Allemagne, Les accessoires du costume et du mobilier depuis le treizieme jusqu'au dixneuvieme siecle, Paris 1928, Reprint New York 1970. ANDERSSON 1989 Lars Andersson, Pilgrimsmarken och vallfart. Medeltide pilgrimskultur i Skan- dinavien (Lund Studies in Medieval Archeaology 7), Kumla 1989. BEHRMANN — KOSTER 1979 Inge BEHRMANN - Christian L. KOSTER, Volkstiimlicher Schmuck aus Nord- deutschland (Sammlungen des Altonaer Museums in Hamburg 11), Hamburg 1979. Berghaus 1966 Peter BERGHAUS, Die Miinzen aus den Korpergrabern von Noventhien, Kreis Uel- zen Neue Ausgrabungen und Forschungen in Niedersachsen 3, 1966, S. 265- 272. Berling 1919 Karl Berling, Altes Zinn. Ein Handbuchjur Sammler und Liebhaber, Berlin 1919. Bruna 1996 Denis Bruna, Enseignes depelerinage et enseignes profanes, Paris 1996.
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260 Katalog LlTHBERG 1932 Nils Lithberg, Schlofi Hallwil: Bd. 1: Die Wiederherstellung, Bd. 2: Die Aus- grabungen, Bd. 3.1—3.2: Die Fundgegenstande. Text und Bilder, Bd. 4: Die Bau- geschichte, Bd. 5: Der Baubestand im Bilde, Stockholm 1932. Maunowska-Lazarcyk 1982 Helena Malinowska-Lazarczyk, Cmentarzysko sredniowieczne w Cedyni [Ein mittelalterliches Graberfeld bei Cedynia], 2 Bde., Szczecin 1982. Margeson 1993 Sue Margeson, Norwich Households: The Medieval and Post-Medieval Finds from Norwich Survey. Excavations 1971-1978 (East Anglian Archaeology Re¬ port 58), Norwich 1993. MArtensson 1976 Anders W. MArtensson, UppgrdvtforflutetforPKbanken i Lund. En investering arkeologi (Archaeologia Lundensia 7), Lund 1976. Melzer 1991 Walter Melzer, Das fruhmittelalterliche Graberfeld von Wiinnenberg-Fursten- berg, Kreis Paderborn (Bodenaltertiimer Westfalens 25), Mainz 1991. Meyer-Wurmbach 1964 Edith Meyer-Wurmbach, Kolner ,Zeichen’und ,Pfennige ’zu Ehren der Heili- gen Drei Konige, in: Achthundert Jahre Verehrung der Heiligen Drei Konige in Koln 1164-1964 (Kolner Domblatt 23/24), Koln 1964, S. 205-292. Olivier 1921 Paul Olivier, L 'ancienne statue romane de Notre-Dame du Puy, Le Puy 1921. Oman 1930 Charles C. Oman, Catalogue of Rings in the Victoria and Albert Museum, Lon¬ don 1930 (Nachdruck Ipswich 1993). Peters 1966 H. Gunter Peters, Das wendische Reihengrdberfeld von Noventhien, Kreis Uel- zen. /. Die archaologischen Ergebnisse, Neue Ausgrabungen und Forschungen in Niedersachsen 3, 1966, S. 225-264. Pressmar 1991 Emma Pressmar, Ringe reden. Die Sammlung Emma Pressmar im Ulmer Mu¬ seum, Ulm 1991. Schepers 1981 Wolfgang Schepers, Zinn. Kataloge des Kunstmuseums Dtisseldorf Diisseldorf 1981.
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262 Katalog VOLBACH 1930 Wolfgang Fritz Volbach, Mittelalterliche Bildwerke aus Italien und Byzanz, Ber¬ lin [u.a.] 1930. de Waal 1900 Anton de Waal, Andenken an die Romfahrl im Mittelalter, Romische Quartal- schrift 14, 1900, S. 54-67. Walcher-Molthein 1904 Alfred von Walcher-Molthein, Deutsches undfranzdsisches Edelzinn aus zwei Wiener Sammlungen, Kunst und Kunsthandwerk 7, 1904, S. 65-86. Wamser 1992 Ludwig Wamser, Zur archaologischen Bedeutung der Karl burger Befunde, in: 1250 Jahre Bistum Wurzburg, Archaologisch-historische Zeugnisse der Friihzeit, Begleitband zur Ausstellung im Marmelsteiner Kabinett vom 29. Mai bis 26. Juli 1992, hg. von Jurgen Lenssen - Ludwig Wamser, Wurzburg 1992, S. 319-342. Ward Perkins 1967 John Bryan Ward Perkins, London Museum. Medieval Catalogue, London 1940, 3. Auflage 1967. WlILFF 1911 Oskar Wulff, Altchristliche und mittelalterliche byzantinische und italienische Bildwerke, Teil 2: Mittelalterliche Bildwerke (Beschreibung der Bildwerke der christlichen Epochen, Konigliche Museen zu Berlin, Bd. 3,2), Berlin 1911. Wulff 1916 Oskar Wulff, Kaiser-Friedrich-Museum. Neuerwerbungen Mittelalterlicher Kleinkunst, Amtliche Berichte aus den Koniglichen Kunstsammlungen 37 (Nr. 5), (Februar) 1916, Sp. 78-102. Wulff - Volbach 1923 Oskar Wulff - Wolfgang Fritz Volbach, Die altchristlichen und mittelalterli- chen byzantinischen und italienischen Bildwerke (Staatliche Museen. Beschrei¬ bung der Bildwerke der christlichen Epochen, Bd. 3, Erg. Bd.), Berlin - Leipzig 1923.
Teil 1 263 Katalog, Teil 1 Kunstgewerbemuseum, Bestand ex coll. Albert Figdor, Wien Die Erwerbung von Weifimetallgiissen aus der Sammlung von Albert Figdor (1843—1927), Wien, durch das zwischen 1921 und 1949 unter dem Namen SchloBmuseum firmierende Kunstgewerbemuseum der Staatlichen Museen zu Berlin erfolgte in zwei Phasen: Im Juni 1930 wurde auf der Wiener Auktion der Sammlung Figdor das Lot 212 mit insgesamt 20 Pilgerzeichen (unsere Kat. Nr. \—20) erworben und 1935 kamen aus den 1930 nicht versteigerten Sammlungs- teilen ffinf Ampullen (unsere Kat. Nr. 21-25) in den Berliner Museumsbestand. Zur Herkunft der Pilgerzeichen wird im Kat. Figdor 1930 fur das Lot 212 ,,zu- meist Seine-Funde“ angegeben. Die Ampullen sind im Auktionskatalog nicht ver- zeichnet und im Zettelkatalog der Sammlung Figdor sind fur sie keine Her- kunftsangaben enthalten. HI. Georg zu Pferd (Kat. Nr. 3), Frankreich, 15. Jahrhundert, Inv. Nr. 1930,60 c (seit 1945 verschollen)
№li Katalog 264 1. ENGEL MIT KANDELABER Frankreich, 14./15. Jahrhundert Pilgerzeichen unbekannter Herkunft Blei-Zinn (?); MaBe und Gewicht unbekannt Inv. Nr. 1930,60 a (seit 1945 verschollen) Gitterguss, ohne Rahmung. Ein stehender Engel, ins Pro- fil nach rechts gewendet, halt mit beiden Handen einen korperhohen Kandelaber mit groBer Tropfschale. Vgl.: Umdleckoprfimyslove museum [Kunstgewerbemu- seum] Prag, Inv. Nr. 5709 (identisches Stuck); Kat. Dus- seldorf 1981, Nr. 6, S. 19 (identisches Stuck). Lit.: Kat. Figdor 1930, Nr. 212 a. 2. HL. BARBARA Frankreich, 14./15. Jahrhundert Fragment eines Andachtsbildes Blei-Zinn; H. 45 mm, B. 25 mm, T. 2,5 mm; Gewicht 3,6 g Inv. Nr. 1930,60 b Gitterguss, ohne Rahmung. Die frontal stehende hi. Bar¬ bara mit schraffiertem Nimbus halt in ihrer Linken einen Palmwedel der fiber die Schulter hinausragt und in der Rechten ein geschlossenes Buch. Links steht, fast kor- perhoch dargestellt, der attributive Turin. Der Kopf der Heiligen ist abgebrochen aber erhalten. Ein schmaler FuB unterhalb der Standflache ist in Verlust geraten. Aus diesem Detail, dem bei einem ahnlichen Exemplar im Umeleckoprumyslove museum [Kunstgewerbemu- seum] Prag (Inv. Nr. 3-5706) noch erhaltenen Stander, kann auf die Funktion der Heiligendarstellung als minia- turhaft kleines Andachtsbild geschlossen werden. Vgl.: Kat. Nr. 36; Bruna 1996, Nr. 153-158, S. 120-122; HP II, S. 249, Abb. 1057-1059; Kat. Worms 2001, Nr. 62- 66, S. 107-109. Lit.: Kat. Figdor 1930, Nr. 212 b; Kat. Berlin 1989, Kat. Nr. A 147, S. 52 (Angelika Wesenberg). 3. HL. GEORG ZU PFERD Frankreich, 15. Jahrhundert Pilgerzeichen unbekannter Herkunft Blei-Zinn (?); MaBe und Gewicht unbekannt Inv. Nr. 1930,60 c (seit 1945 verschollen) Gitterguss, ohne Rahmung. Der gewappnetc hi. Georg rei- tet auf einem nach rechts gewendetem Pferd mit Scha- bracke. In der Linken halt er einen mit einem Kreuz ver-
Teil 1 265 zierten Schild, mit seiner Rechten fuhrt er die Lanze, die er dem riicklings unter den Hufen des Pferdes liegenden Drachen in den Rachen stoBt. Rechts erscheint die K6- nigstochter. Es sind neben der parallelen Kat. Nr. 26 zwei ikonogra- phisch identische Exemplare im Kunstgewerbemuseum der Stadt Koln und im Germanischen Nationalmuseum Numberg (urspriinglich Kolner Bodenfund) bekannt, die von Haedeke 1968 und ihm folgend Scherer (Kat. Nurn- berg 2000) mit dem Kardinal Georges d’Amboise (1460— 1510), dem Minister Konig Ludwig XII., in Verbindung gebracht werden, der diese Zeichen angeblich anlasslich eines Festes ausgeben lieB. Vgl.: Kat. Nr. 26; Umeleckoprumyslove museum [Kunst¬ gewerbemuseum] Prag, Inv. Nr. 5703 (spiegelverkehrt); Haedeke 1968, Nr. 51, S. 68; Kat. Nurnberg 2000, Nr. 196, S. 369f. (Angelika Scherer). Lit.: Kat. Figdor 1930, Nr. 212 c. 4. WEIBLICHE HEILIGE Frankreich, 15. Jahrhundert Pilgerzeichen unbekannter Herkunft Blei-Zinn (?); Mafie und Gewichl unbekannt Inv. Nr. 1930,60 d (seit 1945 verschollen) Gitterguss, ohne Rahmung. Die frontal stehende weibli- che Heilige mit Perlnimbus halt in ihrer Linken ein auf- geschlagenes Buch, in der Rechten einen Palmwedel. Unten rechts erscheint ein kleines Baumchen. Lit.: PZK Kurt Koster, St. Katharina (?), В I - Kat. Fig- DOR 1930, Nr. 212 d. 5. THRONENDE MARIA MIT KIND Frankreich, 15. Jahrhundert Pilgerzeichen unbekannter Herkunft Blei-Zinn (?); Mafle und Gewicht unbekannt Inv. Nr. 1930,60 e (seit 1945 verschollen) Flachguss, rund. Die frontal thronende Madonna halt den Jesusknaben auf ihrem linken Arm. Entlang des geperl- ten aufleren Randes erscheint die umlaufende Inschrift „Ave maria“. Lit.: Kat. Figdor 1930, Nr. 212 e.
266 Katalog 6. HL. MAURUS (MAUR) VON GLANFEUIL Frankreich, 14./15. Jahrhundert Pilgerzeichen aus Saint-Maur-des-Fosses (Dep. Val-de- Mame) Blei-Zinn (?); Mafle und Gewicht unbekannt Inv. Nr. 1930,60 f (seit 1945 verschollen) Gitterguss, mit runder Rahmung. Der frontal stehende hi. Maurus halt in seiner Rechten einen Spaten, die Linke ist seitlich erhoben. Rechts unten erscheint der vom Heili- gen geheilte Blinde. Der Rahmen ist profiliert und innen mit einem Perlstab, auflen mit einer umlaufenden Reihe punktierter Kreise verziert. Nach der Typologie Kurt Kosters gehort das Zeichen zum Typ Saint-Maur-des-Fosses, В II a. Vgl.: Kat. Nr. 64, 146 (identisches Stuck); Bruna 1996, Nr. 267, S. 180. Lit.: Kat. Figdor 1930, Nr. 212 f. 7. HL. QUENTIN (QUINTINIUS) Frankreich, 14./15. Jahrhundert Pilgerzeichen aus Saint-Quentin (Dep. Aisne) Blei-Zinn (?); Mafle und Gewicht unbekannt Inv. Nr. 1930,60 g (seit 1945 verschollen) Gitterguss, mit runder Rahmung. Der hi. Quentin er¬ scheint frontal als Brustbild mit Nimbus vor einem ange- deuteten Vierpass. Der Rahmen ist am inneren und aufle- ren Rand mit umlaufenden Perlstaben verziert. An der Riickseite befinden sich zwei Befestigungszungen. Vgl.: Kat. Nr. 60, 62; UmeleckoprOmyslovc museum [Kunstgewerbemuseum] Prag, Inv. Nr. 5719 und 5720; Haedeke 1968, Nr. 47f., S. 67; Bruna 1996, Nr. 31 Of.; Kat. Worms 2001, Nr. 109-121, S. 140-145, bes. Nr. 117, S. 144. Lit.: PZK Kurt Koster, St. Quentin, A1 a - Kat. Figdor 1930, Nr. 212 g. 8. THRONENDE MARIA MIT KIND Frankreich, 15. Jahrhundert Pilgerzeichen aus Boulogne-sur-Mer (Dep. Pas de Calais) Blei-Zinn (?); MaBe und Gewicht unbekannt Inv. Nr. 1930,60 h (seit 1945 verschollen) Gitterguss, mit hochrechteckiger Rahmung. Die in einem Schiff thronende gekronte Madonna halt den Jesusknaben auf ihrem linken Arm. Der filigran gearbeitete Rahmen
Teil 1 267 besteht aus einem starkeren auBeren Taustab und einem schmaleren inneren Perldrahtstab, die durch zickzack- formige Stege miteinander verbunden sind. An den drei oberen Seiten reichen diese Stege, durchbrochene Drei- ecke bildend, in das Bildfeld hinein. Vgl.: Lamy-Lasalle 1968, Nr. 21 (Slg. Bossard, Lu¬ zern). Lit.: PZK Kurt Koster, Boulogne-sur-Mer, A III - Kat. Figdor 1930, Nr. 212 h; Koster 1965, Taf. 12, Abb. 14; KOster 1979, S. 120f, Abb. 15. 9. ERZENGEL MICHAEL Frankreich, 15. Jahrhundert Pilgerzeichen vom Mont-Saint-Michel (Dep. Manche) Blei-Zinn (?); MaBe und Gewicht unbekannt Inv. Nr. 1930,60 i (seit 1945 verschollen) Gitterguss, ohne Rahmung. Der Erzengel steht frontal mit ausgebreiteten Fliigel iiber dem nach links gewen- deten Drachen. In seiner Linken halt er einen ge- schweiften Schild, in der Rechten den Kreuzesstab, dessen unteres Ende in den Rachen des Lindwurms stoBt. Vgl.: Lamy-Lasalle 1971, Taf. 29; Bruna 1996, Nr. 281-285. S. 187-189; Kat. Worms 2001, Nr 90-93, S. 127-129. Lit.: PZK Kurt Koster, Mont-Saint-Michel, С I - Kat. Figdor 1930, Nr. 212 i. 10. BRUSTBILD CHRISTI Frankreich, 15. Jahrhundert Anhanger 3lej_Zinn (?); MaBe und Gewicht unbekannt Inv. Nr. 1930,60 к (seit 1945 verschollen) Flachguss, mit rechteckiger Rahmung und einer Ose. Im vertieften Bildfeld erscheint das Brustbild Christi. Der Rahmen ist auBen an den Ecken mit Ziemoppen sowie an den seitlichen und an der unteren Seite mit zweiteiligen Blattsprossen besetzt. Lit.: Kat. Figdor 1930, Nr. 212 k. н
268 Katalog II. WEIBLICHE HEILIGE Frankreich, 15. Jahrhundert Pilgerzeichen unbekannter Herkunft Blei-Zinn (?); MaBe und Gewicht unbekannt Inv. Nr. 1930,60 1 (seit 1945 verschollen) Flachguss. Die frontal stehende weibliche Heilige mit Perlnimbus halt in ihrer Linken ein aufgeschlagenes Buch, in der Rechten einen unidentifizierten Gegenstand. Lit.: PZK Kurt Koster, St. Katharina (?), A - Kat. Figdor 1930, Nr. 212 1. 12. ZWEI HEILIGE BISCHOFE Frankreich, 15. Jahrhundert Pilgerzeichen unbekannter Herkunft Blei-Zinn (?); Майе und Gewicht unbekannt Inv. Nr. 1930,60 m (seit 1945 verschollen) Gitterguss, mit hochrechteckiger Rahmung. Zwei frontal nebeneinander stehende heilige Bischofe mit Mitra hal- ten jeweils in der Linken ein Vortragekreuz. Der linke Bi- schof steht iiber einem gefliigelten Drachen, neben dem rechten erscheint im dreiviertel Profil ein kniender Ado- rant. Die Inschrift „plain pardon“ (vollstandiger Ablass) an der Standleiste ist beschadigt, der obere Teil der Rah¬ mung fehlt. Kurt Koster identifizierte die beiden heiligen Bischofe als Florentinus und Vindemialis. Zur moglichcn Pariser Pro- venienz siehe Kat. Nr. 37. Vgl.: Kat. Nr. 37. Lit.: PZK Kurt Koster, 2 Bischofe, J - Kat. Figdor 1930, Nr. 212 m. 13 * *13. HL. KATHARINA Frankreich, 1. Halfte 16. Jahrhundert Pilgerzeichen aus Rouen, Sainte-Catherine-du-Mont (Dep. Seine-Maritime) Blei-Zinn (?); MaBe und Gewicht unbekannt Inv. Nr. 1930,60 n (seit 1945 verschollen) Gitterguss, ohne Rahmung. Die frontal stehende hi. Katha¬ rina halt in ihrer Rechten das Schwert, dahinter erscheint ein gezahntes Rad. Mit der Linken raffi die Heilige das Gewand hoch. Unten rechts erscheint das gekronte Haupt des Kai¬ sers Maxentius. Der Kopf der Heiligen fehlt. Lit.: PZK Kurt Koster, Rouen, Alb- Kat. Figdor 1930, Nr. 212 n.
Teil 1 269 14. MARIA MIT KIND IN H ALBFIGUR Frankreich, 15. Jahrhundert Anhanger Blei-Zinn (?); MaBe und Gewicht unbekannt Inv. Nr. 1930,60 о (seit 1945 verschollen) Flachguss, mit runder Rahmung und einer Osc. Die Ma¬ donna mit Nimbus erscheint frontal als Halbfigur, den Je- susknaben auf ihrem linken Arm haltend. Der Rahmen ist aufien mit vier Dreipassen besetzt. Lit.: PZK Kurt Koster, Maria mit Kind, AI 1 a - Клт. Fig- dor 1930, Nr. 212 o. 15. STEHENDE MARIA MIT KIND Frankreich, 15. Jahrhundert Pilgerzeichen unbekannter Herkunft Blei-Zinn (?); MaBe und Gewicht unbekannt Inv. Nr. 1930,60 p (seit 1945 verschollen) Gitterguss, ohne Rahmung. Die frontal stehende Madonna mit Nimbus und Krone, halt den Jesusknaben auf ihrem linken Arm. Unten rechts erscheint ein kleines Baumchen. Lit.: PZK Kurt Koster, Maria mit Kind, A III - Kat. Fig- dor 1930, Nr. 212 p. 1616. STEHENDE MARIA MIT KIND Frankreich, 14./15. Jahrhundert Pilgerzeichen aus Notre-Dame-de-Vaudouan (Dep. Indre) Blei-Zinn (?); MaBe und Gewicht unbekannt Inv. Nr. 1930,60 q (seit 1945 verschollen) Gitterguss, mit runder Rahmung und bekronendem Laub- werk. Im Bildfeld erscheint die frontal stehende Madonna, den Jesusknaben axial vor sich haltend. Links erscheint ein kniender Adorant mit groBer Kerze, rechts ein sprin- gender Widder, beide sind im ProFil dargestcllt. Die auf dem Rahmen umlaufende Inschrift ist anhand der foto- grafischen Abbildung nicht lesbar. Vgl.: Kat. Nr. 41, 42. Lit.: PZK Kurt Koster, Maria mit Kind, E II 4 a 2 - Клт. Figdor 1930, Nr. 212 q. M|
270 Katalog 17. STEHENDE MARIA MIT KIND ZWISCHEN ERZENGEL MICHAEL UND BISCHOF Frankreich, 15. Jahrhundert Pilgerzeichen vom Mont-Saint-Michel (Dep. Manche)? Blei-Zinn (?); Майе und Gewicht unbekannt Inv. Nr. 1930,60 r (seit 1945 verschollen) Gitterguss, mit runder Rahmung. Im Bildfeld erscheint die frontal stehende Madonna mit Nimbus und Krone, den Je- susknaben auf ihrem linken Arm tragend. Links steht der Erzengel Michael auf einem Drachen, reclits ein Bischof mit Mitra und Pedum. Der Rahmen ist innen mit einem Perl- drahtstab und an der Aufienseite mit altemierenden, dreipass- und noppenformigen Omainenten verziert. Ein identisches Bildfeld mit einem leicht veranderten Rah¬ men zeigt ein Zcichen im Umeleckoprumyslove museum [Kunstgewerbemuseum] Prag. Dieses Zeichen konnte wie Kat. Nr. 18 eine Variante eines Zeichens sein, das als wap- penschildformiger Gitterguss in Worms (Kat. Worms 2001, S. 79f., Nr. 9) und in Rouen (Lamy-Lasalle 1968, Nr. 17) be- zeugt ist und wohl dem Mont-Saint-Michel zuzuordnen ist. Der Bischof ware dann der hi. Aubcrt. Vgl.: Kat. Nr. 18 (Flachguss(?)-Variante); UmSlecko- prumyslove museum [Kunstgewerbemuseum] Prag, Inv. Nr. 3-5714. Lit.: Kat. Figdor 1930, Nr. 212 r. 18. STEHENDE MARIA MIT KIND ZWISCHEN ERZENGEL MICHAEL UND BISCHOF Frankreich, 15. Jahrhundert Pilgerzeichen vom Mont-Saint-Michel (Dep. Manche)? Blei-Zinn (?); Майе und Gewicht unbekannt Inv. Nr. 1930,60 s (seit 1945 verschollen) Flachguss (?), mit runder Rahmung. Im Bildfeld erscheint die frontal stehende Madonna mit Nimbus und Krone, den Je- susknaben auf ihrem linken Arm tragend. Links steht der Erz¬ engel Michael auf einem Drachen, rechts ein Bischof mit Mitra und Pedum. Der Rahmen ist innen mit einem Perl- drahtstab und an der Aufienseite mit altemierenden, dreipass- und noppenformigen Omamenten verziert. Zur moglichen Herkunft vom Mont-Saint-Michel siehe Kat. Nr. 17. Vgl.: Kat. Nr. 17 (Gitterguss-Variante); Umeleckoprumyslove museum [Kunstgewerbemuseum] Prag, Inv. Nr. 3-5714. Lit.: PZK Kurt Koster, Maria mit Kind, E II 3 a - Kat. Fig- dor 1930, Nr. 212 s.
Teil 1 271 19. THRONENDE MARIA MIT KIND MIT ZWEI ADORANTEN Frankreich, 2. Halfte 15./Anfang 16. Jahrhundert Pilgerzeichen unbekannter Hcrkunft Blei-Zinn; H. 65,5 mm (mit Kreuz), Dm. 46 mm, T. 4,8 mm; Gewicht 10,8 g Inv. Nr. 1930,60 t Gitterguss, mit runder Rahmung und einem Kruzifix als Aufsatz. Im zentralen Bildfeld erscheint die frontal thro- nende Madonna mit dem stehenden Jesusknaben auf ihrem linken Knie. Sie wird flankiert von zwei ins Halb- profil gewendeten adorierenden Engeln. Die gekronte Maria halt in ihrer Rechten ein Lilienzepter, dessen Schaft teilweise in Verlust geraten ist. Der Jesusknabe prasen- tiert genau im Zentrum des Rundbildes in seiner Rechten die Spheira, in der Linken ein Zepter mit dreipassformi- ger Bekronung. Urn diese Mittelszene lauft eine durch- brochen gegossene, jetzt stark fragmentierte Inschrift: ,,av[e :]: mar[ia] : gracia : plena : dom[i]nu[s]“ Der au- Bere Rand der Rahmung ist durch ein gepcrltcs Oma- mentband gesaumt. Uber dem Zenit der Rahmung erhebt sich als Aufsatz ein Kruzifix, der von groBblattrigem Laubwerk und zwei Eicheln umfangen wird. Eine Variante hiervon ist wohl Kat. Nr. 61. Vgl.: Kat. Nr. 61; Bruna 1996, Nr. 119 und 121, S. 107. Lit.: PZK Kurt Koster, Maria mit Kind, Eli 1 b 2 - Kat. Figdor 1930, Nr. 212 t; Kat. Berlin 1989, Nr. A 147, S. 52 (Angelika Wesenberg, mit falscher Lokalisierung nach Loreto). 2020. WIRBELROSETTE Frankreich, 2. Halfte 15. Jahrhundert Profanes Zeichen Blei-Zinn (?); Mal3e und Gewicht unbekannt Inv. Nr. 1930,60 u (seit 1945 verschollen) Gitteiguss, mit runder, durch ein umwickeltes Schriflband geschmiickter Rahmung. Im Zentrum erscheint cine scheinbar nach links rotierende Wirbelrosette. Die In¬ schrift auf dem Rahmenband ist anhand der fotografi- schen Aufnahme nicht lesbar. Lit.: Kat. Figdor 1930, Nr. 212 u.
272 Katalog 21. AMPULLE Frankreich (?), 14. Jahrhundert Pilgerampulle (?) Blei-Zinn; H. 51,8 mm, B. 40,5 mm, T. 16,3 mm; Gewicht 81,9 g Inv.Nr. F810 Zweischaliger Guss, verlotet. Die flache, rundbauchige Ampulle besitzt zwei kleine schulterstandige Osenhenkel. An der gewolbten Vorderseite erscheint an der Schulter ein aus kurzen Reliefstaben gebildetes Omamentband, wahrend der iibrige GefaBkorper flachendeckend mit einem schuppenartigen, aus abgeflachten Rundnoppen mit abgeflachter Oberseite gebildeten Netzmuster iiber- zogen ist. An der ebenen Riickseite umgeben zwei kon- zentrische Omamentbander eine achtblattrige Bliite iin Zentrum. Iin inneren Band erscheinen zwischen Ranken- omamenten zwei Buchstaben, die wohl als Alpha und Omega zu lesen sind. Das auBere Omamentband zeigt kurze Radialkerben. Der geschniirt eingezogene Fla- schenhals ist am Einguss stark deformiert. Vier weitere Ampullen mit einem sehr ahnlichen Schup- pendekor aus Korinth, Braunschweig, Dordrecht und in Koln sind bekannt. Liselotte Kotzsche vermutete mit Blick auf das griechische Exemplar ihren gemeinsamen Entstehungsort „mit mehr Wahrscheinlichkeit im Mittel- meergebiet [...] als nordlich der Alpen“ (Kotzsche 1988, S. 31). Im Inneren der Ampulle befand sich neben feinem Sand ein 5,5 x 7 cm groBes Fragment eines mittelalterlichen Seidengewebes, in das ein kleiner, bislang nicht identifi- zierter (mineralischer?) Gegenstand sorgfaltig eingewik- kelt war. Das Gewebe in Leinwandbindung ist sehr locker, die Schussfaden sind teilweise dicht zusammen, teilweise sehr lose. Vermutlich waren Streifen eingewebt. Kette: Seide, naturfarben, ohne erkennbare Drehung, ca. 34 F/cm, Schuss: Seide, naturfarben, ohne erkennbare Dre¬ hung, 20-160 F/cm, im besser erhaltenen Teil 23-38 F/cm (Gewebeanalyse von Heidi Blocher, Berlin). Vgl.: Davidson 1952, Nr. 573, S. 75, Taf. 53; Haedeke 1968, Nr. 14, S. 57 (in Koln); Kat. Braunschweig 1985, Nr. 327, Bd. I, S. 407; KOster 1985, S. 283, Abb. 9 (aus Braunschweig); Kotzsche 1988, S. 31, Abb. 22 (aus Ko¬ rinth); HP II, S. 375, Abb. 1578 (aus Dordrecht). Lit.: ZA SMB, Zettelkatalog Figdor; PZK Kurt Koster, Ampulle - Walcher-Molthein 1904, S. 75 mit Abb.; Berling 1919, S. 47, Abb. 27; Kotzsche 1988, S. 31, Abb. 23.
Teil 1 273 22. AMPULLE Frankreich, 14./15. Jahrhundcrt Pilgerampulle (?) Blei-Zinn, modemer Lackiiberzug; H. 45,5 mm, B. 38,5 mm, T. 13,5 mm; Gewicht 27,3 g Inv. Nr. F 1899 a Zweischaliger Guss, verlotet. Die flache, beutellormige Ampul le besitzt zwei kleine schulterstandige Osenhenkel. Die flach gewolbte Vorderseite zeigt vor gerautetem Hin- tergrund eine Lilienkrone iiber dreieckigem, seitlich ge- schweiftem Wappenschild mit drei heraldischen Lilien. Die ebenfalls flach gewolbte Riickseite zeigt vor geraute¬ tem Hintergrund drei wimpelformige Zeichen. Die Am¬ pul le ist insgesamt stark deformiert und das Metall hat zahlreiche Risse, darunter ein sehr grofler an der Riick- seite des GefaBes.. Vgl.: Bruna 1996, Nr. 142, S. 115; HP II, S. 379, Abb. 1593f. Lit.: ZA SMB, Zettelkatalog Figdor; PZK Kurt Roster, Am- pulle, Wappen - Walcher-Molthein 1904, S. 73 mit Abb.; Berling 1919, S. 47, Abb. 28; Kat. Berlin 1999, Nr. 6/184, S. 307. 23. AMPULLE MIT DARSTELLUNGEN JOHANNES D. T. William Smith und Charles Eaton London, 1857—1870 Zinn, modemer Lackiiberzug; H. 87,5 mm, B. 64,5 mm, T. 19,5 mm; Gewicht 119,3 g Inv. Nr. F 1865 Zweischaliger Guss, verlotet. Die beiderseits flach ge¬ wolbte Ampulle aus Zinn zeigt auf einer Seite Johannes d. T. im Jordan. In seiner Rechten halt er einen Stab mit Rad- kreuz, in der Linken einen zweihenkeligen Krug. Auf der weniger gewolbten zweiten Seite erscheint der Taufer in Gestalt des Johannes Prodroinos nach byzantinischer Sitte mit ausgebreiteten Engelsflugeln. Die in eigenwilliger Geometrie jeweils ffinffach am Korper und Hals der Am¬ pulle ansetzenden, verstrebten Stabhenkel mit Perlstab- dekor pragen die Kontur des GefaBes. Bei dieser byzantinisicrcnden Ampulle handelt es sich um eine der zwischen 1857 und 1870 in London von William Smith and Charles Eaton in groBer Zahl hergestellten phantasievollen Falschungen, den so genannten „Billys and Charleys" (freundlicher Hinweis von Jos Koldeweij, Nijmegen, vom 09.05.2007). Vgl.: Halliday 1986 (zur gesamten Werkgruppe); »http: //www.memick.co.uk/B&C/ampulla.htm« [25.06.2007] (zahl-
274 Katalog reiche Dilddateien von ,,Billys and Charleys44 Ampullen). Lit.: ZA SMB, Zettelkatalog Figdor; PZK Kurt Koster, Ven- dome, Ste. Larme, A - Walcher-Molthein 1904, S. 81 mit Abb.; Berling 1919, S. 47, Abb. 29. 24. AMPULLE Frankreich (?), 15./16. Jahrhundert Kupfer, gegossen und getrieben, Reste von Vergoldung und Versilberung; H. 56,2 mm, B. 44,8 mm, T. 18,5 mm; Gewicht41,6 g Inv. Nr. F 1321 Die Ampulle in Gestalt einer miniaturhaften Plattflasche mit scheibenformigem Korper, niedrigem, geschweiften StandfuO und kurzem, runden Hals zeigt auf der kaum ge- wolbten Vorderseite die stark abgeriebene Darstellung eines geflugelten Wesens, wohl eines heraldischen Adlers vor schraffiertem Grund. Die stark nach Innen gewolbte Riickseite ist schmucklos. Die Zarge des Gefaflcs wird von zwei schlanken Drachenfiguren mit angelegten Flii- geln umfasst, deren Korper unterhalb zweier Wirtel in Aquatorhohc in Halbrundstabe ubergehen. An den Nak- ken der beiden Lindwurme setzen in Hohe der GefaC- schulter zwei querstandige Osen an. Ein wegen des vor- handenen Innengewindes im Flaschenhals vorauszuset- zender zugehoriger Verschluss ist nicht erhalten. Die Aufnahme dieser Ampulle aus Kupfer in den vorlie- genden Katalog der Weil3metallarbeiten erfolgt wegen des engen provenienzgeschichtlichen Zusammenhangs. Lit.: ZA SMB, Zettelkatalog Figdor. 2525. AMPULLE Frankreich (?), 14./15. Jahrhundert (?) Kupferlegierung, gegossen, graviert; H. 42,8 mm, B. 40,0 mm, T. 7,5 mm; Gewicht 30,5 g Inv. Nr. F 1899 b Die sehr flache, rundbauchige Ampulle besitzt zwei kleine schulterstandige Osenhenkel. Die kaum gewolbte Vorderseite zeigt im runden Bildfeld einen einfachen Salomonsknoten. Die Darstellung wird gerahmt durch ein kreisrundes Omamentband mit einem gravierten Rapport winkelig angeondneter Strichmu- ster. Am Flaschenhals erscheinen iibereinander zwei Ornament- bander aus kurzen, senkrecht gravierten Linien. Die nur leicht nach Innen gewolbte Riickseite ist schmucklos. Die Aufnahme dieser Ampulle aus legiertem Kupfer in den vor- liegenden Katalog der WeiDinetallarbeiten erfolgt wegen des engen provenienzgeschichtlichen Zusammenhangs. Lit.: ZA SMB, Zettelkatalog Figdor.
Teil 2 275 Katalog, Teil 2 Kunstgewerbemuseum, Bestand ex coll. Johannes Jantzen, Bremen Aus der Sammlung von Dr. Johannes Jantzen (1887-1972), Bremen, gelangte am 15.01.1931 ein einzelnes Pilgerzeichen (Kat. Nr. 26) als Geschenk in den Berli¬ ner Museumsbestand. Herkunft oder Vorbesitzer des Werkes sind nicht bekannt. HI. Georg zu Pferd (Kat. Nr. 26), Frankreich, 2. Halfie 14./1. Halfte 15. Jahilmndert, Inv. Nr. 1930,103 (seit 1945 verschollen)
276 Katalog 26. HL. GEORG ZU PFERD Frankreich, 2. Halfte 14./1. Halfte 15. Jahrhundert Pilgerzeichen unbekannter Herkunft Blci-Zinn (?); H. 46,0 mm, B. 50,0 mm, T. unbekannt; Gewicht unbekannt Inv. Nr. 1930,103 (seit 1945 verschollen) Gitterguss, ohne Rahmung. Der gewappnete hi. Georg rei- tet auf einem nach rechts gewendetem Pferd mit Scha- bracke. In der Linken halt er einen mit einem Kreuz ver- zierten Schild, mit seiner Rechten fuhrt er die Lanze, die er dem unter den Hufen des Pferdes befindlichen Drachen in den auftvarts gewendeten Rachen stofit. Rechts er- scheint die Konigstochter, deren Oberkorper in Verlust geraten ist. An der umrahmten Standleiste Inschrift in Ver- salien: „SAINCT KORGE PRIEST44. Vgl.: Kat. Nr. 3; Umeleckoprumyslove museum [Kunst- gewerbemuseum] Prag, Inv. Nr. 5702. Lit.: PZK Kurt Koster, St. Georg AI e.
ТеПЗ 277 Katalog, Teil 3 Kunstgewerbemuseum, Bestand ex coll. Lambert Jagenau, Den Haag Aus der Sammlung von Lambert Jagenau, Den Haag, gelangten am 20.04.1944 insgesamt 280 Pilgerzeichen und andere Weifimetallgiisse als Ankauf zum Preis von 3.981 Reichsmark in den Berliner Museumsbestand. Nach Angaben des Vor- besitzers soil es sich urn Funde aus dem Flussbett der Schelde handeln. Erzengel Michael (Kat. Nr. 183), Frankreich, 15. Jahrhundert, Inv. Nr. 1944,18 (61 d)
278 Katalog 27. HL. CLAUDE Frankreich, 14./15. Jahrhundert (?) Pilgerzeichen aus Saint-Claude (Dep. Jura) Blei-Zinn; H. 51 mm, B. 23 mm, T. 2 mm; Gewicht: 6,5 g Inv. Nr. 1944,18(1) Gitterguss, ohne Rahmung. Auf einer FuBleiste mit der Inschrift ,,s claude“ steht der Hciligc frontal im bischofli- chen Omat, die rechte Hand zum Segensgestus erhoben, in der linken einen Kreuzesstab haltend. Das mit einer Mitra bedeckte Haupt ist umgeben von einem kreisrun- den stramingemusterten Nimbus. Vier Osen sind paarig auf mittlerer Hohe der Figur und wenig oberhalb der FuB- leiste angeordnet. Es sind ca. 15 Exemplare dieses von Koster als Typus A bestimmten Flachgusses bekannt. Vgl.: Bruna 1996, Nr. 163, S. 125. Lit.: Kat. Berlin 1989, Nr. A 147, S. 52 (Angelika We- senberg). 28. HL. CLAUDE Frankreich, 14./15. Jahrhundert (?) Pilgerzeichen aus Saint-Claude (Dep. Jura) Blei-Zinn (?); H. 54 mm Inv. Nr 1944,18 (1 b ?) (seit 1945 verschollen) Gitterguss, ohne Rahmung. Auf einer FuBleiste mit der Inschrift ,,s claude“ steht der Heilige frontal im bischofli- chen Omat, die rechte Hand zum Segensgestus erhoben, in der linken einen Kreuzesstab haltend. Das Haupt ist mit einer Mitra bedeckt: Vier Osen befinden sich paarig auf mittlerer Hohe der Figur und wenig oberhalb der FuBlei¬ ste. Vgl.: Bruna 1996, Nr. 163, S. 125. Lit.: PZK Kurt Koster, St. Claude-en-Jura, Typus A. 29. HL. CLAUDE Frankreich, 14./15. Jahrhundert (?) Pilgerzeichen aus Saint-Claude (Dep. Jura) Blei-Zinn (?); H. 55 mm Inv. Nr. 1944,18 (2) (seit 1945 verschollen) Gitterguss, ohne Rahmung. Auf einer FuBleiste mit der Inschrift ,,s claude“ steht der Heilige frontal im bischofli- chen Omat, die rechte Hand zum Segensgestus erhoben, in der linken einen Kreuzesstab haltend. Das mit einer Mitra bedeckte Haupt ist von einem kreisrunden stramin-
ГеИЗ 279 gemusterten Nimbus umgeben. Vier Osen sind paarig auf mittlerer Hohe der Figur und wenig oberhalb der FuBlei- ste angeordnet. VglBruna 1996, Nr. 163, S. 125. Lit.: PZK Kurt Koster, St. Claude-en-Jura, Typus A. 30. HL. AEGIDIUS Frankreich, 13. Jahrhundert Pilgerzeichen aus St. Gillcs-du-Gard (Dep. Gard) Blei-Zinn (?); H. 43 mm, B. 16 mm Inv. Nr. 1944,18 (3 a) (seit 1945 verschollen) Flachguss, hochrechteckig. Der barhauptige Heilige in Pontifikalkleidung ist auf einem rechteckigen Suppeda- neum stehend dargestellt, die rechte Hand ist zum Se- gensgestus erhoben, die linke halt den Abtsstab. Das Haupt ist von einem kreisrunden Nimbus mit Perlrand umgeben. Auf der unteren Halfte der Plakctte bis zur Hohe der Hiiffce befindet sich auf beiden Seiten neben der Figur die Inschrift ,,S[IGNUM] : BEATI EGIDII A[BBAS]“. Die Plakette besafi urspriinglich vier Osen. Koster rechnete das Zeichen mit zwei weiteren Funden zum altesten Formtyp der Pilgerzeichen von St. Gilles- du-Gard, der keine individuellen Attribute zeigt, aber eine Inschrift besitzt. Vgl.: Kat. Nr. 105-107. Lit.: KOster 1983, Nr. G I, S. 100. 3 1 . HL. CLAUDE Frankreich, 15. Jahrhundert (?) pilgerzeichen aus Saint-Claude (Dep. Jura) Blei-Zinn (?); H. 47 mm Inv. Nr. 1944,18 (4) (seit 1945 verschollen) Gitterguss, ohne Rahmung. Der Heilige steht frontal im bischoflichen Omat, die rechte Hand halt den Bischofs- stab. Die linke Hand ist weggebrochen. Das mit einer Mitra bedeckte Haupt ist umgeben von einem kreisrun¬ den stramingemusterten Nimbus. Die urspriinglich vier Osen sind abgebrochen. Vgl.: Bruna 1996, Nr. 163, S. 125. Lit.: PZK Kurt Koster, St. Claude-en-Jura, Typus A.
280 Katalog 32. THRONENDE MARIA MIT KIND Frankreich, 15. Jahrhundert Pilgerzeichen aus Tomblaine (Dep. Manche) Blei-Zinn (?); Майе und Gewicht unbekannt Inv. Nr. 1944,18 (5) (seit 1945 verschollen) Gitterguss, ohne Rahmung. Auf einer Bank thront die Ma¬ donna, sie halt den Jesusknaben, das auf der Bank neben ihr steht, im linken Arm. Der Kopf des Kindes ist wegge- brochen. Das Haupt Marias ist von einem kreisrunden Nimbus mit Perlrand umgeben. Links an derThronbank neben den Fiificn Marias bcfindet sich ein Lilienwappen. Vgl.: Haedeke 1968, Nr. 42, S. 65; KoenigsmarkovA 1980, S. 67; Bruna 1996, Nr. 108-110, S. 100f.; Kat. Worms 2001, Nr. 7, S. 78. Lit.: PZK Kurt Koster, Tomblaine, AI. 33. HL. LAURENTIUS Frankreich (?), 14./15. Jahrhundert Pilgerzeichen (?) unbekannter Herkunft Blei-Zinn; H. 33 mm, B. 25,5 mm, T. 1,3 mm; Gewicht: 2,6 g Inv. Nr. 1944,18 (6 a) Gitterguss, Fragment. Der Figur fehlen Kopf und Beine. Der Heilige steht in der Kleidung eines Diakons, in seiner rechten Hand halt er ein aufgeschlagenes Buch, in seiner linken einen nur noch fragmentarisch erhaltenen Rost. Die Riickseite ist fast vollstandig mit einer braungrauen Sub- stanz unbekannter Art bedeckt. Ikonographisch vergleichbare Stiicke befinden sich im Museum der Stadt Worms und im Musee departemental des Antiquites in Rouen. Vgl.: Lamy-Lasalle 1968, S. 17, Abb. 15; Kat. Worms 2001, Nr. 81, S. 121. Lit.: unpubliziert. 34. THRONENDE MARIA MIT KIND Frankreich, 15. Jahrhundert Pilgerzeichen aus Tomblaine (Dep. Manche) Blei-Zinn; H. 43,5 mm, B. 27,5 mm, T. 3,7 mm; Gewicht: 6,3 g Inv. Nr. 1944,18 (6 b) Gitterguss, ohne Rahmung. Auf einer stramingemusterten FuBleiste thront Maria frontal im langen, liber die Knie bis zum Boden reichenden Gewand. Ihr rechter Arm und
Teil 3 281 der Kopf sind abgebrochcn. Links neben ihr steht auf der Thronbank der Jesusknabe im langen Gewand und wird vom linken Arm der Madonna umfasst. Sein Kopf und der untere Teil seines linken Armes sind verloren. Auf der Riickseite befindet sich eine umgeknickte Nadel mit Arretierung. Vgl.: Haedeke 1968, Nr. 42, S. 65; Koenigsmarkova 1980, S. 67; Bruna 1996, Nr. 108-110, S. 100f.; Kat. Worms 2001, Nr. 7, S. 78. Lit.: unpubliziert. 35. STEHENDE HEILIGE (MARIA?) Frankreich, 14./15. Jahrhundert Pilgerzeichen (?) unbekannter Herkunft Blei-Zinn; H. 39,3 mm, B. 22 mm, T. 1,5 mm, Gewicht: 1,2 g Inv. Nr. 1944,18 (6 c) Gitterguss, Fragment, wohl urspriinglich mit Rahmen. Auf einer FuBleiste mit der Inschrift „NOSTRE [...]“ [E>OMINA? / DAME?] steht frontal im Kontrapost eine weibliche Heilige in einem bis zum Boden reichenden Ge¬ wand. Auf dem Haupt tragt sie eine Lilienkrone, im rech- ten Arm tragt sie einen langen, wohl spitz zulaufender Ge- genstand (Schwert ?). Rechts neben der Figur ist noch ein stramingemusterter Sockel mit Abbruchkanten erkennbar, der wohl zum urspriinglichen Rahmen gehort. Lit.: unpubliziert. 36. HL. BARBARA Frankreich, 15. Jahrhundert Andachtsbild mit verlorenem StandfuB Blei-Zinn; H. 35,5 mm, B. 13,8 mm, T. 3 mm; Gewicht: 2,4 g Inv. Nr. 1944,18 (6 d) Gitterguss, wohl ohne Rahmung, Fragment. Eine weibli- che Heilige (Barbara) ist im langen, bis auf den Boden reichenden Gewand frontal stehend dargestellt. In der lin¬ ken Hand tragt sie einen Palmwedel, in derrechten halt sie ein Buch. Der Kopf ist abgebrochen. Auf der Ruckseite verlauft mittig ein vertikaler Grat. In der Mitte der Unter- kante befindet sich eine Verdickung, vielleicht eine Lot- stelle, an der wohl die vertikale Achse eines StandfuBes angebracht war. Dies legen ahnliche Stiicke u.a. aus dem Museum der Stadt Worms, dem Musee national du Moyen Age - thermes et hotel de Cluny in Paris und dem Prager ;y-v/
282 Katalog Kunstgewerbemuseum nahe, wobei nur im Falle des Pra- ger Stiickes der StandfuB vollstandig erhalten ist. Vgl.: Kat. Nr. 2; UmfcleckoprCimyslove museum [Kunst¬ gewerbemuseum] Prag, Inv. Nr. 5705; Bruna 1996 Nr. 153-158, S.120-122; Kat. Worms 2001, Nr. 62-66, S. 107-109; Kat. Briigge2006, Nr. 114, S. 25. Lit.: unpubliziert. 37. ZWEI HEILIGE BISCHOFE Frankreich, 15. Jahrhundert Pilgerzeichen unbekannter Herkunft Blei-Zinn; H. 55,8 mm, Breite: 40,8mm, Tiefe: 2,4 mm; Gewicht: 4,8 g Inv. Nr. 1944,18 (6 e) Gitterguss, hochrechteckig, mit Architekturrahmen (ver- loren). Auf einer Standleiste mit der Inschrift „plaine par¬ don" (vollstandiger Ablass) stehen frontal nebeneinander zwei Bischofe mit Kasel und kreuzbesetztem Pallium, in den Handen halten sie Kreuzstabe. Die Kopfe und die au- Beren Arme fehlen. Die linke Figur stoBt den Kreuzesstab einem unter ihren FiiBen liegenden Drachen in das Maul, neben der rechten Figur finden sich Reste eines knienden Adoranten und des perlstabverzierten Rahmens. In der Mitte der Standleiste ist ein spater (?) angelotetes Frag¬ ment der Achse eines StandfuBes erhalten. Ein besser erhaltenes Exemplar dieses Zeichens erwarb das Berliner SchloBmuseum aus der Sammlung Figdor (vgl. Kat. Nr. 12). Das Fragment eines identischen Zei¬ chens befand sich in der Sammlung Bossard (Luzern). Kurt Koster hat nach Ausweis seiner Kartei vermutet, es handle sich um die Heiligen Florentinus und Vindemia- lis, freilich ohne einen Verweis auf Literatur, Quellen oder einen moglichen Herkunftsort anzugeben. Andererseits ist zu erwagen, ob es sich bei dem mit einem Drachen dar- gestellten Heiligen um den hi. Macellus, einen derPariser Stadtpatrone handelt. Dann ware der zweite Heilige mog- licherweise der hi. Dionysius. Moglicherweise handelt es sich um ein aus Paris, vielleicht aus der Kirche Notre- Dame stammendcs Pilgerzeichen. Vgl.: Kat. Nr. 12. Lit.: PZK Kurt Koster: 2 Bischofe, Florentinus et Vinde- mialis.
Tell 3 283 38. HL. MARIA MAGDALENA (?) Frankreich, 14./15. Jahrhundert Fliigel eines Klappaltarchens Blei-Zinn; H. 61,5 mm, B. 14,5 mm, T. 1,6 mm; Gewicht: 2,9 g Inv. Nr. 1944,18(7) Flachguss. Auf dem Fliigel mit umlaufendem Perlstab und Straminmusterung umschliefit ein Baldachin eine nim- bierte weibliche Figur, wohl Maria Magdalena, die ein (Salb)-GefaB vor der Brust tragt. Die Riickseite wird von einem Perlstab gerahmt. Sie zeigt 14paarweise angeord- nete Quadrate, stramingemustertc und glatte Felder wech- seln einander ab. Vgl.: Um£leckopriirnyslove museum [Kunstgewerbemu- seum] Prag, Inv. Nr. 5760; Bruna 1996, Nr. 530, S. 274 und Nr. 534f., S. 275. Lit.: unpubliziert. 39. HEILIGER BISCHOF (NIKOLAUS?) Frankreich, 15./Anfang 16. Jahrhundert Pilgerzeichen unbekannter Herkunft Blei-Zinn (?); H. 28 mm; B. 23 mm Inv. Nr. 1944,18 (8) (seit 1945 verschollen) Gitterguss, hochrechteckig. In dem als Fenster gestalte- ten Bildfeld erscheint der Oberkoiper eines nach links ge- wandten Bischofs mit Mitra und Omat. Links neben dem Fenster wird die Giebelseite eines Hauses angedeutet. Moglicherweise stellt die Szene dar, wie der hi. Nikolaus den drei Jungfrauen die Mitgift fur ihre Verheiratung in der Nacht durch das Fenster wirft. Lit.: PZK Kurt Koster, Bischof, C III a 2. 40. HEILIGER BISCHOF Frankreich, 15. Jahrhundert pilgerzeichenartiges Andachtsbild unbekannter Herkunft Blei-Zinn; H. 73 mm, B. 35 mm, T. 2,5 mm; Gewicht: 6,9 g Inv. Nr. 1944,18(9) Gitterguss, hochrechteckig, mit Architekturrahmen. Unter einem Rahmen mit einem Dreiecksgiebel, der in ein Li- lienomament auslauft, steht frontal auf einer Standleiste eine Figur im Bischofsomat mit Kasel und Mitra, den Bi- schofsstab in der linken Hand haltend, die rechte zum Se- gensgestus erhoben. Sein Haupt ist mit einem kreisrun- den Nimbus hinterlegt, rechts und links kniet je ein Ado-
284 Katalog rant mit im Gebetsgestus angewinkelten Armen; bei der rechten Figur ist der Kopf weggebrochen. Die Majuskel- inschrift auf der Standleiste ist kaum zu lesen. Sie be- ginnt mit einem ,,A‘\ der dritte bzw. vierte Buchstabe ist ein ,,C“. Bekannt sind zwei ahnliche Stiicke im Muscc national du Moyen Age - thermes et hotel de Cluny in Paris und eines im Prager Kunstgewerbemuseum (Inv. Nr. UPM 5682/ 1894), letzteres mit einer gegenlaufigen Inschrift, das den Dargestellten als hi. Leobinus (Lubin) von Chartres iden- tifiziert. Vgl.: Koenigsmarkova 1980, S. 63; Bruna 1996, Nr. 250, S. 170. Lit.: Kat. Berlin 1999, Nr. 6/175, S. 306. 41. STEHENDE MARIA MIT KIND MIT WIDDER UND ADORANTEN Frankreich, 15. Jahrhundert Pilgerzeichen aus Vaudouan (Dep. Indre) Blei-Zinn (?); MaBe und Gewicht unbekannt Inv. Nr. 1944,18 (11 ?) (seit 1945 verschollen) Gitterguss, rund. In einem breiten Rahmen mit fragmen- tarisch erhaltener Bekronung steht frontal Maria mit lan- gen Haaren und halt den Jesusknaben aufrecht vor ihrem Leib. Zur Linken ist ein springender Widder, zur rechten ein kniender Adorant dargestellt. Dieser halt einen gra- den, langlichen Gegenstand in der Hand, der in einer blatt- oder flammenformigen Verbreiterung auslauft; es handelt sich wohl um eine Kerze. Nach dem identischen Stuck im Wormser Museum lautete die Inschrift ,,n[ot]re dame la de [...]aude“. Bruna liest auf einem ahnlichen Stuck aus Paris ,,n[ot]re dame laden vaude‘\ Von diesem Zeichen gibt es neben der runden auch noch hochrechteckige und vierpassformige Varianten. Bisher sind ein knappes Dutzend Exemplare mit einer sehr ahn¬ lichen Ikonographie bekannt, zu der auch die Darstellung einer FuBfessel oder anderer Votivgaben iiber dem sprin- genden Widder und dem Adoranten gehoren, was auf die¬ sem Stuck verloren zu sein scheint. Lamy-Lasalle hat nach ihrer umstrittenen Lesung (,,austreber“) auf einem Exemplar im Musee departemental des Antiquites in Rouen eine Herkunft aus der Kirche der hi. Austreberthe von Montieuil-sur-Mer vermutet. In diesem Fall miisste das abgebildete Tier aber ein Wolf sein. Bruna hat nach seiner Lesung eine Herkunft der Zeichen aus der Marien- kapelle Notre-Damc-de-Vaudouan (Dep. Indre) vorge- schlagen.
Teil 3 285 Vgl.: Kat. Nr. 42; Umdleckopmmyslove museum [Kunst- gewerbemuseum] Prag, Inv. Nr. 5732; Lamy-Lasalle 1968, Nr. If.; Kat. Dusseldorf 1981, Nr. 12, S. 21; Bruna 1996, Nr. 112, S. 101 f.; Kat. Worms 2001, Nr. 52 (identisch), Nr. 53f., S. 100-102. Lit.: PZK Kurt Koster, Maria mit Kind EII 4 a 2. 42. STEHENDE MARIA MIT KIND MIT WIDDER UND ADORANTEN Frankreich, 15. Jahrhundert Pilgerzeichen aus Vaudouan (Dep. Indrc) Blei-Zinn (?); H. 45 mm, B. 29 mm Inv. Nr. 1944,18(11 c) (seit 1945 verschollen) Gitterguss, rund. Die Darstellung entspricht Kat. Nr. 41, aber in diesem Fall ist der innen perlstabverzierte Rah- men durchbrochen gearbeitet. Der rechte Teil des Zei- chens mit der Darstellung des Adoranten fehlt, die Be- lcronung ist weggebrochcn. Uber dem Widder ist anstelle der sonst iiblichen FuOfessel ein korb- oder schiffsartiger Gegenstrand dargestellt. Vgl.: wie Kat. Nr. 41. Lit.: PZK Kurt Koster, Maria mit Kind E II 4 a 2. 43.MARIA, HL. KATHARINA UND MANNLICHER HEILIGER Frankreich, fruhes 15. Jahrhundert pilgerzeichen aus Boulogne-sur-Mer (Dep. Pas-de- Calais) und Rouen (Dep. Seine-Maritime) (?) Blei-Zinn; H. 77,8 mm, B. 62,2 mm, T.2 mm; Gewicht: 13,4 g Inv. Nr. 1944,18 (13) Gitterguss, mit wappenformigem Rahmen, urspriinglich drei Osen. Am inneren Rand des wappenfbrmigen Rah- mens befindet sich die umlaufende Inschrift „+ AVE : MARIA : GR/ACIA : PLENA : DOMI/NUS : TECUM : BENEDICTA: TV”, am aufieren Rand Wiirfelaugen. Von den urspriinglich drei Osen sind nur die an der unteren Spjtze und an der linken oberen Ecke erhalten. Von den drei Figuren innerhalb des Rahmens stellt die mittlere wohl die stehende, mit einer Lilienkrone gekronte Ma¬ donna dar. Die kleinere rechte Figur ist ebenfalls gekront und nimbiert und tragt in der linken Hand ein Rad und in der rechten einen Palmenzweig; es handelt sich urn die hi. Katharina. Die linke, nur fragmentarisch erhaltene Figur hat einen mannlichen Kopf, dessen Haar vermutlich ton-
286 Kcitalog suriert ist. Oberhalb dcs Schildes sind zwei zur Mitte ge- wendete kniende Adoranten zu vermuten, von denen nur die unteren Teile der Faltengewander erhalten sind. Zwi- schen ihnen befinden sich zwei schwer deutbare Frag- mente. Neben der unteren Ose befindet sich eine Zunge, vermutlich zum Befestigen von Papier. Vgl.: Lamy-Lasalle 1968, Nr. 17; Bruna 1996, Nr. 76, S. 84; Kat. Worms 2001, Nr. 9, S. 79. Lit.: unpubliziert. 44. VERKUNDIGUNG AN MARIA Frankreich, 15./Anfang 16. Jahrhundert Fragment eines Beschlages (?) Blei-Zinn; H. 86 mm, B. 43 mm, T. 2 mm; Gewicht.10 g Inv. Nr. 1944,18(14) Gitterguss, hochrechteckig, Fragment. Neben einem Stamm kniet ein Engel, dessen rechte Hand eine Schale halt, aus der ein Blatt senkrecht und rechts davon ein ab- wartsgebogenes Blatt emporragen. Die Szene ist durch den Vergleich mit dem besser erhal- tenen Beschlag im Museum von Worms als Teil einer Ver- kiindigungsszene zu deuten. Vgl.: Kat. Worms 2001, Nr. 58, S. 104. Lit.: unpubliziert. 45.BUSTE DER MARIA MIT KIND AUF DER MONDSICHEL Frankreich, 15./Anfang 16. Jahrhundert Pilgerzeichen (?) unbekannter Herkunft Blei-Zinn; H. 70 mm, B. 66 mm, T. 1 mm; Gewicht: 10,2 g Inv. Nr. 1944,18(15) Gitterguss, rund, vier Osen. Der Rahmen wird aus einer Doppellinie auflen und einer breiteren Dreifachlinie innen gebildet, zwischen denen abwechselnd gerade bzw. ge- flammte Zacken verlaufen. Im kreisrunden Feld erscheint iiber einer liegenden Mondsichel die Biiste der Maria mit Nimbus und Lilienkrone. Im linken Arm tragt sie den auf ihrer linken Hand stehcnden Jesusknaben, dessen Haupt weggebrochen ist. Links zwischen Mondsichel und Rah¬ men befindet sich ein sechsstrahliger Stem. Die Reste von Strahlenansatzen zeigen, dass das gesamte Bildfeld mit Strahlen ausgefullt war, die konzentrisch von der Ma¬ donna ausgingen. Vgl.: Bruna 1996, Nr. 143, S. 115. Lit.: Kat. Berlin 1989, Nr. A 147, S. 52 (Angelika Wesenberg).
Teil3 287 46. ERZENGEL MICHAEL Frankreich, I5./Anfang 16. Jahrhundert Teil eines Beschlages oder Pilgerzeichen vom Mont- Saint-Michel (?) Blei-Zinn (?); H. 45 mm; B. 41 mm Inv. Nr. 1944,18 (16 a) (seit 1945 verschollen) Gitterguss, Fragment. Der gefliigelte Erzengel Michael ist frontal stehend in einem Hamisch dargestellt. Er halt in seiner linken Hand einen Schild und in seiner rechten ein Lanze. Die Figur erscheint vor in einem Lilienomament, dessen unterer Teil abgebrochcn ist und das wohl ur- sprtinglich die Bekronung eines Beschlages (?) bildete. Lit.: PZK Kurt Koster, Mont-Saint-Michel, С I. 47. AGNUS DEI Frankreich, 15./Anfang 16. Jahrhundert Applik Blei-Zinn (?); H. (noch) 32 mm, B. 38 mm Inv. Nr. 1944,18 (16 b) (seit 1945 verschollen) Gitterguss, ohne Rahmung. Auf einer Standleiste steht das nach rechts gewandte Lamm; unter seinem Leib ist ein Kleeblattomament zu erkennen. Am rechten Ende der Standleiste steigt ein Schriftband mit der Inschrift „AGNUS DEI“ auf. Das Haupt des Lammes ist von einem Kreuznimbus umgeben, die senkrecht nach oben gerichtet Kreuzesfahne ist abgebrochen. Vgl.: UmSleckoprumyslove museum [Kunstgewerbemu- seum] Prag, Inv. Nr. 3-5763; Kat. Worms 2001, Nr. 139, S. 154, Клт. Caen - Toulouse - Evreux 2002, Nr. 275, S. 299 (beide sehr ahnlich, aber nach links gewendet). Lit.: PZK Kurt Koster, Agnus Dei, A III. 48. JOHANNES EV. (?) Frankreich, 15. Jahrhundert (?) Teil eines Beschlages (?) Blei-Zinn (?); H. 61 mm Inv. Nr. 1944,18 (17 b) (seit 1945 verschollen) Gitterguss, Fragment. Johannes der Evangelist steht auf einem Rundbogcn. Das Fragment war wohl Teil einer Kreuzigungsgruppe. Das Fragment ahnelt der Kreuzi- gungsgruppe Kat. Nr. 86. Lit.: PZK Kurt Koster, Kreuzigung, С II 9.
288 Katalog 49. KREUZIGUNG CHR1ST1 Frankreich, 15. Jahrhundert (?) Spiegelrahmen / Spiegelzeichen (?) mit bekronender Kreuzigungsgruppe Blei-Zinn (?); H. 65 mm; B. 32 mm; Dm. Spiegelrahmen innenl3 mm, Dm. Spiegelrahmen auBen 18 mm Inv. Nr. 1944,18 (17 c) (seit 1945 verschollen) Gitterguss. Der runde, perlstabbesetzte Spiegelrahmen wird von einem Flammenkranz umgeben. Die Bekronung bildet eine dreifigurige Kreuzigungsgruppe. Christus, mit einem Schurz bekleidet, hangt an einem Kreuz, dessen Balkenenden in Lilienomamenten auslaufen. Links und rechts von ihm stehen je ein Engel, die mit den auBeren Handen den Schurz halten und einen langlichen Gegen- stand (Nagel?) zu prasentieren schcinen. Am unteren Rand des Rahmens ist ein kleiner Rest der runden Achse des StandfiiBes erhalten. Vgl.: Kat. Nr. 86, 246; Umeleckopriimyslove museum [Kunstgewerbemuseum] Prag, Inv. Nr. 5658. Lit.: PZK Kurt Koster, Kreuzigung, С II 8. 50. STEHENDE MARIA MIT KIND AUF DER MONDSICHEL Frankreich, 15./Anfang 16. Jahrhundert (?) Pilgerzeichen (?) unbekannter Ilerkunft Blei-Zinn (?); H. 46 mm Inv. Nr. 1944,18 (17 d) (seit 1945 verschollen) Gitterguss, ohne Rahmung. Auf einer Mondsichel steht frontal Maria mit dem Kind auf dem linken Arm. Ihr Haupt ist nimbiert. Hinter der Figur ragt ein symmetri- scher Famwedel oder Baum (?) in die Hohe, der breiter als die Mariengestalt ist und dessen Mittelgrat durch einen Perlstab betont wird. Zwischen den ,Zweigcn’ sitzen Wiir- felaugenomamente wie Friichte. Lit.: PZK Kurt Koster, Maria mit Kind, D III 1. 5 1. HEILIGER B1SCHOF Frankreich, 15. Jahrhundert (?) Pilgerzeichen unbekannter Herkunft Blei-Zinn (?); H. 41 mm, B. 27 mm Inv. Nr. 1944,18(18) (seit 1945 verschollen) Gitterguss, hochrcchteckig, mit Rahmen. Unter einer Gie- belarchitektur mit Dreipass steht frontal die Figur eines Bischofs mit Mitra und Kasel, das Haupt ist nimbiert. In
Tail 3 289 seiner linken Hand halt er den Krummstab, in der rechten ein Buch mit dem Buchstaben ,,E“ auf dem Riicken. Rechts neben der Figur ist ein stilisiertes Gewachs ange- deutet. Lit.: PZK Kurt Koster, stehender Bischof, AI 2 a. 52. HEILIGE DRE1 KONIGE Niederrhein, 14. Jahrhundert Hl.-Drei-Konige-Pilgerzeichen der Kolner Domkirche Blei-Zinn; H. 28,5 mm, B. 50,5 mm, T. 1,3 mm; Gewicht: 3,5 g Inv.Nr. 1944,18 (19 a) Gitterguss, querrechteckig. In Anlehnung an eine Schrein- architektur gliedert sich das Zeichen in eine schmale ho- rizontale Zierleiste mit Blatt- und Bliitenomamenten und dariiber vier Arkadenbogen mit jeweils einem spitzen Dreipassgiebel mit Kreuzblume, deren linke und zweite von rechts fehlen. Unterdem linken Arkadenbogen thront Maria mit dem Kind auf einer Thronbank halbffontal, zu ihrer Linken steht das Kind auf der Bank. In zweiten Ar¬ kade kniet einer der Konige neben einer stilisierten Blume, dariiber erscheint ein sechsstrahliger Stem. In der rechten Hand halt er ein Gefa/3, in der linken eine Lilien- krone. In der dritten Arkade steht ein Konige aufrecht frontal mit ausgebreiteten Armen, mit seiner Rechten auf Maria weisend, tragt er in der linken Hand ein Gefa/3. In der vierten Arkade steht der dritte Konig nach hinten ge- neigt in Schrittstellung. Sein Kopf fehlt inzwischen, ebenso die rechte Hand, die ein rechteckiges Gefal3 halt. Die Darstellung der Heiligen Drei Konige entspricht dem so genannten „franzosischen Schauspieltypus”. Das Objekt ist von Meyhr-Wurmbach 1964 nur in den Nachtrag des Katalogs der Drei-Konigs-Zeichen aufge- nommen worden und in der Gesamttypologie der Drei- Konigs-Zeichen von Haasis-Berner - Poettgen 2002 fehlt es ganzlich, wohl weil es keinem der sechs differen- ten Typen von querrechteckigen Gittergussen zuzuweisen war. Mit der Publikation eines ahnlichen Stiicks in HP II lasst sich aber von einem spezifischen Typus reden, der sich an der Darstellung der Anbetung auf der Vorderseite des Dreikonigenschreins orientiert und formal dem Typus Haasis-Berner - Poettgen 2002 Bla. nahe steht, aber keine Aufbauten auf der querrechteckigen Grundform be- sitzt. Vgl.: HP II, Nr. 1105, S. 259. Lit.: Meyer-Wurmbach 1964, Nr. 108. S. 257; Kat. Ber¬ lin 1989, Nr. A 147, S. 52 (Angelika Wesenberg).
Katalog 290 53. HEILIGE DREI KONIGE Frankreich oder Niederrhein, 15. Jahrhundert (?) Beschlag oder Kronchen mit den Heiligen Drei Konigen Blei-Zinn; H. 33 mm, B. 19,5 mm, T. 1,2 mm; Gewicht: 1,1 g Inv. Nr. 1944,18 (19 b) Gitterguss, Fragment. Das Fragment lasst erkennen, dass es sich um einen zweigeteilten Beschlag handelte. Das un- tere Feld bildet ein Schriftband, dessen Buchstaben die untere Bildleiste mit der FuBleiste des oberen Bildfeldes verbinden. Erhalten hat sich die Buchstabenfolge „elch” (aus ,,Melchior“). Das obere Bildfeld stellte wohl den Zug der Heiligen Drei Konige in der Bewegung nach rechts dar. Erhalten hat sich ein ffagmentarisches Reittier (Pferd oder Kamel) mit Beinen und Rumpf; darauf sind das Ge- schirr und die Satteldecke zu erkennen. Auf der Ruckseite haben sich zwei nach innen gcbogene Zungen erhalten. Vgl.: Bruna 1996, Nr. 314-323, S. 204-207. Lit.: unpubliziert. 54.HEILIGE DREI KONIGE Frankreich oder Niederrhein, 15. Jahrhundert (?) Beschlag oder Kronchen mit den Heiligen Drei Konigen Blei-Zinn (?); H. 31 mm, B. 52 mm Inv. Nr. 1944,18 (19 ?) (seit 1945 verschollen) Gitterguss, Fragment, urspriinglich querrechteckig. Auf dem fragmentarisch erhaltenen Durchbruchstreifen erhebt sich links ein Lilienomament. Rechts daneben hat sich die Gewandpartie eines Unterkorpers erhalten. Der Ansatz einer weiteren heraldischen Lilie ist rechts davon zu er¬ kennen. Wie der Vergleich mit vollstandiger erhaltenen Beschlagen zeigt, war urspriinglich die Anbetung der thronenden Madonna mit dem Kind durch die Heiligen Drei Konige dargestellt, wobei die Figuren durch heral- dische Lilien voneinander getrennt waren. Vgl.: Umeleckoprumyslove museum [Kunstgewerbemu- seum] Prag, Inv. Nr. 5635; Meyer-Wurmbach 1964, Nr. 111 und 114, S. 258Г; Bruna 1996, Nr. 314-316, S. 204f. Lit.: PZK Kurt Koster, HI. 3 Konige, Franzos. Typus.
Teil 3 291 55. HEILIGE DREI KONIGE Frankreich Oder Niederrhein, 14./15. Jahrhunden (?) Beschlag oder Kronchen mit den Heilige Drei Konigen Blei-Zinn (?); H. 21 mm Inv. Nr. 1944,18 (19 ?)(seit 1945 verschollcn) Gitterguss, Fragment. Einer der Heiligen Drei Konige nach links gewendet mit leicht gebeugtem Knie, einem Deckelgefafl in den Handen und einer Lilienkrone. Lit.: Meyer-Wurmbach 1964, Nr. 112, S. 258. 56. HEILIGE DREI KONIGE Frankreich oder Niederrhein, 14./15. Jahrhundert (?) Beschlag oder Kronchen mit den Heilige Drei Konigen Blei-Zinn (?); H. 50 mm, B. 47 mm Inv. Nr. 1944,18 (19 ?) (seit 1945 verschollen) Gitterguss, Fragment. Auf einem perlstabverzierten Strei- fen mit der fragmentarischen Inschrift ,,balt[a]s“ (von ,,Baltasar“) thront die Madonna auf einer Bank, in der lin- ken Hand ein Buch haltend, die rechte umfasst das neben ihr auf der Bank stehende Kind. Neben dem Kind sind ge- ringe Reste eines (Lilien?)-Omaments erkennbar. Am rechten Rand des Streifens hat sich eine breite langliche Zunge erhalten. Vgh: Bruna 1996, Nr. 314-323, S. 204-207. Lit.: Meyer-Wurmbach 1964, Nr. 109, S. 257. 57. MINIATURSCHREIN Niederrhein oder Frankreich, 15. Jahrhundert (?) Fragment eines Miniaturschreins (?) Blei-Zinn (?); H. 21 mm. B. 45 mm Inv. Nr. 1944,18 (19 ?) (seit 1945 verschollen) Gitterguss, querrechteckig. Ein breiter, leicht deformier- ter, querrechteckiger Rahmen zeigt im Inneren eine durch- brochene Spitzbogenarchitektur mit urspriinglich wohl sechs Stiitzen. Am linken Rand haben sich zwei Zungen erhalten. Koster hielt das Objekt analog zu Kat. Nr. 54 fur den unteren Teil eines Beschlags mit den Heilige Drei Ko¬ nigen. Es handelt sich aber wohl eher um das Fragment eines Miniaturschreins. Vgl.; Kat. Nr. 58; Umdleckopmmyslove museum [Kunst- gewerbemuseum] Prag, Inv. Nr. 5640. Lit.: PZK Kurt Koster, HI. 3 Konige, Franzos. Typus.
292 Katalog 58. MINIATURSCHREIN Niederrhein oder Frankreich, 15. Jahrhundert (?) Fragment eines Miniaturschreins (?) Blei-Zinn (?); H. 20 mm. B. 50 mm Inv. Nr. 1944,18 (19 ?) (seit 1945 verschollen) Gitterguss, querrechteckig. Das Objekt ahnelt Kat. Nr. 57, ist aber besser erhalten. In jedem Zwickel der Arkaden befindet sich ein dreistrahliger Stem. Zwischen den ein- zelnen Saulen ragt jeweils ein Steg senkrecht empor. So- wohl am linken als auch am rechten Rand sitzen zwei Hal- tezungen. Vgl.: Kat. Nr. 57; Umeleckoprumyslove museum [Kunst- gewerbemuseum] Prag, Inv. Nr. 5640. Lit.: PZK Kurt Koster, HI. 3 Konige, Franzos. Typus. 59. MARIA MIT KIND Frankreich, 15. Jahrhundert Beschlag oder Kronchen mit der Maria von Boulogne- sur-Mer (Dep. Pas-de-Calais) Blei-Zinn (?); Mafle und Gewicht unbekannt Inv. Nr. 1944,18 (19 ?) (seit 1945 verschollen) Gitterguss, Fragment. Auf einer breiten rechteckigen Zier- leiste mit umlaufenden Perlstabdekor, die ornamental durchbrochen ist, befindet sich am rechten Rand eine he- raldische Lilie. Links von der Lilie thront in einem von Wellen bewegten Schiff die mit einer Lilienkrone ge- kronte Madonna und tragt das Kind im rechten Arm. Lit.: PZK Kurt Koster, Boulogne-sur-Mer, AIV. 60. HL. QUENTIN (QUINTINIUS) Frankreich, 15. Jahrhundert Pilgerzeichen aus Saint-Quentin (Dep. Aisne.) Blei-Zinn (?); H. 29 mm Inv. Nr. 1944,18 (20 a) (seit 1945 verschollen) Gitterguss, runder Rahmen. Von dem Zeichen hat sich mu- das Haupt erhalten, das von einem mit Perlstab und Git- termuster geschmiickten Nimbus umgeben ist. Das Zeichen wurde von Kurt Koster dem Formtyp Ala (Gitterguss, rund, ohne Inschrift) zugewiesen Vgl.: Umdleckopmmyslove museum [Kunstgewerbemu- seum] Prag, Inv. Nr. 5719 und 3-5720; Haedeke 1968, Nr. 47f., S. 67; Bruna 1996, Nr. 31 Of., S. 200f.; Kat. Worms 2001, Nr. 109-121, S. 140-145, bes. Nr. 117, S. 144. Lit.: PZK Kurt Koster St. Quentin (?), B.
Teil 3 293 6 1 . MARIA MIT KIND Frankreich, 15. Jahrhundert Pilgerzeichen unbekannter Herkunfi Blei-Zinn (?); H. 40 mm Inv. Nr. 1944,18 (20 b) (seit 1945 verschollen) Gitterguss, rund, mit Kreuzaufsatz. In einem kreisrunden perlstabverzierten Rahmen, der auflen umlaufend mit einem Dreipunktdekor besetzt ist, sitzt die Madonna als Halbfigur mit Nimbus, das Kind im linken Arm haltend. Auf der oberen Mitte des Rahmens befindet sich ein Kru- zifix. Die Kreuzenden laufen in Lilienomamenten aus. Links neben dem Kreuz befindet sich ein stilisiertes Ge- wachs, das in eine uberdimensionale Bliite in Form eines dreiblattrigen Kleeblatts auslauft. Vielleicht handelt es sich urn einc grober gearbeitete und verkleinerte Variante von Kat. Nr. 19. Vgl.: Kat. Nr. 19. Lit.: PZK Kurt Koster, Maria mit Kind, AII 1 b. 62. HL. QUENTIN (QUINTINIUS) Frankreich, 15. Jahrhundert Pilgerzeichen aus Saint-Quentin (Dep. Aisne) Blei-Zinn (?); Dm. 28 mm Inv. Nr. 1944,18 (20 c) (seit 1945 verschollen) Gitterguss, runder Rahmen, Fragment. Der kreisrunde Rahmen ist innen und auBen mit Perlstab verziert. Im Bildfeld steht die Btiste des hi. Quentin, rechts und links von einem stilisierten Baumchen flankiert. Vgl.: Kat. Nr. 151, 152, 161, 189; Umeleckoprfimyslove museum [Kunstgewerbemuseum] Prag, Inv. Nr. 5719 und 5720; Haedeke 1968, Nr. 47f., S. 67; Bruna 1996, Nr. 31 of.’, S. 201; Kat. Worms 2001, Nr. 109-121, S. 140- 145, bes. Nr. 117, S. 144. Lit.: pZK Kurt Koster, St. Quentin, A I a. 63. HL. VINZENZ (?) Frankreich, 15. Jahrhundert Pilgerzeichen unsicherer Herkunfi Blei-Zinn (?); Dm. 43 mm Inv. Nr. 1944,18 (21) (seit 1945 verschollen) Gitterguss, rund, mit Nadel an der Riickseite. In einem breiten, kreisrunden Rahmen erscheint die Reliquienbiistc eines hi. Diakons, neben der links und rechts je ein Engel kniet, die beide hohe Kerzen halten. Von Kurt Koster wurde das Zcichen hypothetisch dem hi. Vincent zugewiesen; vgl. dazu auch Bruna 1996, S. 211-213. Lit.: PZK Kurt Koster, St. Vincent, 1 a.
294 Katalog 64. HL. MAURUS (MAUR) VON GLANFEU1L Frankreich, 14. Jahrhundert Pilgerzeichen der Abtei Saint-Maur-des-Fosses (Dep. Val- de-Mame) Blei-Zinn (?); Dm. 30 mm Inv. Nr. 1944,18 (23) (seit 1945 verschollen) Gitterguss, rund, mit Nadel an der Ruckseite. Auf dem breiten, kreisrunden Rand lauft die Inschrift „+ S MOR DES FOSSES:44 urn. Im Bildfeld steht frontal derHeilige mit einem Spaten und einem Krummstab in der rechten Hand, in der linken halt er ein Buch vor den Korper. Rechts neben ihm kniet der von dem Heiligen geheilte Blinde. Vgl.: Rat. Nr. 145 und 146; Bruna 1996, Nr. 263-274, S. 178-183. Lit.: PZK Kurt Koster, Saint-Maur-des Fosses В II a. 65. MARIA MIT KIND Frankreich, 15. Jahrhundert Pilgerzeichen, moglicherweise vom Mont-Saint-Michel (Dep. Manche) Blei-Zinn (?); H. 36 mm, B. 25 mm Inv. Nr. 1944,18 (24) (seit 1945 verschollen) Gitterguss, hochrechteckig. In einem offenen Torboden mit halbkreisformigem Aufsatz und flankierenden Saulen steht die Madonna frontal mit dem Kind vor ihrem Ober- korper. Sollte die Vermutung zutrefTen, dass es sich um eine Variante von Kat. Nr. 66 handelt, so miisste es eben- falls vom Mont-Saint-Michel stammen. Vgl.: Bruna 1996, Nr. 133f., S. 112. Lit.: PZK Kurt Koster, Maria mit Kind, A IV 7. 66. MARIA MIT KIND Frankreich, 15. Jahrhundert Pilgerzeichen vom Mont-Saint-Michel (Dep. Manche) Blei-Zinn (?); H. 32 mm, B. 24 mm Inv. Nr. 1944,18 (25) (seit 1945 verschollen) Gitterguss, hochrechteckig. In einem offenen Torbogen mit Perlstabverzierung - daruber ein Dach, daneben zwei flankierenden Turme - steht die gekronte Madonna fron¬ tal mit dem Kind auf ihrem rechten Arm. Von diesem Pilgerzeichntypus sind mindestens 16 Exem¬ plar bekannt, neun davon allein im Museum der Stadt Worms; evcntuell handelt es sich um eine Variante des- selben Typus wie Nr. 65. Der Fund eines formgleichen
Teil 3 295 Gussmodels in einer GieBerwerkstatt am Mont-Saint- Michel verweist auf Herstellung und Vertrieb dieser Zei- chen an diesem franzosischcn Pilgerzentrum. Vgl.: UmSleckoprfimyslove museum [Kunstgewerbemu- seum] Prag, Inv. Nr. 5677; Bruna 1996, Nr. 139-141, S. 114; Kat. Worms 2001, Nr. 12-20, S. 82-87; Kat. Caen — Toulouse - Evreux 2002, Nr. 262, S. 298, Nr. 273, S. 299. Lit.: PZK Kurt Koster, Maria mit Kind, AIV 7. 67. KREUZIGUNG CHRISTI Frankreich (?), 14./15. Jahrhundert (?) Pilgerzeichen (?) unbekannter Herkunft Blei-Zinn (?); Mafle und Gewicht unbekannt Inv. Nr. 1944,18 (26) (seit 1945 verschollen) Flachguss, hochrechteckig. Unter einem spitzen Giebel befmdet sich in der Mitte des Bildfeldes Christus am Kreuz, links daneben die Figur Marias. Die urspriinglich rechts vom Kreuz stehende Johannesfigur ist abgebrochen und fehlt. Lit.: PZK Kurt Koster, Kreuzigung, dreifigurig, С 1 2 d. 68. MARIA MIT KIND Frankreich (?), 14./15. Jahrhundert (?) pilgerzeichen unbekannter Herkunft Blei-Zinn (?); H. 48 mm, B. 27 mm Inv. Nr. 1944,18 (27 c) (seit 1945 verschollen) Gitterguss, spitzoval. In einem spitzovalen Doppelrah- men, der aus Taustaben und Wiirfelaugen zusammenge- setzt ist, steht die Madonna frontal mit dem Kind auf dem rechten Arm. ; PZK Kurt Koster, Maria mit Kind, AIV 2. 69. MARIA MIT KIND Frankreich, 15./Anfang 16. Jahrhundert Anhanger mit langer Lasche Blei-Zinn (?); H. 35 mm, Dm. 23 mm Inv. Nr. 1944,18 (27 f) (seit 1945 verschollen) Gitterguss, rund. In einem breiten Rahmen steht die Ma¬ donna mit dem Kind auf dem linken Arm. ; PZK Kurt Koster, Maria mit Kind, A. IV 1 a.
296 Katalog 70. HL. BARBARA Frankreich, 15./Anfang 16. Jahrhundert Anhanger Blei-Zinn (?); H. 35 mm, B. 23 mm Inv. Nr. 1944,18 (27 1) (seit 1945 verschollen) Gitterguss, herzformig. Der Anhanger hat einen breiten herzformigen Rahmen mit einer Ose in der Mitte der obe- ren Kante. Im Bildfeld steht frontal die hi. Barbara mit einem Palmzweig im rechten und einem Turmchen im lin- ken Arm. Lit.: PZK Kurt Koster, S. Barbara, II e. 71. KRUZIFIX Frankreich, 14./15. Jahrhundert Anhanger oder Applik (?) Blei-Zinn (?); H. 37 mm, B. 29 mm Inv. Nr. 1944,18 (29 a) (seit 1945 verschollen) Flachguss (?), kreuzformig. Auf einem breiten flachen Kreuz ist der Gekreuzigte (Dreinageltypus) im Flachre- lief abgebildet, liber dem Haupt die Inschrift ,,IhSV“. Lit.: PZK Kurt Koster, Crucifixus, Dll. 72. KRUZIFIX Frankreich, 15. Jahrhundert Anhanger oder Applik (?) Blei-Zinn (?); H. 32 mm, B. 23 mm Inv. Nr. 1944,18 (29 b) (seit 1945 verschollen) Gitterguss, kreuzformig. Der Gekreuzigte (Dreinagelty¬ pus) hangt an einem schmalen runden Kreuzbalken, der Kreuzesstamm ist am unteren Ende ornamental verdickt. Auf dem leicht geneigten Titulus steht die Inschrift ,,INRI“ Vgl.: Bruna 1996, Nr. 45f., S. 71. Lit.: PZK Kurt Koster, Crucifixus, D I 2. 73. KRUZIFIX Frankreich, 15. Jahrhundert (?) Anhanger oder Applik (?) Blei-Zinn (?); H. 24 mm, B. 20 mm Inv. Nr. 1944,18 (29 c) (seit 1945 verschollen) Flachguss (?), kreuzformig. Auf einem breiten flachen Kreuz mit fast gleichlangen Armen, die von einem dop-
Teil 3 297 peltcn Perlstab umzogen sind, ist der Gekreuzigte mit auf- rechtem Haupt und Oberkorper, die Beine leicht ange- winkelt, im Flachrelief abgebildei. Vgl-: Bruna 1996, Nr. 66, S. 78. Lit.: PZK Kurt Koster, Crucifixus, Dll. 74.KRUZIFIX Frankreich, 15./Anfang 16. Jahrhundert Anhanger oder Applik (?) Blei-Zinn (?); H. 33 mm, B. 29 mm Inv. Nr. 1944,18 (29 d) (seit 1945 verschollen) Gitterguss, durchbrochenes Kreuz. In einem erhabenen Rahmen hangt, von kleinen am inneren Rand umlaufen- den Zungenomamenten gelialten, der Gekreuzigte mit einem leicht auf die rechte Schulter geneigten nimbierten Haupt. Im oberen Teil des Kreuzesstammes befindet sich ein leicht schrag gestellter Titulus. Lit.: PZK Kurt Koster, Crucifixus, Dll. 75. KRUZIFIX Frankreich, 15./Anfang 16. Jahrhundert Anhanger Blei-Zinn; H. 30 mm, B. 22 mm, T. 1,2 mm; Gewicht 1, lg Inv. Nr. 1944,18 (30 a) Gitterguss, Lilienkreuz. Das Kruzifix besitzt lilienformig auslaufende Kreuzarme und eine Ose am oberen Verti- kalbalken. Das Relief auf dem Kreuz ist durch Abnutzung und Korrosion kaum noch zu erkennen. Vgl.: Bruna 1996, Nr. 54-57, S. 74f. Lit.: unpubliziert. 76. KRUZIFIX Frankreich, 15./Anfang 16. Jahrhundert Anhanger Blei-Zinn; H. 22 mm, В. 15 mm, T. 2,9 mm; Gewicht 1,2 g Inv. Nr. 1944,18 (30 b) Gitterguss, Lilienkreuz. Das Kruzifix besitzt annahend gleichlange Balken, die lilienformig auslaufen. Auf den Kreuzbalken befinden sich insgesamt funf kreisrunde, zylindrische Aufsatze, ahnlich einem Edelsteinbesatz. Auch die Riickseite ist in gleicher Weise geschmiickt. Lit.: unpubliziert.
298 Katalog 77. KRUZIFIX Frankreich, 15./Anfang 16. Jahrhundert Anhanger Blei-Zinn; H. 25 mm, B. 22,5 mm, T. 1,3 mm; Gewicht: 1,1 g Inv.Nr. 1944,18 (30 c) Gitteiguss, Lilienkreuz. Das Kruzifix besitzt lilienformig auslaufenden Kreuzarme. Das nimbierte Haupt des Ge- kreuzigten ist zur rechten Seite geneigt. Die Arme sind nach oben ausgebreitet, der Unterkorper ist nach links ge- wendet und die Beine sind eingeknickt (Dreinageltypus). Auf der Riickseite verlauft inmitten der Kreuzbalken eine Perlschnur. Vgl.: Bruna 1996, Nr. 54-57, S. 74f. Lit.: unpubliziert. 78. KRUZIFIX Frankreich (?), 14. Jahrhundert (?) Pilgerzeichen unbekannter Herkunft Blei-Zinn; H. 41, 5 mm; В. 40,0 mm; T. 2,4 mm; Gewicht 5,4 g Inv.Nr. 1944,18 (30 d) Flachguss, Kruzifix mit acht Osen. Das Kruzifix besitzt vier gleichlange Balken, an deren Enden je zwei runde Osen sitzen. Die Zeichnung des Gekreuzigte ist stilisiert, das Gesicht ist bartig, das Haupt tragt eine stark stilisierte Lilien- und Biigelkrone. Der Gekreuzigte wird als Vier- nageltypus mit einem den Unterleib bedeckenden und bis zu den Fiifien reichenden Schurz dargestellt. Ober dem rechtem Arm erscheint auf dem Balken eine achtstrahlige Sonne, iiber dem linken eine schmale Mondsichel. Die Riickseite ist von einem groben Straminmuster iiber- zogen. Das Objekt erinnert durch die Form und die Lage der acht Osen stark an die Pilgerzeichen des Volto santo im italie- nischen Lucca. Von den Lucceser Zeichen ist es aber durch die Darstellung des unbekleideten Oberkorpers des Gekreuzigten und die starke Stilisierung der Darstellung unterschieden. Vgl.: Haasis-Berner 2003, S. 151-154 (Lucca). Lit.: Kat. Berlin 1999, Nr 6/179, S. 307.
ТеПЗ 299 79. KREUZ Frankreich, 15./Anfang 16. Jahrhundert AJihanger Blei-Zinn; H. 36, 2 mm; B. 25,5 mm; T. 3, 0 mm; Gewicht 2,9 g Inv. Nr. 1944,18 (30 e) Gitterguss. Die Kreuzarme werden durch vier bzw. drei nebeneinander angeordnete Kreise gcbildet. Jedes Kreis- element besteht aus einer glatten, runden Mittelflache, die von einem ca. 1 mm breiten Rahmen mit konzentrischer Strichelung umgeben wird. Die Einzelelemente sind mit- tels C-formiger Spangen und mittig ansetzender Guss- briicken miteinander verbunden. Am oberen Ende des Vertikalbalkens setzt eine Ose an. Lit.: unpubliziert. 80. KRUZIFIX Frankreich, 15. Jahrhundert yVnhanger Blei-Zinn; H. 35 mm; B. 27 mm; T. 3,4 mm; Gewicht 4,2 g Inv. Nr. 1944,18(30 0 Gitterguss. Auf den Enden der Kreuzbalken, welche die Form von Kleeblattem haben, sitzen je drei kugelformige Aufsatze. Der Gekreuzigte (Dreinageltypus) ist bekleidet rnit einem Lendentuch und hat die Arme leicht erhoben. Die Beine sind beide leicht nach auflen angewinkelt und die FiiBe sind gekreuzt. Auf der Riickseite sind die Kreuz¬ arme analog zur Vorderseite gestaltet. Auf ihnen erscheint eine undeutliche Gestalt. Lit.: unpubliziert. 81. KRUZIFIX Frankreich (?), 14./15. Jahrhundert Blei-Zinn (?); H. 18 mm; B. 12 mm Inv. Nr. 1944,18 (31 a) (seit 1945 verschollen) Gitterguss, Kruzifix. Der Rand der Kreuzbalken wird von einer erhabenen Linie umzogen. Der Gekreuzigte (Drei¬ nageltypus) ist stark stilisiert, die Beine sind gestreckt und das Haupt gerade erhoben. Am oberen Kreuzbalken be- findet sich eine gro/Зе Ose. Lit. PZK Kurt Koster, Crucifixus, D I I; Foto ebenda in Material Meyer, Tafel 6.
300 Katalog 82. KRUZIFIX Frankreich, 15./Anfang 16. Jahrhundert Anhanger Blei-Zinn, versilbert; H. 20,5 mm, B. 18 mm, T. 1,9 mm; Gewicht: 1,3 g Inv. Nr. 1944,18(31 b) Gitterguss, Lilienkreuz. Die Balkenenden des Kruzifix sind kleeblattformig gestaltet. Der Gekreuzigte (Dreinagelty- pus) erscheint stark stilisiert mit leicht erhobenen Armen. Die Beine schwingen zur Linken. Eine Ose fehlt. Am ge- samten Objekt sind Reste einer Versilberung festzustellen. Lit.: unpubliziert. 83. KRUZIFIX Frankreich, 14./15. Jahrhundert Anhanger Blei-Zinn; H. 66 mm, B. 53,5 mm, T. 1,7 mm; Gewicht 4,4 g Inv. Nr. 1944,18(31 c) Gitterguss, Lilienkreuz. Auf dem Kreuz, dessen Balken in lilienartigen Omamenten auslaufen, ist der Gekreuzigte (Dreinageltypus) im Flachrelief dargestellt. Er ist mit einem Lendentuch bekleidet, die Beine sind leicht ange- winkelt und zur Linken gedreht, die Arme leicht erhoben. Das Gesicht ist stilisiert, das Haupt nimbiert. Dariiber er¬ scheint der Titulus „INRT auf einem Schriftband mit ein- gerolltem Enden. Auf der Riickseite sind die Balken durch Doppellinien, die im 45 Grad Winkel verlaufen, in ge- genstandige Dreiecke unterteilt. Diese zeigen abvvech- selnd ein Straminmuster bzw. einen Punkt im Zentrum. Vgl.: Bruna 1996, Nr. 56f., S. 75. Lit.: unpubliziert. 84. KRUZIFIX Frankreich, 15. Jahrhundert Anhanger Blei-Zinn; H. 30 mm, B. 22 mm, T. 1,6 mm; Gewicht 1,3 g Inv. Nr. 1944,18(31 d) Gitterguss, Lilienkreuz, oben mit einer Ose. Die Kreuzen- den laufen lilienformig aus. Die Balkenrander sind leicht erhaben, derUntergrund zeigt ein Straminmusterung. Der Gekreuzigte (Dreinageltypus) ist mit einem Lendentuch bekleidet, die Arme sind leicht erhoben. Auf der Riick- seite befmdet sich eine undeutliche, stilisierte Gestalt, wohl die Madonna, stehend, im langen Gewand mit dem Kind auf dem linken Arm. Lit.: unpubliziert.
Teil 3 301 85. KRUZIFIX Frankreich, 15. Jahrhundert Anhanger Blei-Zinn; H. 34,8 mm, B. 26,5 mm, T. 2,9 mm; Gewicht 5g Inv. Nr. 1944,18(31 e) Gitterguss, Lilienkreuz. Die Kreuzenden laufen Iilienfor- mig aus. Der Gekreuzigte (Dreinageltypus) ist mit leicht erhobenen Armen dargestellt, das Haupt ist nimbiert. Die Ose am oberen Kreuzendc ist in die Lilie eingearbeitet. Auf der Riickseite erscheint auf dem unteren Teil des Ver- tikalbalkens eine stehende verschleierte Gestalt - wohl Maria. Die Flache wird von einem floralen Muster iiber- zogen. Lit.: unpubliziert. 86. KREUZIGUNG CHRIST1 Frankreich, 15. Jahrhundert Apphk (?) Blei-Zinn (?); H. (noch) 30 mm, B. (noch) 18 mm Inv. Nr. 1944,18 (32 a) (seit 1945 verschollen) Gitterguss, Fragment. Von der Kreuzigungsgruppe ist nur der Korpus des Gekreuzigten mit dem linken Arm und dem nimbierten Haupt erhalten. Unterdem linken Kreuz- arrn steht Johannes Ev. auf einem runden Ornament, wohl einem Ast. pie Darstellung hat Ahnlichkeil mit Kal. Nr. 49. Vgl. Kat. Nr. 49. Lit.: PZK Kurt Koster, Kreuzigung, dreifigurig, С II 1. g7. KREUZIGUNG CHRISTI Frankreich, 15. Jahrhundert Anhanger oder Applik (?) Blei-Zinn (?); H. (noch) 28 mm, B. (noch) 36 mm Inv. Nr. 1944,18 (32 b) (seit 1945 verschollen) Gitterguss, Fragment. Erhalten hat sich von der Kreuzi¬ gungsgruppe der Querbalken mit Straminmustcrung, an dem der Korpus des Gekreuzigten hangt. Unterschenkel und Teile der Armbeugen fehlen. Das Haupt ist mit einem Kreuznimbus hinterlegt. Unterhalb des rechten Kreuzar- mes ist das nimbierte Haupt Johannes Ev. erhalten. Lit.: PZK Kurt Koster, Kreuzigung, dreifigurig, С II 1.
302 Katalog 88. KRUZIFIX Frankreich, 15. Jahrhundert Anhanger oder Applik (?) Blei-Zinn (?); H. (noch) 30 mm, B. (noch) 39 mm Inv. Nr. 1944,18 (32 c) (seit 1945 verschollen) Gitterguss, Lilienkreuz, Fragment. Von dem Querbalken ist nur der rechte Teil vollstandig erhalten, der in ein Li- lienomament auslauft. Der Korpus des Gekreuzigten (Dreinageltypus) hangt bekleidet mit einem Schurz und mit leicht nach links angewinkelten Beinen mit aufrech- tem und nimbiertem Haupt am Kreuz. Lit.: PZK Kurt Koster, Kreuzigung, dreifigurig, D VII 1. 89. KRUZIFIX Frankreich, 15. Jahrhundert Anhanger oder Applik (?) Blei-Zinn (?); H. 46 mm Inv. Nr. 1944,18 (32 d) (seit 1945 verschollen) Gitterguss, Fragment. Erhalten hat sich der Korpus des Gekreuzigten mit auf aufrechtem und von einem Kreuz- nimbus hinterfangencn, bartigen Haupt. Die Arme und die Kreuzbalken fehlen. Lit.: PZK Kurt Koster, Kreuzigung, dreifigurig, D12. 90. KRUZIFIX Frankreich, 15. Jahrhundert Anhanger oder Applik (?) Blei-Zinn (?); H. 30 mm, B. 35 mm Inv. Nr. 1944,18 (33 a) (seit 1945 verschollen) Gitterguss, Lilienkreuz. Die Enden des Querbalkens und das untere Ende des Kreuzesstammes laufen in grofle Li- lienomamente aus. Am Kreuz hangt der Gekreuzigte mit aufrechtem, bartigen Haupt, das von einem Scheiben- nimbus hinterfangen ist. Lit.: PZK Kurt Koster, Crucifixus, D VII 1. 91. KRUZIFIX Frankreich, 15. Jahrhundert (?) Anhanger oder Applik (?) Blei-Zinn (?); H. 50 mm, B. 52 mm Inv. Nr. 1944,18 (33 b) (seit 1945 verschollen) Gitterguss, Kreuz mit Korpus. An den Enden des Quer¬ balkens befinden sich je zwei Wiirfelaugen und ein flora- les Ornament, am Ful3 des Kreuzesstammes links und
Teil 3 303 rechts ein Lilienomament. Der Gekreuzigte (Dreinagel- typus) nimmt die obere Halfte des Kreuzesstammes ein. Die Beine sind leicht nach rechts angewinkelt, das bar- tige Haupt ist erhoben. Lit.: PZK Kurt Koster, Crucifixus, D VII I. 92. KRUZIFIX Frankreich, 15. Jahrhundcrt (?) Anhanger oder Applik (?) Blei-Zinn (?); H. 30 mm, B. 30 mm Inv. Nr. 1944,18 (33 c) (seit 1945 verschollen) Gitterguss, Lilienkreuz. Die Enden des Querbalkens und das untere Ende des Kreuzesstammes laufen in Form he- raldischer Lilien aus. Der Kreuzesstamm wird von einem schraggestellten Titulus in Form eines an den Enden zu- sammengerollten Schriftbandes bekront. Der Korpus ist unscheinbar als Flachrelief aufgesetzt. Lit.: PZK Kurt Koster, Crucifixus, D VII 1. 93.KRUZIFIX Frankreich, 15. Jahrhundert (?) Anhanger Blei-Zinn; H. 28 mm, B. 37 mm, T. 3,9 mm; Gewicht 3,5 g Inv. Nr. 1944,18 (34 a) Gitterguss, Lilienkreuz. Die drei erhaltenen Kreuzbalken laUfen an den Enden in stilisierte Lilien aus. Der obere senkrechte Kreuzbalken fehlt. Der Kopf des schmalen Korpus des Gekreuzigten (Viemageltypus) fallt nach links. Die Ruckseitc ist analog gestaltet. Vgl.: BRUNA 1996, Nr. 55-57, S. 75 f. Lit.: unpubliziert. 94. KRUZIFIX Frankreich, 15. Jahrhundert (?) Standkreuz (?) Blei-Zinn; H. 56 mm, B. 47 mm, T. 5 mm (Fufl) - sonst 2 5 mm; Gewicht 6,4 g Inv. Nr. 1944,18 (34 b) Gitterguss. Die drei erhaltenen Balkenenden laufen in IVluscheln aus. Der Gekreuzigte (Dreinageltypus) ist mit einem Lendentuch bekleidet, die Beine sind angewinkelt und zur Linken geneigt. Das Haupt ist von einem Kreuz- nirnbus umgebcn. Am unteren Ende des Kreuzes ragt ein Dorn senkrecht nach unten. Die Riickseite ist plan. Lit.: unpubliziert.
304 /Catalog 95. KRUZIFIX Frankreich, 15. Jahrhundert (?) Anhanger Blei-Zinn; H. 45 mm, B. 30 mm, T. 4,3 mm; Gewicht 4,1 g Inv. Nr. 1944,18 (34 c) Gitterguss, Astkreuz. Die Balken des Kreuzes sind durch die abgeschragten Enden und kleine unregelmaBige Punkte astartig gestaltet. Der stilisierte Korpus des Ge- kreuzigten (Dreinageltypus) hiingt mit leicht erhobenen Armen am Kreuz, die Beine schwingen zur Rechten. Uber dem Haupt befindet sich ein schrag nach rechts unten ver- laufendes Schriftband mit dem Titulus ,,INRI“. Am obe- ren Ende ist eine runde Ose angebracht. Auf der Riick- seite stcht die Figur der Madonna mit dem Jesusknaben auf dem Arm. Vgl.: Bruna 1996, Nr. 45, S. 71. Lit.: unpubliziert. 96. HEILIG-GEIST-TAUBE Frankreich, 15./16. Jahrhundert Anhanger Blei-Zinn; H. 23 mm, B. 15 mm, T. 1,9 mm; Gewicht: 1,1 g Inv. Nr. 1944,18 (40 a) Gitterguss, oval. Im wappenschildformigen Bildfeld, das von einer Lilie unter einem Biigelkronenreif gekront wird, erscheint kopfuber eine stark stilisierte Taube mit ausge- breiteten Fliigeln. Das Wappenschild schlieBt nach oben mit einem Perlstab ab. An den Seiten wird es von einem Flammenkranz umgeben. Die Ose fehlt, links unterhalb der Krone sind am Rand etliche Zacken ausgebrochen. Auf der Riickseite verlauft eine Gussnaht, vielleicht die Spur einer Nadel. Lit.: unpubliziert. 97. HEILIG-GEIST-TAUBE Frankreich, 15./16. Jahrhundert Anhanger Blei-Zinn; H. 25,8 mm, B. 18 mm, T. 2,2 mm; Gewicht: 1,1 g Inv. Nr. 1944,18 (40 c) Gitterguss, oval. In einem durchbrochenen Oval, das nach AuBen von einem Flammenkranz begrenzt wird, ist eine stilisierte Taube mit ausgebreiteten Fliigeln kopfiiber dar- gestellt. Vorder- und Riickseite sind identisch. Am Schei- tel hat der Anhanger eine Ose und einige kleinere Defekte
Teil 3 305 im Bereich des Schnabels der Taube und am Strahlenkranz. Vgl.: Kat. Nr. 100. Lit.: unpubliziert. 98. HEILIG-GE1ST-TAUBE Frankreich,15./16. Jahrhundert Brosche Blei-Zinn; H. 21 mm, B. 15 mm, T. 1,9 mm; Gewicht: 0,9 g Inv. Nr. 1944,18 (40 d) Gitterguss, oval. Wie bei Kat. Nr. 97 erscheint in einem ovalen Bildfeld eine stilisierte Taube, der Leib ist stra- mingemustert. Das Bildfeld umlaufen ein Perlstab und ein Band mit elf Wiirfelaugen, bekront wird es von einer Li- lienkrone. Das Stack hat eine kleine Fehlstelle an der Krone oberhalb der Taube. Auf der Riickscitc sind eine senkrechte Gussnaht und die Reste einer Nadel sichtbar. Lit.: unpubliziert. 99. MARIA MIT KIND, AUFERSTEHENDER CHRISTUS Frankreich,15./16. Jahrhundert Pilgerzeichen unbekannter Herkunft Blei-Zinn; H. 23 mm, B. 20,5 mm, T. 2,4 mm; Gewicht: 2 g Inv. Nr. 1944,18 (40 e) Gitterguss, Malteserkreuzform, mindestens zwei Osen. Ein rundes Feld zeigl den aus der Grabkufe auferstehenden Christus mit einem Kreuzesstab. Auf der anderen Seite thront ebenfalls in einem runden Bildfeld Maria mit dem Je- susknaben auf dem linken Knie. Das Bildfeld hat Reste einer roten Fassung sowie von zwei Osen an den Enden des oberen Kreuzarms. Die Ecken des Kreuzes werden von je einer Perle verziert. In den Zwickeln zwischen den Kreuz- armen befindet sich jeweils ein Lilienomament. Lit.: unpubliziert. 100. HEILIG-GEIST-TAUBE Frankreich,15./16. Jahrhundert Anhanger Blei-Zinn; H. 24 mm, В. 15 mm, T. 1,9 mm; Gewicht: 0,9 g Inv. Nr. 1944,I8(40f) Gitterguss, oval. Die Ausfuhrung dieses Stiickes ent- spricht Kat. Nr. 97, nur sind hier die Fliigel geknickt, der Flammenkranz ist filigraner und die Ose grofler. Vgl.: Kat. Nr. 97. Lit: Kat. Berlin 1999, Nr. 6/177, S. 306.
306 Katalog 101. WEISUNG DES HAUPTES JOHANNES DES TAUFERS Frankreich, 14. Jahrhundert Pilgerzeichen aus Amiens (Dep. Somme) Blei-Zinn; Dm. 45,8 mm, T. 2,2 mm; Gewicht: 12,8 g Inv. Nr. 1944,18(41) Flachguss, rund. Das untere Drittel des runden, von Perl- schnur gesaumten Bildfeldes wird von einem Altar bzw. einer Tribune eingenommen, an deren Eckpunkten je ein Lilienomament sichtbar ist. Die Schauseite des Altars wird durch einen Behang gebildet, auf dem drei klee- blattartig angeordneten Kiigelchen verteilt sind. Davor sind zwei Adoranten in Manteln mit groOen Kapuzen dar- gestellt. Auf der Tribune steht in der Mitte frontal eine Ge¬ stalt, deren Haupt bis zum oberen Rand des Bildfeldes reicht. Sie halt vor sich einen kreisrunden Gegenstand, dessen aufierer Rand von einem Perlschnuromament ge¬ bildet wird. Im Inneren erscheint ein menschliches Antlitz wiederum von einem Perlstab umrandet. Es handelt sich um die sogenannte Johannesschussel, die aus Konstanti- nopel nach Amiens verbrachte Schadelreliquie Johannes des Taufers. Die Weisung flankieren zwei kleinere Ge- stalten, die sich zur Mitte wenden und mit beiden Handen je ein grofies brennendes Wachslicht halten. Um die Szene herum befinden sich sieben Omamente in Form von drei kleeblattartig angeordneten Kiigelchen. Am linken obe¬ ren Rand sind Reste einer abgebrochenen Ose zu erken- nen, eine Deformierung am rechten oberen Rand scheint auf eine weitere fehlende Ose hinzudeuten. Auf der Riick- seite befindet sich ein grofles Lilienomament. An einigen Stellen sind Spuren roter Farbe festzustellen. Vgl.: Lamy-Lasalle 1973, Nr. 3 und 4; Bruna 1996, Nr. 233 und 234, S. 159f. (beide mit Inschrift); Spencer 1998, Nr. 237,237a, S. 219-222; HP II, Nr. 1149 f., S. 270 (sehr schlecht erhalten). Lit.: PZK Kurt Koster, Amiens, Jean Baptiste, В I. 102. KREUZIGUNG CHRISTI Frankreich (?), 13./Anfang 14. Jahrhundert (?) Pilgerzeichen unbekannter Herkunft Blei-Zinn; H. 43,7 mm, B. 30 mm, T. 2,2 mm; Gewicht: 6,2 g Inv. Nr. 1944,18(42) Flachguss, hochrechteckig. Das hochrechteckige Bildfeld wird von einer Architektur gerahmt. Den unteren Rand bil- det eine Arkade aus ffinf auf schmalen Saulen ruhenden Bogen. Rechts wird das Bildfeld von einem Perlstab be-
Toil 3 307 grenzt. Dies war sicher auch auf der anderen Seite der Fall, <3яя Objekt ist dort aber auf der ganzen Lange beschadigt. Oben erscheint eine stramingemusterte Dacharchitektur mit Ansatzen von Giebelelementen und links den fragmentari- schen Resten einer Figur. Letztere war urspriinglich sicher auch auf der anderen Seite dargestellt. Das Objekt ist auch in diesem Bereich stark ausgebrochen. Links oben konnen Reste einer Ose vermutet werden. Auf einer Horizontalli- nie, wenig oberhalb der Arkaden stehend, ist eine Kreuzi- gungsgmppe dargestellt. Der Gekreuzigte erscheint stili- siert, die angewinkelten Beine ragen nach links. Das Len- dentuch ist durch einige nach rechts unten laufende Falten angedeutet. Das iiberdimensionale Haupt ist von einem Kreuznimbus umgeben. Die Arme sind stark abgewinkelt. Es handelt sich urn eine Kreuzigungsdarstellung im Vier- nageltypus. Die Nagel in beiden Handen und beiden FiiJ3en sind mit kugeligen Kopfen dargestellt. Flankiert wird der Gekreuzigte von zwei nimbierten Figuren. Die linke Gestalt stellt offenbar Maria dar, die sich mit beiden Handen zum Kreuz neigt, die rechte, kleinere, die ein Buch (?) in der Hand halt, Johannes. Uber dem Horizontalbalken sind links eine Sonne und rechts eine liegende Mondsichel dargestellt. Auf der Riickseite verlauft vertikal ein Verstarkungsgrat, bci dem es sich auch um die Reste einer Nadel handeln konnte. Vgl.: Kat. Nr. 110 und 112, sehr ahnlich auch Kat. Nr. 252; Um^leckoprumyslove museum [Kunstgewerbemuseum] prag, Inv. Nr. 5755; Haedeke 1968, Nr. 45, S. 66; Bruna 1996, Nr. 35—43, S. 68-70, dort besonders Nr. 41; Kat. Worms 2001, Nr. 1, S. 74 (mit ahnlichem Bildaufbau). Lit.: PZK Kurt Koster, Kreuzigung, dreifigurig, С I 2 b. 103- THRONENDE MARIA MIT KIND Frankreich, 14. Jahrhundert Pilgerzeichen aus Val Vauvert (Dep. Paris). Blei-Zinn (?); H. 35 mm, В. 33 mm Inv. Nr. 1944,18 (44 a) (seit 1945 verschollen) Flachguss, spitzoval. Das Zeichen ist im unteren Bereich stark beschadigt, oben im Rahinen ist ein groBcrcs Loch zu sehen. Es ist keine Ose erhalten. Im spitzovalen Bildfeld, umgeben von einem Rahmen mit Inschrift, thront die be- Icronte Maria mit dem Jesusknaben auf dem linken Knie und einem Lilienzepter in der rechten Hand. Die Inschrift lautet: S Beate M.[arie de valle] viridi“ und verweist auf die Wall- fahrt zum wundertatigen Gnadenbild von Val Vauvert. perzeit sind drei weitere Originate dieses Zeichens bekannt. Vgl.: Forgeais 1863, S. 4-6; Haasis-Berner 2003, S. 132f. Lit.: Material Meyer, Bl. 40r, aufgeklebt in: PZK Kurt Ko¬ ster, Rocamadour A HI. a.
308 Katalog 104. THRONENDE MARIA MIT KIND Frankreich, 13./14. Jahrhundert Pilgerzeichen aus Rocamadour (Dep. Maine-et-Loire) Blei-Zinn (?); H. 47 mm, B. 28mm Inv. Nr. 1944,18 (44 c) (seit 1945 verschollen) Flachguss, spitzoval, urspriinglich vier oder sechs Osen. Das Zeichen hat links unten eine groBere Defektstelle. Osen sind nicht erhalten. Im spitzovalen Bildfeld, das von einer lnschrift gerahmt wird, erscheint eine thronende Maria mit dem Jesusknaben und einem Lilienzepter. Die lnschrift: „Sigillium bea[te marie] d[e] [ro]camador“ be- nennt den marianischen Wallfahrtsort Rocamadour. Es sind et\va 60 originale Pilgerzeichen aus Rocamadour bekannt. Vgl.: Forgeais 1863, S. 58; Koster 1983, S. 43-88; An¬ derson 1989, Nr. R14, S. 96-99; HP I S. 227, Abb. 473; Bruna 1996, S. 96-99; HP 11, S. 341, Abb. 1417, 1418, 1419; Spencer 1998, Nr. 245a-d, S. 234-237; Haasis- Berner2003, S. 132f. Lit.: Koster 1983, Nr. R21, S. 69. 105. HL. AEGIDIUS Frankreich, 13./14. Jahrhundert Pilgerzeichen aus St. Gilles-du-Gard (Dep. Gard) Blei-Zinn (?); H. 42 mm, B. 25 mm Inv. Nr. 1944,18 (45 a) (seit 1945 verschollen) Flachguss, hochrechteckig, mit frcigestelltem Kopf und vier Osen. Das Zeichen zeigt in einem cinfach gerahmten Feld den hi. Aegidius in Alba und Kasel. Das Haupt ist unbedeckt und von einem mit einer Perlschnur gesaumten Nimbus umgeben. Die linke Hand halt den Krummstab vor den Korper, die Rechte ist zum Segen erhoben. Links zwischen Stab und Korper erscheint ein rankendes Ge- wachs, rechts springt eine Hirschkuh an ihm hoch. Das Zeichen ist Ieicht beschadigt, alle vier Osen sind erhalten, die linke obere ist defekt. 16 Pilgerzeichen aus St. Gilles-du-Gard sind derzeit be¬ kannt. Da von entsprechen elf dem jiingeren Typus ohne lnschrift, dem Koster dieses wie auch die zwei folgenden Zeichen zuordnet. Vgl.: Kat. Nr. 106 und 107; Koster 1983, Nr. G 5, S. 99 und Nr. G 6, S. 103f.; Kat. Gent 1985, Nr. 271 und 272, S. 313; HP I, S. 161, Abb. 196; Spencer 1998, Nr. 246, 246b-e, S. 236-239; HP II, S. 265, Abb. 1129. Lit.: Koster 1983, Nr. G 7, S. 104.
mi з 309 106. HL. AEGIDIUS Frankreich, 13./14. Jahrhundert Pilgerzeichen aus St. Gilles-du-Gard (Dep. Gard.) Blei-Zinn (?); H. 39 mm, B. 30 mm Inv. Nr. 1944,18,(45 b) (seit 1945 verschollen) Flachguss, hochrechteckig, mit freigestelltem Kopf und vier Osen. Das Zeichen entspricht in der Darstellung der Kat. Nr. 105 und 107. Bei diesem Stuck fehlen die unte- ren beiden Osen. Vgl.: Kat. Nr. 105 und 107; Koster 1983, Nr. G 5, S. 99 und Nr. G 6, S. 103f.; Kat. Gent 1985, Nr. 271 und 272, S. 313; HP 1, S. 161, Abb. 196; Spencer 1998, Nr. 246, 246b-e, S. 236-239; HP II, S. 265, Abb. 1129. Lit.: KOster 1983, Nr. G 9, S. 105. 107- HL. AEGIDIUS Frankreich, 13./14. Jahrhundert pilgerzeichen aus St. Gilles-du-Gard (Dep. Gard.) Blei-Zinn (?); H. 43 mm, B. 20 mm Inv. Nr. 1944,18 (45 c) (seit 1945 verschollen) Flachguss, hochrechteckig, mit freigestelltem Kopf und vier Osen. Das Stuck entspricht im Wesentlichen Kat. Nr. 105 und 106. Es zeigt den hi. Aegidius mit Krummstab, pflanze und Hirschkuh. Deutlich ist hier die Tonsur und der Kinnbart des Hciligen zu sehen. Das Stuck ist im un- teren Bereich stark beschadig, dort fehlt die linke Ose. Vgl.: Kat. Nr. 105 und 106; KOster 1983, Nr. G 5, S. 99 und Nr. G 6, S. 103f.; Kat. Gent 1985, Nr. 271 und 272, S 313; HP 1, S. 161, Abb. 196; Spencer 1998, Nr. 246, 246b-e, S. 236-239; HP II, S. 265, Abb. 1129. Lit.: KOster 1983, Nr. G 8, S. 104. 108. KREUZIGUNG CHRISTI Frankreich, 13./14. Jahrhundert Pilgerzeichen unbekannter Herkunfl Blei-Zinn (?); H. 48 mm, B. 31 mm Inv. Nr. 1944,18 (46 a) (seit 1945 verschollen) Flachguss, rechteckig. Im Feld erscheint eine Kreuzi- ungsdarstellung im Viemageltypus, der Korpus des Ge- kreuzigten ist gerade mit parallelen Beinen dargestellt. pas uberdimensionale Haupt ist von einem Kreuznimbus umgeben. Links oberhalb erscheint ein sechsstrahliger Stern. Neben dem Kreuz sitzt auf einem zweiteiligen Hocker mit leicht angezogenen Knien links eine iiberdi-
310 Katalog mensional dargestellte Figur. Eine Hand ist in Richtung Kruzifix ausgestreckt. Das Gesicht ist sehr individuell ge- staltet und zeigt die Ziige eines Mannes mittleren Alters mit Tonsur. Bei diesem Fragment handelt es sich um den rechten Teil des Zeichens, dessen Bildfeld von einem Rahmen mit Inschrift begrenzt war. Der lesbare Teil ,,[H]OC EST SIG1LLVM [...]“ nennt keinen Ortsnamen. Moglicherweise handelt es sich um eine Darstellung der Umarmung des gekreuzigten Christus durch Bernhard von Clairvaux. Vgl.: Kat. Nr. 101 und auch Kat. Nr. 111; Volbach 1930, Nr. 1908, S. 136; Haedeke 1968, Nr. 45, S. 66; Bruna 1996, Nr. 35-43, S. 68-70, dort besonders Nr. 41; Kat. Worms 2001, Nr. 1,S. 74. Lit.: Material Meyer, Blatt 52a, in: PZK Kurt Koster, Kreuzigung, dreiflgurig, С I 6. 109. HL. NIKOLAUS Frankreich, 14. Jahrhundert Pilgerzeichen aus Saint Nicolas-du-Port (Dep. Meurthe- et-Moselle) Blei-Zinn (?); B. 27 mm, H. 33 mm Inv. Nr. 1944,18 (46 c) (seit 1945 verschollen) Flachguss, hochrechteckig, vier Osen. Im hochrechtecki- gen, von einem Rahmen mit Inschrift begrenzten Bildfeld erscheint der hi. Nikolaus als Bischof im langen Gewand und mit Mitra. In seiner linken Hand halt er den Krumm- stab. Der lesbare Teil der Inschrift lautet nach Koster: ,,S. NICOL....DIE [S]OR“. Vgl.: HP II, Nr. 1207, S. 28If. (hier mit halbrundem Gie- bel). Lit.: PZK Kurt Koster, heiliger Nikolaus, AII 2 a. 110. KREUZIGUNG CHRISTI Frankreich, 14. Jahrhundert Pilgerzeichen unbekannter Herkunft Blei-Zinn (?); MaBe und Gewicht unbekannt Inv. Nr. 1944,18 (47 a) (seit 1945 verschollen) Flachguss, hochrechteckig, vier Osen. Das Stuck zeigt eine dreifigurige Kreuzigung. Diese ist in der Darstellung weitgehend identisch mit Kat. Nr. 102. Vgl.: Kat. Nr. 102, ahnlich auch Kat. Nr. 112. Lit.: PZK Kurt Koster, Kreuzigung, dreiflgurig, С I 2 b.
Teil 3 311 111. THRONENDE MARIA MIT KIND Frankreich, 14. Jahrhundert Pilgerzeichen unbekannter Herkunft Blei-Zinn (?); Mal3e und Gewicht unbekannt Inv. Nr. 1944,18 (47 b) (seit 1945 verschollen) Flachguss, hochrechteckig. In dem von einer Inschrift und einer Perlschnur gerahmten Bildfeld erscheint links Maria auf einem Thronsessel mit dem nimbierten Jesusknaben auf dem linken Arm. Vor ihr kniet links eine ebenfalls nimbierte Gestalt. Die Inschrift lautet nach der Lesung Erich Meyers: ,,SC [...] PI [...] VS / [...] VS PA [...] CS + CE [...] SVP. CAN [...] A“. Lit.: PZK Kurt Koster, Maria mit Kind, Sitzmadonna und eine Beifigur, Ell. 1 12. KREUZIGUNG CHRISTI Frankreich, 14. Jahrhundert pilgerzeichen unbekannter Herkunft Blei-Zinn (?); H. 31 mm, B. 26 mm Inv. Nr. 1944,18 (48) (seit 1945 verschollen) Flachguss, hochrechteckig, urspriinglich vier Osen. Im hochrechteckigen, von einer einfachen Linie gerahmten Feld erscheint eine dreifigurige Kreuzigung; im Zentrum steht ein stramingemustertes Balkenkreuz mit Kleeblatt- enden. Die Arme des Gekreuzigten (Dreinageltypus) sind gestreckt, die Knie stark gebogen, sein Haupt ist nimbiert. Qber dem Horizontalbalken erscheint rechts die Sonne und links der Mond. Links neben dem Kruzifix steht eine mannliche Figur im langen Gewand mit einem Kind auf dem linken Arm. Ihm gegeniiber steht eine nimbierte Ge¬ stalt, die in ihrer rechten Hand einen Palmwedel tragt. Es sind keine Osen erhalten. Vgl.: Kat. Nr. 102 und 110; Volbach 1930, Nr. 1908, S. 136; Haedeke 1968, Nr. 45, S. 66; Bruna 1996, Nr. 35- 43, S. 68-70; Kat. Worms 2001, Nr. 1, S. 74. Lit.: PZK Kurt Koster, Kreuzigung, dreifigurig, С I 2 b. ЦЗ. JOHANNESSCHUSSEL Frankreich, 15. Jahrhundert Anhanger aus Amiens (Dep. Somme) Blei-Zinn; Dm. 23,6 mm (ohne Ose 18,8 mm), T. 1,4 mm; Gewicht: 1,4 g Inv. Nr. 1944,18 (50 a) Flachguss, rund, mit einer runden Ose oben. Im zentralen,
312 Katalog vertieften Mittelteil der Schiissel ist das bartige Taufer- haupt mit geschlossenen Augen und kinnlangem Haar ab- gebildet. An die Vertiefung schlieflt sich eine breite, von einer Doppellinie begrenzte Fahne an. Sie ist abwech- selnden mit acht- und funfblattrige Bliiten, die durch zwei iibereinander stehende Kugeln von einander getrennt wer- den, dekoriert. Die Vertiefung der Schiissel stellt sich auf der Riickseite als Erhebung dar. Vgl.: Kat. Nr. 135; Bruna 1996, Nr. 236, S. 161; Spencer 1998, Nr. 254, S. 250ff. (hier irrtiimlich den Vera Icon zu- geordnet, das Haupt ist aber nicht, wie bei den Darstel- lung des HI. Antlitzes sonst iiblich, mit einem Kreuznim- bus versehen). Lit.: unpubliziert. 114. STEHENDE MARIA MIT KIND UND HEILIGER BISCHOF ODER MONCH (?) Frankreich, 16. Jahrhundert Anhanger (?) Blei-Zinn; H.18,1 mm, B. 21,5 mm, Tl,6 mm; Gewicht: 1,4 g Inv. Nr. 1944,18 (50 b) Flachguss, herzformig. In dem von einem Flechtband ge- rahmten Bildfeld steht frontal eine stilisierte Madonna mit dem Jesusknaben auf dem rechten Arm. Auf der Riick- seite erscheint eine stehende, mannliche Figur mit Nim¬ bus in Kutte, in der linken Hand wohl einen Palmzweig (oder einen Krummstab?) haltend; links davor kniet ein Adorant. Vgl.: Kat. Nr. 130; HP II, Nr. 1463, S. 349. Lit.: unpubliziert. 115. STEHENDE MARIA MIT KIND Frankreich, 15. Jahrhundert Pilgerzeichen (?) unbekannter Herkunft Blei-Zinn; Dm. 29,8 mm, T. 1,4 mm; Gewicht: 1,4 g Inv. Nr. 1944,18 (50 c) Flachguss, rund. Im kreisrunden von einfacher Linie ge- rahmten Bildfeld steht die nimbierte Maria im langen fal- tenreichen Gewand. Sie tragt den ebenfalls bekleideten und nimbierten Jesusknaben auf ihrem linken Arm. Der Rand ist auf der linken Seite beschadigt, Osen oder Durchbohrungen sind nicht erhalten. Lit.: unpubliziert.
Teil 3 313 1 16. HL. QUENTIN (QUINT1N1US) Frankreich, 14./15. Jahrhundert Pilgerzeichen aus Saint-Quentin (Dep. Aisne) Blei-Zinn; Dm. 22,5 mm, T. 2,1 mm; Gewicht: 1,6 g Inv.Nr. 1944,18 (50 d) Gitterguss, rund. 1m Bildfeld erscheint das Brustbild des hi. Quentin, sein Haupt ist von einem stramingemuster- ten Heiligenschein umgeben. Das Gewand hat einen spit- zen Kragen und iiber den Schultem jeweils einen perl- verzierten schragen Steifen. Die Darstellung ist von einem breiten Rahmen umgeben, der innen mit einem erhohten Rand mit Perlschnurdekoration beginnt und an dem sich eine tiefe Kehle und ein hochgezogener breiter Rand an- schlieBen. Letzterer ist auBen von einem Kugelkranz ge- schmiickt. Jede Kugel ist dabei von einem doppelten Kreis umgeben. Das Stuck weist kleinere Defekte auf. Eine Ose fehlt. Vgl.: Kat. Nr. 62 und 117; Haedeke 1968, Nr. 47,48 und 49, S. 67 (letzteres mit rautenformigen Rahmen); Bruna 1996, Nr. 311, S. 201 und Nr. 328-331, S. 21 Iff.; Kat. Worms 2001, Nr. 109-123, S. 140-146. Lit.: unpubliziert. Ц7. HL. QUENTIN (QUINTIN1US) Frankreich, 14./15. Jahrhundert Anhanger und Brosche aus Saint-Quentin (Dep. Aisne) Blei-Zinn; Dm. 22 mm, T. 1,2 mm; Gewicht: 1,6 g Inv.Nr. 1944,18(50 e) Gitterguss, rund, mit ciner Ose oben. Dieses Exemplar gleicht Kat. Nr. 116. Das Gewand legt sich mit einem spit- zen Kragen um den Hals des Heiligen und wird durch einen schrag iiber beiden Schultem verlaufenden Stra- minstreifen verziert. Die Biiste ist von einem mehrteili- gen Rahmen umgeben, der im Aufbau Kat. Nr. 116 ent- spricht. Auf der Ruckseite wird die umgebogene Ose sichtbar sowie eine GieBnaht und die Anhaftungsstelle einer Nadel, die eine alternative Befestigung erlaubte. Vgl: Kat. Nr. 62 und 116; Haedeke 1968, Nr. 47,48 und 49 S. 67 (letzteres mit rautenformigen Rahmen); Bruna 2996, Nr. 311, S. 201 und Nr. 328-331, S. 21 Iff.; Kat. Worms 2001, Nr. 109-123, S. 140-146. Lit.: unpubliziert.
314 Katalog 118. STEHENDE MARIA MIT KIND MIT ADORANTEN Frankreich (?), 16. /17. Jahrhundert Pilgerzeichen (?) unbekannter Herkunft Blei-Zinn; H. 32,3 mm, B. 28,3 mm, T. 4,2 mm; Gewicht: 3 g Inv. Nr. 1944,18(50f) Flachguss, wappenschildartig mit ausschwingenden, ge- bogenen und aufgerollten Enden. Im Bildfeld steht Maria im langen, faltenreichen Gewand mit dem unbekleideten Jesusknaben auf dem Arm. In den unteren Enden knien zu FiiBen der Maria rechts eine weibliche und links eine mannliche Figur. Hinter dem Mann lehnt ein Schwert und Kugeln liegen am Boden. Beide halten jeweils eine Kerze und tragen einen Rosenkranz liber dem Handgelenk. Uber den Adoranten verlaufen an den Randem Spruchbander mit der Inschrift „SANTA MARIA [ORA PRO] NOBIS“. Unter der Szene erscheint im Halbrund ein gefliigelter En- gelskopf. An der Riickseite befinden sich eine Gussnaht und eine Anstecknadel. Vgl.: Bruna 1996, Nr. 164, S. 126. Lit.: unpubliziert. 119. HEILIGER BISCHOF Frankreich, spates 15. Jahrhundert Pilgerzeichen unbekannter Herkunft Blei-Zinn; Dm. 20,4 mm, T. 1,3 mm; Gewicht: 1,1 g Inv. Nr. 1944,18 (50 g) Gitterguss, rund. Rechts im runden Bildfeld steht eine Figur im bischoflichen Gewand mit Mitra auf dem Haupt und rudimentar erhaltenem Krummstab in der rechten Hand. Die gesamte restliche Darstellung ist weggebro- chen. Auf der Riickseite befinden sich eine zentrale Guss¬ naht und Reste einer Anstecknadel. Vgl.: Bruna 1996, Nr. 346, 347, 350 und 352, S. 219— 221. Lit.: PZK Kurt Koster, Bischof, stehend, AI 2 b. 120. LILIE Frankreich, spates 15. Jahrhundert Beschlag Blei-Zinn; H. 19,5 mm, B. 28, 2 mm, T. 0,9 mm; Gewicht: 1,3 g Inv. Nr. 1944,18 (50 h)
Teil 3 315 Flachguss, halbrund. Das halbrunde Zeichen besitzt einen einfach gcrahmten Rand. Dieser hat im unteren Bereich eine Straminmusterung und im Bogen mehrere Wiirfe- laugen. Im Bildfeld erscheint eine groCe stilisierte Lilie. Diese wird von zwei Bliiten aus Wiirfelaugenomamenten gerahmt. Lit.: unpubliziert. 121. STEHENDE MARIA MIT KIND Frankreich, 15./friihes 16. Jahrhundert Anhanger (?) Blei-Zinn (?); Dm. 24,4 mm Inv. Nr. 1944,18 (51 a) (seit 1945 verschollen) Flachguss, rund. Im runden, von einer einfachen Linie ge- rahmten Bildfeld steht im langen Gewand eine bekronte Marienfigur mit dem nimbierten Jesusknaben auf dem lin- ken Arm. Lit.: PZK Kurt Koster, Maria mit Kind, Standmadonna, AH la. 122. STEHENDE MARIA MIT KIND Frankreich, spates 15. Jahrhundert Pilgerzeichen (?) unbekannter Herkunft Blei-Zinn (?); Dm. 31 mm Inv. Nr. 1944,18 (51 b) (seit 1945 verschollen) Gitterguss, rund. In einem filigranen vierteiligen Rahmen, der von innen beginnend mit zwei Reihen gedrehter Schniire und zwei Bogenreihen verziert ist, steht die Maria mit dem Jesusknaben. Die bekronte Madonna tragt ein langes Gewand. Das Kind ist bekleidet und nimbiert. In der Rechten halt Maria einen langlichen Gegenstand, wahrscheinlich cin Lilienzepter. Lit.: PZK Kurt Koster, Maria mit Kind, Standmadonna, AIV 1 a. 123- LILIENKREUZ Frankreich, 15. Jahrhundert Anhanger Blei-Zinn; H. 26,8 mm, B. 21,4 mm, T. 2,7 mm; Gewicht: 1,6 g Inv. Nr. 1944,18 (52 a) Gitterguss, in Form eines lateinischen Kreuzes, mit einer Ose oben. Jeder der Kreuzarme lauft in ein dreiteiliges
316 Katalog Lilienomament aus. Dieses geht am oberen vertikalen Kreuzarm in die Ose des Anhangers iiber. Vgl.: ahnlich Kat. Nr. 83. Lit.: unpubliziert. 124. HEILIGER BISCHOF Frankreich, 15. Jahrhundert Pilgerzeichen unbekannter Herkunft Blei-Zinn; H. 25 mm, B. 31,6 mm, T. 1,5 mm; Gewicht: 1,7 g Inv. Nr. 1944,18 (52 b) Gitterguss, rund. In einem kreisrunden Rahmen steht fron¬ tal eine bischofliche Gestalt, bekleidet mit Albe und Kasel, auf dem Haupt eine Mitra und in der linken Hand ein Bischofsstab, dessen iibergroBe Kriimme iiber die linke Schulter bis an den Rand des Rahmens ragt. Der kreisrunde Rahmen schlieBt nach innen mit einem Perl- stabomament ab. Den Rand bilden zwei konzentrische Kreise, die sich erhaben vom Untergrund absetzen. Nach auBen schlieBt der Rahmen mit einem weiteren Perlstab ab, zusatzlich umsaumen ihn kleine Lilienomamente, zwi- schen denen sich jeweils vierPerlen befanden. Das Stuck ist im gesamten linken unteren Viertel beschadigt. An der Riickseite befindet sich ein senkrechter Grat. Vgl.: Bruna 1996, Nr. 297-300, S. 195. Lit.: unpubliziert. 125. HEILIG-GEIST-TAUBE Frankreich, 15. Jahrhundert Anhanger Blci-Zinn; H. 24,8 mm, B. 15,7 mm, T. 3,3 mm; Gewicht: 2 g Inv. Nr. 1944,18(52 c) Flachguss, mit einer Ose. Die stark stilisierte Darstellung einer Taube mit ausgebreiteten Fliigeln besitzt an der Schwanzspitze eine Ose. Kopf, Leib und Schwanz werden durch je eine kreisrunde Flache gebildet, die auf einer Achse liegen. Die Fliigel bilden zwei mandelformige Fla- chen. Um die Fliigel, den Leib und den Kopf lauft am Rand eine Perlschnur. Die Riickseite ist ahnlich gestaltet. Lit.: unpubliziert.
Teil 3 317 126. STEHENDE MARIA MIT KIND Frankreich, 15. Jahrhundert Pilgerzeichen unbekannter Herkunft Blei-Zinn; H. 32,2 mm, B. 25,2 mm, T. 1,8 mm; Gewicht: 2,2 g Inv. Nr. 1944,18 (52 d) Gitterguss, ohne Rahmung, mindestens zwei Osen. Eine stehende, gekronte Marienfigur im langen Gewand hall auf ihrem rechten Arm den Jesusknaben. Die Figur er- scheint teils hinter cinem durchbrochenen, wappenformi- gen Schild, der ihr vom Scheitel bis zu ihren Knien reicht. Der Schildrahmen wird in der Mitte von cinem erhabe- nen Steg geteilt und ist innen von einer Perlschnur um- saumt. In der Mitte der oberen Leiste scheint eine Bekro- nung weggebrochen zu sein. In der linken oberen Ecke des Rahmens ist eine ornamental gestaltete Ose erhalten — das Pendant auf der rechten Seite fehlt. Die Riickseite zeigt mittig eine Gussnaht und Reste eines Eingussstut- zens. Vgl.: Spencer 1998, Nr. 169b, S. 156f.; Kat. Worms 2001, Nr. 44, S. 96; HP II, Nr. 1466f„ S. 350. Lit.: PZK Kurt Koster, Maria mit Kind, Sitzmadonna, A IV 5. 127. HEILIG-GEIST-TAUBE Frankreich, 15. Jahrhundert Anhanger Blci-Zinn; H. 24,6 mm, В. 19,1 mm, T. 2,3mm; Gewicht: 1,5 g Inv. Nr. 1944,18 (52 e) Flachguss, mit einer Ose. Auf der Grundflache eines Mal- teserkreuzes, dessen Rand leicht erhaben ist, erscheint die stilisierte Gestalt einer Taube. Der erhabene straminge- musterte Leib liegt im Zentrum dcs Kreuzes, dermandel- formige Kopf am unteren Kreuzbalken. Die Flugel sind in den linken und rechten Kreuzbalken ausgespannt. Der durch vier Linien angedeutete Schwanz weist nach oben, wo ein durchbrochenes Ornament oberhalb einer erhabe- nen Kugel der Ose Halt bietet. Die Riickseite ist analog gestaltet. Vgl.: Kat. Nr. 128. Lit.: unpubliziert.
318 Katalog 128. HEIL1G-GEIST-TAUBE Frankreich, 15. Jahrhundert Anhanger Blei-Zinn; H. 24 mm, B. 19,5 mm, T. 2,6 mm; Gewicht: 1,4 g Inv. Nr. 1944,18 (52 f) Flachguss, mit einer Ose. Die Darstellung entspricht Kat. Nr. 127, lediglich die Fltigel der Taube sind etwas feiner ausgearbeitet und der Schwanz ist ein wenig langer und lauft hier in sieben Linien aus. Vgl.: Kat. Nr. 127. Lit.: unpubliziert. 129. STERN Frankreich, 15. Jahrhundert Brosche Blei-Zinn; H. 35,2 mm, B. 28,9 mm, T. 1,4 mm; Gewicht: 1,9 g Inv. Nr. 1944,18(52 g) Gitterguss, rund. Im Zentrum der kreisrunden Brosche er- scheint ein sechsstrahliger Stem, in dessen Mitte ein klee- blattahnliches Blutenornament eingeschrieben ist. Den Rahmen bildet ein kreisrundes Flechtband. Am aufieren Rand finden sich kleine perlenartige Erhebungen. Der runde Rahmen lauft in 13 nach auBen weisenden Lilien- omamente aus. Die Brosche wird von einem omamenta- len, teilweise abgebrochenen Aufbau bekront. Vgl.: HP I, Nr. 823-842, S. 287-290 (ahnliche Grund- typen). Lit.: unpubliziert. 130. STEHENDE MARIA MIT KIND UND HL. KLERIKER (?) Frankreich, 15. Jahrhundert (?) Anhanger Blei-Zinn; H. 21,1 mm, B. 23 mm, T. 2,6 mm; Gewicht: 2 g Inv. Nr. 1944,18(53 a) Flachguss, herzformig, zweiseitig, urspriinglich wohl mit einer Ose oben. Das Stuck wird am Rand von einer Perl- schnur umsaumt. Die Bildfelder sind leicht erhaben. Auf der einen Seite ist trotz eines groBeren Defektes noch die Biiste eines nimbierten Heiligen zu erkennen. Die Klei- dung auf Brust und Schulter scheint auf einen Geistlichen (Bischof, Diakon ?) hinzudeuten. Auf der Gegenseite ist eine stilisierte Maria mit dem Jesusknaben auf ihrem lin-
Teil 3 319 ken Arm zu erkennen. Der Hintergmnd zeigte wohl eine Straminmusterung. Vgl.: Kat. Nr. 114; HP II, Nr. 1463, S. 349 (ahnliche Dar- stellung, ovaler Rahmen). Lit.: PZK Kurt Kostcr, Maria mit Kind, Standmadonna, A II 5. 131. STEHENDE MARIA MIT KIND Frankreich, 14./15. Jahrhundcrt Pilgerzeichen unbekannter Herkunfi Blei-Zinn; H. 30 mm, B. 24,3 mm, T. 2,5 mm; Gewicht: 2,4 g Inv.Nr. 1944,18(53 b) Gitterguss, rund. Der Rahmen wird von einer defekten Krone bekront sowie innen und aufien von je einem Perl- stab eingefasst. Im Bildfeld steht frontal die bekronte Maria mit dem Kind auf dem linken Arm. Beide Figuren sind nimbiert. Die Krone der Madonna hat eine Wiirfelaugen- verzierung. Vor ilirer Brust ist ein runder Gegenstand zu er¬ kennen, den Maria Oder das Kind halt. Rechts untcn neben der Madonna ist noch das Fragment eines Kerzenleuchters und rechts oben eine Bruchstelle zu erkennen. Vergleichs- stticke zeigen beidseitig eine Kerze. An der Riickseite ver- lauft vertikal eine Gussnaht mit Lotstellen oben und un- ten — wahrscheinlich die Reste einer Nadel mit Nadclrast. Vgl.: Haedeke 1968, Nr. 30-38, S. 63-64; Bruna 1996, Nr. 125, S. 109 (herzformiger Rahmen); Spencer 1998, S 244 und Abb. 248 auf S. 240; Kat. Nurnberg 2000, Nr. 199, S. 371; Kat. Worms 2001, Nr. 21-35, S. 87-92. Lit.: PZK Kurt Koster, Maria mit Kind, Standmadonna, A IV 1 b. - Kat. Berlin 1999, Nr. 6/181, S. 307. 132. SONNE/STERN Frankreich, 15./Anfang 16. Jahrhundert Brosche Blei-Zinn; Dm. 21,3 mm, T. 4,5 mm; Gewicht: 3,9 g Inv.Nr. 1944,18(53 c) Gitterguss, rund. Das Zentrum der runden Brosche wird von einem sonnen- oder stemformigen Ornament gebil- det von dem fiinf Strahlen im regelmafiigen Abstand nach auflen weisen. Der auflere Rahmen ist rund und nach auflen hin wellenformig geschwungen. Auf ihm sind zehn Perlenornamente gleichmafiig im Kreis angcordnet. Die Riickseite ist glatt. Lit.: unpubliziert.
320 Katalog 133. STEHENDE MARIA MIT KIND Frankreich, 15. Jahrhundert Pilgerzeichen unbekannter Herkunft Blei-Zinn; H. 27 mm, B. 27,2 mm, T. 1,5 mm; Gewicht: 2,2 g Inv. Nr. 1944,18(53 d) Gitterguss, rund. Das runde Bildfeld wird von einem Rah- men eingefasst, der am aufieren Rand von vier omamen- talen Dreipassen sowie oben und unten von je einer Perle geschmiickt wird. Der taustabartige Rahmen besteht aus schrag geschwungenen Linien, die mit einem Perlstab ab- wechseln. Im Feld ist eine nimbierte Madonna von der Hiifte aufwarts frontal dargestellt. Auf ihrem linken Arm sieht man den Jesusknaben mit Strahlennimbus. An der Riickseite befindet sich eine Gussnaht. Osen konnten nicht nachgewiesen werden. Lit.: PZK Kurt Koster, Maria mit Kind, AII 1 a 134. STEHENDE MARIA MIT KIND Frankreich, 15. Jahrhundert Anhanger (?) Blei-Zinn; H. 19,6 mm, B. 16,5 mm, T. 1,3 mm; Gewicht: 1,2 g Inv. Nr. 1944,18(53 e) Flachguss, oval. Das ovale Zeichen wird von einer Dop- pellinie umrahmt. Der Hintergrund zeigt eine Stramin- musterung. Im Zentrum steht eine bekronte Maria mit dem Jesusknaben auf dem linken Arm. Beide Figuren sind nimbiert. Vor dem Leib der Maria ist ein Reichsapfel zu erkennen. Rechts neben ihr erscheint ein stilisierter Baum. Es sind ohne Osen erhalten. Lit.: unpubliziert. 135. JOHANNESSCHUSSEL Frankreich, um 1500 Anhanger aus Amiens (Dep. Somme) Blei-Zinn; Dm. 17,9 mm (mit Ose 20,2 mm), T. 1,3 mm; Gewicht: 1,1 g Inv. Nr. 1944,18 (53 f) Flachguss, rund, mit einer runden Ose oben. Die runde Anhanger in Form eines Tellers mit breiter Fahne wird am Rand von einem Perlstab begrenzt. In der Mitte erscheint ein nimbiertes, bartiges Gcsicht. Es handelt sich wie bei Kat. Nr. 113 um die Darstellung des Hauptes Johannes des Taufers, also um eine so genannte Johannesschussel.
Teil 3 321 Am oberen Rand ist ein Osenfragment erhalten. Vgl.: Kat. Nr. 113; Bruna 1996, Nr. 236, S. 161; Spencer 1998, Nr. 254, S. 250ff. Lit.: unpubliziert. 136. MANNLICHE FIGUR Frankreich (?), 17. Jahrhundcrt Anhanger (?) Blei-Zinn; H. 25,8 mm, B. 21,9 mm, T. 2 mm; Gewicht: 3 g Inv. Nr. 1944,18 (53 g) Flachguss, herzformig, zweiseitig. Das herzformige Bild- feld ist von einer Perlschnur gerahmt. Auf der Vorderseile erscheint eine frontal stehende mannliche Gestalt miteinem Gegenstand in der rechten Hand. Dieser besitzt einen schmalen, langlichcn Griff und an jedem Ende einen halb- kreisformigen Bogen. Ein gleiches Objekt ist nochmals viber der linken Schulter der Figur daigestellt. Die Riick- seite tragt die Inschrift: ,,S [0]LI / ENA / R“ Die Ergan- zung des „0“ ist wahrscheinlich, die Lesung des sechsten Buchstaben als ,,N“ nicht ganz sicher. Eine Identifikation der Devise ist bisher nicht gelungen. Das Werk hat einige kleine Defekte. Ansatze Шг Osen sind nicht auszumachen. Lit.: unpubliziert. 137. VERA ICON Italien oder Frankreich, 15. Jahrhundert (?) Anhanger (aus Rom?) Blei-Zinn; H. 21,1 mm, B. 18,1 mm, T. 3,1 mm; Gewicht: 1,9 g Inv. Nr. 1944,18 (55 a) Gitterguss, sechseckige Kapsel, ohne Ose. In einem mehr- teiligen, erhabenen, sechscckigen Rahmen mit kleinen, dreiteiligen Kugelverzierungen an den Ecken ist eine Vera Icon abgebildet. Das Antlitz des Erlosers ist bartig und mit langerem Haar, es ist von einem Kreuznimbus umge- ben. Das Stuck ist leicht defekt und besitzt mehrere Lo- cher und Fehlstellen. Die Riickseite ist glatt, Anzeichen fur Osen finden sich keine. Kurt Koster hat alle Vera Icon-Darstellungen nach Rom gewiesen, wo das Sudarium etwa seit der ersten Jahrtau- sendwende im Petersdom verehrt wurde. Die Zuordnung nach Rom erfolgt hier unter Vorbehalt, da weitere Wall- fahrtsziele mit Vera Icon-Verehrung durchaus denkbar sind. Lit.: PZK Kurt Koster, Rom, Vera Ikon, ОМ VII b.
322 Katalog 138. STEHENDE MARIA MIT KIND Frankreich, 15. Jahrhundert (?) Pilgerzeichen (?) Blei-Zinn (?); Mafie und Gewicht unbekannt Inv. Nr. 1944,18 (55 b) (seit 1945 verschollen) Gitterguss, rund, eine oder mehrere Osen. Die bekronte und nimbierte Maria halt stehend den Jesusknaben auf ihrem linken Arm. In der rechten Hand halt sie einen lang- lichen Gegenstand (Zepier?). Sie vvird auf der linken Seite von einem Gewachs flankiert. Gerahmt wird die Madonna von einem erhabenen mehrteiligen Rundrahmen. Dieser hat iiber dem Marienhaupt eine deutliche Fehlstelle - moglicherweise eine ausgebrochene Ose. Das Zeichen hat noch einen kleinen Fortsatz rechts neben der Figur, viel- leicht eine weitere Ose oder eine Haltezunge (?). Lit.: PZK Kurt Koster, Maria mit Kind, Standmadonna, F IV 1 a. 139. VERA ICON Italien oder Frankreich, 15. Jahrhundert (?) Kapsel (aus Rom?) Blei-Zinn (?); H: 22 mm, B. 20 mm Inv. Nr. 1944,18 (55 c) (seit 1945 verschollen) Gitterguss, rautenformig. Ein rautenformigerzweiteiliger Rahmen, an dessen Ecken je eine kleine Kugel aufgesetzt ist, umschlieflt eine selir undeutliche Vera Icon. Oscn sind nicht zu erkennen. Zur Zuordnung vgl. Kat. Nr. 137. VgLKat.Nr. 154 und 155. Lit.: PZK Kurt Koster, Rom, Vera Ikon, ОМ VII a. 140. STEHENDE MARIA MIT KIND Frankreich, 15. Jahrhundert Anhanger Blei-Zinn; H. 22,8 mm, B. 15,7 mm, T. 5 mm; Gewicht: 2,7 g Inv. Nr. 1944,18 (55 d) Gitterguss, hochrechteckig, mit halbrundem Giebel, eine Ose oben. Der erhabene Rahmen wird durch eine mittig umlaufende Linie und am inneren Rand durch einen Perl- stab verziert. Im Bildfeld ist nur noch schemenhafl eine frontal stehende Figur - wohl Maria mit dem Kind auf dem linken Arm - zu erkennen. Das Stuck hat einige klei- nere Defekte, die Riickseite ist plan. Lit.: PZK Kurt Koster, Maria mit Kind, Standmadonna, A III 2 b.
Tell 3 323 141 . STEHENDE MARIA MIT KIND Frankreich, 15. Jahrhundert (?) Brosche (?) Blei-Zinn; H. 21,2 mm, B. 26,6 inm, T. 2,6 mm; Gewicht: 0,9 g Inv. Nr. 1944,18 (55 e) Gitterguss, rautenformig, eine Nadel auf der Riickseite. Der mehrteilige, rautenformige Rahmen wird auBen von einem Perlenomament umzogen. Die linke und rechte Spitze lauft in einem kleinen stilisierten Lilienomament aus. Der auBere Rand ist leicht erhaben, an der unteren Spitze verlauft hier ein Pcrlstab, auch innen schlieBt der Rahmen mil einem Perlstab ab. Iin Bildfeld steht die nim- bierte Maria, halb frontal, das Kind auf ihrem linken Arm haltend. Der Faltenwurf ihres langen Gewandes ist stark stilisiert. Links zu ihren FiiBen scheint eine kleine Gestalt zu kauem. Die Riickseite zeigt eine scnkrechte Gussnaht, am unteren Ende Reste der Nadelrast und eine erhaltene Zunge oben links. Lit.: PZK Kurt Koster, Maria mit Kind, Standmadonna, A IV 4. 142. THRONENDE MARIA MIT KIND Frankreich, 14./15. Jahrhundert (?) Anhanger, Kapsel Blei-Zinn (?); H. 23 mm Inv. Nr. 1944,18 (55 f) (seit 1945 verschollen) Flachguss, hochrechteckig, mit halbrundem Giebel ab- schlieBend, eine Ose oben. Der Rahmen ist mehrteilig und erhaben, zum Bildfeld hin hat er eine Perlschnurverzie- rung. Im Bildfeld thront Maria mit dem Jesusknabcn auf dem linken Arm. AuBen am Rahmen sind wohl Reste einer Zierleiste erkennbar. Lit.: PZK Kurt Koster, Maria mit Kind, Sitzmadonna, AII 2 c. 143. STEHENDE MARIA MIT KIND Frankreich, 15. Jahrhundert Anhanger Blei-Zinn; H. 18 mm (ohne Ose 16,5 mm), B. 17,3 mm, X 4,2 mm; Gewicht: 2 g Inv. Nr. 1944,18 (55 g) Gitterguss, oval, mit einer Ose. Der Rahmen wird durch eine umlaufende hohe Wulst gegliedert. Am inneren Rand lauft ein Perlstab urn. Das Bildfeld zeigt eine frontal ste- hende Marienfigur mit Nimbus. Sie tragt den Jesuskna-
324 Katalog ben auf dem linken Arm. Die Figuren und der Hintergrund zeigen an verschiedenen Stellen rotlichbraune Flecken, vielleicht Reste einer ehemaligen Farbfassung. Die Riick- seite zeigt die gleiche Rahmengestaltung wie die Vorder- seite, das Bildfeld ist leer. Links am Rahmen konnten Reste einer Nadel erhalten sein. Vgl.: Kat. Nr. 144. Lit.: PZK Kurt Roster, Maria mit Kind, Halbfigur, AII1 a. 144. STEHENDE MARIA MIT KIND Frankreich, 15./16. Jahrhundert Anhanger Blei-Zinn; H. 19,1 mm, B. 17,2 mm; Gewicht: 2,2 g Inv.Nr. 1944,18(55 h) Gitterguss, rund, mit einer Ose. Der breite Rahmen wird an der StoBfuge von einem Perlstab umzogen. Auch an den beiden Innenrandem umzieht ein Perlstab den Rah¬ men. Im Bildfeld steht die Maria mit dem unproportional grofien Jesusknaben auf ihrem linken Arm. In der rechten Hand halt sie ein Zepter. Vgl.: Kat. Nr. 143. Lit.: PZK Kurt Koster, Maria mit Kind, Halbfigur, AII1 a. 145. HL. MAURUS (MAUR) VON GLANFEUIL Frankreich, 15. Jahrhundert Pilgerzeichen der Abtei Saint-Maur-des-Fosses (Dep. Val- de-Mame) Blei-Zinn (?); H. 22 mm Inv. Nr. 1944,18 (55 i) (seit 1945 verschollen) Flachguss, oval, mit einer Ose. Der ovale Anhanger ist von einem mehrteiligen erhabenen Rahmen mit Perl- schnurverzierung umgeben. Im Bildfeld steht frontal der hi. Maurus. Der Abt ist im Ordensgewand mit Kapuze dargestellt. In der linken Hand halt er einen Spaten mit rechteckigem Blatt. Die Rechte halt einen quadratischen Gegenstand empor, ein Buch. Beidseitig neben ihm er- scheinen zwei kleine, nicht definierbare Objekte, vermut- lich Adoranten. In der Darstellung gleichen die Pilgerzeichen von Saint- Maur-des-Fosses besonders wegen der Darstellung des Spatens den Zeichen von Saint-Fiacre (Dep. Seine-et- Mame). Die drei Stiicke ( Kat. Nr. 64, 145, 146) weisen aber deutliche Parallelen zu einem Exemplar mit der In- schrift ,,S. MOR. DES. FOSSES." auf, das sich im Mus6e
Teil 3 325 national du Moyen Age - thermes et hotel de Cluny in Paris befmdet. Vgl.: Kat. Nr. 64 und 146; Bruna 1996, Nr. 267-273, S. 180-183. Lit.: PZK Kurt Koster, Saint-Maur-des Fosses, C. 146. HL. MAURUS (MAUR) VON GLANFEUIL Frankreich, 15. Jahrhundert Pilgerzeichen der Abtei Saint-Maur-des-Fosses (Dep. Val- de-Mame) Blei-Zinn (?); Mafie und Gewicht unbekannt Inv. Nr. 1944,18 (55 у ?) (seit 1945 verschollen) Gitterguss, rund, mit einer Ose oben. Das Objekt hat einen runden, mehrteiligen Rahmen, der auficn mit cincr Wur- felaugenverzierung besetzt ist. Das Bildfeld ist von einer Perlschnur umsaumt. Wie bei Kat. Nr. 145 ist der hi. Mau- rus dargestellt. Allerdings fehlt hier das Buch und er halt den Spaten - diesmal mit herzformigem Blatt - in der rechten Hand. Von den anthropomorphen (?) Elementen gibt es hier nur eines links neben ihm. Der Anhanger ist am linken Rand leicht beschadigt. Vgl.: Kat. Nr. 64 und 145; Bruna 1996, Nr. 267-273, S. 180-183. Lit.: PZK Kurt Koster, Saint-Maur-des Fosses, В II a. 147. THRONENDE MARIA MIT KIND Frankreich, 15./16. Jahrhundert Anhanger Blei-Zinn; H. 21,5 mm, B. 17,5 mm, T. 4,3 mm; Gewicht: 2,4 g Inv. Nr. 1944,18 (56 b) Gitterguss, rund, mit einer Ose oben. Im runden Rahmen, umgeben von einer Perlschnur, erscheint die thronende Maria mit dem Kind auf ihrem linken Knie, beide sind nimbiert. Beidseitig neben der Figur sind schwerdeutbare Gebilde - florale Elemente oder auch Kerzen - darge¬ stellt. Den Rahmen ziercn noch drei (ehemals vier) drei- blattrige Ansatze. Vgl.: Kat. Worms 2001, Nr. 124, S. 146. Lit.: PZK Kurt Koster, Maria mit Kind, Halbfigur, AII 1 a.
326 Katalog 148. STEHENDE MARIA MIT KIND Frankreich, 15716. Jahrhundert Pilgerzeichen unbekannter Herkunft Blei-Zinn; H. 20,9 mm, B. 16,4 mm, T. 5,5 mm; Gewicht: 2,9 g Inv.Nr. 1944,18 (56 c) Gitterguss, rund, ohne Oscn, mit zwci Zungcn (?). Das runde Medaillon ist von einem verzierten, erhabenen Rand umgeben. Zwei Perlschniine rahmen ein umlaufendes Zak- kenband; die nach unten weisenden Zacken sind schat- tiert. Im Feld steht Maria mit dem Jesusknaben auf ihrem linken Knie. Der Kopf des Kindes ist abgebrochen. Maria halt mit angewinkelten Armen vor dem Korper einen gro- Beren Gegenstand, der liber ihre linke Schulter hinausragt - vermutlich ein Zepter. Beidseitig am Rahmen sind zwei kleine Stutzen angebracht, die mit einer Verdickung endcn. Die Figurengruppe ist rechts durch eine Guss- briicke mit dem Rand verbunden. Auf der anderen Seite erscheint am Rand eine aufrechte, langliche Struktur. Die Riickseite hat einen analog gestalteten Rahmen ohne Zick- zackband, dafiir mit einer umlaufenden Doppellinie. Lit.: PZK Kurt Kostcr, Maria mit Kind, Standmadonna, AIV 1 a. 149. HEILIGER BISCHOF Frankreich, 15716. Jahrhundert Anhanger Blei-Zinn (?); MaBe und Gewicht unbekannt Inv. Nr. 1944,18 (56 d) (seit 1945 verschollen) Gitterguss, herzformig, mit einer Ose oben. Ein herzfor- miger, gegliederter Rahmen, der auBen von einer gedreh- ten Schnur begrenzt und am Bildfeld mit einem Band ein- zeln stehender Wiirfelaugen verziert ist, umschlieBt einen Bischof im Omat mit Mitra auf dem Haupt und einem Kreuzcsstab in der linken Hand. Am oberen Ende zwi- schen den beiden Herzwolbungen ist eine breite Ose an¬ gebracht, die von zwei kleinen Voluten flankiert wird. Lit.: PZK Kurt Koster, Bischof, stehend, AI 2 d. 150. THRONENDE MARIA MIT KIND Frankreich, 15716. Jahrhundert Anhanger Blei-Zinn; H. 23,2 mm, B. 14,8 mm, T. 2,7 mm; Gewicht: 1,9 g Inv. Nr. 1944,18 (56 e) Gitterguss, herzformig, mit Ose. Das herzformige Bild-
Tei/3 327 feld ist umgeben von einem durchbrochenen Rahmen- fries, bestehend aus freistehenden Wiirfelaugen. Auf einer eingesetzten, herzformigen Bildplatte erscheint die Biiste der Maria mit dem Jesusknaben auf dem Arm. Maria ist mit bekrontem Haupt und Schleier dargestellt, das Kind ist nimbiert. Die Riickseite zeigt eine analoge Rahmen- gestaltung, im Bildfeld steht in Minuskeln ,,ihs“. Vgl.: Spencer 1998, Nr. 321g und 321h, S. 322f. Lit.: PZK Kurt Koster, Maria mit Kind, Halbfigur, AII 3. 151. HL. QUENTIN (QUINTINIUS) Frankreich, 15. Jahrhundert Pilgerzeichen aus Saint-Quentin (Dep. Aisne) Blei-Zinn; Dm 17,1 mm, T. 4,9 mm; Gewicht: 2,1 g Inv.Nr. 1944,18 (56 h) Gitterguss, rund, ohne Osen. Im hohen, kreisrunden Rah- men, umsaumt von einer Perlschnur, erscheint die nim- bierte Biiste eines heiligen Diakons mit bartigem Gesicht und kurzem Haar. Er tragt ein Gewand mit Kragen. Flan- kiert wird die Biiste von zwei Baumchen. Vgl.: Kat. Nr. 62, 152,161 und 189; Umeleckoprumys- love museum [Kunstgewerbemuseum] Prag, Inv. Nr. 5719 und 5720; Haedeke 1968, Nr. 47f., S. 67; Bruna 1996, Nr. 311, S. 201 und Nr. 328-331, S. 211-213; Kat. Worms 2001, Nr. 109-121, S. 140-145. Lit.: unpubliziert. 152. HL. QUENTIN (QUINTINIUS) Frankreich, 15./16. Jahrhundert Pilgerzeichen aus Saint-Quentin (Dep. Aisne) Blei-Zinn; Dm. 17 mm, T. 4,5 mm; Gewicht: 1,4 g Inv.Nr. 1944,18 (56 i) Gitterguss, rund, ohne Osen. Im runden Bildfeld, umgeben von einem erhabenen Rahmen und umsaumt von einer Perl¬ schnur, erscheint eine stehende, nimbierte Figur in langem Gewand. In der rechten Hand halt sie ein Buch, die linke halt einen in sich gedrehten, geraden Stab schrag vor den ICorper. Auf dem Heiligenschein erscheinen Linien, die eine Mitra andeuten konnten, der obere Teil des Nimbus wird vom Rand iiberschnitten, daher ist die Kopfbedeckung nicht ganz sichtbar. Zur linken des Heiligen steht ein stilisierter Baum. Das Stuck hat leichte Defekte und kleine Fehlstellen. Vgl.: Kat. Nr. 62, 151, 161 und 189; Haedeke 1968, Nr. 47f., S. 67; Bruna 1996, Nr. 311, S. 201 und Nr. 328-331, S. 211-213; Kat. Worms 2001, Nr. 109-123, S. 140-146. Lit.: unpubliziert.
328 Katalog 153. AGNUS DEI Frankreich, 15./16. Jahrhundert Anhanger Blei-Zinn; Dm. 18,6 mm (ohne Ose 14 mm), T. 4,6 mm; Gewicht: 1,9 g Inv. Nr. 1944,18 (56 j) Flachguss, rund, mit einer Ose oben. Im runden Bildfeld, umgeben von einem hohen Rahmen und umsaumt von einer Pcrlschnur, crschcinl, nach rcchts gcwandt, das Lamm Gottes mit zuruckgewendetem Kopf, aufrechtem Kreuzesstab und nach links wehender Siegesfahne. Die oberen drei Kreuzenden und das Auge des Lammes sind iiberdeutlich durch Punkte hervorgehoben. Der auBere Rand ist tordiert. Auf der Rtickseite umzieht ein Perlstab den auBeren Rand des Rahmens. Ein Bildfeld aus Metall oder Papier fehlt. Im Rahmen sind Reste einer wachs- ahnlichen Substanz zu erkennen. Das Stuck ist etwas ver- bogen und hat leichte Defekte. Vgl.: Worms 2001, Nr. 127-132, S. 148-151; HP II, Nr. 1513, 1514 und 1515, S. 360. Lit.: PZK Kurt Koster, Agnus Dei, В I a (mit falscher Inv. Nr. 1944,18 [56k]). 154. VERA ICON Italien oder Frankreich, 15./16. Jahrhundert Anhanger (aus Rom?) Blei-Zinn; H. 26,9 mm, B. 22,3 mm, T. 4,4 mm; Gewicht: 1,6 g Inv. Nr. 1944,18 (56 k) Flachguss, rautenformig, mit einer Ose oben. Im einfach gerahmten Bildfeld erscheint das stark stilisierte bartige Antlitz Christi. Drei Ecken des Rahmens werden von einem punktformigen Ansatz verziert, an der vierten ist eine Ose befestigt. Allerdings erscheint das Bild beziig- lich der Aufhangung um 90° nach links gedreht. Die Riickseite hat eine aufwandig verzierte Rahmung mit durchbrochenem Fries liber dcr Bildplatte, die durch in einen zweiten Steg hineingesetzte, einzelne Wurfelaugen gebildet wird. Die Zuweisung nach Rom erfolgt unter den gleichen Vor- rausetzungen wie bei den anderen Vera Icon-Objekten. Vgl.: Kat. Nr. 139 und 155. Lit.: unpubliziert.
ТеU3 329 155. VERA ICON Italien oder Frankreich, 15. Jahrhundert (?) Anhanger (aus Rom?) Blei-Zinn (?); H. 26 mm, B. 27 mm Inv. Nr. 1944,18 (56 1) (seit 1945 verschollen) Flachguss, rautenformig, mit einer Ose oben. Das Stuck entspricht Kat. Nr. 154. Vgl.: Kat. Nr. 139 und 154. Lit.: PZK Kurt Koster, Vera Ikon, ОМ VII a. 156. AGNUS DEI Frankreich, 15. Jahrhundert Applik oder Anhanger (?) Blei-Zinn; H. 26,3 mm, B. 29,9 mm, T. 3,2 mm; Gewicht: 2,6 g Inv. Nr. 1944,18 (57 a) Gitterguss, hochrechteckig, mit halbrundem Giebel, ohne erkennbare Osen. Der erhabene und mit Perlenschnur ver- zierte Rahmen umschlieCt ein Bildfeld, in dem auf einer stilisierten Grasflache ein Lamm steht. Hinter ihm er- scheint eine senkrecht nach oben gerichtete Kreuzesfahne mit Wimpel. Der Rahmen auf der Riickscite ist zusiitzlich durch einen an der Innenseite umlaufenden Perlstab ver- ziert. Wahrscheinlich fehlt eine Papier- oder Pergament- einlage. Vgl.: Kat. Worms 2001, Nr. 136-138, S.152f. Lit.: PZK Kurt Koster, Agnus Dei, A II a. 1 57. HL. BARBARA Frankreich, 16. Jahrhundert Applik oder Anhanger (?) Blei-Zinn (?); Dm. 29 mm Inv. Nr. 1944,18 (57 c) (seit 1945 verschollen) Flachguss, rund. Im runden Bildfeld steht die hi. Barbara. Die Heilige ist nimbiert. In ihrer linkcn Hand halt sie einen Palmenwedel. Zu ihrer Rechten steht ihr Attribut, der Turm, der so grofl ist wie sie selbst. Im umlaufenden Rahmen eine Inschrift, nach der Lesung Meyers: „Ora pro nobis sancta В [...]“ Lit.: PZK Kurt Koster, St. Barbara, III a.
330 Katalog 158. ANHANGER Frankreich, Spatmittelalter Blei-Zinn (?); H. 33 mm, B. 24 mm Inv. Nr. 1944,18 (57 d) (seit 1945 verschollen) Runder Anhanger mit Glimmerplattchen im Bildfeld. Lit.: Material Meyer, Bl. 92. 159. ANHANGER Frankreich, 15. Jahrhundert (?) Blei-Zinn (?); Mafie und Gewicht unbekannt Inv. Nr. 1944,18 (57 e) (seit 1945 verschollen) Ovaler Anhanger mit Kugelverzierung am Rand und lee- rem Bildfeld. Lit.: Material Meyer, Bl. 92. 160. AGNUS DEI Frankreich, 15. Jahrhundert Anhanger, Kapsel Blei-Zinn; H. 26,4 mm, B. 20,4 mm, T. 2,6 mm; Gewicht: 1,5 g Inv. Nr. 1944,18 (57 g) Gitterguss, Kapsel, hochrechteckig, oben halbrunderGie- bel und Ose. Der Rahmen wird durch ein Perlstabband begrenzt. Den Inhalt der Kapsel bildete, nach den anhaf- tenden Riickstanden zu urteilen, Wachs. Auf der Riick- seite erscheint ein Relief in Form eines Buchstabens oder eines Gesichtes. Lit.: unpubliziert.
Teil 3 331 161. HL. QUENTIN (QUINTIN1US) Frankreich, 15./16. Jahrhundert Anhanger aus St. Quentin (Dep. Aisne) Blei-Zinn; H. 22, 1 mm, B. 17,1 mm, T. 4,2 mm; Gewicht 2,4 g Inv. Nr. 1944,18 (58 a) Gitterguss, rund. niit einer Ose oben. Im runden, breiten Rahmen, dcr von noch drei (ehemals vier) dreiblattrigen Ansatzen geziert wird (ahnlich Kat. Nr. 147), erscheint die nimbierte Buste eines Heiligen im Diakongewand. Vermutlich ist der hi. Quentin dargestellt. Vgl.: Kat. Nr. 62, 151, 152 und 189 mit anderer Rahrnen- gestaltung; ahnlich auch Bruna 1996, Nr. 311, S. 201 und Nr. 328-331, S. 21 Iff.; Kat. Worms 2001, Nr. 109-123, S. 140-146. Lit.: unpubliziert. 162. MARIA MIT KIND Frankreich, 15. Jahrhundert (?) Anhanger Blei-Zinn (?); Dm. 22 mm Inv. Nr. 1944,18 (58 b) (seit 1945 verschollen) Flachguss, rund, mit einer Ose oben. Im runden Rahmen erscheint Maria mit dem Kind. Das Bildfeld der Riick- seite ist leer, der Rahmen ist zuni Feld hin durch eine Perl- schnur begrenzt. Lit.: PZK Kurt Koster, Maria mit Kind, AII 1 a. 163. ANHANGER Frankreich, 15. Jahrhundert (?) Blei-Zinn (?); Mafle und Gewicht unbekannt Inv. Nr. 1944,18 (58 c) (seit 1945 verschollen) Runder Anhanger mit leerem Bildfeld. Lit.: Material Meyer, Bl. 94. 164. CHRISTUSMONOGRAMM ,,IHS“ Frankreich, 15. Jahrhundert Anhanger (?) Blei-Zinn; H. 20,2 mm, B. 21,5 mm, T 3,2 mm; Gewicht: 1,5 g Inv. Nr. 1944,18 (58 d) Flachguss, rautenfomig. Die Kapsel wird von einem brei¬ ten, erhabenen Rahmen umzogen, an jeder Ecke befindet
332 Katalog sich je eine Kugel. Auf der einen Seite ist der Rahmen mit einem Band von Wiirfelaugen umzogen. Das Bildfeld auf dieser Seite ist leer, wahrscheinlich befand sich hier ur- spriinglich eine Papiereinlage. An der Ruckseite ist der Rahmen schmucklos. Das Bildfeld zeigt die Inschrift„ihs“. Lit.: PZK Kurt Koster, Christus IHS, В VIII 1 C 3. 165. AGNUS DEI Frankreich, 15./Anfang 16. Jahrhundert Anhanger Blei-Zinn; Dm. 24 mm (H. mit Ose 29 mm); Gewicht: 2,8 g Inv. Nr. 1944,18 (58 e) Flachguss, rund, mit einer Ose oben. Im Bildfeld steht das nach links gewendete Lamm Gottes mit nach rechts ge- neigtem, erhobenen Kreuzesstab und Wimpel. Der kreis- runde Rahmen wird von einem Flechtband umzogen. Am Scheitel sitzt eine Ose. Zum Bildfeld hin schlieOt ein tor- dierter Draht an, der durch 14 regelmaBig angeordnete Wtir- felaugenomamente mit dem Rand des Rahmens verbunden ist. Die Ruckseite hat einen wenig ausgepragten Gussgrat. Lit.: PZK Kurt Koster, Agnus Dei, В I a. - Kat. Berlin 1999, Nr. 6/182, S. 307. 166. AGNUS DEI Frankreich, 15. Jahrhundert Anhanger Blei-Zinn; H. 24,2 mm, B. 21,5 mm, T. 2,9 mm; Gewicht: 1,7 g Inv. Nr. 1944,18(58 0 Flachguss, rautenformig, mit einer Ose oben. Im Bildfeld der Kapsel ist das Flachrelief mit der Darstellung des nach links gewendeten Lamm Gottes mit senkrecht nach oben gerecktem Kreuzesstab mit Wimpel schwach zu erken- nen. Die Ecken des Rahmens sind mit jeweils einer Kugel verziert, die von einem Wurfelauge flankiert wird. Der Rahmen schlieBt zum Bildfeld hin mit einem Perlstab ab. Lit.: PZK Kurt Koster, Agnus Dei, D. 167. mAnnlicher HEILIGER Frankreich, 15./16. Jahrhundert Anhanger Blei-Zinn; H. 26,4 mm (mit Ose), B. 20,6 mm, T. 2,6 mm; Gewicht: 1,5 g Inv. Nr. 1944,18 (58 g)
Tail 3 333 Flachguss, rautenformig, mit einer Ose oben. Das Bild- feld wird aufien von einem Tauband umzogen. An drei Eckpunkten sitzt je eine Kugel und am Sclieitelpunkt statt derer die Ose, im Bildfeld steht frontal ein Heiliger, der nicht zu idcntifizieren ist. Lit.: unpubliziert. 1 68. AGNUS DEI Frankreich, 15. Jahrhundert Anhanger Blei-Zinn; H. 29,3 mm (mit Ose), B. 20,4 mm, T. 3,1 mm; Gewicht: 2,4 g Inv. Nr. 1944,18 (58 h) Flachguss, oval, mit einer Ose oben. Der ovale Rahmen wird von einer umlaufenden Perlenreihe verziert und hat eine Ose am oberen Scheitel. Im Bildfeld erscheint das nach links gewendete Lamm mit Kreuzesstab und stra- mingemusterter Fahne. Der Rahmen auf der Riickseite wird von Perlstab umzogen, das Bildfeld fehlt, die Ein- lage ist verloren. Lit.: unpubliziert. 169. VERA ICON Italien oder Frankreich, 15. Jahrhundert (?) Anhanger (aus Rom?) Blei-Zinn; Dm. 14,2 mm; Gewicht: 0,8 g Inv. Nr. 1944,18(58i) Flachguss, rund, ohne erkennbare Osen. Im runden Bild¬ feld erscheint, von einer Perlschnur umgeben, das stark stilisierte Antlitz Christi. Vgl.: HP I, Nr. 77a, S. 133; Bruna 1996, Nr. 8, S. 51; SPENCER 1998, S. 248-252, Nr. 254 a und b, S. 250. Lit.: unpubliziert. 170. BROSCHE Frankreich, 15. Jahrhundert Blei-Zinn (?); Dm. 21 mm Inv. Nr. 1944,18 (59 a) (seit 1945 verschollen) Gitterguss, bliitenfonnig. Die durchbrochene Brosche ist in Form einer Blute mit sechs Blutenblatlern gestaltet. Diese werden von einem Perlschnurrand geziert. In der Mitte erscheint ein Stem. Vgl.: HP I, Nr. 837-839, 841, 842, S. 289f.; HP II, Nr. 2059, S. 456. Lit.: Material Meyer, Bl. 95.
334 Kutulog 171. CHRISTUSMONOGRAMM (?) Frankreich, 15. Jahrhundert Zierknopf Blei-Zinn (?); Dm. 27 mm Inv. Nr. 1944,18 (59 b) (seil 1945 verschollen) Flachguss, rund, mit einer Ose an der Riickseite. Im run- den Bildfeld, das von halbrunden Zacken umlaufen wird, erscheinen die Buchstaben I(H)S. Nach den Angaben Meyers lautet die Inschrift IHD. Lit.: Material Meyer Bl. 106. 172. KRUZIFIX Frankreich, 15. Jahrhundert Anhanger (?) Blei-Zinn (?); Dm. 27 mm Inv. Nr. 1944,18 (59 c) (seit 1945 verschollen) Flachguss, rund. Im runden Bildfeld, das von einer Perl- schnur gerahmt wird, erscheint ein Kruzifix. Das Stuck ist auBen von einem Strahlenkranz gerahmt der mehrere Defekte aufweist. Lit.: PZK Kurt Koster, Cruzifixus, D III 1 b. 173. STEHENDE MARIA MIT KIND Frankreich, 15. Jahrhundert Anhanger (?) Blei-Zinn (?); Dm. 19 mm Inv. Nr. 1944,18 (59 0 (seit 1945 verschollen) Gitlerguss, rund. Im runden, einfach gerahmten Bildfeld steht Maria, nimbiert, mit dem ebenfalls nimbierten Je- susknaben auf dem linken Arm. Zwei Gewachse (?) flan- kieren die Szene. Der Rahmen ist iiber dem Haupt des Kindes ausgebrochen. Lit.: PZK Kurt Koster, Maria mit Kind, Standmadonna, F IV 2 a. 174. MUSCHEL Frankreich, 2. Halfte 15. Jahrhundert Anhanger aus Santiago de Compostela (?) Blei-Zinn (?); MaBe und Gewicht unbekannt Inv. Nr. 1944,18 (59 g) (seit 1945 verschollen) Gitterguss, muschclfbrmig, eine Ose oben. Eine Muschel wird am Rand von einer Perlschnur umlaufen.
Veil 3 335 Van Beuningen und Koldeweij weisen solche Anhangcr der Wallfahrt nach Santiago de Compostela zu. Wahr- scheinlicher ist aber die Herkunft vom Mont-Saint- Michel (siehe auch Kat. Nr. 184). Vgl.: HP I, Nr. 210, 211, 219 und 220, S. 165f. Lit.: Material Meyer, Bl. 106. 175. ANHANGER Frankreich, 15. Jahrhundert (?) Blei-Zinn (?); H. 22 mm, B. 15 mm Inv. Nr. 1944,18 (59 i) (seit 1945 verschollen) Gitterguss, herzfonnig, eine Ose obcn. Das Bildfeld der herzformigen Kapsel ist leer. Es wird von einem erhabe- nen Rand umsaumt, der von einer Reihe einzeln gesetzter perlen in einem Band verziert wird. Vgl-: HP I, Nr. 108, S. 140. Lit.: Material Meyer, Bl. 93. 1 76. STEHENDE MARIA MIT KIND Frankreich, 16. Jahrhundert Zierknopf Blei-Zinn; Dm. 25,1 mm, T. 4,1 mm; Gewicht: 3,5 g Inv. Nr. 1944,18 (60 a) Flachguss, rund, mit einer Ose an der Riickseite. Im run- den, von einem Bogenfries umgebenen Bildfeld steht die Maria im langen faltenreichen Gewand mit dem Jesus- Icnaben auf dem linken Arm. Beide Figuren sind nimbiert. Flankiert wird die Szene von zwei floralen Elementen, deren oberes Ende jeweils in einer Blute auslauft, die aus vier Punkten und einem Langsstrich besteht. Lit.: PZK Kurt Koster, Maria mit Kind, Standmadonna, A II la- 1 77. KNOPF Mittel- oder Westeuropa, 13./14. Jahrhundert Blei-Zinn; Dm. 25,1 mm, T. 4,1 mm, T. (Scheibe) 2,6 mm; Gewicht: 5,6 g Inv. Nr. 1944,18 (60 b) Runder Rahmen, dreigliedrige Rahmenleiste, riickseitige Ose. AuBen- und Innenrand sind als Wulst ausgebildet, den eine Binnenstruktur in Form einer S-gedrehten Kor- del urngibt. An diesem Rahmen befinden sich auBen fla- che, mit Punktbuckeln gefullte Rundeln mit geperltem
336 Katalog AuBenrand. Der innere Rahmen ist in regelmaBigen Ab- standen mit drei Krappen besetzt, die die Form von drei tangential aneinander stoBenden Buckeln besitzen. Diese Krappen halten eine plane Riickwand, die ehemals bemalt gewesen sein oder ein Papier mit einer Darstellung ge- halten haben konnte. Einige der Krappen und Rundeln fehlen. An der Riickseite sitzt eine mitgegossene halb- runde Ose mit annahcmd rundem Profilquerschnitt. Die Fiillung ist in dreiteiliger Form gegossen: ein Formteil umgab die rund Scheibe auf der Vorderseite und an ihren Kanten, wahrend zwei Schalen die Ose und die Riickseite ausformten. In Verlaufsrichtung der Ose ist ein Gussgrat von diesem Herstellungsprozess vorhanden. Ein weiterer Gussgrat befindet sich an der Ose. Die Binnenfullung sitzt locker im Rahmen. Sie wurde von hinten in den Rahmen gesteckt, ein Steg wurde zu ihrer Arretierung gerundet umgebordelt. Vgl.: Pilgerzeichen in Anhangem mit einer ahnlichen Rahmenkonstruktion stammen aus der Siedlung Nieuw- lande, Niederlande (HP I, Nr. 355-356, S. 196). Lit.: unpubliziert. 178. KNOPF Mittel- oder Westeuropa, 14./15. Jahrhundert Blei-Zinn; Dm. 28,8 mm, T. 2,7 mm, T. (Scheibe) 0,5 mm; Gewicht: 2,6 g Inv.Nr. 1944,18 (60 c) Runder, planer Spiegel mit aufwandig gegliedertem Rand. Zwei konzentrische Kreise mit der Struktur einer Z-for- mig gedrehten Kordel schlieBen in gleichmaBigen Ab- standen Scheiben mit einer plastischen, konzentrischen Binnenstruktur um einen zentralen Bucket ein. Zwischen diesen Scheiben befmden sich Durchbriiche. Auf der au- Beren Kordelstruktur sind in gleichmaBigen Abstanden runde Kugeln aufgesetzt, diese sind teilweise abgebro- chen, der Rand ist eingerissen. lm Zentrum der Riickseite befindet sich eine mitgegossene halbrunde Ose mit run¬ dem Profilquerschnitt. Ein Gussgrat durchlauft die Rtick- scite radial. Der Guss erfolgte in einer dreiteiligen Form: Ein Formteil umgab die rund Scheibe auf der Vorderseite und an ihren Kanten, wahrend zwei Schalen die Ose und die Riickseite ausformten. Vgl.: Direkte Parallelen wurden bishernicht bekannt. Lit.: unpubliziert.
Teil 3 337 179. THRONENDE MARIA MIT KIND Frankreich, 15. Jahrhundert pilgerzeichen unbekannter Herkunft Blei-Zinn; Dm. 28,5 mm, T. 2,1 mm; Gewicht: 5,6 g Inv.Nr. 1944,18 (60 d) Flachguss, rund. Im mnden Bildfeld, von einer Minuskel- inschriffc umlaufen, thront die Maria mil einer Lilienkrone bekront im langen bis auf den Boden reichendcn und fal- tenreichen Gewand auf einem gotischen Thron mit holier Lehne. Der Jesusknabe sitzt auf ihrem linken Knie. Die Inschrifi lautet „noire dame de [...].“ Nach dem von Bruna publizierten Vergleichsstiick wiirde man ,,Liesse“ envarten, so dass es sich um ein Pilgerzeichen aus Notre- Dame-de-Liesse (Dep. Aisne) handelte. Der Textbestand scheint aber mit ,,[...]aude“, ,,[...]ausc“ oder ,,[...]aune“ zu enden. Als Herkunftsort wird daher u.a. die Marienkirche von Beaune (Dep. Cote-d’Or) in Erwagung gezogen. Vgl.: Bruna 1996, Nr. 92, S. 91. Lit.: PZK Kurt Koster, Maria mit Kind, Standmadonna, A II 1 d (Darstellung hier als stehende Madonna gedeutet). 180. KNOPF Mittel- oder Westeuropa, 13./14. Jahrhundert Blei-Zinn; Dm. 21,5 mm, T. 5,9 mm, T. (Kopf) 0,5 mm; Gewicht: 1,9 g Inv.Nr. 1944,18(61 a) planer, runder Spiegel. Das Mittelfeld wird von einem Aa¬ chen, schmalen Wulst umgeben, um den auBen eine Ao- rale Ranke umlauA. Diese ist an gegeniiberliegenden Sei- ten durch zwei schmale Stege gebunden. Der Blatter ent- spriefien jeweils an diesen Bindungen. Im Zentrum der Riickseite befindet sich eine mitgegossene halbrunde Ose jnit rundem ProAlquerschnitt. Ein Gussgrat durchlauft die Riickseite radial, ein starker Gussgrat ist auch an der Au- flenkante der Ose erkennbar, Der Guss erfolgte in einer dreiteiligen Form: Ein Formteil umgab die runde Scheibe auf der Vorderseite und an ihren Kanten, wahrend zwei Schalen die Osc und die Riickseite ausformten. Vgl.: Direkte Parallelen wurden bisher nicht bekannt. Lit.: unpubliziert.
338 Katalog 181. STEHENDE MARIA MIT KIND Frankreich, 15. Jahrhundert Knopf Blei-Zinn; Dm. 24,9 mm, T. 7,8 mm (3,9 mm ohne Ose); Gewicht: 3,5 g Inv.Nr. 1944,18(61 b) Flachguss, rund, mit runder Ose an der Riickseite. Im run- den Bildfeld, umgeben von einer tordierten Linie, die von einer Perlschnur gcrahmt wird, crscheint die Maria. Sie steht im langen Gewand mit Schleier und halt den Jesus- knaben auf ihrem linken Arm. Beide Figuren sind nim- biert. Lit.: PZK Kurt Koster, Maria mit Kind, Standmadonna, AH 1 a. 182. KNOPF Mittel-oder Westeuropa, 13./14. Jahrhundert Blei-Zinn; Dm. 18,1 mm, T. 3,2 mm, T (Kopf) 0,8 mm; Gewicht: 1,2 g Inv.Nr. 1944,18(61 c) Runde Scheibe mit plastischem Dekor. Ein runder Nodus ist von einer Bliite mit acht runden Bliitenblattem umge¬ ben, die Binnenstruktur dieser Blatter wird von linsenfor- migen, gekerbten Wiilsten gebildet. Die Bliite wird von einem flachen, konzentrischen Wulst umlaufen. An die- sen schlieBen ein weiterer Kreis aus Punktbuckeln und ein auBerer Abschluss aus altemierend angeordneten runden Buckeln und solchen die mit einem plastischen Wulst um- gebenen sind an. Im Zentrum der Riickseite befindet sich eine mitgegossene langovale Ose mit rundem Profilquer- schnitt. Sie ist gebrochen und stark verbogen. Ein Guss- grat durchlaufit die Riickseite radial, ein starker Gussgrat befindet sich auch an der AuBenkante der Ose. Der Guss erfolgte in dreiteiliger Form: Ein Formteil umgab die runde Scheibe auf der Vorderseite und an ihren Kanten, wahrend zwei Schalen die Ose und die Riickseite aus- formten. Vgl.: Eine Spange aus der Altstadt von London kann ar- chaologisch in die erste Halfte des 15. Jahrhunderts da- tiert werden (Egan 1993, S. 261, Abb. 169.1357). Die Bliite im Berliner Schmuckstiick besitzt ein Gegenstiick auf einem Beschlag mit zentralem Nietloch aus Niew- lande in den Niederlanden (Groeneweg 1987, Nr. 535, S. 70). Lit.: unpubliziert.
Tail 3 339 183. ERZENGEL MICHAEL Frankreich, 15. Jahrhundert Pilgerzeichen vom Mont-Saint-Michel (Dep. Manche) Blei-Zinn; Dm. 33.3 mm, T. 5,5 mm (2 mm ohne Ose); Gewicht: 3,2 g Inv. Nr. 1944,18(61 d) Flachguss, mit runder Ose an der Riickseite. Das runde Bildfeld ist von eincm, mit einer einfachen Linie und einem tordierten Draht gerahmten Wiirfelaugenffies um- geben, dem sich auBen eine Bogenreihe anschlieBt. Dar- gestellt ist der Erzengel Michael in Riistung mit ausge- breiteten, erhobenen Fliigeln, deren Spitzen iiber den Bildrahmen ragen. Sein Haupt ist von kinnlangem Haar umgeben. Der rechte Ann halt ein Schwert iiber den Kopf. E>er linke Arm ist leicht angewinkelt nach unten gesenkt. Auf dem Unterarm erscheint ein kleines, rundes Schild. Am Boden hinter dem Engel liegt ein Damon. Sein Haupt mit drei leicht gebogenen Homem und spitzen Ohren blickt zur Rechten des Engels frontal aus dem Bildfeld. Der Korper ist hinter dem Erzengel und als unregelma- Bige, gepunktete Struktur dargestellt. Hinter dem linken Bein des Engels sind die FiiBe des Teufels zu sehen, die je zwei grofle Krallen tragen. Vgl.: BRUNA 1996, Nr. 288f., S. 190. Lit.: unpubliziert. 184. ERZENGEL MICHAEL Frankreich, 15. Jahrhundert Anhanger vom Mont-Saint-Michel (Dep. Manche) Blei-Zinn; H. 29,7 mm, B. 28,2 mm; T. 1,8 mm; Gewicht: 2,7 g Inv. Nr. 1944,18(61 e) Flachguss, muschelformig, urspriinglich eine Ose oben. Auf einer Jacobsmuschel, deren Segmente abwechselnd mit und ohne Straminmusterung dargestellt sind, erscheint der Erzengel Michael. Er steht frontal mit ausgebreiteten Fiijgeln, deren Spitzen bis auf den Standgrund reichen. Dieser wird von einem auf dem Riicken liegenden Dra- chen gebildet. Die Spitze des linken Engelfliigels stoBt an die Schnauze, der hintere Teil geht nahtlos in den rechten Fiiigel des Erzengels iiber. Schrag vor dem Korper halt Mi¬ chael die Lanze, die erdem Drachcn in das geofihete Maul stoBt. Das Stuck ist im Bereich der Ose ausgebrochen. VgL: Bruna 1996, Nr. 277-279, S. 185f.; Kat. Worms 2001, Nr.86-89, S. 124-125, besonders Nr. 89. Lit.: unpubliziert.
340 Katalog 185. FIBEL Mittel-odcr Wcstcuropa, 14715. Jahrhundcrt Blei-Zinn; Dm. 13,6 mm, B. (mit Ose) 16,9 mm, T. 3,9 mm; Gewicht: 0,8 g Inv. Nr. 1944,18 (62 a) Gitterguss. Ein runder, planer Rahmen mit konzentri- schem Kreis aus Punktbuckeln in seiner Mitte umgibt einen vierzackigen Stem. Auf jedem der Zacken befindet sich ein runder Buckel, ebensolche Buckel sind im Zen- trum und in jedem Zwickel zwischen den Zacken des Stems angeordnet. Von dicscn sind zwei abgebrochen. Die Buckel in den Zwickeln sind durch runde Stabe ver- bunden, im AuBenrand des Schmuckstiicks befindet sich eine abgebrochene Ose mit karierter Binnenstruktur. Auf der Riickseite befindet sich eine mitgegossene, vierkan- tige, zum Ende spitz zulaufende Nadel und ein ebenso mitgegossener Nadelhalter, letzterer ist abgebrochen. Der NadelfuB ragt senkrecht aus dem Rahmen hervor, die Nadel knickt an seinem Ende rechtwinklig ab. Ein Guss- grat durchlauft die Riickseite radial. Der Gus erfolgte in einer dreiteiligen Form: Ein Formteil umgab den Rahmen auf der Vorderseite und an ihren Kanten, wahrend zwei Schalen die Nadel und den Nadelhalter ausformten. Die Riickseite zeigt eine karierte, gerichtete Schrammen- struktur, die wohl vom unsauberen Schliff der Gussform herriihrt. Vgl.: Grundform und Rahmengestaltung entsprechen zwei Londoner Zeichen, die aus Fundkontexten der erste Halfte des 15. Jahrhunderts stammen (Egan 1993, S. 262, Abb. 170.1361 und 170.1363). Runde Fibeln mit Ose im AuBenrand stammen aus der Seine in Paris. Diese romi- schen Pilgerzeichen gehoren dem 15. Jahrhundert an (Bruna 1996, Nr. 12, S. 52 f.). Nicht wenigerals neun ahn- liche Rahmen, jedoch mit Binnenfullungen die von dem Berliner Exemplar abweichen, fanden sich in Salisbury (Spencer 1990, S. 131, Abb. 286-294). Lit.: unpublizierl. 186. VERSCHLUSS EINER KAPSEL Mittel- oder Westeuropa, 13./14. Jahrhundert Blei-Zinn; H. 29,5 mm, B. 47,5 mm, T. (Deckel) 0,7 mm; Gewicht: 4,7 g Inv. Nr. 1944,18 (62 b) Deckel in Form einer plastischen, achsensymmetrischen Jakobsmuschel mit karierter Oberflachenstruktur. Die Riickseite ist plan, beiderseits der Symmetrieachse befin-
Teil 3 341 det sich an den AuBenseiten jeweils ein vierkantiger Schamierlappen mit runder Ose. Darin steckt ein vier¬ kantiger, gegossener Splint mit rundcm Kopf und ab- sichtlich zur Sicherung umgebogenem Ende. Von der feh- lenden Kapsel sind nur zwei in einem Stuck gegossene Schamierhiilsen, die von waagerechten feinen Wiilsten iiberzogen sind, und ein kleines Rahmenteil mit geome- trischer Punkt-Strich-Dekoration erhalten. Der Deckel wurde in einer zweischaligen Form gegossen, Lunker zwischen der Rippenstruktur der Muschel. Vgl.: Ein vergleichbares Zeichen aus Butlers Wharf, Ber¬ mondsey (GroBbritannien) kann archaologisch in das 15. Jahrhundert datiert werden (Spencer 1998, Nr. 250b, S. 247). Ein Anhanger in Muschelform aus Amsterdam kann vvahrscheinlich in die zweite Halfte des 15. Jahrhunderts datiert werden (HP I, Nr. 216, S. 165). GroBere Ausfuh- nmgen mit gleichem Konstruktionsprinzip werden als Spiegelkapseln interpretiert. Ein Londoner Exemplar da¬ tiert in die zweite Halfte des 14. Jahrhunderts (Egan 1993, S. 360, Abb. 240.1712). Die gleiche Schamierkonstruk- tion besitzt eine eichelformige Kapsel aus Dordrecht (Nie- derlande), die in das letzte Viertel des 14. oder das erste Viertel des 15. Jahrhunderts datiert werden kann (HP II, Nr. 2015, S. 450). Lit.: Kat. Berlin 1989, Nr. A 147, S. 52 (Angelika We- senberg, als Pilgerzeichen aus Santiago de Compostela). 187. STERN Mittel- oder Westeuropa, 13./14. Jahrhundert Biei-Zinn; Dm. 31,2 mm, T. 2,3 mm; Gewicht: 4,4 g Inv. Nr. 1944,18(62 c) Gitterguss. Ein Stem mit acht flammenformigen Strahlen jst von einem runden Rahmen umgeben, der aus zwei konzentrischen Wiilsten mit Z-formiger Drehung gebil- det wird. Das Zentrum des Stems besteht aus einem run¬ den Buckel, der durch einen konzentrischen Kreis aus kleinen und einen solchen aus groBere Buckeln gebildct wird. An der planen Riickseite befinden sich radiarsym- metrisch angeordnet vier mitgegossene rechteckige La- schen mit trapezformigem Profilquerschnitt. Zwei davon sind abgebrochen. Sie dienten moglicherweise zur Befe- stigung einer Riickwand. Das gesamte Stuck ist in einer zweischaligen Form gegossen worden. Vgl' Die nachste Parallele zu diesem Berliner Zeichen bil- det ein Exemplar aus Amsterdam, das in die erste Halfte des 15 Jahrhunderts datiert wird (HP I, Nr. 915, S. 302). Die Grundform des Stemes entspricht Bodenfunden aus der
Katalog 342 Themse in London, die nach heraldischen Parallelen stili- sierter Sonnen in die zweite Halfte des 15. Jahrhunderts da- tiert werden konnen (Mitchiner 1986, Nr. 733-736, S. 207). Sterne mit sechs flammenden Zacken in ahnlicher Ausfuhrung umgeben die Darstellungen des Thomas Backet von Canterbury. Eine Datierung dieser Pilgerzeichen kann in den Zeitraum vom letzten Drittel des 13. bis zur ersten Halfte des 14. Jahrhunderts erfolgen (Spencer 1998, Nr. 96- 97, S. 111). Das gleiche Stemmotivbegegnetuns bei einer Textil- oder Giirtelapplikationen aus Hoxter, die nach ar- chaologischem Kontext wahrscheinlich in die Mitte des 15. Jahrhunderts datiert werden kann (Krabath 2001, Nr. XXXVIII. 10, Bd. 2, S. 538). Ein Knopf mit dem Stemmo¬ tiv aus London datiert in die erste Halfte des 14. Jahrhun¬ derts (Egan 1993, S. 275, Abb. 178.1381). Lit.: Kat. Berlin 1999, Nr. 6/176, S. 306. 188. SEBASTIANSPFEIL Frankreich, Ende 15./Anfang 16. Jahrhundert Besatz Blei-Zinn; H. 17,1 mm, B. 57,2 mm, T. 3,8 mm; Gewicht: 5,8 g Inv. Nr. 1944,18(62 d) Gitterguss in Pfeilform. Den Schaft des Pfeils bilden 16 runde Segmente, die jeweils in Perlschniire gefasst sind. An den Stoften zwischen den Kreisen sind kleine rhom- benformige Ecken angebracht. Die Spitze des Pfeils ist dreieckig und ebenfalls mit einer feinen Perlschnur ge¬ fasst. In dcr Mitte des Schaftes setzt am neunten und vier- ten Segment ein Kreis an, der aus zwolf analog gestalte- ten Segmenten besteht, von dencn zwei gleichzeitig Ele- mente des Schaftes sind. Die letzten sechs Segmente tra- gen beidseitig je ein federformiges Element, welche in einem Winkel von etwa 60° nach schrag hinten verlaufcn und die Fiederung des Pfeils bilden. Lit.: Kat. Berlin 1989, Nr. A 147, S. 52 (Angelika We- senberg). 189. HL. QUENTIN (QUINT1NIUS) Frankreich, 15. Jahrhundert Anhanger aus Saint Quentin (Dep. Aisne) (?) Blei-Zinn; Dm. 19,6 mm, T. 3,8 mm; Gewicht: 1,7 g Inv. Nr. 1944,18(62 e) Gitterguss, rund. Im runden Bildfeld des Medaillons, das von einem erhabenen, nach innen von einer Perlschnur begrenzten Rahmen umgeben ist, erscheint die Biiste eines nimbierten Mannes mit Strahlennimbus im Diakon-
Veil 3 343 gewand. Die Figur ist bartlos und tragt eine Tonsur, das Haar reicht bis zu den Ohren. Vermutlich handclt cs sich um eine Darstellung des hi. Quentin, die beiden typischen flankierenden floralen Elemente sind vermutlich abge- brochen. Drei aus jeweils drei Augenkreisen bestehende Zierelemente erscheinen auCen am Rahmen des Medail- lons, je eines beidseitig des Hauptes. Nur das linke Ele¬ ment ist vollstandig erhalten, ein weiteres war vermutlich unterhalb der Biiste angebracht. Vgl.: Kat. Nr. 62, 151,152 und 161; Bruna 1996, Nr. 311, S. 201 und Nr. 328-331, S. 211 fT.; Kat. Worms 2001, Nr. 109-123, S. 140-146. Lit.: unpubliziert. 190. IN 1TIALE В Frankreich, 15./16. Jahrhundert Anhanger Blei-Zinn; Dm. 17,2 mm; Gewicht: 0,9 g Inv.Nr. 1944,18(62 0 Gitterguss, rund. In einem kreisrunden, bandformigen, stramingemusterten Rahmen erscheint ein Majuskel- buchstabe ,,B“, der das gesamte Feld einnimmt. Die Riickseite ist glatt bis auf einen kleinen zylindrischen Gussstutzen auf dem mittleren Steg des Buchstabens. Vgl.: Spencer 1998, Nr. 318c, 321 und 321 a, S. 319-321; Hp И, Nr. 1975, S. 443 (mit dem Ruchstaben „0“)- Lit.: unpubliziert. 191. KRUZIFIX Frankreich, 15./friihes 16. Jahrhundert (?) Anhanger Blei-Zinn; H. 22,2 mm, B. 20,2 mm, T. 2,9 mm; Gewicht: 1,2 g Inv. Nr. 1944,18(62 g) Gitterguss in Form eines Radkreuzes. Das Kruzifix mit verbreiterten Balkenenden zeigt auf der Vorderscitc schwach den Korpus Christi im Viemageltypus mit einer ldfarbenen AUflage. Die Enden des Horizontbalkens und das obere Ende des Vertikalbalkens tragen ein un- deutliches Fischgratenmuster. Auf der Ruckseite ist auf dem Vertikalbalken eine undeutliche Gestalt im langen Gewand zu sehen, die bis in den oberen Teil des Balkens ragt Die Darstellung wird von einem Gussstutzen im Be- reich der Balkenvierung gestort. Die Balken sind auch hier von einer einfachen Linie umrahmt. Die Horizontal- balken tragen ein undeutliches Straminmuster. Lit.: unpubliziert.
344 Katalog 192. ANHANGER Frankreich, 15. Jahrhundert (?) Anhanger Blei-Zinn; Dm. 16,2 mm, T. 1,7 mm; Gewicht: 0,7 g Inv. Nr. 1944,18(62 h) Gitterguss, rund. Ein rundes, glattes Plattchen in der Mitte des Anhangers ist von einer Zackenlinie mit leicht ge- welltem Rahmen umgeben. Rahmen und Zackenlinie zei- gen eine schwache Perlschnurverzierung. Die Riickseite ist plan. Lit.: unpubliziert. 193. BLUTE Frankreich, 15. Jahrhundert Anhanger oder Applik (?) Blei-Zinn; Dm. 15,8 mm, T. 1,4 mm; Gewicht: 0,9 g Inv. Nr. 1944,18(62 i) Gitterguss, rund. Im kreisrunden, von einer Perlschnur be- grenzten Feld erscheint in durchbrochener Darstellung eine vierblattrige Bliite. Diese ist durch vier Stege, welche zwischen den Bliitenblattem ansetzen, mit dem Rahmen verbunden. Die Mitte der Bliite bildet ein kleiner punkt- formiger Aufsatz, von dem vier diinne Linien ausgehen, die mittig auf den runden Bliitenblattem bis zu deren Enden verlaufen. Vgl.: Bruna 1996, Nr. 435-452, S. 248-252. Lit.: unpubliziert. 194. HELLEBARDE Niederlande, nach 1530 Affix Blei-Zinn; H. 55 mm, B. 3,4 mm; T. 1,5 mm; Gewicht: 7,4 g Inv. Nr. 1944,18(63 b) Flachguss, zweiseitig. Den Rand der Miniaturhellebarde umzieht ein Streifen, der von einem Kreuzband gefullt ist. In der Mitte des Beils umzieht ein Kreisomament einen durchbrochen gearbeiteten Stem mit acht Strahlen - die Durchbriiche sind durch den Guss z.T. nicht vollstandig. Oberhalb des Stems ist das bekronte Reichswappen mit Doppeladler, unterhalb das zweimal geviertelte Wappen der Habsburgischen Herrschaft (Kastilien und Leon, Osterreich, Neu-Burgund, Alt-Burgund und Brabant) dar- gestellt. Der Raum zwischen dem Stemsegment und dem
Teil 3 345 Haken zeigt die beiden Saulen des Herkules, die von einem Schriftband hinterlegt sind, das wahrscheinlich die nicht mehr lesbare Devise Kaiser Karls V. „PLVS U[LTRA]“ trug. Drei Wurfelaugen sind gleichmaBig ent- lang dem auBeren Rand des Beils verteilt. Die Riickseite ist ebenso wie die Vorderseite gestaltet. Nur tritt hier an die Stelle der beiden Wappenschilde das Burgundische Wappen: ein Andreaskreuz hinter einem Feuerstahl, der von einer Bugelkrone mit Kreuz bekront wird. Die Stofi- klinge und ein Teil des Hakens sind abgebrochcn. Es sind zwei identische Exemplare in Gent bzw. London gefunden worden. Die heraldische Symbolik verweist auf Kaiser Karl V. (Reg. 1519-1556, gest. 1558). Unklar ist, ob diese Abzeichen bereits nach der Wahl zum romisch- deutschen Konig ausgegeben wurden oder erst nach der Kaiserkronung 1530. Vgl.: Spencer 1998, Nr. 302c, S. 302ff.; HP II, Nr. 1891, S. 430; Kat. Brugge 2006, Nr. 3.11., S. 50. Lit.: unpubliziert. 195. MUSCHEL Frankreich oder Spanien, 15. Jahrhundert (?) Pilgerzeichen vom Mont-Saint-Michel (Dep. Manche) oder aus Santiago de Compostela (?) Blei-Zinn; H. 15 mm, В. 11 mm, T. 1 mm; Gewicht0,5 g Inv. Nr. 1944,18 (63 c) Gitterguss, ohne Rahmung. Die stilisierte Muschelklappe lauft nach oben in einer ebenfalls muschelformigen Be- kronung aus, deren linker Teil defekt ist. Vgl: Kat. Nr. 199; Lamy-Lasalle 1971, Tafel 1; HP I, 206-230, S. 164; HP II, Nr. 1133 und 1135, S. 267. Lit.: unpubliziert. l96 WEIBLICHE HEILIGE MIT ' lilienkrone Frankreich, 15. Jahrhundert pilgerzeichen (?) unbekannter Herkunft Biei_Zinn; H. 13 mm, B. 8 mm, T. 1 mm; Gewicht: 3,5 g Inv. Nr. 1944,18(63 d) Gitterguss. Das Fragment zeigt den Kopf einer Heiligen mit Lilienkrone, am linken Rand des Hauptes sind zwei Haltezungen angebracht. Die Riickseite ist stramingemu- stert- Lit.: PZK Kurt Kosler, Maria ?, Halbfigur.
346 Katalog 197. APPLIKATION, FIBEL Mittel- oder Westeuropa, Ende 8. bis Anfang 12. Jahr- hundert Blei-Zinn; H. 34 mm, B. 36 mm, T. 9 mm; Gewicht: 16,1 g Inv. Nr. 1944,18 (63 e) Rohguss, kreuzformiger Rahmen. Das quadratische Zen- trum besitzt eincn zentralen Buckel und kleine Buckel in jeder Ecke. In der Mitte jeder AuBenseite des Zentrums stoBt tangential ein groBer runder Buckel an, der an sei- nem AuBenrand von jeweils drei weiteren kleinen Buckeln eingeschlossen wird, von denen einige abgebrochen sind. Die Ruckseite ist plan. Die geometrischen Einzelformen sind einzeln zusammengesetzt. Entlang des AuBenrandes befindet sich eine Gussnaht. Es handelt sich wohl um einen Guss nach einem Modell in zweischaliger Form. Anklebende Papierreste an der Ruckseite belegen, dass sich das Objekt friiher in einer anderen als der seit 1944 bekannten Sammlungsmontierung befimden haben muss, ein fur die provenienzgeschichtliche Bewertung des aus dem Besitz von Lambert Jagenau erworbenen Konvolutes wichtiges Indiz. Vgl.: Das Schmuckstiick erinnert mit seiner kreuzformi- gen Grundform an die Kreuzfibeln des friihen Mittelal- ters. Ein Exemplar vom Reihengraberfriedhof bei Wiin- nenberg-Fiirstenberg (Landkreis Paderbom) kann in die Zeit um 800 datiert werden (Melzer 1991, S. 68f.), wah- rend eine Fibel vom Markt in Osnabruck aus der ersten Halfte des 9. Jahrhunderts stammt (Kat. Paderbom 1999, Bd. 1, S. 359 [Wolfgang Schliiter], dort ausfuhrliche Li- teratur). Ebenso in diese Gruppe gehort eine kreuzformige Fibel mit Eckrundeln von der Karlburg bei Karlstadt (Wamser 1992, 333, Abb. 21.1), die in das 9. Jahrhundert gesetzt werden kann. Die Krcuzform kann dariiber hin- aus noch bei Fibeln des hohen Mittelalters beobachtet werden. Im Burgwall von Oldenburg in Holstein wurde bei archaologischen Ausgrabungen ein stratigrafisch in die Zeit um 1100 zu datierendes Schmuckstiick geborgen (Gabriel 1988, S. 141, Abb. 14.5). Lit.: unpubliziert. 198. THRONENDE MARIA MIT KIND Frankreich, 13./14. Jahrhundert Pilgerzeichen aus Le Puy (Dep. Maine-et-Loire) Blei-Zinn; H. 23 mm, B. 31 mm (ohne Osen 21 mm), T. 1 mm; Gewicht: 2,7 g Inv. Nr. 1944,18(63 f) Flachguss, hochrechteckig, vier Osen. Erhalten ist nur der
Teil3 347 untere Teil der hochrechteckigen Plakette mit zwei Osen an den Ecken. Zu erkennen sind die Beine und der Leib der frontal thronenden Madonna, die Fiifle des Thrones, sowie die fragmentarische Inschrift: rechts ,,[SIGILLU]M BEA[TE]“links: „[MJARIE [DE PODIO]:“. Durch die In- schrift kann das Stuck eindeutig der Wallfahrt zur Schwar- zen Madonna im franzosischen Le Puy zugcwicscn wer- den, von der etwa 30 Pilgerzeichen gefunden worden sind. Vgl.: Olivier 1921, S. 45-55, Taf. IV/V; Bruna 1996, Nr. 98 und 99, S. 95f.; Haasis-Berner 2003, S. 111-116. Lit.: unpubliziert. 199. MUSCHEL Frankreich Oder Spanien, 15. Jahrhundcrt (?) Pilgerzeichen vom Mont-Saint-Michel (Dep. Manche) oder aus Santiago de Compostela (?) Blei-Zinn; H. 16 mm, B. 15 mm, T. 0,5 mm; Gewicht 0,6 g Inv.Nr. 1944,18 (63g) Gitterguss, ohne Rahmung, Fragment. Es ist nur der un¬ tere Teil der stilisierten Muschelklappe erhalten. Vgl-: Kat. Nr. 195; Lamy-Lasalle 1971, Tafel 1; HP I, Nr. 206-230, S. 164; HP II, Nr. 1133 und 1135, S. 267. Lit.: unpubliziert. 200. HL. ODILIA Frankreich, 15. Jahrhundert pilgerzeichen vom Mont Sainte-Odile (Odilienberg, Dep. Bas-Rhin). Blei-Zinn; H. 35 mm, В 17 mm, T. 2 mm; Gewicht: 2 g Inv.Nr. 1944,18(63 h) Gitterguss, hochrechteckig mit Dreiecksgiebel abschlie- Bend, vier Osen, Fragment. In den Resten des perl- schnurverzierten Rahmens steht die hi. Odilia als Abtissin gekleidet, frontal mit leichter Rechtswendung. Das Haupt ist von einem groBen, runden Nimbus umgeben. In der Iinken Hand halt sie einen Krummstab. Vgl.: Kat. Worms 2001, Nr. 96, S.132. Lit.: unpubliziert.
348 Katalog 201. RITTER (?) Frankreich, 15. Jahrhundert Applik Blei-Zinn (?); H. 18 mm Inv. Nr. 1944,18 (63 ?) (seit 1945 verschollen) Flachguss, oval, doppelseitig. Auf der einen Seite er- scheint angeblich ein stehender Ritter mit Fahne und auf der anderen eine weibliche Gestalt. Kurt Koster vermutete, dass es sich um ein Pilgerzeichen aus Neuss mit der Darstellung des hi. Quirinus handeln konnte. Eventuell handelt es sich bei dem „Ritter" auch um die Darstellung des auferstandenen Christus mit der Siegesfahne. Ein ahnlicher herzformiger Anhanger ist von Brian Spencer veroffentlicht worden; bei diesem Stuck erscheint auf der Riickseite das Lamm Gottes. Zwei runde Flachgiisse aus Neuss sind belegt durch HP II. Vgl.: Spencer 1998, Nr. 263c, S. 267f.; HP II, Nr. 1224, 1225, S. 285. Lit.: PZK Kurt Koster, NeuB, St. Quirinius. В II. 202. MARIA MIT KIND Frankreich, 15./16. Jahrhundert Anhanger Blei-Zinn; Dm. 24 mm Inv. Nr. 1944,18 (63 ?) (seit 1945 verschollen) Flachguss, rund, eine Ose oben. Im runden Feld erscheint als Halbfigur die gekronte Maria mit dem nimbierten Je- susknaben auf dem linken Arm. Das Stuck hat viele klei- nere Defekte. Lit.: PZK Kurt Koster, Maria mit Kind, Halbfigur, Alla. 203. AMPULLE Frankreich (?), 15. Jahrhundert (?) Pilgerampulle (?) Blei-Zinn; H. 81 mm, B. 28 mm, T. 11 mm; Gewicht: 52,2 g Inv. Nr. 1944,18 (65 a) Ampulle in Form einer unten spitz zulaufenden zwei- henkligen Amphora. Ein Perlstab und ein Strichband um- laufen die Ampulle. Die eng anliegenden, stark defor- mierten Henkel reichen von der Schulter bis unmittelbar unter die Lippe des GefaBes. Der Ausguss wird von einer erhabenen Linie gestiitzt und ist zusammengedriickt. Lit.: PZK Kurt Koster, Ampulle.
Teil 3 349 204. AMPULLE Frankreich (?), 15. Jahrhundert (?) Pilgerampulle (?) Blei-Zinn; H. 66 mm, B. 25 mm (mit Henkel), T. 10 mm; Gewicht: 23,4 g Inv.Nr. 1944,18(65 b) Ampulle, rohrenformig, zwei Henkel. Ein dreiteiliges Band setzt am unteren Ansatz des Henkels an und verlauft quer liber die Ampulle. Ober- und unterhalb dieses Ban- des laufen senkrechte Linien. Der deformierte Einguss offiiet sich leicht trichterformig. Von den ehemals zwei Henkeln ist nur einer erhalten. Lit.: PZK Kurt Koster, Ampulle (unter der falschen Inv. Nr. 1944,18 (65c)). 205. AMPULLE Frankreich (?), 15. Jahrhundert (?) pilgerampulle (?) der Kartause von Dijon (Dep. Cote- d'Or) Blei-Zinn; H. 37 mm, B. 25 mm, T. 15 mm; Gewicht: 37,7 g Inv.Nr. 1944,18(65 c) Ampulle, beutelformig, mit kurzem gedrungenem Hals. Uber den Bauch der Ampulle verlauft ein Band mit fast bis zur Unkenntlichkeit beschadigten Bildfeldem. Auf der einen Seite lasst sich noch eine kleine, kreisrunde Erhe- bung feststellen, auf der anderen konnte eine heraldische Lilie dargestellt gewesen sein. Es konnte sich eventuell um eine Ampulle aus der Kartause von Dijon handeln. Vgl.: HP II, Nr. 1587, S. 377 und Nr. 1622, S. 385. Lit.: Material Meyer, Bl. 122 (unter der falschen Inv. Nr. 1944,18 [65b]). 206. MINIATURZEPTER Frankreich, 15. Jahrhundert Anhanger (?) Blei-Zinn; L. 117 mm, Dm. max. 13 mm; Gewicht: 27,7 g Inv.Nr. 1944,18(65 d) Guss, massiv, stabformig. Das Zepter besitzt einen be- kronten Knauf und am anderen Ende eine Ose. aus. Un¬ terhalb des Knaufs, oberhalb der Ose und in der Mitte des Zepters umlauft ein kleiner Wirtelring den Schaft. Lit.: Material Meyer, Bl. 123.
350 Katalog 207. MINIATURSCHWERTSCHEIDE Frankreich, 15./Anfang 16. Jahrhundert Brosche Blei-Zinn; L. 62 mm, B. 9 mm, T. 2 mm; Gewicht: 4,2 g Inv. Nr. 1944,18 (66 a) Guss in Form einer Schwertscheide. Die Schwertscheide ist durch ein stilisiertes Gehange geschmiickt. Dieses laufl als Perlstabband im Zickzack iiber das Objekt. Zusatzlich ist es durch Perlstabe gegliedert, die Zwischenraume sind mit floralen Ranken gefullt. Im oberen seitlichen Bereich wird die Scheide von einer Lowenmaske in einem Rund- schild geschmiickt. Die Riickseite ist stramingemustert und zeigt Reste von einer Nadel und der Nadelrast. Vgl.: Bruna 1996, Nr. 655f., S. 339 (identisches Stuck). Lit.: Material Meyer, Bl. 110 - Kat. Berlin 1999, Nr. 6/180, S. 307. 208. MIN I ATURSCHWERTSCHEIDE Frankreich, 15./Anfang 16. Jahrhundert Brosche Blei-Zinn; L. 50 mm, В. 11 mm, T. 7 mm; Gewicht: 4,3 g Inv. Nr. 1944,18 (66 b) Guss in Form einer Schwertscheide. Die Scheide wird in der Mitte senkrecht von einem Flechtbandomament ge- schmiickt, auf das im oberen Bereich ein Perlenomament und in der unteren Halfie ein diagonales Flechtband auf- gesetzt ist. Am oberen Rand befindet sich eine Ose. Die schraffierte Riickseite zeigt in der Mitte eine Gussnaht sowie den Rest einer Nadel. Vgl.: Bruna 1996, Nr. 655f., S. 339. Lit.: Material Meyer, Bl. 110. 209. MINI ATURSCHWERTSCHEIDE Frankreich, 15. /Anfang 16. Jahrhundert Brosche Blei-Zinn; L. 70 mm, В. 11 mm, T. 3 mm; Gewicht: 5,6 g Inv. Nr. 1944,18 (66 c) Guss in Form einer Schwertscheide. Im oberen Bereich verlauft orthogonal ein stramingemustertes Band. Von hier ausgehend, umschlieBt ein Perlstab die Scheide an beiden Randem. Entlang der Langsachse des Werks ver¬ lauft eine senkrechte Linie, die von einer geschwungenen Linie viermal gequert wird. An der Riickseite sind Reste einer Nadel zu erkennen. Vgl.: Bruna 1996, Nr. 658, S. 340. Lit.: Material Meyer, Bl. 110.
ТеИЗ 351 210. PALMWEDEL (?) Frankreich (?), 15. Jahrhundert (?) Applik (?) Blei-Zinn; L. 41 mm, B. 10 mm, T. 2 mm; Gewicht: 3,1 g Inv. Nr. 1944,18 (68 a) Gitterguss. Dargestellt ist ein schmaler Palmwedel mit einem runden Blattansatz und symmetrischen, schrag nach oben abstehenden Blattrippen. Erhalten hat sich der untere Teil mit sieben Rippenpaaren. Die Riickseite ist mit der Vorderseite idcntisch. Vgl.: Kat. Nr. 211-214; Bruna 1996, Nr. 684, S. 349. Lit.: Material Meyer, Bl. 112 - Kat. Berlin 1999, Nr. 6/178, S.306. 211. PALMWEDEL (?) Frankreich (?), 15. Jahrhundert (?) Applik (?) Blei-Zinn; L. 65 mm, B. 5 mm, T. 2 mm; Gewicht: 1,8 g Inv. Nr. 1944,18 (68 b) Gitterguss. Dargestellt ist ein schmaler Palmwedel mit einem runden Blattansatz. Die kleinen Blattrippen ver- laufen von der Mitte aus symmetrisch in einem fast waa- gerechten Winkel nach auBen. Die Spitze fehlt. Die Riick- seite ist mit der Vorderseite identisch. Vgl.: Kat. Nr. 210, 212-214; Bruna 1996, Nr. 684, S. 349. Lit.: Material Meyer, Bl. 112. 212. PALMWEDEL (?) Frankreich (?), 15. Jahrhundert (?) Applik (?) Blei-Zinn; L. 101 mm, B. 8 mm, T. 2 mm; Gewicht: 4,1 g Inv. Nr. 1944,18(68 c) Gitterguss. Dargestellt ist ein schmaler Palmwedel mit 24 Biattrippenpaare, der dem unter Kat. Nr. 214 ahnelt. Der Stengelansatz Iauft spitz zu. Die Spitze fehlt. Vgl-: Kat. Nr. 210, 211, 213 und 214; Bruna 1996, Nr. 684, S. 349. Lit.: Material Meyer, Bl. 112.
352 Katalog 213. PALMWEDEL (?) Frankreich (?), 15. Jahrhundert (?) Applik (?) Blei-Zinn; L. 90 mm, B. 13 mm, T. 3 mm; Gewicht: 7,3 g Inv. Nr. 1944,18(68 d) Gitterguss. Dargestellt ist ein schmaler Palmwedel. Die Rippen sind zunachst altemierend, dann ab dem siebten Rippenpaar dual angeordnet. Der Wedel ist mit 28 Rip- penpaaren bis auf die Spitze vollstandig erhalten. Vgl.: Kat. Nr. 210-212, 214; Bruna 1996, Nr. 684, S. 349. Lit.: Material Meyer, Bl. 112. 214. PALMWEDEL (?) Frankreich (?), 15. Jahrhundert (?) Applik (?) Blei-Zinn; L. 72 mm, B. 10 mm, T. 3 mm; Gewicht: 3,4 g Inv. Nr. 1944,18 (68 e) Gitterguss. Dargestellt ist ein schmaler Palmwedel mit 24 Rippenpaaren. Vgl.: Kat. Nr. 210-213; Bruna 1996, Nr. 684, S. 349. Lit.: Material Meyer, Bl. 112. 215. RAHMEN Westeuropa, Frankreich (?), 14./15. Jahrhundert Blei-Zinn; Dm. (auBen) 38-41 mm, T. (Vorderseite) 1 mm, T. (gesamt) 5,5 mm, Dm. (Zarge) auBen: 30 mm, T. (Zarge) 0,8 mm; Gewicht: 6,5 g Inv. Nr. 1944,18 (69 a) Gegossen, ovaler Rahmen. Der AuBenrand in Form von Spitzen mit konkaven Zwischenraumen gestaltet, auf den Spitzen erscheinen altemierend ein bzw. drei Nodi, daran nach innen im Rahmen eine randparallel umlaufende Kante. Der innerer Rand ist geperlt. An der Riickseitig be- findet sich eine senkrecht stehende Zarge, an dessen Rand saBen urspriinglich sechs Krappen (vier davon abgebro- chen), ca. 5 mm lang. Die plane Riickseite zeigt eine guss- bedingte Waffelung. Eine lange, durchgehende Gussnaht erscheint auch liber einer rechteckigen Ose im Zwickel zwischen vorderem Rahmen und riickwartiger Zarge. Korrodiert, einige Spitzen des AuBenrandes sind verbo- gen bzw. abgebrochen. Vgl.: Kat. Nr. 216; Vom Grundtyp des Dekors vergleich-
ТеПЗ 353 bar erscheinen zwei Rahmen unbekannter Provenienz im Museum der Stadt Worms. Eine Entstehung im westcu- ropaischen Raum ist wahrscheinlich (Kat Worms 2001, Nr. 151-152, S. 160-161. Diese These wird durch ahn- lich dckorierte Bodenfunde aus Amsterdam und Nieuw- lande (Niederlande) gestutzt. Die niederlandischen Funde legen eine Datierung in die Zeit vom letzten Viertel des 14. Jahrhunderts bis zum 15. Jahrhundert nahe (HP II, Nr. 1978 und 1989, S. 444). Lit.: unpubliziert. 216. RAHMEN Westeuropa, Frankreich (?), 14./15. Jahrhunden Blei-Zinn; Dm. (auBen) 35-40 mm, T. (Vorderseite) 1 mm, T. (gesamt) 5,5 mm, Dm. (Zarge, auBen) 30,5-31,5 mm, T. (Zarge) 1 mm; Gevvicht: 5,7 g Inv.Nr. 1944,18 (69 b) Gegossen, ovaler Rahmen. Der AuBenrand in Form von Spitzen mit konkaven Zwischenraumen gestaltet, auf den Spitzen erscheinen altemierend ein bzw. drei Nodi, daran nach innen im Rahmen eine randparallel umlaufende Kante. Der innerer Rand ist geperlt. An der Riickseitig be- flndet sich eine senkrecht stehende Zarge, an dessen Rand saBen urspriinglich vier Krappen (drei davon abgebro- chen), ca. 5 mm lang. Die plane Riickseite zeigt eine guss- bedingte Waffelung. Eine lange, durchgehende Gussnaht erscheint auch iiber einer rechteckigen Ose im Zwickel zwischen vorderem Rahmen und riickwartiger Zarge. Korrodiert, einige Spitzen des AuBenrandes sind verbo- gen bzw. abgebrochen. Vgl.: Kat. Nr. 216; dort weitere Vergleiche. Lit.: unpubliziert. 217. FINGERRING Westeuropa, Frankreich (?), 16./friihes 17. Jahrhundert Blei-Zinn; Dm. (auBen) 22-23,5 mm, B. (Schiene, mini¬ mal) 2 mm, B. (Ringkopf) 5,5 mm; Gewicht: 1,7 g Inv. Nr. 1944,18 (71 a) Gegossen, leichter Gussgrat an den AuBenrandem der Schiene, beiderseits des Ringkopfes auf der AuBenseite der Schiene senkrecht zur Schiene verlaufende Gussgrate, wohl Guss in zweiteiliger Form mit Kem, Rohguss nicht zise- liert. Die Ringschiene besitzt einen flach-D-fbrmigen Pro- fllquerschnitt, sie wird von der Riickseite zum Ringkopf kontinuierlich starker. Beiderseits des Ringkopfes befindet
354 Katalog sich ein leichter Absatz (Gussgrat) sowie ein Nodus mit einer faltenreichen Armel-Manschette, nach einem weiteren Steg eine Handtreue. Korrodiert, der Ring ist leicht defor- miert, der Ringkopf zur Ringschiene leicht verbogen. Die Rander der Schiene sind durch Druck leicht aufgeworfen. Vgl.: Die Form der Manschetten und die relativ breite Ausfiihrung der Handtreue legen eine Datierung in das 16. oder friihe 17. Jahrhundert nahe. Vergleiche zur Form der Manschette einen Ring im Kolner Kunstgewerbemu- seum aus der Zeit um 1560/70 (Chadour - Joppien 1985, Nr. 242, S. 155). Lit.: unpubliziert. 218. FINGERRING (FRAGMENT) Westeuropa, Frankreich (?), 16. Jahrhundert Blei-Zinn (?); Dm. 15 mm Inv. Nr. 1944,18 (71 b) (seit 1945 verschollen) Rechts und links von der kreisrunden Platte drei gerippte Wiilste. Lit.: Material Meyer, Bl. 115. 219. FINGERRING Westeuropa, Frankreich (?), 14./15. Jahrhundert Blei-Zinn (?); Dm. 16 mm, B. (Reif) 7 mm Inv. Nr. 1944,18 (71 c) (seit 1945 verschollen) GleichmaBig breiter Reif mit der Inschrift „tout en bien“. Lit.: Material Meyer, Bl. 115. 220. FINGERRING Westeuropa, Frankreich (?), wohl 14./15. Jahrhundert Blei-Zinn; Dm. (auBen) 17-18 mm, B. (Schiene) 2,5 mm, T. (Schiene) 0,7 mm, B. (Ringkopf) 4 mm; Gewicht: 0,9 g Inv. Nr. 1944,18(71 d) Gegossen, randparallele Gussgrate an der Innenseite der Schiene. Die Schiene bcsitzt einen flach-D-formigem Pro- filquerschnitt, ihre Innenseite ist plan. Der ovaler Ring¬ kopf steht senkrecht zur Schiene. Er ist in Form eines viel- gliedrigen Knotens gebildet, von zwei Seiten fiihren ein- zelne Bander des Knotens zu einer senkrechten Mittelli- nie, wo sie sich altemierend verschranken. Korrodiert, die Schiene ist leicht verbogen und einmal angebrochen. Der liber die Schiene hinausragender Teil des Ringkopfes ist zur Riickseite gebogen. Lit.: unpubliziert.
Teil 3 355 221. FINGERRING Westeuropa, Frankreich (?), wohl 14./15. Jahrhundert Blei-Zinn; Dm. (auBen) 23 mm, B. (Schiene) 3,8 mm, T. (Schiene) 1,1 mm, Dm. (Ringkopf) 11,3 mm, Hohe (Ring- kopf) 4 mm; Gewicht: 2,8 g Inv.Nr. 1944,18(71 e) Schiene in zweischaliger Form in geradem Zustand ge- gossen, dann gebogen, dabei teilweise leicht eingeknickt (?), Enden verlotet. Fassung mit Krappen in einem Stiick gegossen und aufgelotet, Fassung in dreiteiliger Form ge- gossen (ein Teil Riickseite, zwei Teile Vorderseite), Guss- grat an gegeniiberliegenden Seiten in Richtung der Schiene ausgerichtet. pie Schiene besitz ein Profil in Gestalt eines als flachen Bandes, das mit einer beidseitigen Kordelstruktur (S-Dre- hung) abschlieBt. Die runde Fassung mit mitgegossener umlaufender Kordelstruktur besitzt sechs Krappen, die eine verlorene Einlage hielten. Zwischen den Krappen be- finden sich bogenformige, gerundete Kerben. Korrodiert, der Ringkopf ist zur Schiene hin verbogen und deformiert. Vgl - Die Herstellung des Ringes aus mehreren Teilen konnten fur ein jungeres Alter sprechen. Perlschnurartige Rander treten bereits im ausgehenden Mittelalter auf (z. В aus Ugglon, Kirchspiel Grinstad, Dalsland, Schweden, Statens Historiska Museet, Stockholm, Inv. Nr. 25923) und konnen bei Ringen des 19. Jahrhunderts immer noch beobachtet werden. Vgl. die Exemplare im Osterreichi- schen Museum fur Volkskunde (Hf.mpel 1985, Nr. 12, S. 16; Hempel 1993, Nr. 165 und 167, S. 77). Pit.; unpubliziert. 222. FINGERRING Westeuropa, Frankreich (?), spatmittelalterlich bis friih- neuzeitlich Kupferlegierung, beidseitig vergoldet; Dm. (auBen) 18- 19 mm, B. (Schiene) 2,2 mm, T. (Schiene) 0,2 mm, B. (Ringkopf) 3 mm; Gewicht: 0,4 g Inv. Nr. 1944,18 (72 a) Schiene moglicherweise in einem Gesenk geschmiedet, Ringkopf aufgelotet, Ringkopf getrieben. Die Schiene be¬ sitzt einen flachrechteckigen Profilquerschnitt, an beiden Randern befindet sich parallel eine feine Perlreihe, da- ^ischen verlauft mittig eine weitere, grofiere Perlreihe. Bin plastisch getriebener Buckel bildet den Ringkopf. Korrodiert, eine Lotstelle unterhalb des Ringkopfes ist ge- brochen und ein kleiner Teil des Ringkopfes fehlt.
356 Katalog Vgl.: Von der Burgruine Plesse bei Bovenden (Landkreis Gottingen) stammt ein annahemd identischer Fingerring, der jedoch als Streulimd ohne datierendes Material gebor- gen wurde (Liebert 1997, Taf. 16.4.). Im Umfeld der Fund- stelle fanden sich jedoch vermehrt Funde aus dem Zeitraum vom ausgehenden 15. Jahrhundert bis in die friihe Neuzeit. Lit.: unpubliziert. 223. FINGERRING Westeuropa, Frankreich (?), hoch- bis spatmittelalterlich Blei-Zinn; Dm. (auflen) 26-27 mm, Dm. (Schienenprofil, maximal) 3 mm, Dm. (Einzeldraht) (0,1 mm); Gewicht: 2,7 g Inv.Nr. 1944,18 (72 b) Flechtring, gegossen und verlotet; vier Metalldrahte wur- den miteinander verflochten und abgeformt, der Stabfor- mige Guss wurde gebogen und an einer Stelle verlotet. Korrodiert. Vgl.: Wohl noch in das hohe Mittelalter gehort ein Flecht¬ ring (Kupferlegierung) aus Obermarsberg (Hochsauerland- kreis) der dem Berliner Exemplar formal am nachsten steht, obwohl er nicht gegossen sondem aus Drahlen geflochten wurden (Krabath 2000, S. 431, Abb. 2). Vergleichbare Spangenrahmen aus Hoxter und London datieren in das 13. Jahrhundert (Krabath 2001, S. 498, Taf. 21.8). Eine friihe Datierung legt auch ein Ring der ersten Halfte des 11. Jahr- hunderts aus Lund nahe (MArtensson 1976, S. 295, Abb. 265). Ein Ring aus zwei miteinander verdrehten Drahten aus St. Blasius in Hann. Miinden (Landkreis Gottingen) stammt wahrscheinlich aus spatmittelalterlich-friihneuzeit- lichem Kontext und deutet die Langlebigkeit dieser Tech- nik an (Grenz 1973, S. 91, Abb. 36.10). Edelmetall-Fin- gerringe mit Schienen aus geflochtenem Draht besitzen in Mittel- und Nordeuropa eine lange Tradition. Im dem 1361 verborgenen Schatzfimd von Dune, Kirchspiel Dalhem auf Gotland (Schweden), findet sich ein solcher Ring (AF Ug- glas 1936, Taf. XX.60), weitere Exemplare stammen aus Tomsholmen, Kirchspiel Svarta, Sodermanland (Schweden) (af Ugglas 1933, Abb. 55) sowie aus der Sammlung Hanns-Ulrich Haedeke Solingen, Nordeuropa, 13. Jahrhun¬ dert (Haedeke 2000, Nr. 161, S. 116). Aus hoch- bis spat- mittelalterlichem Befundkontext stammt ein weiterer Flechtring von der Deutschen Brucke in Bergen, Norvvegen (Herteig 1969, Abb. 55). Eine gegossene Flechtwerkstruk- tur wird bei Spangen aus Culbin Sands (Morayshire) imitiert (Callender 1924, Nr. 2, S. 179, Abb. 6). Lit.: unpubliziert.
Teil3 357 224. FINGERRING Westeuropa, Frankreich (?), wohl 14./15. Jahrhundert Blei-Zinn; Dm. (auBen) 15-16 mm, B. (Schiene) 1 mm, T. (Schiene) 1,5 mm, Dm. (Ringkopf) 10 mm, T. (Ringkopf) 1 mm; Gewicht: 0,8 g Inv. Nr. 1944,18 (72 c) In einem Stuck in dreiteiliger Form gegossen. Eine Schale formte die Vorderseite dcs Ringkopfes, zwei Schalen die Schiene mit der Riickseite des Ringkopfes; umlaufender Gussgrat auf der AuBen- und auf der Innenseite der Schiene sowie auf der Riickseite des Ringkopfes. Die Schiene besitzt einen flach-ovalen Profilquerschnitt. Der runde Ringkopf ist plan, er besitzt eine umlaufende Per¬ iling. Das Binnenfeld ist durch vier teilweise tangential aneinanderstoBende erhabene Kreise gegliedert. Im Zen- trum des Ringkopfes, in der Mitte jedes Kreises und in drei von vier Zwickeln, die durch die Kreisbogen und den AuBenrand gebildet werden, befindet sich ein halbkugel- formiger Wulst. Korrodiert, die Schiene ist deformiert, der Ringkopf zur Schiene hin verbogen. Lit.: unpubliziert. 225- FINGERRING Westeuropa, Frankreich (?), hoch- bis spatmittelalterlich Blei-Zinn; Dm. (auBen) 20 mm, Dm. (Schiene) 1,3-1,4 mm, Dm. (Ringkopf) 3,5-4,2 mm; Gewicht: 1,3 g Inv. Nr. 1944,18 (72 d) Zwei miteinander verdrehte Drahte mit umlaufenden Ker- ben als Stab abgegossen, rund gebogen und unterhalb des Ringkopfes miteinander verlotet. Der Ringkopf separat egossen und aufgelotet. Die runde Schiene besitzt die Struktur von zwei Z-gedrehten Strangen. Der ovale Ring¬ kopf zeigt einen stark abgenutzten Bliitendekor, vielleicht eine В lute mit sechs Kronenblattem. Korrodiert. Vgl-- Ein annahemd identischer Fingerring wurde in jCatdus (Woj. Torun, Polen), gefunden (L^ga 1930, Bd. 2 Taf- 30.163). Moglicherweise besitzt diese Ringform ihre Vorlaufer in Fingerringen mit tordiertem einseitig of- fenen Reif, wie sie im westslawischen Siedlungsgebiet wahrend des 10. bis 12. Jahrhunderts anzutreffen sind Iverschiede Beispiele bei L^ga 1930; TOrok 1962, dort j 0 /Ц Jahrhundert und Malinowska-Lazarczyk 1982). Lit.: unpubliziert.
358 Katalog 226. FINGERRING Westeuropa, Frankreich (?), 14715. Jahrhundert Blci-Zinn; Dm. (auBen) 17-20 mm, B. (Schiene) 6 mm, T. (Schiene) 1 mm; Gewicht: 1,8 g Inv.Nr. 1944,18 (72 e) Schiene als Stab in zweischaliger Form gegossen, gebo- gcn und schr dcrb miteinander verlotet. Die Schiene be- sitzt einen flachrechteckigen Profilquerschnitt, parallel zu ihren AuBenseiten verlaufen vier flach-D-formige Wiil- ste, zwei bilden den AuBenrand, zwei dazwischen bilden den Teil eines Leitermotivs. Korrodiert, stark deformiert, die Kanten sind teilweise ausgebrochen. Vgl.: Der Ring stellt ein Unikat dar. Einzig von Schloss Hallwil stammt ein ahnliches Schmuckstiick mit Leiter- motiv, welches wohl in die friihe Neuzeit datiert werden kann (Lithberg 1932, Bd. 3.2, Taf. 25c). Lit.: unpubliziert. 227. FINGERRING Westeuropa, Frankreich (?), 2. Halfte 16. Jahrhundert Silber; Dm. (auBen) 16-17 mm, B. (Schiene) 2 mm, T. (Schiene) 1 mm, B. (Ringkopf) 7 mm, T. (Ringkopf) 1 mm; Gewicht: 1,3 g Inv.Nr. 1944,18(72f) Gegossen, Schiene beiderseits an den Ringkopf gelotet. Die Schiene besitzt einen flach-D-formigen Profilquer¬ schnitt und geht auf der Ringschulter in zwei Voluten liber, die beiderseits an den runden Ringkopf mit der Dar- stellung eines vollen Gesichtes stoBen. Auf der Schiene zu beiden Seiten des Ringkopfes erscheint ein floraler Dekor. Korrodiert, die Schiene ist stark verbogen. Vgl.: Die Volutenform findet sich bei einem wesentlich aufwandiger gearbeiteten Fingerring aus der Bestattung der Pfalzgrafin Dorothea Sabina (1576-1598) in der Lau- inger Fiirstengruft (Stolleis 1977, Nr. 63, S. 120); vgl. auch die Voluten an einem Fingerring in der Sammlung Alice und Louis Koch (Chadour 1994, Nr. 682, Bd. 1, S. 209), datiert in das spate 16./friihe 17. Jahrhundert und einen Ring in der ehemaligen Sammlung Louis Carrand im Bargello, Florenz, aus dem 16. Jahrhundert (Kat. Flo- renz 1989, Nr. 125). Die Darstellung eines mutmaBlichen Christuskopfes besitzt bereits spatmittelalterliche Vorbil- der, vgl. Funde aus Vadstena, Ostergotland, Statens Hi- storiska Museet, Stockholm, Inv. Nr. 919 und Broby- tomta, Kirchspiel Furingstad, Ostergotland, Statens Hi- storiska Museet, Stockholm, lnv. Nr. 14989. Lit.: unpubliziert.
ТеИЗ 359 228. FINGERRING Westeuropa, Frankreich (?), 12./13. Jahrhunderl Blei-Zinn, Glasfluss (?); Dm. (auI3en, maximal) 15 mm, Dm. (Schiene) 1 mm, B. (Ringkopf) 6,5 mm, B. (Ring- kopf) 12,5 mm, H. (Ringkopf) 4,5 mm; Gewicht: 1,0 g Inv. Nr. 1944,18(72 g) In einem Stuck in dreiteiliger Form gegossen. Eine Schale formte die Vorderseite des Ringkopf, zwei Schalen die Schiene mit dcr Riickseite des Ringkopfes. Die Schiene besitzt einen runden Profilquerschnitt, auf ihrer Innenseite und gegeniiber auf der AuBenseite befindet sich jeweils ein umlaufender Gussgrat. Der innerer Gussgrat verlauft auch iiber die Unterseite des Ringkopfes, sonst ist die Fas- sung des Ringkopfes auf der Riickseite plan. In der run¬ den, kegelstumpfformigen Fassung mit konkaven AuBen- seiten befindet sich ein mugeliger, runder Glasfluss (?), beiderseits der Fassung erscheint jeweils ein mitgegosse- ner Nodus. Ein weiterer Gussgrat umlauft den gesamten Ringkopf an seiner untersten Ebene. Korrodiert, der Ring¬ kopf ist verboigen. Vgl-- Die Fassungsform mit Glaseinlage findet sich an einem Fingerring aus Danzig, der in einer Siedlungs- schicht der Zeit von 1205 bis 1230 geborgen werden (Holowinska 1959, Taf. XIII. 13). Fiir eine so friihe Da- tierung spricht auch das Vorkommen im Schatzfiind von Bokel (Landkreis Rotenburg an der Wiimme), der nach Ausweis der Miinzen zwischen 1195 und 1125 verborgen worden sein kann (Krabath 2004, S. 51, Abb. 22); vgl. auch einen durch Miinzen in das 13./14. Jahrhundert da- tierten Ring von Gielow (Landkreis Demmin) (Scho- icnecht 1975, S. 211, Abb. 3a). Die Nodi auf den Schul- tem begegnen auf einem weiteren Fingerring aus der Dan¬ ger Altstadt, der in die erste Halfte des 13. Jahrhunderts datiert wird (Holowinska 1959, Taf. XVII. 10). In das 12. und 13. Jahrhundert gehoren zwei Ringe mit vergleich- barem Ringkopf jedoch ohnedie randstandigen Nodi von der Nekropole bei Zehden (Cedynia, Woj. Szczecin) (Ma- linoWSKA-Lazarczyk 1982, Band 1, Taf. 2.6 und 26.2). pie Grundform des Ringkopfes, jedoch mit gelapptem, bliitenformigen Rand kann bei einem goldenen Finger- ring aus einer Kloake des 14./15. Jahrhunderts aus der Alt¬ stadt von Duisburg beobachtct werden (Krause 1992, S. 89, Farbtafel 1.2). Lit- unpubliziert.
360 Katalog 229. FINGERRING Westeuropa, Frankreich (?), spatmittelalterlich bis friih- neuzeitlich Blei-Zinn; Dm. (aufien) mm 24, B. (Schiene) 3,5-6 mm, T. (Schiene) 1 mm, B. (Ringkopf) 10,5-13 mm, T. (Ring- kopf) 1,5 mm; Gewicht: 3,1 g Inv.Nr. 1944,18 (72 h) Gegossen, in dreiteiliger Form wie Kat. Nr. 228, Guss- grate in der Mitte der Schiene und unterhalb des Ring- kopfes innen sowie auBen umlaufend. Die Schiene besitzt einen flachrechteckigen Profilquerschnitt, sie wird zum Ringkopf hin breiter. Der ovale Ringkopf ist an der Vor- derseite plan, seine Riickseite ist leicht konkav. Der Rand des Ringkopfes ist zur Riickseite leicht abgesetzt, beider- seits auf der Schulter befmden sich drei Stege. Korrodiert, der Ringkopf ist verbogen. Lit.: unpubliziert. 230. FINGERRING Westeuropa, Frankreich (?), 12./13. Jahrhundert Blei-Zinn; Dm. (auflen) 17-21 mm, Dm. (Schiene) 1-1,5 mm, Dm. (Ringkopf) 7-8 mm, Hohe (Ringkopf) 3 mm; Gewicht: 1 g Inv.Nr. 1944,18(72 i) Zwei S-gedrehte, mit umlaufenden Kerben versehene Drahte abgeformt und gegossen, unter dem Ringkopf ver- lotet (vgl. Kat. Nr. 225), Fassung an der Riickseite nicht ganz ausgegossen. Die Fassung ahnelt Kat. Nr. 221, sie besitzt jedoch nur vier Krappen. Korrodiert, Schiene, Ringkopf und Krap- pen sind verbogen. Vgl.: Ein Fingerring aus einer Kupferlegierung mit schei- benformigem Ringkopf mit unbekannter Einlage gelangte als Beigabe von insgesamt funf Ringen in ein Korpergrab auf dem wendischen Reihengraberfeld von Noventhien (Landkreis Uelzen). Ein Liineburger (?) Hohlpfennig- fragment in der gleichen Bestattung lasst sich jedoch nicht naher bestimmen. Weitere Miinzfunde datieren die Ne- kropole in den Zeitraum von der zweiten Halfte des 12. bis zur ersten Halfte des 13. Jahrhunderts (Peters 1966, S. 254, Grab 76 mit S. 256, Abb. 15.12; Berghaus 1966). Vergleichbar erscheint auch ein Ring aus Danzig, der einer in den Zeitraum von 1180 bis 1205 datierten Sied- lungsschicht entstammt (Holowinska 1959, Taf. XII. 11). Lit.: unpubliziert.
Veil 3 361 231.FINGERRING Westeuropa, Frankreich (?), 15. Jahrhundert Blei-Zinn; Dm. (aufien) 16—18 mm, B. (Schiene) 3-6 mm, T. (Schienc) 0,5 mm, T. (Ringkopf) 1 mm, B. (Schiene) 3 5-5 mm; Gewicht: 1 g Inv.Nr. 1944,18(73 a) Gegossen in zweischaliger Form mit Kern, randparallele Gussgrate, Schiene gussformbedingt leicht konisch. Der urspriinglich runde Reif besitzt einen flachrechteckigen Profilquerschnitt, die Ruckseite ist plan. Die Schiene wird zum Ringkopf hin gleichmaBig breiter, auf der vorderen Halfte der Schiene befindet sich ein mitgegossener Dekor: Die eine Halfte der Schienenbrcitc zeigt eine angedeutete Kreuzschraffur, die andere eine florale Ranke. Auf der an- deren Seite der Schiene erscheinen die gleichen Dekore in umgekchrter Anordnung. Der achteckige Ringkopf ent- halt die gotischen Initialen ,,IHS“. Korrodiert, die Schiene ist deformiert und teilweise eingerissen, der Ringkopf ist beiderseits etwas gestaucht. Vgl.: Eine stilistisch ahnliche Inschrift auf einem Ring im British Museum, London, wird von Ormonde Maddock Dalton in das 15. Jahrhundert datiert (Dalton 1912, Nr. 705, S. 107, Taf. XI.705). Lit.: unpubliziert. 232. FINGERRING Westeuropa, Frankreich (?), wohl 14./15. Jahrhundert Blei-Zinn; Dm. (auBen) 14-15 mm, B. (Schiene) 3-4,5 mm, T. (Schiene) 0,5 mm, B. (Ringkopf) 7 mm, T. (Ring¬ kopf) 1,2 mm; Gewicht: 1,1 g Inv. Nr. 1944,18 (73 b) Gegossen in zweischaliger Form mit Kern. Die Schiene besitzt einen flach-D-formigen Profi lquerschnitt mit pla¬ ner Ruckseite, zum Ringkopf hin wird sie kontinuierlich breiter. Der ovale Ringkopf besitzt mit plastischen Dekor: ein bekrontes Herz und am Rand umlaufende feine schrage Buckel. Auf der Schiene erscheinen als mitge¬ gossener Dekor beiderseits des Ringkopfes funf geperlte Stege senkrecht zur Langsausdehnung der Schiene, dann eine Gussnaht senkrecht zum Verlauf der Schiene, dahin- ter eine mittig verlaufende Wellenlinie mit Punktbuckeln in jeder Welle. Die Schienenrander besitzen leichte Buk- kel. Korrodiert, der Reif ist leicht deformiert und riick- seitig angebrochen. Vgl: Machart in spatmittelalterlicher Tradition. Bekronte Herzen als Ringkopf tauchen noch bei Liebesringen bis
362 Katalog in das 19. Jahrhundert auf. Ein Exemplar im Victoria & Albert Museum, London, daticrt inschriftlich in das Jahr 1706 (Oman 1930, Nr. 697, S. 108, Taf. XXVIII.697). In der ehemaligen Sammlung Heinz Battke findet sich ein Ring der Zeit urn 1700 (Steingrabf.r 1956, S. 146, Abb. 262); vgl. weitere Exemplare bei Pressmar 1991, Nr. 69, S. 99 undNr. 72, S. 103. Lit.: Kat. Berlin 1999, Nr. 6/183, S. 307. 233. FINGERRING Westeuropa, Frankreich (?), hoch- bis spatmittelalterlich Blei-Zinn; Dm. (aufien) 15 mm, B. (Schiene) 4,5 mm, T. (Schiene) 0,5 mm; Gcwicht: 0,9 g Inv. Nr. 1944,18 (73 c) In zweischaliger Form mit Kern gegossen, Gussgrate an den Schultem und randparallel umlaufend. Der runder Reif besitzt einen flachrechteckigen Profilquerschnitt und ist innen plan. Die AuBenrander der Schiene sind geperlt, in der Mitte verlauft ein drittes Perlband. Zwischen den drei Perlbandem befinden sich jeweils zwei Wiilste. Kor- rodiert, die Rander der Schiene sind mehrfach eingerissen. Lit.: unpubliziert. 234. FINGERRING Westeuropa, Frankreich (?), hoch- bis spatmittelalterlich Blei-Zinn; Dm. (auBen) 19-20 mm, B. (Schiene) 4-5 mm, T. (Schiene) 0,5 mm; Gewicht: 1,5 g Inv. Nr. 1944,18 (73 d) In zweischaliger Form mit Kern gegossen, am Reif ge- genstandige Gussgrate, ebenso randparallel die Schiene umlaufend. Der runde Reif besitzt einen flachrechtecki¬ gen Profilquerschnitt, seine Riickseite ist plan. Auf der Vorderseite verlaufen zwei randparallele Wiilste, dazwi- schen eine geperlte Linie. Korrodiert. Vgl.: Ein vergleichbarer Fingerring aus Bronze mit ahn- lichem Schienendekor konnte in einer Siedlungsschicht der Zeit von 1065 bis 1080 in Danzig geborgen werden (Holowinska 1959, Taf.VI.l 1). Ebensolche Ringe aus Novgorod (Russland) konnen durch Analogien in das 11. bis 12. Jahrhundert datiert werden (Sedova 1981, Abb. 47.12, freundliche Obersetzung von Herm Ulrich Geupel, Dresden). Lit.: unpubliziert.
Teil 3 363 235. FINGERRING Westeuropa, Frankreich (?), 14./15. Jahrhunderl (?) Blei-Zinn (?); Dm. 18 mm Inv. Nr. 1944,18 (73 e) (seit 1945 verschollen) Gegossen. Auf dem flachen Reif befinden sich Darstel- lung von Zweigen. Der achteckige Ringkopf enthalt die Inschrift ,,IHS“. Lit.: Material Meyer, Bl. 117. 236. FINGERRING Westeuropa, Frankreich (?), 12./13. Jahrhundert Blei-Zinn; Dm. (auficn) 12—13 mm, B. (Schiene) 1 mm, T. (Schiene) 0,5 mm, B. (Ringkopf) 4,5 mm, T. (Ring¬ kopf) 0,5 mm; Gewicht: 0,3 g Inv. Nr. 1944,18 (73 f) In zweischaliger Form mit Kern gegossen, am Reif ge- genstandige Gussgrate, ebenso randparallel die Schiene umlaufend. Die Schiene besitzt einen flach-D-formigen Profilquerschnitt. Beiderseits des Ringkopfes erscheint ein durch Stege abgesetztes Oval, mit Riefung, ggf. als stark stilisierte Hand zu deuten (?). Der runde Ringkopf mit geperltem AuBenrand besitzt einen Punktbuckel mit umlaufendem Wulst im Zentrum. Korrodiert, Ringkopf und Schiene sind verbogen. Vgl.: Die Auspragung der Ringschulter begegnet bei einem Fingerring aus Dammegard in Danemark. Dieser wiederum besitzt eine ahnliche Fassung wie ein Grabfund aus der Bestattung des Roskilder Erzbischofs Absalon (t 1201) in Soro, Danemark (Engberg 1992, S. 241, Ahh.). Lit.: unpubliziert. 237. FINGERRING Westeuropa, Frankreich (?), 16. Jahrhundert Blei-Zinn; Dm. (deformiert) 11-17 mm, B. (Schiene) 1,5 mm, T. (Schiene) 0,5 mm, B. (Ringkopf) 18 mm, T. (Ringkopf) 0,5 mm; Gewicht: 0,8 g Inv. Nr. 1944,18 (73 g) In zweischaliger Form mit Kern gegossen, am Reif gc- genstandige Gussgrate, ebenso randparallel die Schiene umlaufend. Die Schiene besitzt einen flach-D-formigen profilquerschnitt, sie geht nach drei Stegen auf der Schul- ter in eine stilisierte Hand liber. Der ovale Ringkopf ist in Langsrichtung zur Schiene angeordnet. Beiderseits des Ringkopfes erscheint an der Schiene eine Perle. Die Vor- derseite des Ringkopfes ist plan, umlaufend befindet sich
364 Katalog ein schlecht ausgeformter Perlrand. Der Aufienrand des Ringkopfes ist abgefast. Korrodiert, die Schiene ist ge- brochcn und stark verbogen. Vgl.: Die Form der Handtreue Findet sich bei einem Ring des 16. Jahrhunderts in der ehemaligen Sammlung von Madame Gustave de Tamoczy, Paris (Szendrei 1889, Nr. 12, S. 345). Lit.: unpubliziert. 238. SPANGE Westeuropa, Frankreich (?), 13./14. Jahrhundert Blei-Zinn; Dm. (aufien) 33 mm, Dm. (innen) 17 mm, T. (Rahmen) 1,2 mm, T. (Dom, maximal) 3 mm, T. (Bliiten) 1 mm; Gewicht: 8,3 g Inv. Nr. 1944,18 (74 a) Rahmen in zweischaliger Form gegossen (Nahte), Dom in einem Stuck in zweischalige Form gegossen (Nahte), Bliiten separat gegossen und aufgenietet. Schrift und rand- parallele Kerbe mitgegossen. Der stemformige Rahmen besitzt einen flachrechteckigen Profilquerschnitt, seine Seiten sind konkav gebaucht, auf jeder Spitze befindet sich eine sechsblattrige Blute mit zentralem Buckel. Zwi- schen den Bliiten erscheint eine inschriftahnliche aber un- deutbare Reihung von omamentalen Minuskelbuchstaben. Parallel zum Innen- und zum Auflenrand verlauft eine mit- gegossene Kerbe. Die Domachse in Form rechteckiger Aussparungen ist ebenfalls mitgegossen. Dom besitzt einen annahemd runden Profilquerschnitt, zur Spitze ver- jiingt er sich gleichmafiig. Am Obergang zur Ose befindet sich ein Steg. Die Riickseite ist unverziert. Korrodiert, der Dom ist nutzungsbedingt durchgebogen und seine Spitze ebenso verbogen. Die Ose des Dorns ist gebrochen und deformiert. Vgl.: Kat. Nr. 239; Eine silbeme Spange ahnlicher Aus- pragung befand sich ehemals in der Sammlung von Marc Rosenberg (von Falke 1929, Nr. 141b, S. 31, mit Taf. 13.141b). Einen vergleichbaren Guss aus der Seine bei Paris datiert Denis Bruna in das 14. oder 15. Jahrhundert (Bruna 1996, Nr. 587, S. 308). Die Bliiten sind jedoch schon im 13. Jahrhundert auf einer Spange aus London zu beobachten, so dass ein hoheres Alter ebenso in Be- tracht gezogen werden muss (Egan - Pritchard 1993, S. 257, Abb. 165.1343); vgl. auch ein Exemplar von der Wii- stung Westbury in Milton Keynes (Ivens et al. 1995, S. 347, Abb. 150.29). Die Rahmenform konnte ebenso schon dem 13. Jahrhundert angehorig erscheinen, wie eine Spange aus einer Kupferlegierung von der 1265 wiistge-
Teil 3 365 fallenen Stadt Corvey bei Hoxter indiziert (Krabath 2001, Nr. XV.2, Bd. 2, S. 495, mit Taf. 80.2-3). Auf das 14. Jahrhundert verweist ein silbemcs Exemplar aus dem nach 1351/52 niedergelegten Schatzfund von Saerslev Kirke, Vestsjaellands amt, in Danemark (Steen Jensen e i ae. 1992, Nr. 191, Bd. 2, S. 135-137). Ein Stuck unbe- kannte Provenienz mit hoher Ahnlichkeit zu den Berliner Exemplaren aus der ehemaligen Sammlung von Victor Gay wird im Musee national du Moyen Age - thermes et hotel de Cluny in Paris verwahrt (Gaulard 1975, S. 25, Abb. 7). Eine goldene Spange gleicher Rahmenform mit der Inschrift ,,DE / IM / DM / RC“ auf dem Avers und „VEDI / RI / M / OPDI“ auf dem Revers sowie zwei Handtreuen im Rahmen im gleichen Museum datiert Eli¬ sabeth Taburet-Delahaye aufgrund von aufgesetzten, stift- gefassten Perlen stilistisch in die erste Halfte des 14. Jahr- hunderts (Taburet-Delahaye 1989, Nr. 130, S. 247). Lit.: unpubliziert. 239. SPANGE Westeuropa, Frankreich (?), 13./14. Jahrhundert Blei-Zinn; Dm. (aufien) 33 mm, Dm. (innen) 16 mm, T. (Rahmen) 1,2 mm, T. (Bliiten) 1 mm; Gewicht: 6,9 g Inv.Nr. 1944,18 (74 b) Rahmen in zweischaliger Form gegossen (Nahte), Dorn in einem Stuck in zweischalige Form gegossen (Nahte), Bliiten separat gegossen und aufgenietet. Schrift und rand- parallele Kerbe mitgegossen. Der stemformige Rahmen besitzt einen flachrechteckigen Profilquerschnitt, seine Seiten sind konkav gebaucht, auf jeder Spitze befindet sich eine sechsblattrige Bliite mit zentralem Buckel. Zwi- schen den Bliiten erscheint eine inschriftahnliche aber un- deutbare Reihung von omamentalen Minuskelbuchstaben, die nicht mit der des Exemplars Kat. Nr. 238 identisch ist. Parallel zum Innen- und zum Auflenrand verlauft eine mit- gegossene Kerbe. Die Domachse in Form rechteckiger Aussparungen ist ebenfalls mitgegossen. An der Riick- seite ist der Dekor durch Niete gestort. Aufien verlaufen randparallel zwei Stege mit schragen parallelen Stegen, senkrecht dazu erscheinen abwechselnd Reihen aus drei Punktbuckeln und zwischen zwei Linien spitzovale „Vul- venzeichen“ (?). Korrodiert, der Rahmen ist leicht defor- miert, der Dorn fehlt. Vgl.: Kat. Nr. 238, dort weitere Vergleiche. Lit.: unpubliziert.
366 Katalog 240. SCHNALLE Westeuropa, Frankreich (?), 18./19. Jahrhundert Schuhschnalle (?) Blei-Zinn; Dm. (auBen) 43—47 mm, Dm. (innen) 23-27,5 mm, T. 3 mm; Gewicht: 13 g Inv. Nr. 1944,18(75) Ovaler Rahmen in Gitterguss. Gegossen in zweischaliger Form, Dom aus Eisen eingesetzt. Zwischen einem auBeren Perlrand und einem doppelwul- stigen Innenrand befinden sich 20 stilisiert Bltiten. Die Zwickel zwischen Bliiten und Randem sind durchbrochen, jede runde Bliite besitzt eine runde buckelige Narbe, die von elf Punktbuckeln umgeben ist. Auf der Riickseite wer- den die Bliiten durch einen Mittelsteg verbunden, die Stege sind an der Unterseite leicht gerundet. Achsenschamiere stehen deutlich als runde Hiilsen nach hinten hervor, Reste eines eisemen Dorns sind vorhanden. Korrodiert. Vgl.: Bei der Schnalle handelt es sich wahrscheinlich um eine Schuhschnalle des 18. oder 19. Jahrhunderts. Direkte Parallelen fehlen, die Grundform von Rahmen und Dekor finden sich jedoch bei norddeutschen Exemplaren ge- nauso wie in der Schweiz von Schloss Hallwil (Behr- mann - Kuster 1979, S. 127, Abb. f und g; Lithberg 1932, Band 3.2, Taf. 8 u und v). In Schaumburg-Lippe ge- horen derartige Schnallen zur Mannertracht des 18. und 19. Jahrhunderts. Als Knieschnallen verschlossen jedoch im Vergleich zum Berliner Stuck kleinere Schnallen die halblange Hose (Maren Ratzer in Kat. Hannover 2003, S. 121); zur Trageweise vgl. Jostes 1961, S. 283, Abb. 199. Lit.: unpubliziert. 241. RAHMEN Westeuropa, Frankreich (?), 14./15. Jahrhundert Fragment eines Pilgerzeichens (?) Blei-Zinn; Dm. (auBen) 46-47 mm, T. (Vorderseite) 0,7 mm, T. (gesamt) 6 mm, Dm. (Zarge, auflen) 30 mm, T. (Zarge) 0,8 mm; Gewicht: 7,7 g Inv. Nr. 1944,18(76) Gegossen. Die Innenseite des Rahmens bildet ein drei- gliedriger Rand: geperlt, seilformig, dreikantig. Der Au- flenrand ist geperlt. Dazwischen sitzen sich 16 Ringe mit flach-D-formigem Profilquerschnitt. An der Ruckseitig be- findet sich eine senkrecht stehende Zarge, an deren Rand urspriinglich vier ca. 5 mm lange Krappen saBen (drei davon sind abgebrochen). Die plane Riickseite zeigt eine gussbedingte Waffelung sowie eine lange, durchgehende
Teil 3 367 Gussnaht, diese verlauft auch liber eine rechteckige Ose im Zwickel zwischen vorderem Rahmen und riickwarti- ger Zarge. Korrodiert, der Rand ist mehrfach gebrochen. Vgl.: Ein ahnlicher Bodenfund aus Amsterdam legt eine Provenienz aus Westeuropa nahe. Der niederlandischer Fund konnte in das 15. Jahrhundert datieren (HP II, Nr. 1994, S. 446). Wahrscheinlich handelt es sich bei dem Rahmen um das Fragment eines Pilgerzeichens. Ein ver- gleichbarer Rahmen im Diisseldorfer Kunstgewerbemu- seum umschlieBt eine Darstellung der Maria mit dem Je- susknaben und einem heiligen Bischof. Moglicherweise handelt es sich entsprechend einer Analogic im Umelek- koprumyslove museum [Kunstgewerbemuseum] Prag um ein Zeichen von Notre Dame de Tombelaine (Mont-Saint- Michel), das in das 14. Jahrhundert datiert. Das Diissel- dorfer Zeichen wurde im 19. Jahrhundert durch Adalbert Freiherr von Lanna bei dem Antiquitatenhandler Joseph Egger in Paris erworben (Schepers 1981, Nr. 1, S. 18). Lit.: unpubliziert. 242. MINIATURGURTELTASCHE Westeuropa, Frankreich (?), 2. Halfle 15./16. Jahrhundert Blei-Zinn; H. 42 mm, B. 35 mm, T. 2 mm; Gewicht: 8,6 g Inv.Nr. 1944,18(77) Gegossen in zweischalige Form, randparallele, unversau- berte Gussgrate. Der ovale Rahmen besitzt einen waage- rechten oberen Abschluss. Auf der Vorderseite erscheint die Faltenstruktur eines Stofles Oder Leders durch senk- rechte erhabene Wiilste angedeutet. Der obere Biigel ist beiderseits einer ovalen Ose durch jeweils einen rechtek- kigen Turm mit Pyramidendach bekront. Korrodiert, die Ose ist verbogen. Vgl.: Stilistisch gehort die Giirteltasche zum Typ A6 nach J Bryan Ward Perkins, der sich aufgrund von Darstellun- een an englischen Grabmonumenten in die Zcit um 1460 datieren lasst (Ward Perkins 1967, Taf. 36). In das 15. Jahrhundert datiert Brian Spencer auch einen Londoner Guss (Spencer 1998, S. 314, Abb. 314a). Ein ahnliches Stuck gelangte in der Altstadt von Norwich um 1507 in den Boden (Margeson 1993, Nr. 295, S. 44, Abb. 25), ein weiteres befand sich in der ehemaligen Sammlung von Albert Figdor, Wien (d’Allemagne 1928, Taf. XCVII.3). Das Berliner Stuck reiht sich in eine ganze Serie ver- schiedengestaltiger Miniaturbursen ein (vgl. Bruna 1996, Nr. 598-606 S. 313-316; aus der Seine bei Paris). Lit.: Kat. Berlin 1989, Nr. A 147, S. 52 (Angelika We- senberg).
368 Katalog Stticke ohne exakt identiflzierbare Inventarnummer 243. AGNUS DEI Frankreich, 15./Anfang 16. Jahrhundert Anhanger Blei-Zinn (?); Dm. 37 mm Inv. Nr. 1944,18 (?) (seit 1945 verschollen) Gitterguss, sechseckig. In einem Rahmen, dessen sechs Ecken mit Noppen besetzt sind, steht das nach rechts ge- wendete Lamm. Die hinter seinem Leib aufragende Kreu- zesfahne ist leicht nach Links geneigt. Lit.: PZK Kurt Koster, Agnus Dei, AII b; Material Meyer, Bl. 14. 244. AMPULLE Frankreich (?), 15. Jahrhundert (?) Devotionalie (?) Blei-Zinn (?); H. 46 mm, B. 33 mm Inv. Nr. 1944,18 (?) (seit 1945 verschollen) Die flache Riickseite der Ampulle zeigt die Inschrift ,,IHS“ und darunter ein Bliitenomament. Uber der Inschrift steht ein zu einem Ornament gedehntes П. Auf der bau- chigen Vorderseite ist ein Akanthusgewachs abgebildet. Lit.: PZK Kurt Koster, Christus, IHS, В VIII2. 245. HL. BARBARA Frankreich (?), 15. Jahrhundert (?) Applik Blei-Zinn (?); H. 27 mm Inv. Nr. 1944,18 (?) (seit 1945 verschollen) Die wappenformige Plakette besitz auf ihrer Riickseite eine Ose. Im Bildfeld steht frontal, das Haupt mit einem Nimbus hinterlegt, die hi. Barbara. Sie tragt in der linken Hand einen Palmzweig und in der rechten ein Buch. Lit.: PZK Kurt Koster, S. Barbara, III e; Material Meyer, Bl. 56a. 246. KREUZIGUNG CHRISTI AUF EINEM SPIEGELRAHMEN Frankreich, 15. Jahrhundert (?) Spiegelrahmen, Spiegelzeichen (?) Blei-Zinn (?); MaBe und Gewicht unbekannt Inv. Nr. 1944,18 (?) (seit 1945 verschollen) Gitterguss. Der breite Spiegelrahmen wird auBen und innen
Teil 4 369 von einem Perlstab geziert. Der Rahmen war urspriinglich wohl von einem Flammenkranz umgeben, vom dem sich nur einige Flammenzungen erhalten haben. Die Bekronung bildet eine urspriinglich wohl dreifigurige Kreuzigungs- gruppe. Neben dem am Kreuz hangenden Christus steht rechts noch ein Engel, der einen langlichen Gegenstand mit beiden Handen zu prasentieren scheint. Ein urspriinglich auf der linken Seite befindlicher Engel ist abgebrochen. Es scheint sich um eine Variante der Kat. Nr. 49 zu handeln. Vgl.: Kat. Nr. 49; Umeleckopriimyslove museum [Kunst- gewerbemuseum] Prag, Inv. Nr. 5658. Lit.: PZK Kurt Koster, Kreuzigung, С II 8. Katalog Teil 4 Skulpturensammlung und Museum fur Byzantinische Kunst, Bestand italienischer Pilgerzeichen Vera Icon (Kat. Nr. 247), Italien, 13./14. Jahrhundert, Pilgerzeichen aus Rom, Sankt Peter, Inv. Nr. 1753 (seit 1945 verschollen)
370 Katalog 247. VERA ICON Italien, 13./14. Jahrhundert Pilgerzeichen aus Rom, Sankt Peter В lei, mit Spuren von Vergoldung (?); Dm. 47 mm Inv. Nr. 1753 (seit 1945 verschollen) Gitterguss, ohne Rahmung, drei Osen. Vor dem Hinter- grund eines schraffiertren Kreuznimbus erscheint das bar- tige Antlitz Christi mit langen Seitenlocken. die iiber den Rand des Nimbus hinausragen. Das Zeichen stellt das seit dem Beginn des 13. Jahrhun- derts zur zentralen Reliquie der romischen Peterskirche avancierte so genannte SchweiBtuch der hi. Veronika mit dem Abbild des Antlitzes Christi dar. Die Vera Icon-Zei- chen verdrangten ab dem Ende des 13. Jahrhunderts die Zeichen mit der Darstellung der Apostel Petrus und Pau- lus als Signum der Romwallfahrt. Prov.: erworben entweder 1890 vom Kunsthandler An- giolini in Bologna oder 1892 vom Kunsthandler Bardini in Florenz; es soil aus dem Flussbett des Tiber in Rom stammen. Vgl.: Grohne 1929, Nr. 11, S. 93 und Nr. 6, S. 99; Hae- deke 1968, Nr. 17, 18, S. 58f.; Kat. Rom 1999, Nr. 106f., S. 343. Lit.: Wulff 1911, Nr. 1920, S. 76; Volbach 1930, Nr. 1753, S. 141. 248. MAJESTAS DOMINI Italien (?), 13. Jahrhundert (?) Pilgerzeichen unbekannter Herkunft Blei-Zinn (?); H. 39 mm, B. 22 mm Inv. Nr. 1844 (seit 1945 verschollen) Flachguss, vier Osen. Der spitzovale Guss wird durch die vier seitlichen Osen eindeutig als Pilgerzeichen erwiesen. Um das Bildfeld lauft in romanischer Kapitalis die In- schrift ,,+SIGILLVM SANT SALVATORIS“. Im Feld ist der jungendliche Christus frontal sitzend mit Kreuznim¬ bus dargestellt, in der linken Hand die Sonne und in der rechten den Mond haltend. Das Zeichen ist das einzige bisher bekannte dieses Typus. Die an ein Siegelbild erinnemde Form verbindet es mit den sehr friihen, seit dem letzten Drittel des 12. Jahrhun¬ derts bezeugten Pilgerzeichen von Rocamadour und den Zeichen der Livlandfahrer aus dem friihen 13. Jahrhun¬ dert. Seine Herkunft aus einem italienischen Pilgerort war bisher ebenso wenig zu erweisen wie die von Haasis-Ber- ner vermutete aus Jerusalem.
Teil 4 371 Prov.: erworben entweder 1890 entweder vom Kunst- handlerAngiolini in Bologna oder 1892 vom Kunsthand- ler Bardini in Florenz; es soil aus dem Flussbett des Tiber in Rom stammen. Lit.: WULFF 1911, Nr. 1913, S. 75; Volbach 1930, Nr. 1844, S. 140; Haasis-Berner 2003, S. 206. 249. MARIA LACTANS Italien (?), 13./14. Jahrhundert (?) Pilgerzeichen aus Rom, S. Maria in Trastevere (?) Blei-Zinn (?); H. 69 mm, B. 42 mm Inv. Nr. 1904 (seit 1945 verschollen) Flachguss, hochrechteckig. Unter einem Kleeblattbogen thront die gekronte Madonna mit nimbiertem Haupt in frontaler Ansicht auf einem Sessel mit Polster. Das mit einem Hemd bekleidete Kind steht auf ihrem rechten Knie, wahrend sie ihm mit ihrer Linken die Brust entge- genhalt, nach der das Kind mit seiner linken Hand greift. Um das Bildfeld zieht sich die durch die Beschadigungen des unteren und linken Randes defekte Inschrift SI- GILLVM : BEATE MARI[E ... :...] NIC“. Dieses Pilgerzeichen ist ein bisher singularer Fund. Die Provenienz lasst eine Herkunft aus Italien vermuten. Wegen der ahnlichen Darstellung der Maria lactans in den Fassadenmosaiken der Marienkirche in Trastevere ist die Herkunft aus dieser von zahlreichen Pilgem ffequentier- ten romischen Kirche zu erwagen. Prov.: 1892 in Rom als Geschenk erworben. Lit.: Wulff 1911, Nr. 1906, S. 74; Volbach 1930, Nr. 1904, S. 138; Haasis-Berner 2003, S. 204f. 250. HEILIGER BISCHOF (NIKOLAUS?) Italien, 13. Jahrhundert (?) Pilgerzeichen aus Bari (?) Blei-Zinn (?); H. 40 mm, B. 28mm Inv. Nr. 1905 (seit 1945 verschollen) Flachguss, hochrechteckig, urspriinglich vier Osen. Unter einer Rundbogenarkade, deren obere Zwickel von schraf- fierten Ringen umgebene Rundbuckel fullen, steht frontal als Halbfigur ein heiliger Bischof, der mit der linken Hand einen Krummstab schrag vor den Korper halt. Die Ruck- seite zeigt ein schraffiertes Diagonalkreuz in einem dop- pelt schraffierten Rechteckrahmen. Die linke untere Ose ist aufgebogen erhalten. Vielleicht handelt es sich um eine altere Variante des Ni-
372 Katalog kolauszeichens von Bari (vgl. Kat. Nr. 261). Auf alien bis- her bekannt gewordenen Pilgerzeichen aus Bari hebt Ni¬ kolaus die Hand zum Segen und es fehlt der Krummstab. Prov.: 1892 in Rom als Geschenk erworben. Lit.: Wulff 1911, Nr. 1895, S. 72; Volbach 1930, Nr. 1905, S. 136. 251. APOSTEL PETRUS UND PAULUS Italien, 13. Jahrhundert Pilgerzeichen aus Rom, Sankt Peter Blei-Zinn (?); H. 31 mm, B. 36 mm Inv. Nr. 1906 (seit 1945 verschollen) Flachguss, querrechteckig, 4 Osen. Eine umlaufenden Leiste mit der Inschrift „+ SIGN / A APOS / TOLORUM : / PETRI ET / PAVLI“ bildet den Rahmen. Das Bildfeld wird durch ein Stabkreuz in der Mitte zweigeteilt. Die nimbierten Figuren der beiden Apostelfiirsten sind einan- der in Dreiviertelansicht zugewandt. Links steht kahl- kopfig und langbartig der hi. Paulus, der das Schwert mit der rechten Hand iiber der Schulter tragt und mit der lin- ken eine Schriftrolle halt, rechts gegeniiber erscheint der hi. Petrus mit tonsuriertem Haar und kurzem Bart, den Schliissel mit der Linken iiber der Schulter haltend. Die beiden oberen Osen sind abgebrochen. Prov.: 1892 in Rom als Geschenk erworben. Vgl.: Kat. Nr. 261, 266 und 269; de Waal 1900, S. 63f.; Haedeke 1968, Nr. 15. S. 58; HP I, Nr. 299, S. 184; Bruna 1996, Nr. 305, S. 198; Kat. Rom 1999, Nr. 97-99, 101 und 102, S. 338-340; Haasis-Berner 2003, S. 139-143. Lit.: Wulff 1911, Nr. 1899, S. 73; Volbach 1930, Nr. 1906, S. 137; Haasis-Berner 2003, S. 142. 252. KREUZIGUNG CHRISTI Italien oder Frankreich, 13. Jahrhundert (?) Pilgerzeichen unbekannter Herkunfl Blei-Zinn (?); H. 40 mm, B. 28 mm Inv. Nr. 1908 (seit 1945 verschollen) Flachguss, hochrechteckig. Das Zeichen wird oben von einem Rautengitterstreifen, unten durch eine Bogenreihe abgeschlossen. Die Darstellung der Kreuzigungsgruppe ist stark stilisiert. Der nimbierte Christus hangt mit Len- dentuch und nach links gewendeten angewinkelten Bei- nen am Kreuz. Links und rechts stehen zwei stark stili- sierte nimbierte Gestalten unter dem Kreuz, offenbar links Maria, rechts Johannes darstellend. Uber dem horizonta-
Tell 4 373 len Kreuzbalken sind links die Sonne in Form einer Wir- belrosette und rechts eine liegende Mondsichel darge- stellt. Uberdem Haupt Christi steht die Inschrift ,,ih“. Die Rander des Objektes sind stark beschadigt, besonders die obere und untere Ecke rechts, so dass iiber ehemals vor- handene Osen nur spekuliert werden kann. Auch der sehr ahnliche Flachguss Kat. Nr. 102 und das vergleichbare Stuck in Prag bcsitzen keine Osen (mehr?). Die Funktion als Pilgerzeichnen ist bei beiden Stiicken zu vermuten. Sofem die romische Provenienz als Argument dienen mag, ist eine Herkunft aus einer der romischen Pil- gerkirchen mit einem Heilig-Kreuz-Patrozinium zu ver¬ muten. In Frage kommt etwa S. Croce in Gerusaleme. Prov.: 1892 in Rom als Geschenk erworben. Vgl.: siehe Kat. Nr. 102; UmSleckoprumyslove museum [Kunstgewerbemuseum] Prag, Inv. Nr. 5755. Lit.: Wulff 1911, Nr. 1893, S. 72; Volbach 1930, Nr. 1908, S. 136. 253. THRONENDE MARIA MIT KIND Italien (?), 14. Jahrhundert (?) Pilgerzeichen aus Rom (?) Blei-Zinn (?); H. 55 mm, B. 38 mm Inv. Nr. 1910 (seit 1945 verschollen) Gitterguss, rhombenformig. Das Bildfeld wird von einem rhombenformigen Rahmen gebildet, der oben und unten je ein Kreuzchen und die umlaufende Inschrift ,,AVE : MARIA : / GRACIA : PL / ENA DOM / INVS : TECV(M)“ zeigt. Maria sitzt frontal mit Nimbus und Kopftuch auf einer Thronbank mit stramingemusterten Kissen, das Kind im linken Arm haltend und ihm mit der Rechten einen Apfel reichend. Die obere Spitze ist be¬ schadigt. Es ist zu diesem Zeichen bisher kein Vergleichsstiick be- kannt geworden. Moglicherweise handelt es sich aber um eine jungere Variante des Flachgusses Kat. Nr. 273. Die provenienz lasst eine Herkunft aus Italien, moglicher¬ weise aus einer der romischen Pilgerkirchen mit Marien- patrozinium, vermuten. prov.: 1892 in Rom als Geschenk erworben. Lit.: Wulff 1911, Nr. 1905, S. 74; Volbach 1930, Nr. 19Ю, S. 138.
374 Katalog 254. APOSTEL PAULUS Italien (?), 14./15. Jahrhundert (?) Anhanger aus Rom (?) Blei-Zinn (?); Dm. 35 mm Inv. Nr. 1911 (seit 1945 verschollen) Plakette, rund, zweiseitig. Im runden Bildfeld steht derhl. Paulus mit Nimbus im langen Untergewand und einem nur die Brust und den rechten Arm frei lassenden Mantel. In der rechten Hand tragt er das Schwert, in der linken das Buch. Rechts neben ihm steigen zwei Schlangen auf, rechts neben ihm ist ein Skarabaus (?) abgebildet. Um den Rand zieht sich die Inschrift „ЕТ : B(E)N(E) : ABE BV(N)[T] : AmeN“. Sie bildet den Schluss des auf der Riickseite in neun Zeilen geschriebenen Verses Mk. 16,17f., der in der alteren Literatur falsch aufgelost wurde: ,,I(N) NO(MIN) E. MEO D(E)MO(N)IA. EIC(I)E(NT). LI(N)CVIS LOQ(UEN)T(UR). NOVI(S) S(ER)PE(N)TES. TOL(L)E(N)T (ET) SI MORTIFER(UM) Q(UI)S BIBE(RIN)T NO(N) EI(S). NOCEBV(N)T. SVP(ER) ECROS. MAN(US) PONE(N)T“. Es handelt sich bei dem Anhanger der Inschrift zufolge offenbar um ein Schutzzeichen ahnlich der Kat. Nr. 255. Ob der Vertrieb dieses Zeichens an einen Kultort des hi. Paulus gebunden war, muss vorerst offen bleiben. Prov.: 1892 in Rom als Geschenk erworben. Lit.: Wulff 1911, Nr. 1908, S. 74f.; Volbach 1930, Nr. 1911, S. 139. 255. VERA ICON, AGNUS DEI Italien (?), 15. Jahrhundert (?) Anhanger Blei-Zinn (?); H. 32 mm, B. 26 mm Inv. Nr. 1912 (seit 1945 verschollen) Gitterguss, kapselformig. Derbreite Rahmen ist am inne- ren und auBeren Rand mit einer Perlschnur umsaumt. Der auBere Rand war urspriinglich mit vier Zwickeln mit Punktrosetten besetzt, von denen nur noch einer erhalten ist. Im vorderen Bildfeld ist das Haupt Christi mit langem Haar und zweigeteiltem Bart vor einem Kreuznimbus dar- gestellt. Auf der Riickseite befindet sich die Darstellung des nach rechts schreitenden Lammes mit (defekter) Kreuzesfahne. Das Objekt ist insgesamt stark deformiert. Prov.: 1892 in Rom als Geschenk erworben. Vgl.: Kat. Nr. 137, 139, 154, 155, 169 und die dort ge- nannte Literatur. Lit.: Wulff 1911, Nr. 1922, S. 77; Volbach 1930, Nr. 1912, S. 142.
Teil 4 375 256. THRONENDE MARIA MIT KIND Italien, 14. Jahrhundert (?) Pilgerzeichen aus Rom, S. Maria ad Martyres (Ro- tunda/Pantheon) Blei-Zinn (?); H. 35 mm, B. 24 mm Inv. Nr. 1915 (seit 1945 verschollen) Flachguss, hochrechteckig mit Rundgiebel, zwei von vier Osen erhalten. Unter einem Rundbogen, der segmentfor- mig eingeschnitten ist, steht die nimbierte Madonna als Halbfigur mit dem Kind auf dem rechten Arm. Die In- schrift wurde nicht negativ in das Model geschnitten, daher erscheint sie seitenverkehrt. Sie ist nur teilweise les- bar: ,,S [..] NNAS [.] / [..] T [.] MAR / IA ROTON[.]“; wahrscheinlich handelt es sich um eine missverstandene Schreibung von: „SIGNVM SANCTE MARIE ROTVNDE“. Prov.: 1892 in Rom als Geschenk erworben. Vgl.: Spencer 1998, Nr. 254e, S. 253f.; Kat. Rom 1999, Nr. 115,116, S. 347f.; HP II, Nr. 1424, 1425, S. 342; Haa- sis-Berner 2003, S. 150. Lit.: Wulff 1911, Nr. 1907, S. 74; Volbach 1930, Nr. 1915, S. 139; Haasis-Berner 2003, S. 151. 257. HL. BERNHARDINUS VON SIENA Italien, 2. Halfte 15. Jahrhundert Pilgerzeichen (?) aus Siena (?) Blei-Zinn, mit Bronzebelag (?), Dm. 31 mm Inv. Nr. 1917 (seit 1945 verschollen) Medaille, mnd, zweiseitig. Das Bildfeld auf der Vorder- seite wird von einem durch Doppellinien begrenzten Band mit der Inschrift „Sancte : bemardine : ora : pro : nobis“ gerahmt. Der hi. Bemhardinus steht in der Kutte frontal. Sein nimbiertes Haupt ragt in die Rahmenleiste hinein. In der linken Hand halt er ein Buch, mit der rechten eine Scheibe mit dem Schriftzug ,,ihs“. Neben der Figur sind rechts eine und links zwei Bischofsmiitzen - als Zeichen fur die drei von dem Heiligen abgelehnten Bischofsamter - dargestellt. Die Riickseite zeigt ebenfalls den Namens- zug ,,IHS“ und die Umschrift „AVTEM IENS PER ME¬ DIUM T“(?)- Die von Wulff 1911 vorgeschlagene Erganzung „МО- RIENS“ ist zweifelhaft, sinnvoller scheint die Erganzung TRANSIENS“ und die Auflosung des letzen Zeichens einem „1“ fur ,,ILLORUM“. Dies ergibt mit dem Na- menszug ,,IHS“ den Vers Lk. 4,30 („Jesus aber ging durch ihre Mitte hindurch.“), welcher als Schutzdevise aufzu-
376 Katalog fassen ist. Es sind bisher nur zwei ahnliche Anhanger im Kolner Kunstgewerbemuseum bckannt. Diese amulettar- tigen Metal lgiisse miissen im Zusammenhang der Pro- duktion zahlreicher kleinformatiger Holzschnitte mit ahn- lichen Darstellungen des 1444 verstorbenen und 1450 ka- nonisierten Franziskanerheiligen gesehen werden. Prov.: wohl 1892 (oder 1891?) in Rom als Geschenk er- worben. Vgl.: Haedeke 1968, Nr. 26f., S. 61. Lit.: Wulff 1911, Nr. 1924, S. 77; Volbach 1930, Nr. 1917, S. 142. 258. MARIA MIT KIND, HL. CHRISTOPHORUS Italien (?), 14./15. Jahrhundert (?) Anhanger Blei; Dm. 29 mm Inv. Nr. 2160 (seit 1945 verschollen) Medaille, rund, zweiseitig. Auf der Vorderseite thront die nimbierte Madonna frontal auf einer breiten Thronbank und halt das Kind im 1 inken Arm. In der rechten Hand halt sie ein Lilienzepter. Um den noppenbesetzten Rand lauft eine Bordiire mit Rautengitter. Die Ruckseite zeigt den hi. Christophorus frontal in gegurtetem Hemd mit dem Christusknaben im 1 inken Arm und einem hoch auf- gestiitzten Stab in der Rechten. Die am Rand umlaufende Bordiire ist mit Zickzackomament und Punktfiillungen verziert. Prov.: 1892 in Rom als Geschenk erworben. Lit.: Wulff 1911, Nr. 1915, S. 76; Volbach 1930, Nr. 2160, S. 140. 259. VERA ICON Italien, 15. Jahrhundert (?) Pilgerzeichen aus Rom, Sankt Peter Blei mit Resten von Vergoldung (?); Dm. 39 mm Inv. Nr. 2161 (seit 1945 verschollen) Gitterguss, rund, vier Osen. Vor dem Hintergrund eines schraffierten kleeblattformigen Kreuznimbus erscheint das Antlitz Christi mit langem Haar und einem zweigeteilten Bart. Der Rand wird von einer Schnurleiste umzogen. Um das Bildfeld lauft in einem Streifen die durch Punktroset- ten geteilte Umschrift in Fraktur: „salve: san[ct]a: facies“. Ein Stuck des oberen Randes rechts, ein Stiick aus der Mitte und die beiden oberen Osen sind weggebrochcn.
Teil 4 377 Prov.: 1892 in Rom als Geschenk erworben. Vgl.: HP I, Nr. 80, S. 134; Spencer 1998, Nr. 254c, S. 252. Lit.: Wulff 1911, Nr. 1921,S. 77; Volbacii 1930, Nr. 2161, S. 141. 260. VERKUNDIGUNG AN MARIA Italien, Frankreich oder Palastina, 13. Jahrhundert (?) Pilgerzeichen unbekannter Herkunft Blei-Zinn (?); H. 49 mm, B. 46 mm Inv. Nr. 2307 (seit 1945 verschollen) Flachguss, trapezformig. Das Stiick weist eine charakte- ristische trapezformige Grundform mit zwei halbkreisfor- migcn Ausschnitten an der unteren Kante auf. Bei voll- standig erhaltenen Exemplaren dieses Zeichentypus lauft die Spitze in der Mitte der Unterkante stets in ein mu- schelfonniges Ornament aus. Um den gesamten Rand zieht sich ein Inschriftenstreifen mit dem englischen GruB: ,,+AVE M(ARJA) G / RA(TIA) PLENA D(OMI)N(V)S T[EC]V(M) В / E(NE)DICTA TV / I(N) MVLIERIBVS, B(E)NEDICTV(S) FRVCTV(S) VEN / TRIS ТУГ‘. Unter einer auf einem diinnen Saulchen ruhenden Doppelarkade steht links der nimbierte Erzengel Gabriel in Dreiviertel- ansicht mit einem Kreuzesstab in der linken Hand, wah- rend seine Rechte im Anredegestus gegen Maria erhoben ist. Rechts steht, dem Engel in Dreiviertelansicht zuge- wendet, Maria mit leicht gegen ihn erhobenen Handen. Die an den Ecken urspriinglich vorhandenen Osen sind weggebrochen und die Rander beschadigt. Dieser bisher in 14 Exemplaren belegte Pilgerzeichenty- pus besaB eine aufierordentlich weite Verbreitung. Exem- plare sind in Schweden, in den Niederlanden, in London, Paris und in einem Fall auch im Nahcn Osten (Tyrus) ge- fiinden worden. Eine weit verbreitete Forschungsmeinung behauptet vorsichtig die Herkunft aus Nazareth. Dies wiirde aber voraussetzen, dass diese Zeichen im 12. Jahr¬ hundert, wahrend die Kreuzfahrer in Nazareth herrschten und dort an einem Kirchenneubau gearbeitet wurde, ver- tneben wurden. Dies wiirde die Entstehungszeit aller Ex¬ emplars aber auf einen kurzen Zeitraum im letzten drittel des 12. Jahrhunderts einschranken. Ebenso ist liber die Produktion von metallenen Pilgerzeichen im Palastina der Kreuzfahrzeit weder aus schriftlichen Quellen noch aus archaologischen Funden in Israel etwas bekannt. Daher ist eher von der Herkunft aus einer sehr bedeutenden Ma- rienkirche der lateinischen Christenheit auszugehen, wofiir z.B. Aachen oder Chartres in Frage kamen, deren sonst zahlreich bekannten Pilgerzeichen freilich ikono-
378 Katalog graphisch vollig andersartig sind. Die italienische Prove- nienz lieBe aber auch an einen friihen Typus von Loreto oder an eine romische Marien- und Pilgerkirche, insbe- sondere an S. Maria Maggiore, denken. Prov.: Uber die Erwerbung liegen widerspriichliche In- formationen vor: entweder als Geschenk eines Unge- nannten (Inventar) oder 1896 aus Pisa (so Wulff 1911 und Volbach 1930). Vgl.: De Waal 1900, S. 67; Andersson 1989, S. 91f.; HP I, Nr. 522, S. 236; Bruna 1996, Nr. 96f., S. 93f.; HP II, Nr. 1411-1414, S. 339; Haasis-Berner 2003, S. 200-204. Lit.: Wulff 1911, Nr. 1902, S. 73; Volbach 1930, Nr. 2307, S. 138. 261. APOSTEL PETRUS UND PAULUS Italien, 13. Jahrhundert Pilgerzeichen aus Rom, Sankt Peter Blei-Zinn (?); H. 32 mm, B. 39 mm Inv. Nr. 2998 (seit 1945 verschollen) Flachguss, querrechteckig, vier Osen. Die Ose rechts unten ist weggebrochen. Das Stuck entspricht weitgehend der Kat. Nr. 251. Die Inschrift lautet. „+ SIGN / A APO[ST / OJLORVM PE / TRIET PA / VLI“. Prov.: 1905 als Geschenk eines Ungenannten erworben. Vgl.: Kat. Nr. 251. Lit.: Wulff 1911, Nr. 1898, S. 72f.; Volbach 1930, Nr. 2998, S. 137; Haasis-Berner 2003, S. 142. 262. STEHENDE MARIA MIT KIND UNTER DEM VON ENGELN GETRAGENEN HAUS Italien, 14./15. Jahrhundert Pilgerzeichen aus Loreto Blei-Zinn (?); Dm. 41 mm Inv. Nr. 2999 (seit 1945 verschollen) Gitterguss, rund. Der breite runde Rahmen wird durch die Inschrift „+ AVE MARIA GRATIA PLENA DOMINUS TECV(M)“ gebildet. Im runden Bildfeld steht die Ma¬ donna frontal, das bekleidete Kind auf dem rechten Arm haltend, unter einem dreigiebeligen, baldachinartigen Aufriss eines Hauses, der von zwei Engeln getragen wird. Das Zeichen ist rechts neben der Madonnenfigur senk- recht durchgebrochen und wurde auf Kupferdraht wieder zusammengesetzt. Der Kopf des rechten Engels fehlt. Die Zuweisung nach Loreto ergibt sich aus dem Vergleich mit ikonographisch ahnlichen Zeichen, die durch die In-
Teil 4 379 schrift ihren Herkunftsort verraten (vgl. Kat. Nr. 267). Prov.: 1905 als Geschenk eines Ungenannten erworben. Vgl.: Kat. Nr. 267; Haedeke 1968, Nr. 29, S. 62; Kat. Rom 1999, Nr. 127, S. 354. Lit.: Wulff 1911, Nr. 1910, S. 75; Volbach 1930, Nr. 2999, S. 139. 263. HL. NIKOLAUS Italien, Ende 13./Anfang 14. Jahrhundert Pilgerzeichen aus Bari Blei-Zinn (?); H. 45 mm, B. 32 bzw. 37 mm Inv. Nr. 6404 (seit 1945 verschollen) Flachguss, hochrechteckig, urspriinglich wohl vier Osen. Unter einem mit gereihten Perlen verzierten Rundbogen steht frontal der hi. Nikolaus als Halbfigur mit kurzem Vollbart und kahler Stim. Sein Haupt ist von einem Nim¬ bus umgeben, dessen Rand durch einen Perlstab gebildet wird. Die Figur tragt die Paenula und daruber ein kreuz- geschmucktes Pallium. Die linke Hand ist zum Segens- gestus erhoben, wahrend die rechte unsichtbar ein Buch halt. Von den Osen ist nur noch links oben ein aufgebro- chener Rest erhalten. Prov.: 1910 aus Rom als Geschenk eines Ungenannten er¬ worben. Vgl.: Haedeke 1968, Nr. 16, S. 58; Andersson 1989 Nr. 1-4, S. 104; Spencer 1998, S. 254ff.; HP II, Nr. 1206, S. 281; Haasis-Berner 2003, S. 155f. Lit.: Wulff 1911, Nr. 1894, S. 72; Volbach 1930, Nr. 6404, S. 136; Haasis-Berner 2003, S. 156. 264. JOHANNES D. TAUFER Italien, 13-/1- Halfte 14. Jahrhundert Pilgerzeichen aus Rom, S. Giovanni in Laterano Blei-Zinn (?); H. 36 mm, B. 26 mm Inv. Nr. 6405 (seit 1945 verschollen) Flachguss, rhombenformig, urspriinglich vier Osen. Das undeutliche Relief lasst nur eine als Halbfigur stehende Gestalt mit langen Haaren und Bart erkennen, die vor sich schrag den Krummstab halt. Die Inschrift, links und rechts neben der Figur auf zwei Zeilen verteilt, lautet: „Ioh / BA[P] /Т1 / ST(A)“. Die Zuweisung nach S. Giovanni in Laterano erfolgt auch wegen der charakteristischen rhombenformigen Form des Zeichens und der bildlichen Darstellung, die einem Stuck aus London entspricht.
380 Katalog Prov.: 1910 aus Rom als Geschenk eines Ungenannten er- worben. Vgl.: Kat. Nr. 265; Spencer 1998, Nr. 254d, S. 252f. Lit.: Wulff 1911, Nr. 1896, S. 72; Volbach 1930, Nr. 6405, S. 137; Haasis-Berner 2003, S. 151. 265. JOHANNES D. TAUFER Italien, 13./1. Halfte 14. Jahrhundert Pilgerzeichen aus Rom, S. Giovanni in Laterano Blei-Zinn (?); H. 40 mm, B. 23 mm Inv. Nr. 6406 (seit 1945 verschollen) Flachguss, rhombenformig, urspriinglich vier Osen. Das Zeichen entspricht im Wesentlichen Kat. Nr. 264, die In- schrift ist identisch. Es fehlen die beiden seitlichen Osen. Prov.: 1910 aus Rom als Geschenk eines Ungenannten er- worben. Vgl.: Kat. Nr. 264. Lit.: Wulff 1911, Nr. 1897, S. 72; Volbach 1930, Nr. 6406, S. 137; Haasis-Berner 2003, S. 151. 266. APOSTEL PETRUS UND PAULUS Italien, 12,/Anfang 13. Jahrhundert Pilgerzeichen aus Rom, Sankt Peter Blei-Zinn (?); H. 30 mm, B. 35 mm Inv. Nr. 6407 (seit 1945 verschollen) Flachguss, querrechteckig, vier Osen. Das Stuck ent¬ spricht weitgehend der Kat. Nr. 251. Die Ausfuhrung ist etwas grober und der Schrifttyp eventuell etwas alter als dort. Die Inschrift lautet: „+ SIG[N]A / APOS / TO- LORVM P / ETRI E[T P / A]VLI“. Die beiden Osen an den oberen Ecken sind abgebrochen. Prov.: 1910 aus Rom als Geschenk eines Ungenannten er- worben. Vgl.: Kat. Nr. 251. Lit.: Wulff 1911, Nr. 1900, S. 73; Volbach 1930, Nr. 6407, S. 137; Haasis-Berner 2003, S. 142. 267. STEHENDE MARIA MIT KIND UNTER DEM VON ENGELN GETRAGENEN HAUS Italien, 14./15. Jahrhundert Pilgerzeichen aus Loreto Blei-Zinn (?); Dm. 33 mm Inv. Nr. 6408 (seit 1945 verschollen)
Те il 4 381 Gitterguss, rund, drei Osen (teilweise verloren). Im run- den Bildfeld steht die Madonna frontal, das bekleidete Kind auf dem linken Arm haltend, unter einem dreigie- beligen, baldachinartigen Aufriss eines Hauses, der von zwei Engeln getragen wird. Um das Bildfeld zieht sich die runde Inschriftenleiste: „SantA : mAriA: de lorEt(o) : orA p(ro nobis)“. Prov.: 1910 aus Rom als Geschenk eines Ungenannten er- worben. Vgl.: Kat. Nr. 262; Haedeke 1968, Nr. 29, S. 62; Kat. Rom 1999, Nr. 127, S. 354. Lit.: Wulff 1911, Nr. 1911, S. 75; Volbach 1930, Nr. 6408, S. 139f. 268. MARIA MIT KIND UND ENGEL Schweiz, 15. Jahrhundert Pilgerzeichen aus Einsiedeln Blei-Zinn (?); H. (noch) 45 mm, B. (noch) 32 mm Inv. Nr. 6409 (seit 1945 verschollen) Gitterguss, querrechteckig, mit Rahmen, Fragment. Die erhaltene linke Halfie des Zeichens zeigt die unter einem Dach mit Rautenmuster in der Celia sitzende Madonna mit Krone und Nimbus. Auf ihren Knien halt sie den un- bekleideten Jesusknaben. Vor ihr steht ein fragmentarisch erhaltener Engel, sein Kopf und die kerzentragenden Arme sind weggebrochen. Die rcchte Seite des Zeichens und der groflte Teil des Rahmens fehlt. Es handelt sich um das Fragment eines Zeichens mit der Darstellung der Engelweihe des Klosters Einsiedeln (Schweiz). Nach der Typologie von Kurt Koster handelt es sich um den Formtyp AI a (querechteckiger Gitterguss mit Dreiecksgiebel und langer Inschrift). Lesbar ist. „[.] awe ma(ria) g / ra(cia) [....] t[e]cum].“ Prov.: 1910 aus Rom als Geschenk eines Ungenannten er- worben. Lit.: Wulff 1911, Nr. 1912, S. 75; Volbach 1930, Nr. 6409, S. 140; KOster 1957, S. 72. 269. APOSTEL PETRUS UND PAULUS Italien, 13. Jahrhundert pilgerzeichen aus Rom, Sankt Peter Blei-Zinn (?); H. 27 mm, B. 35 mm Inv. Nr. 6687 (seit 1945 verschollen) Flachguss, querrechteckig, vier Osen. Die Darstellung entspricht im Wesentlichen der Kat. Nr. 251, nur ist die
382 Katalog Darstellung etwas weniger bewegt. Die Inschrift lautet: ,,SIG / N A APOS / TOLORVM P / ETRI ET P / AVLI“. Die rechte obere Ose ist weggebrochen. Prov.: 1912 aus Rom alsGeschenk eines Ungenannten er- worben. Vgl.: Kat. Nr. 251. Lit.: Wulff - Volbach 1923, Nr. 6687, S. 80; Volbach 1930, Nr. 6687, S. 137; Haasis-Berner 2003, S. 142. 270. STEHENDE MARIA MIT KIND Italien, Anfang 14. Jahrhundert (?) Pilgerzeichen unbekannter Herkunft Blei-Zinn (?); H. 24 mm, B. 15 mm Inv. Nr. 6689 (seit 1945 verschollen) Flachguss, hochrechteckig, mit Rundbogen. Der leicht er- habene Rand bildet rechts und links eine von einem Rund- bogen uberwolbte Saulenstellung. Darunter steht Maria mit Nimbus als Halbfigur, sie tragt den ebenfalls nim- bierten Jesusknaben auf dem rechten Arm. Moglicherweise handelt es sich um das Zeichn einer ro- mischen (?) Marienkirche. Prov.: 1912 oder 1913/14 (?) aus Rom als Geschenk eines Ungenannten erworben. Lit.: Wulff 1916, Abb. 52, Sp. 101; Wulff - Volbach 1923, Nr. 6689, S. 80; Volbach 1930, Nr. 6689, S. 138. 271. VERA ICON Italien, 15. Jahrhundert (?) Pilgerzeichen aus Rom, Sankt Peter Blei-Zinn (?); H. 27 mm, B. 23 mm Inv. Nr. 6759 (seit 1945 verschollen) Gitterguss, Fragment. Auf einem hochrechteckigen Tuch erscheint das Haupt Christi mit Kreuznimbus und langen Seitenlocken. Da der Rand ringsum abgebrochen ist, lasst sich schwer entscheiden, ob es sich um ein Fragment einer Darstellung der Weisung des Vera Icon handelt, wie sie z.B. durch Kat. DOsseldorf 1981, Nr. 5, S. 19; HP I, Nr. 73, S. 133 und Bruna 1996 Nr. 18, S. 56, reprasentiert werden. Gegen diese Annahme sprechen die MaBe des Fragments, wel- che die GroBe der entsprechenden Details in den Ver- gleichstiicken stark ubersteigen. Wenn dem Stuck ledig- lich ein Rahmen oder die Osen fehlen wiirden, ware es trotz der zahlreichen Funde von Vera-lcon-Zeichen sin¬ gular.
Tail 4 383 Prov.: 1914 aus Rom durch Wilhelm Bode als Geschenk eines Ungenannten erworben. Lit.: Wulff 1916, Abb. 54, S. 101; Wulff - Volbach 1923, Nr. 6759, S. 81; Volbach 1930, Nr. 6759, S. 141. 272. MANNL1CHER HEILIGER Italien(?), 13./Anfang 14. Jahrhundert Pilgerzeichen unbekannter Herkunft Blei-Zinn (?); H. 48 mm, B. 33 mm Inv. Nr. 6760 (seit 1945 verschollen) Flachguss, spitzoval, urspriinglich vier Osen. Das siegel- bildahnliche Feld wird von einer Schriftleiste umzogen. Lesbar ist noch: „SIGILLVM [ ] NSIS“. Im Bildfeld steht unter einer abgestuften Giebelarkade frontal mit er- hobenen Handen ein Heiliger, der einen Stab (?) in der linken Hand halt. Die beiden linken Osen sind abgebro- chen. Prov.: 1914 in Rom erworben. Lit.: Wulff 1916, Abb. 51, Sp. 100f.; Wulff - Volbach 1923, Nr. 6760, S. 81; Volbach 1930, Nr. 6760, S. 137; Haasis-Berner 2003, S. 208. 273. THRONENDE MARIA MIT KIND Italien, Anfang 14. Jahrhundert (?) Pilgerzeichen aus Rom (?) Blei-Zinn (?); H. 53 mm, B. 29 mm Inv. Nr. 6846 (seit 1945 verschollen) Flachguss, hochrechteckig, mit spitzem Giebel. Unter einem gotischen Kleeblattbogen sitzt die Madonna mit nimbiertem Haupt auf einem Thron und halt den Jesus- knaben im linken Arm, wahrend sie ihre Rechte in Rich- tung des Kindes erhoben halt. Die Inschrift auf dem au- Beren Rand ist unleserlich., die Rander sind besonders in der oberen Halfte schadhaft. Es konnte sich um eine altere Variante zu dcm Gitterguss Kat. Nr. 253 handeln. Die romische Provenienz lasst an eine Herkunft aus einer der dortigen bedeutenden Pilger- kirchen mit Marienpatrozinium denken. Prov.: „1919 aus dem Depot hervorgezogen" (Wulff - Volbach 1923); „aus Rom" Volbach 1930. Lit.: Wulff - Volbach 1923, Nr. 6846, S. 81; Volbach 1930, Nr. 6846, S. 139.
385 Publizierte Arbeiten Kurt Kosters zu Pilgerzeichen und Glocken - chronologische Gesamtbibliographie Die Glocken Meister Tilmanns von Hachenburg in Heidesheim und Ober-Iiil- bersheim (1482), Katholischer Kirchenkalender der Pfarreien des Dekanats Bin¬ gen 30, 1951, S. 41-43. Alte Glocken aus dem Untertaunuskreis, Heimat-Jahrbuch des Untertaunuskrei- ses 2, 1951, S. 52-56. Die Schicksale einer alten Kostheimer Glocke [gegossen 1490 von Clas von Enen/, Glaube und Leben. Katholisches Kirchenblatt fur das Bistum Mainz 8, 1952, S. 320. Gutenbergs Aachener Heiltumsspiegel, in: das werck der bucher. Von der Wirksamkeit des Buches in Vergangenheit und Gegenwart. Eine Festschrift fur Horst Kliemann. Zu seinem 60. Geburtstag hg. von Fritz Hodeige, Freiburg i. Br. 1956, S. 284-301. Neusser Pilgerzeichen und Wallfahrtsmedaillen. Ein Beitrag zur Geschichte der Quirinus-Verehrung, Neusser Jahrbuch fur Kunst, Kulturgeschichte und Heimat- kunde 1, 1956, S. 15-28. Meister Tilman von Hachenburg. Studien zum Werk eines mittelrheinischen Glok- kengiefiers des Junfzehnten Jahrhunderts. Mit besonderer Beriicksichligung der als Glockenzier verwendeten mittelalterlichen Pilger- und Wallfahrtszeichen, Jahrbuch der Hessischen Kirchengeschichtlichen Vereinigung 8, 1957, S. 1-206 [erschien auch selbstandig: Friedberg (Hessen): bei Carl Bindemagel, 1957] Ein unbekanntes mittelalterliches Pilgerzeichen aus Eberhardsklausen, Trieri- sches Jahrbuch 9, 1958, S. 79-88. Neue Studien zu Meister Tilman von Hachenburg und seinen Glocken, Jahrbuch der Hessischen Kirchengeschichtlichen Vereinigung 10, 1959, S. 77-91. Wallfahrtsmedaillen und Pilgerandenken vom Heiligen Rockzu Trier, Trierisches Jahrbuch 10, 1959, S. 36-56. Die Glocke als Gegenstand undAufgabe der Forschung, in: Die Glockengiefle- rei Rincker, hg. von Gustav Ernst Kohler, GieBen 1960, S. 1-8.
386 Gesamtbibliographie St.-Quirinus-Wallfahrten und ihre Pilgerandenken. Neue Studien zur Kultge- schichte und Ikonographie des Neusser Heiligen, Neusser Jahrbuch fur Kunst, Kulturgeschichte und Heimatkunde 5, 1960, S. 8-26. Die Glocken Meister Tilmans von Hachenburg in Diez-St. Peter und Hirschberg, Diezer Heimatblatter 7, 1960, Nr. 1, S. 3-8. Gottsbiiren, das ,,hessische Wilsnack". Geschichte undKultgeschichte einermit- telalterlichen Heiligblut-Wallfahrt im Spiegel ihrer Pilgerzeichen, in: Festgabe fur Paul Kim zum 70. Geburtstag dargebracht von Freunden und Schiilem, hg. von Ekkehard Kaufmann, Berlin 1961, S. 198-222. St. Quirinus-Pilgerandenken. Ein unbekanntes Neusser Wallfahrtszeichen auf einer Altartafel Derick Baegerts, Neusser Jahrbuch fur Kunst, Kulturgeschichte und Heimatkunde 7, 1962, S. 39^42. Pilgerzeichen-Studien. Neue Beitrdge zur Kenntnis eines mittelalterlichen Mas- senartikels und seiner Vberlieferungsformen, in: Bibliotheca docet. Festgabe fur Carl Wehmer, Amsterdam 1963, S. 77-100. Eine neuerschlossene Quelle zur Geschichte der Blomberger Wallfahrt und ihrer Pilgerzeichen, Lippische Mitteilungen aus Geschichte und Landeskunde 32, 1963, S. 5-15. Religiose Medaillen und Wallfahrtsdevotionalien in derflamischen Buchmalerei des 15. undfriihen 16. Jahrhunderts. Zur Kenntnis gemalter und wirklicher Kol- lektionen in spatmittelalterlichen Gebetbuch-Handschriften, in: Buch und Welt. Gustav Hofmann zum 65. Geburtstag dargebracht. Wiesbaden 1965, S. 459-504. Rezension zu: Erhard Dehnke, Ein mittelalterliches Pilgerzeichen aus der Hei- denkapelle auf dem Halberg, Saarbriicker Hefte 19, 1964, S. 59-63, in: Ham¬ burger Beitrage zur Numismatik 6, 1966, S. 583-586. Mittelalterliche Pilgerzeichen und Wallfahrtsdevotionalien, in: Rhein und Maas. Kunst und Kultur 800-1400 [Ausstellungskatalog Koln 1972], hg. von Anton Legner, Koln 1972, S. 146-160. Wallfahrtszeichen und Pilgerdevotionalien aus der Friihzeit der Diirener Sankt- Anna-Wallfahrt, in: St. Anna in Diiren, hg. von Erwin Gatz. Monchengladbach 1972, S. 191-209.
Gesamtbibliographie Kurt Kosters 387 Gutenberg in Strafiburg. Das Aachenspiegel-Unternehmen und die unbekannte „afentur und kunst“ (Kleiner Druck der Gutenberg-Gesellschaft, 93), Mainz 1973 [dasselbe auch: Eltville: Burgverein, 1973 (22. Eltviller Druck)]. Pilgerzeichen und Wallfahrtsplaketten von St. Adrian in Geraardsbergen. Zu einer Darstellung auf einer flamischen Altartafel des 15. Jahrhunderts im Historischen Museum zu Frankfurt am Main, Stadel-Jahrbuch 4, 1973, S. 103-120. Ein spatmittelalterliches Blomberger Pilgerzeichen. Zu einem Amsterdamer Bo- denfund von 1973, Lippische Mitteilungen aus Geschichte und Landeskunde 43, 1974, S. 9-18. Die Neusser Quirinus-Wallfahrt im Mittelalter und ihre Pilgerzeichen, in: Alma- nach fur das Erzbistum Koln. Jahrbuch 1974 und 1975, Koln 1976, S. 185-193. Rezension zu: Ursula Hagen, Die Wallfahrtsmedaillen des Rheinlandes in Ge¬ schichte und Volksleben. Koln - Bonn 1973 (Wcrken und Wohnen. Volkskundli- che Untersuchungen im Rheinland 9), Nassauische Annalen 86, 1975, S. 374-376. Ein rdtselhafter ,, Siegel druck” des funfzehnten Jahrhunderts aus Regensburg. Studien zur mittelalterlichen Wallfahrt nach St. Emmeram und ihren Pilgerzei¬ chen, in: Bibliothekswelt und Kulturgeschichte. Eine intemationale Festgabe fur Joachim Wieder zum 65. Geburtstag, dargebracht von seinen Freunden, hg. von Peter Schweigler, Miinchen 1977, S. 123-137. Die Glocken des Kirchspiels Battenfeld, in: 1200 Jahre Battenfeld 778-1978, Bat- tenfeld 1978, S. 39-49. Kollektionen metallener Wallfahrts-Devotionalien und kleiner Andachtsbilder, eingenaht in spatmittelalterliche Gebetbuch-Handschriften, in: Erlesenes aus der Welt des Buches, hg. von B. Haller (Das Buch und sein Haus 1), Wiesbaden 1979, S. 77-129. Alphahet-Inschriften auf Glocken. Mit einem Katalog europaischer ABC-Glocken vom 12. bis zum 18. Jahrhundert, in: Studien zur deutschen Literatur des Mittel- alters, hg. von Rudolf Schiitzeichel, Bonn 1979, S. 371-422. Tilman von Hachenburg. Nachlese zum Werk eines mittelrheinischen Glocken- giefiers im Spdtmittelalter, Jahrbuch der Hessischen Kirchengeschichtlichen Ver- einigung 31, 1980, S. 1-28.
388 Gesamtbibliographie Pilgerzeichen der spdtmittelalterlichen Wallfahrt von Vierzehnheiligen, Propstei derAbtei Langheim, in: Die Zisterzienser, Ordensleben zwischen Ideal und Wirk- lichkeit. Eine Ausstellung des Landschaftsverbandes Rheinland im Kronungssaal des Rathauses, Aachen - Bonn 1980, S. 588-590. Pilgerzeichen und Pilgermuscheln, in: St. Elisabeth. Fiirstin - Dienerin - Hei- lige. Ausstellung zum 750. Todestag der heiligen Elisabeth, hg. von der Philipps Universitat Marburg, Sigmaringen 1981, S. 452^59. Verstummte Zeugen von vierhundert Jahren Nassauer Geschichte. Zwei Glocken Peters von Echternach aus dem Stadtteil Bergnassau-Scheuern 1524/1536, Nas¬ sauer Land 19, 1982, S. 4. Pilgerzeichen und Pilgermuscheln von mittelalterlichen Santiagostrafien. Saint- Leonard, Rocamadour, Saint-Gilles, Santiago de Compostela. Schleswiger Funde und Gesamtuberlieferung (Ausgrabungen in Schleswig 2), Neumiinster 1983. Pilgerzeichen und Ampullen. Zu neuen Braunschweiger Bodenfunden, in: Stadt- archaologie in Braunschweig, hg. von Hartmut Rotting (Forschungen der Denk- malpflege in Niedersachen 3), Hameln 1985 [2. Auflage 1997], S. 277-286. Gutenbergs Straflburger Aachenspiegel-Unternehmen von 1438/1440, Guten¬ berg-Jahrbuch 58, 1983, S. 24-44. Die Pilgerzeichen der Neusser Quirinus-Wallfahrt im Spatmittelalter. Originale Fundstucke -Abgiisse auf Glocken - Bildzeugnisse, Neusser Jahrbuch fur Kunst, Kulturgeschichte und Heimatkunde 1984, S. 11-29. Gemalte Kollektionen von Pilgerzeichen und religiosen Medaillen in fldmischen Gebet- undStundenbiichern des 15. undfrtihen 16. Jahrhunderts, in: Liber amicorum Herman Liebaers, hg. von Frans Vanwijngaerden u.a., Brussel 1984, S. 485-536. Mittelalterliche Pilgerzeichen, in: Wallfahrt kennt keine Grenzen. Themen zu einer Ausstellung des Bayerischen Nationalmuseums und des Adalbert-Stifter- Vereins, hg. von Lenz Kriss-Rettenbeck - Gerda Mohler, Miinchen - Zurich 1984, S. 203-223. Mittelalterliche Pilgerzeichen [sowie Katalog-Nummem: 323, 325f., 328, 331, 335] in: Stadt im Wandel. Kunst und Kultur des Biirgertums in Norddeutschland 1150-1650, hg. von Cord Meckseper [Ausstellungskatalog Braunschweig 1985], Bd. 1, Stuttgart - Bad Cannstein 1985, S. 404, 406-408, 410-414.
Gesamtbibliographie Kurt Kostcrs 389 Pelgrimsschelpen en -tekens van Santiago de Compostela en de Europese bede- vaartwegen naar Sint Jacob in Galicie, in: Santiago de Compostela - 1000 jaar Europese Bedevaart (Europalia 85 Espana) [Ausstellungskatalog Gent 1985], Gent 1985, S. 85-96 und Katalog-Nummem Nr. 171, 172, 176, 192, 220, 240, 255, 260, 261,274 (S. 291 ff.) [zugleich auch in der franzosischen Ausgabe: Les coquilles et enseignes de pelerinage de Saint-Jacques de Compostelle et des Routes de Saint-Jacques] Glocken und Glockenspiele von Lothringer Wandergiessern in den ersten Jahr- zehnten des 17. Jahrhunderts, in: Lusus Campanularum. Beitrage zur Glocken- kunde. Sigrid Thurm zum 80. Geburtstag, hg. von Tilman Breuer, Miinchen 1986, S. 42-55. Pilgerzeichen undfigurlicherSchmuckaufmittelalterlichen Glocken, in, Glocken in Geschichte und Gegenwart - Beitrage zur Glockenkunde, hg. vom Beratungs- ausschuB fur das Deutsche Glockenwesen, bearb. von Kurt Kramer, Karlsruhe 1986, S. 66-71.
391 Register Die Register verzeichnen nur die in dicsem Band erwahnten Pilgerzeichen bzw. mittelalterlichen Devotionalien nach Herkunfitsort, Fundort und ikonographischen Stichworten. Verwiesen wird jcweils auf die Seitenzahlen. Kursiv und in Klammem erscheinen in den folgenden Registem die Nummem der im Berliner Bestandskatalog (in vorliegendem Band S. 251-383) verzeich- neten Werke. Steht ein ,,S“ vor der kursiven Zahl, so bezieht sich der Verweis auf Nummem des Stralsunder Fundkatalogs (in vorliegendem Band S. 90-114). Register der Herkunftsorte zu den im Band erwahnten Pilgerzeichen Aachen (Nordrhein-Westfalen, D) 24f., 31-34, 39-41,46, 55,71,89, 9If. (S4-S 7), 113f.(S65-S69), 134, 136, 144f., 150, 159, 171, 173f., 182 Amiens (Dep. Somme, F) 78, 230, 233, 306 (101), 31 If. (113), 320f. (133) Amersfoort (Provinz Utrecht, NL) 133f. Andechs (Bayern, D) 137, 148, 151 Bari (Region Apulien, I) 149, 174f., 225, 371 f. (250), 379 (263) Beaune (Dep. Cote-d’ Or, F) 337 (179) Blomberg (Nordrhein-Westfalen, D) 121, 123, 137 Bodingen (ОТ von Hennef, Nordrhein-Westfalen, D) 43f. Boulogne-sur-Mer (Dep. Pas de Calais, F) 174, 216, 230, 266f. (8), 285 (43), 292 (59) Brauweiler (Rheinland-Pfalz, D) 137, 157 Bremen (Freie Hansestadt Bremen, D) 136 Calzada siehe Santo Domingo de la Calzada Canterbury (Grafschaft Kent, GB) 78, 124, 126, 143, 164 Comelimunster siehe Komelimunster Dijon (Dep. Cote-d’Or, F) 231, 349 (205) Diiren (Nordrhein-Westfalen, D) 36, 39f., 44f., 136, 157 Einsiedeln (Kanton Schwyz, CH) 39f., 117f., 225, 381 (268) Elende (Thtiringen, D) 140 Freckenhorst (Nordrhein-Westfalen, D) 136 Gollen siehe Gora Chehnska Gora Chehnska (Woiwodschaft Westpommem, PL) 102 (S 19-S 22) Gottingen siehe Nikolausberg Gottsbiiren (Hessen, D) 15, 97, 137f., 151,247, 250 GroBwardein siehe Nagyvarad Hausenbom (Rheinland-Pfalz, D) 4If., 44
392 Register Kenz (Mecklenburg-Vorpommern, D) 102 (S 19-S 22) Koln, (Nordrhein-Westfalen, D) 37^10,45, 55, 71, 87, 89, 116, 121, 124, 136, 144f., 175, 180, 182-184,230, 289-291 (52-56) Konigslutter (Niedersachsen, D) 117, 121 Komelimimster (Nordrhein-Westfalen, D) 39 Kranenburg (Nordrhein-Westfalen, D) 137 Le Puy (Dep. Maine-et-Loire, F) 73, 230f., 346f. (198) London (William Smith und Charles Eaton) 273f. (23) Loreto (Region Marken, I) 78, 225, 271 (19), 377-381 (260, 262, 267) Lucca (Provinz Lucca, I) 116, 149, 298 (78) Maastricht (Provinz Limburg, NL) 77f., 89, 93f. (S8-S10), 121, 124, 136, 180-182 Marburg (Hessen, D) 148 Mecheln (Provinz Antwerpen, В) 154 MEVSSIERE (?) 72 Mont-Saint-Michel (Dep. Manche, F) 59f., 78, 82, 186, 189, 230, 249, 267 (9), 270 (17, 18), 287 (46), 294f. (65f), 334f. (174), 339f. (183f), 345 (195), 347 (199) Mont Sainte-Odile (Odilienberg, Dep. Bas-Rhin, F) 39, 136f., 230, 347 (200) Miinstereifel (Nordrhein-Westfalen, D) 137 Nagyvarad (Bezirk Bihor, RO) 169 Nazareth (Nordbezirk, M) 226f., 377f. (260) Neuss (Nordrhein-Westfalen, D) 32f., 35, 37, 39f., 45, 121, 124, 348 (201) Niedermiinster (Odilienberg, Dep. Bas-Rhin, F) 121, 124f. Nikolausberg (ОТ von Gottingen, Niedersachsen, D) 39, 104 (S 35), 120, 122, 148f. Nordlingen (Bayern, D) 215 Odilienberg siehe Mont Sainte-Odile Oradea siehe Nagyvarad Paris (Dep. Paris, F) 226, 232, 268 (12), 282 (37) Prag (Hauptstadt Prag, CZ) 148, 151 Regensburg, Kloster S. Emmeram (Bayem, D) 215 Rocamadour (Dep. Maine-et-Loire, F) 55, 78, 87, 89, 230, 231, 307f. (103/) Rom (Provinz Rom bzw. Vatikanstadt, I) San Lorenzo fuori le Mura 171 f. San Giovanni in Laterano 225, 379f. (264/) San Pietro in Vaticano 39, 56, 149, 180-182, 225, 372 (251), 378 (261), 380-382 (266, 269) Sancta Maria in Trastevere 225f., 371 (249) Sancta Maria Maggiore 226-228, 377f. (260) Sancta Maria ad Martyres 225, 375 (256) Rouen (Dep. Seine-Maritime, F) 230, 268 (13), 285 (43)
Register 393 Santiago de Compostela (Autonome Gemeinschaft Galicien, E) 52f., 55, 57- 69, 71, 80-82, 88, 90f. (S1-S 3), 124, 143, 146f., 154, 174f., 177, 179f., 334f. (174), 340 (186), 345 (195), 347 (199) Saint-Claude (Dep. Jura, F) 230f., 278f. (27-29, 31) St. Gilles-du-Gard (Dep. Gard, F) 55, 230f., 279 (30), 308f. (105-107) Sankt Goar (Rheinland-Pfalz, D) 44—46 St. Josse-sur-Mer (Dep. Pas de Calais, F) 71, 73, 76, 87 Saint-Maur-des-Fosses (Dep. Val-de-Mame, F) 230, 266 (6), 294 (64), 324f. (145f) Saint Nicolas-du-Port (Dep. Meurthe-et-Moselle, F) 230, 310 (109) Saint-Quentin (Dep. Aisne, F) 230, 266 (7), 292f. (60, 62), 313 (116f), 327 (15If), 331 (161), 342f. (189) Santo Domingo de la Calzada (Region La Rioja, E) 61, 189 Siena (Region Toscana, I) 225, 375 (257) Saint-Hubert-en-Ardenne (Provinz Luxemburg, B) 39f. Sternberg (Mecklenburg-Vorpommern, D) 89, 96 (S 11), 124, 132, 137 Thann (Dep. Haut-Rhin, F) 39f., 136f., 148f. Tomblaine (Dep. Manche, F) 230, 280f. (32, 34) Trier (Rheinland-Pfalz, D) Domkirche 36, 39f., 45 Kloster S. Matthias 36, 39, 72, 115, 119-121, 124, 157 Val Vauvert (Dep. Paris, F) 230, 307 (103) Vaudouan (Dep. Indre, F) 230, 269 (16), 284f. (41, 42) Vendome (Dep. Loir-et-Cher, F) 164, 216 Walsingham (Norfolk, GB) 227 Werben (Sachsen-Anhalt, D) 117, 124, 137 Wersdorf (Thiiringen, D) 134 (Bad) Wilsnack (Brandenburg, D) 9, 39f., 71,88f., 96f. (S 12-S 14), 124, 137, 148f., 233 Ziegenhain (Thiiringen, D) 134 Register der Fundorte zu den im Band erwahnten Pilgerzeichen Alborg (Nordostjiitland, DK) 98 Algyogy (Bezirk Hunedoara, RO) 182 Amsterdam (Provinz Noord-Holland, NL) 67, 137 Bad Wimpfen (Baden-Wiirttemberg, D) 156, 171 Banska Stiavnica (Bezirk Banska Stiavnica SK) 183 Bodingen (ОТ von Hennef, Nordrhein-Westfalen, D) 43f. Breithardt (ОТ von Hohenstein, Hessen, D) 31 f.
394 Register Bremen (Freie Hansestadt Bremen, D) 67, 86, 120, 131, 155, 209 Breslau siehe Wroclaw Braunschweig (Niedersachsen, D) 67, 231, 244, 272 (21) Brno (Bezirk Jihomoravsky kraj, CZ) 177 Briinn siehe Brno Budapest (Komitat Budapest, H) 17If., 177-179 Cham (Bayern D) 59, 66 Cire§oaia siehe Magyardecse Corvine§ti siehe Szaszujfalu Danzig siehe Gdansk Dordrecht (Provinz Siidholland, NL) 67, 77, 91, 13 If., 233, 272 (21) Dumbravioara siehe Saromberke Eberswalde (Brandenburg, D) 120 Elbing siehe Elbl^g Elbl^g (Woiwodschafit Ermland-Masuren, PL) 99 Esslingen am Neckar (Baden-Wtirttemberg, D) 66 Esztergom-Szentkiraly (Komitat Komarom-Esztergom, H) 170, 174 Falkenhagen (ОТ von Pritzwalk, Brandeburg, D) 119-121 Fantanija siehe Mezokobolkut Fejerd (Bezirk Cluj, RO) 183 Feiurdeni siehe Fejerd Fincken (Mecklenburg-Vorpommern, D) 99 Fomasa (Ostergotland, S) 78 Froslev (Region Stiddanemark, DK) 97, 121 Gdansk (Woiwodschafit Pommem, PL) 98, 131 Gorsium siehe Tac Greifswald (Mecklenburg-Vorpommern, D) 72-74, 113fi Giistrow (Mecklenburg-Vorpommern, D) 72 Hetiur siehe Hetur Hetur (Bezirk Mure§, RO) 182 Homorodjanosfalva (Bezirk Bra§ov, RO) 177, 180f Ighiu siehe Magyarigen Ione§ti siehe Homorodjanosfalva Isenburg (Rheinland-Pfalz, D) 41 f. Jena (Thiiringen, D) 134 Kalotaszentkiraly (Bezirk Cluj, RO) 182 Karwe (Brandenburg, D) 117 Kobingshoved Borg (DK) 77fi Koln (Nordrhein-Westfalen, D) 113, 272 (21) Kolberg siehe Kolobrzeg Kofobrzeg (Woiwodschaft Westpommem, PL) 77
Register 395 Konstanz (Baden-Wiittemberg, D) 76 Korinth (Prafektur Korinthien, GR) 272 (21) Landshut (Bayern, D) 67 London (GB) 66f., 86, 109, 131, 248 Liibeck (Schleswig-Holstein, D) 86, 96, 110 Liichfeld (Brandenburg, D) 117 Lund (Provinz Skane lan, S) 67 Magyardecse (Bezirk Bistrita-Nasaud, RO) 182 Magyarigen (Bezirk Alba, RO) 183 Marienburg siehe Hetur Marosvasarhely (Bezirk Mure§, RO) 177, 179 Metzelthin (Brandenburg, D) 171 Mezokobolkut (Bezirk Bistrita-Nasaud, RO) 182 Mezoszabad (Bezirk Mure§, RO) 180 Middelburg (Provinz Zeeland, NL) 227 Molchow (ОТ von Neuruppin, Brandenburg, D) 120 Nackel (Brandenburg, D) 121, 124f. Nieuwlande (Provinz Zeeland, NL) 93, 130-132 Notre-Dame-du-Brusc (Dep. Alpes-Maritimes, F) 68 Olmiitz siehe Olomouc Olomouc (Region Olomouc, CZ) 174 Paris (Dep. Paris, F) 68, 76, 86, 129, 170f., 185-190, 207, 213f., 215, 225f., 237 Pilisszentkereszt (Komitat Pest, H) 169 Pisa (Provinz Pisa, I) 377 (260) Preddohl (Brandenburg, D) 124, 126 Puffendorf (ОТ von Baesweiler, Nordrhein-Westfalen, D) 41 Quiberon (Dep. Morbihan, F) 68 Raciborz (Woiwodschaft Schlesien, PL) 177 Ratibor siehe Raciborz Reinhardsbrunn (Thtiringen, D) 63 Rohlsdorf (Brandenburg, D) 120f., 123 Rom (Provinz Rom, I) 227, 370f. (247f) Roskilde (Region Sjaelland, DK) 67 Rostock (Mecklenburg-Vorpommern, D) 75-82 Sabed siehe Szabed Saint-Avit-Senieur (Dep. Dordogne, F) 68 Sancraiu siehe Kalotaszentkiraly Sanda (Sundre? (Provinz Gotlands lan, S) 97 Saromberke (Bezirk Mure$, RO) 180-182, 184 Scharenberg siehe Saromberke Schleswig (Schleswig-Holstein, D) 67, 154
396 Register Schemnitz siehe Banska Stiavnica Schonberg (Brandenburg, D) 116 Seehausen (Gemeinde Oberuckersee, Brandenburg, D) 86, 96, 98f., 112, 124, 131f., 155, 192 Selje (Provinz Sogn og Fjordane, N) 77 Selmecbanya siehe Banska Stiavnica Skanninge (Provinz Ostergotlands lan, S) 78 Somogysamson-Marotpuszta (Komitat Somogy, H) 176, 178 Stralsund (Mecklenburg-Vorpommern, D) 71f., 88f., 90-114 (SIS 69% 131, 155 Stuhlweiflenburg siehe Szekesfehervar Szabed (Bezirk Mure§, RO) 180 Szaszujfalu (Bezirk Sibiu, RO) 182 Szekesfehervar (Komitat Fejer, H) 177, 183 Szentkiraly siehe Esztergom-Szentkiraly Tac (Komitat Fejer, H) 175, 177 Targu Mure§ siehe Marosvasarhely Treskow (Brandenburg, D) 124 Uppsala (Provinz Uppsala, S) 97 Utrecht (Provinz Utrecht, NL) 69 Valkenisse (Provinz Zeeland, NL) 72 Varde (Region Syddanmark, DK) 124 Veit siehe Vole Veszprem (Komitat Veszprem, H) 171, 173f. Visby (Provinz Gotlands lan, S) 226 Voiniceni siehe Mezoszabad Vole (Bezirk Sibiu, RO) 182 Voss (Hordaland, N) 140 Wamemiinde (Mecklenburg-Vorpommern, D) 82 Westenschouwen (Provinz Zeeland, NL) 131 f. Wildberg (Brandenburg, D) 117f. Wilster (Schleswig-Holstein, D) 120 Wienhausen (Niedersachsen, D) 57, 104, 120f., 233 (Bad) Wilsnack (Brandenburg, D) 120, 122 Wismar (Mecklenburg-Vorpommern, D) 71, 108 Worms (Rheinland-Pfalz, D) 67 Wroclaw (Woiwodschaft Niederschlesien, PL) 177 Woltz siehe Vole Wolfershausen (Hessen, D) 124
Register 397 Ikonographisches Register zu den im Band erwahnten Pilgerzeichen Aachhom siehe Horn Adler 112 (S 64), 183, 274 (24), 344 (194) Adorant (anonyme Assistenzfigur) 119, 268 (12), 269 (16), 271 (19), 282 (37), 284 (41), 285f. (42, 43), 306 (101), 312 (114), 314 (118), 324 (145) Agnus Dei 233, 287 (47), 328 7755;, 329 (156), 330 7760), 332 7765, 166), 333 776S), 368 7245;, 374 (255) Ampulle 104 (S 33, S 34), 143, 164, 168, 189,212,216, 220f., 231,233, 263, 272-274 (21-25), 348f. (203-205), 368 (244) Applikation 105, 108f. (S 42-45, 48), 112f. (S 64-68), 186, 249f., 341 (187), 346 (197) Bischof (anonyme Assistenzfigur) 270 (17, 18), 318 (130) Bischofsstab siehe Pedum Blute 272 (21), 289 (52), 293 (61), 31 If. (113), 314 (120), 318 (129), 333 (170), 335 7776;, 338 (182), 344 (193), 357 (225), 364f. (238, 239), 366 7240;, 368 (244) Buchstaben 330 (160), 343 (190), 364f (238, 239) Christus Agnus Dei siehe dort Auferstehender 305 (99), 348 (201) Brustbild 267 (10) Hostie siehe dort Kreuzigung 96f. (S12, S13), 97 f.(S15), 103 (S27), 213, 287 74S), 288 (49), 295 767;, 301 (86, 87), 306f. 7702), 309f. (108), 310 311 (112), 368f. 7246;, 372f. (252> Kruzifix 96 (S 11), 98(S16-S18), 124, 176, 178, 180, 271 (19), 293 (61), 296-298 (71-78), 299-301 7S0-S5;, 302-304 (SS-95A 334 (7 72), 343 (191) Majestas Domini 370f. (248) Monogramm IHS 33 If. (164), 334 (171) Vera Icon 39, 56, 103 (S27), 180, 225, 31 If. (113), 321 (137), 322 (139), 328f. (154, 155), 333 (769), 369f 7247;, 374 (255), 376f. (259), 382 7277; Volto Santo 116, 205, 298 (78) Engel Allgemein 121, 181,264 (1), 271 (19), 286 (44), 288 (49), 293 765;, 314 (77^, 369 (246), 378 7262), 380f. (267), 381 (268) Engelweihe 39, 117f., 225, 381 (268) Erzengel Gabriel 377 (260) Erzengel Michael 60f., 267 (9), 270 ^77. 18), 277, 287 746;, 339 (183, 184) Federbusch 110 (IS 52) Fibel 340 (185), 346 (197)
398 Register Fingerring 235, 237, 241-248, 353-364 (217-237) Fischgrillrost 110 (S 53, S 54) Glockchen 76, 78f., 103f. (S 32) Giirteltasche (Miniatur) 241, 367 (242) Handtreue lllf. (S59), 353f. (217), 363f. (237), 365 Heilige Aegidius 279 (30), 308f. (105-107) Anna 36, 39, 45 Antonius 39 Barbara 264 (2), 281 (36), 296 (70), 329 (157), 368 (245) Bemhardinus 225, 375f. (257) Bischof, heiliger 121, 180, 283f. (39, 40), 288f. (51), 312 (114), 314 (119), 316 (124), 318f. (130), 326 (149), 37If. (250) Bischofe, zwei heilige 232, 268 (12), 282 (37) Christophorus 376 (258) Claude 278f. (27-29, 31) Cornelius 39 Damian 189 Diakon 318f. (130) Dionysius 215, 232, 282 (37) Eligius 189 Emmeram 215 Florentinus 232, 268 (12), 282 (37) Georg 121, 183,216, 262,264 (3), 215, 216 (26) Goar 44-46 Heilige Drei Konige 39, 45, 89, 182-184, 230, 289-291 (52-56) Hubertus 39 Jodokus 73, 75 Johannes Ev. 97 (S15), 190, 287 (48), 295 (67), 301 (86, 87), 306f. (102), 372 (252) Johannes d. T. 233, 273 (23), 306 (101), 320 (135), 379f. (264, 265) Johannesschiissel 306 (101), 311 (113), 320 (135) Karl d. Grofle 92 (S 7), 144 Katharina 39, 213, 265 (4), 268 (11, 13), 285f. (43) Kosmas 189 Laurentius 171, 280 (33) Leonhard (Leonard) 39, 214f. Macellus 232,282 (37) Mannlicher Heiliger 79f., 92 (S 7), 285 (43), 332f. (167), 383 (272) Maria Magdalena 190, 283 (38) Matthias 36, 39,45, 72, 119-121
Register 399 Maturinus 189f. Maurus (Maur) 266 (6), 294 (64), 324f. (145, 146) Monch, heiliger 312 (114) Nikolaus 39, 120, 122, 174f., 225, 283 (39), 310 (109), 371f. (250), 379 (263) Odilia 39, 347 (200) Paulus 56,170, 180,225, 370 (247), 372 (251), 374 (254), 378 (261), 380 (266), 38If. (269) Petrus 56,170,180,225, 370 (247), 372 (251), 378 (261), 380 (266), 381f. (269) Quentin (Quintinius) 266 (7), 292 (60), 293 (62), 313 (116, 117), 327 (151, 152), 331 (161), 342f. (189) Quirinus 33, 35, 37, 39, 41,45, 117,120, 348 (201) Servatius 39,41,44, 75,77, 93 (S 8S10), 180f. Stephanus 171f. Theobald 39 Thomas Becket 124, 126 Ursula 182 Veronika siehe SchweiBtuch der hi. Veronika Vindemialis 232, 268 (12), 282 (37) Vinzenz 293 (63) Weibliche Heilige 216, 265 (4), 268 (11), 281 (35), 345 (196) Wolfgang 215 Heilig-Geist-Taube 304f. (96-98), 305 (100), 316 (125), 317f (127, 128) Heiliger Rock 36, 39,45 Hellebarde 120, 230, 344f. (194) Hirsch, Hirschkuh 216, 308 (105), 309 (107) Horn (Aachhom) 113f. (S 69), 150 Hostie 39, 78, 96f. (S 12-S14) Hostienmonstranz 96 (S 11), 121, 132 Kamel 121,125, 168,290 (53) Kreuz 78, 103 (S28-S31), 105 (S 37, S. 38), 108f. (S46.S47), 117, 121, 124, 125, 176, 178, 182, 189f., 200, 232, 299 (79), 315 (123), 346 (197) Lanzenreiter 1 lOf. (S 55) Lilie 60, 104 (S 35), 108f. (S 42, S48), 190, 273 (22), 280 (32), 283 (40), 287 (46), 288 (49), 290 (54), 291 (56), 292 (59), 293 (61), 304 (96), 305 (99), 306 (101), 314 (120), 315f. (123), 318 (129), 323 (141), 349 (205) Lilienkreuz 176,297f. (75-77), 300f. (82-85), 302 (88, 90), 303 (92, 93), 315 (123) Lilienkrone 92 (S6), 171,273 (22), 281 (35), 285 (43), 286 (45), 289 (52), 291 (55), 292 (59), 305 (98), 337 (179), 345 (196) Lilienzepter 72, 102, 271 (19), 307f. (103, 104), 315 (122), 376 (258) Lowe 104 (S 33), 110 (S 51), 217, 350 (207) Mitra 105 (S36), 268 (12), 270 (17, 18), 278f. (27-29, 31), 283 (39, 40), 288 (51), 310 (109), 314 (119), 316 (124), 326f. (149, 152)
400 Register Mannliche Figur 311 (112), 321 (136) Maria Maria lactans 225f., 371 (249) Maria mit Kind, Halbfigur 269 (14), 286 (45), 293 (61), 331 (162), 348 (202) Maria mit Kind, stehend 99-103 (S19-S26), 190,231,269 (15, 16), 270 (17, 18), 281 (35), 284f. (41), 285f. (42, 43), 288 (50), 294f. /<55, 66), 295 (68, 69), 312 (7/4, //5;, 314 ^77^1, 315 (121, 122), 317 (126), 318f. (130), 319 (73/;, 320 (133, 134), 322 (733, 140), 323 (141, 143), 324 (144), 326 (148), 334 (173), 335 //76/, 338 (737/, 378 (262), 380f. (267), 382 /270; Maria mit Kind, thronend 31, 72,74,89,91f. (S4-S6), 171, 173,225,265 (5), 266 (8), 271 (19), 280 (32), 280f. (34), 292 (59), 305 (99), 307 (103), 308 (104), 311 (111), 323 (142), 325 /747А 326f. /750;, 337 (779A 346f. (793;, 371 (249), 373 /255;, 375 (256), 376 (258), 381 (268), 383 (273) Marienhaupt 108 (S43-S45) Marienkleid 144 Mondsichel 286 (45), 288 (50) Pieta 44, 182 Verkiindigung 226f., 286 (44), 377 (260) Mond 298 (78), 306f. (102), 311 (112), 370 (248), 372f. (252) Muschel (Guss) 55,65, 69,303 (94), 334f. (174), 339 (184), 340f. (186), 345 (195), 347 (199) Muschel (naturliche) 52f„ 57-68, 70f., 80-82, 88, 90f. (S1-S 3), 124, 143, 146f„ 154f., 167, 174f, 177, 179f, 198, 201 Palmwedel 54f, 232f„ 35If. (210-214) Pedum (Bischofsstab) 77, 93 (S 8, S 9), 104 (S 35), 270 (17, 18), 279 (31), 283 (40), 316(124) Peterschliissel 56, 170, 181, 372 (251) Pfeil 342 (188) Rahmen 235, 248f., 288 (49), 352f. (215, 216), 366f. (241), 368f. (246) Ritter 109 (S 49), 348 (201) Rosette 271 (20), 372f. (252), 374 (255), 376 (259) Schnalle 107, 11 If. (S56-S64), 366 (240) SchweiBtuch der hi. Veronika 181 Schwertscheide (Miniatur) 350 (207-209) Sonne 298 (78), 306f. (102), 311 (112), 319 (132), 341f. (187), 370 (248), 372f. (252) Spange 235, 237-241, 249f, 364f. (238, 239) Stem 286 (45), 289 (52), 292 (58), 309 (108), 318 (129), 319 (132), 333 (170), 340 (185), 34If. (187), 344 (197) Tiara 56, 181 Widder 269 (16), 284f. (41, 42) Wilder Mann 110 (S 50) Zepter (Miniatur) 349 (206)
401 A utorenverzeichnis Jorg Ansorge Dr. rer. nat.; studierte bis 1991 an der Emst-Moritz-Amdt-Universitat Greifs- wald Geologie und Palaontologie und wurde 1996 zum Dr. rer. nat. in Pala- ontologie promoviert. Er arbeitet seit 1994 als wissenschaftlicher Mitarbeiter am Landesamt fur Bodendenkmalpflege Mecklenburg-Vorpommern, jetzt Lan- desamt fur Kultur und Denkmalpflege. Er war als Grabungsleiter bei stadtar- chaologischen Untersuchungen in Mecklenburg-Vorpommern in bisher iiber 50 Ausgrabungsprojekten tatig. Seine Forschungsschwerpunkte sind fossile In- sekten des Mesozoikums, Siedlungsgeschichte der Hansestadte Greifswald und Stralsund und die materielle Kultur des 13.-19. Jahrhunderts. Elek Benko DSc; studierte bis 1978 an der Eotvos Lorand-Universitat in Budapest Ar- chaologie und Geschichte. Von 1979 bis 1988 arbeitete er als Archaologe im Stadtmuseum Cristuru Secuiesc (Rumanien). Seit 1989 ist er Mitarbeiter, in- zwischen Wissenschaftlicher Rat des Archaologischen Instituts der Ungari- schen Akademie der Wissenschaften. Er wurde 1991 zum PhD promoviert und 2003 habilitiert. Er ist Mitglied der Archaologischen Kommission der Unga- rischen Akademie der Wissenschaften und der Kommission fur archaologi- sche Ausgrabungen und betreute verschiedene Dissertationen an der Eotvos- Lorand-Universitat. Seine Forschungsgebiete sind die mittelalterliche Ar- chaologie Siebenbiirgens und Ungams, besonders der Buntmetallguss, die Ke- ramik und Zisterzienserkloster. Wolfgang Bruckner em. o. Univ. Prof.; war bis zu seiner Emeritierung Professor der deutschen Phi- lologie und Volkskunde an der Julius-Maximilians-Universitat Wurzburg. Seine Forschungsschwerpunkte sind u.a. Kultur und Volk als Konstrukte, das Verhaltnis von Wort und Bild in Recht, Frommigkeit und Kunst; Phanomene der Kunstpopularisierung; Menschen und Moden; Formen konfessioneller Kulturpragung; das Problemfeld Geschichte und Geschichten. Carina Brumme M.A.; studierte bis 2006 an der Humboldt-Universitat zu Berlin Ur- und Friih- geschichte und Theologie. Gegenwartig bereitet sie eine Dissertation iiber spat- mittelalterliche Wallfahrten in Sachsen-Anhalt vor. Seit 2001 unterstiitzte sie den Aufbau der Pilgerzeichendatenbank am Lehrstuhl fiir Christliche Archao- logie, Denkmalkunde und Kulturgeschichte der Humboldt-Universitat zu Berlin.
402 A utoren verzeichnis Julia Dilger M.A.; studierte Erziehungswissenschaften und Europaische Ethnologie an der Albert-Ludwigs-Universitat Freiburg/Br. und an der Humboldt-Universitat zu Berlin. 2005 war sie an der Ausstellung ,,Reisefieber“ im Museum Neukolln in Berlin beteiligt. Seit 2006 ist sie wissenschaftliche Assistentin in Fortbil- dung am Museum Europaischer Kulturen - Staatliche Museen zu Berlin, als Mitkuratorin erarbeitete sie dort unter anderem die Ausstellung „KinderMobil - Kleine Heifer fur kleine Helden“ (2007). Andreas Haasis-Berner Dr. phil.; studierte an der Albert-Ludwigs-Universitat Freiburg/Br. und arbei- tet als freiberuflicher Archaologe. Derzeit bearbeitet er die ffuh- und hoch- mittelalterliche Keramik der Kaiserpfalz in Paderbom. Seine Forschungsin- teressen spiegeln folgende Monographien wieder: Wasserktinste, Hangkanale und Speicherbecken. Eine archaologisch-historische Untersuchung zum Was- serbau im Mittelalter am Beispiel des Urgrabens am Kandel im mittleren Schwarzwald (2001) - Pilgerzeichen des Hochmittelalters (Veroffentlichun- gen zur Volkskunde und Kulturgeschichte 94) (2003) - 7000 Jahre Salzkot- ten. Siedlungsarchaologie einer Region am Hellweg 2000-2002 (2004). Helena KoenigsmarkovA PhDr.; studierte Kunstgeschichte an der Philosophischen Fakultat der Karls- universitat Prag. Seit 1971 arbeitete sie am Kunstgewerbemuseum in Prag (UPM) als Spezialistin fur Metalle (Zinn, Gusseisen usw.) und historisches Spielzeug. Sie wurde 1978 mit einer Arbeit liber die Sammlung der mittel- alterlichen Pilgerzeichen im Kunstgewerbemuseum in Prag an der Karlsuni- versitat promoviert und ist seit 1991 Direktorin des Kunstgewerbemuseums in Prag. Ihre Forschungsschwerpunkte sind Museologie, mittelalterliche Pil¬ gerzeichen und kleine Metallplastiken. fos KOLDEWEIJ Prof. Dr.; studierte Kunstgeschichte an der Universitat Utrecht und wurde hier 1985 mit der Arbeit „Der gude sente Servas. Sint Servatius en de Servatiana: een onderzoek naar de beeldvorming rond een heilige in de Middeleeuwen“ promoviert. Seit 1993 ist er Professor fur Mittelalterliche Kunstgeschichte an der Radboud University Nijmegen. Seine wissenschaftlichen Interessen be- treffen das spate Mittelalter, Kunst und Frdmmigkeit sowie das Kunstgewerbe besonders in Nordwesteuropa. Sein besonderes Forschungsgebiet sind die re- ligiosen und profanen Zeichen des Spatmittelalters. Er kuratierte verschiedene Ausstellungen, u.a. 1985 im Nordbrabanter Museum von ’s-Hertogenbosch „Zilver uit 's-Hertogenbosch“ und 1990 „In Buscoducis“. Im Jahr 2001 war er
A utorenverzeichnis 403 im Museum Boijmans Van Beuningen, Rotterdam, Gastkurator fur die Aus- stellung „Jheronimus Bosch“ und 2006/2007 im Bruggemuseum - Gruuthuse, Brugge, fur die Ausstellung „Geloof & Geluk. Sieraad en devotie in midde- leeuws Vlaanderen“. Stefan Krabath Dr. phil.; studierte an der Georg-August-Universitat Gottingen Ur- und Friih- geschichte, Kunstgeschichte und Volkskunde und wurde hier 1999 mit einer Arbeit liber Buntmetallfunde promoviert. Danach leitete er ein Forschungs- projekt zum Kloster Hethis. Seit dem Jahr 2002 ist er als Gebietsreferent im Sachsischen Landesamt fur Archaologie tatig. Schwerpunkte seiner For- schungen sind Buntmetallfunde, Topferei und Stadtkemforschung. Hartmut Kuhne Dr. theol.; studierte Evangelische Theologie an der Kirchlichen Hochschule Berlin (Ost) und der Theologischen Fakultat der Humboldt-Universitat zu Berlin. Er wurde 1998 mit einer Arbeit zu spatmittelalterlichen Reliquien- festen an der Theologischen Fakultat der Humboldt-Universitat promo¬ viert und ist seit 2002 Wissenschaftlicher Assistent am Lehrstuhl fur Christ- liche Archaologie, Denkmalkunde und Kulturgeschichte der Theologi¬ schen Fakultat der Humboldt-Universitat zu Berlin. Seine Forschungen be- treffen die Frommigkeit und Kultur des Spatmittelalters und der Fruhen Neuzeit. Lothar Lambacher Dipl, phil.; studierte 1978 bis 1983 Kunstwissenschaft an der Humboldt- Universitat zu Berlin. 1984 bis 1995 an der Skulpturensammlung, seither am Kunstgewerbemuseum der Staatlichen Museen zu Berlin tatig, derzeit Haupt- kustos der Mittelalterabteilung und Stellvertretender Direktor. Forschungs- schwerpunkte auf dem Gebiet sakraler Schatzkunst und profanen Schmucks des Mittelalters. Leitung langfristiger interdisziplinarer Forschungsprojekte zu Kolner Grubenschmelzarbeiten der Spatromanik und zum so genannten Giselaschmuck; daneben sammlungs- und provenienzgeschichtliche For¬ schungen. Katrin Nagel M.A.; studierte an der Emst-Moritz-Amdt-Universitat Greifswald Ur- und Fruhgeschichte, Christliche Archaologie und Gcschichte der byzantinischen Kunst sowie Mittlere und Neuere Geschichte. Sie ist freie wissenschaft- liche Mitarbeiterin fur Museumspadagogik am Pommerschen Landesmuseum Greifswald.
404 A utoren verzeichnis Cornelia Oefelein Dr. phil.; studierte Anglistik und Romanistik an der Western Michigan Uni¬ versity in Kalamazoo, Michigan (USA) und Mittelalterliche Geschichte und Kunstgeschichte an der Freien Universitat Berlin. Zu ihren Forschungsgebie- ten gehoren Ordensgeschichte, mit Schwerpunkt Zisterzienser, Frommig- keitsgeschichte und Pilgerwesen. Seit 2004 arbeitet sie an einem Katalog der mittelalterlichen Pilgerzeichen auf den Glocken in Brandenburg. Sie ist Mit- begriinderin und wissenschaftliche Beiratin der 2006 gegriindeten St. Jako- busgesellschaft Berlin-Brandenburg e.V. Jorg Poettgen studierte Theologie, Mathematik und Musik; Staatsexamina fur das Lehramt. Er war nach Kirchen- und Schuldienst bis zur Pensionierung hauptamtlich in der Erwachsenenbildung tatig. Parallel dazu seit 1982 zahlreiche Veroffentli- chungen zur Glockenkunde und Pilgerzeichenforschung, Wissenschaftlicher Beirat fur das „Deutsche Glockenmuseum44, Mitherausgeber des „Jahrbuch fur Glockenkunde44. Robert Plotz Dr. phil.; studierte von 1963 bis 1969 Germanistik, Geographie, Geschichte, Ethnologie und Sportpadagogik an der Julius-Maximilians-Universitat Wiirz- burg. Von 1971 bis 1977 DAAD-Lektor an der Universitat in Oviedo (Spa- nien), danach wissenschaftlicher Mitarbeiter bei Wolfgang Bruckner in Wiirz- burg. 1978 bis 2007 Direktor des Niederrheinischen Museums fur Volkskunde und Kulturgeschichte Kevelaer. Er ist Autor zahlreicher Veroffentlichungen auf dem Gebiet der Kulturgeschichte und Ethnologie mit spezieller Beriick- sichtigung des Pilger- und Wallfahrtswesens und der Sachvolkskunde. Seit 1987 President der Deutschen St. Jakobus-Gesellschaft, Gastprofessuren und Kurse in Italien (Perugia) und Spanien, Dozent der Studienstiftung Deutsches Volk in Villa (Sudtirol). Konrad Vanja Prof. Dr. phil.; studierte Europaische Ethnologie/Volkskunde, Evangelische Theologie und Soziologie an der Philipps-Universitat Marburg und wurde mit einer Arbeit zur Sozialgeschichte eines oberhessischen Dorfes promoviert. Ta- tigkeiten an Museen in Cloppenburg, Riisselsheim und Remscheid. Seit 1981 wissenschaftlicher Mitarbeiter, Kustos und Oberkustos am Museum fur Deut¬ sche Volkskunde, heute Museum Europaischer Kulturen - Staatliche Museen zu Berlin und dessen Direktor seit 2000. Publikationen und Ausstellungen zu Themen der Bild-, Druck-, Frommigkeits- und Ideengeschichte im europai- schen Vergleich.
Europaische Wallfahrtsstudlen Herausgegeben von Hartmut KOhne, Jan Hrdina und Thomas T. Muller Band 1 Daniel Dolezal/Hartmut Kuhne (Hrsg./eds.): Wallfahrten in der europaischen Kultur. Pil¬ grimage in European Culture. Tagungsband Pribram 26.-29. Mai 2004. Proceedings of the Symposium Pribram, May 26th-29th 2004. Unter Mitarbeit von Eva Dolezalova, Mark6ta Holubov£, Jan Hrdina und Hana P£tkov£. In Collaboration with Eva Dolezalov£, Marketa Holubov£, Jan Hrdina and Hana Pditkov^. 2006. Band 2 Felix Escher/Hartmut Kuhne (Hrsg.): Die Wilsnackfahrt. Ein Wallfahrts- und Kommunikati- onszentrum Nord- und Mitteleuropas im Spatmittelalter. 2006. Band 3 Jan Hrdina/Hartmut Kuhne / Thomas T. Miiller(Hrsg.): Wallfahrtund Reformation-Pout' a re- formace. Zur Veranderung religioser Praxis in Deutschland und Bohmen in den Umbruchen der Fruhen Neuzeit. 2007. Band 4 Hartmut KOhne/Lothar Lambacher/Konrad Vanja (Hrsg.): Das Zeichen am Hut im Mittelal- ter. Europaische Reisemarkierungen. Symposion in memoriam Kurt Koster (1912-1986) und Katalog der Pilgerzeichen im Kunstgewerbemuseum und im Museum fur Byzantinische Kunst der Staatlichen Museen zu Berlin. 2008. www.peterlang.de