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                    Nr. 12
SCHLESISCHE BERGWACHT
Seite 187
Radfahrerverein
von Wernersdorf 1921
Bild: Martha Riesel
7250 Leonberg
Vor 60 Jahren der Mord im Stoudenhof zu Schmiedeberg
Von Paul Me n d e, 8105 Farchant, Wettersteinstmße 6
Obwohl schon einmal dn der Nr. 21/22
1965 der Schlesischen Bergwacht" durch
Herrn Ha�s-Eberhard von Besser über die
Tragödie auf dem Staudenhof berichtet
worden ist, möchte ich den verehrten Le­
sern das berichten, was ich 'als damaliger
Kon:liirmand gesehen, gehört und Ln mei­
nem Gedächtnis behalten habe.
Wie von einem Blitz aus heiterem Him­
mel wurde unser verträumtes Bergstädt­
chen Schmiedeberg (Riesengebirge) durch
den grauenhaften Mord aufgerüttelt. Die
traurdge Nachricht ging von Mund zu
Mund: der ehrenwerte langjährige evan­
gelische Kirchenvorsteher und vorzügliche
Bienenzüchter Herr Gustav Klein ist er­
mordet worden!
Vielleicht war meine Schwester Martha
die letzte, die mit Herrn Klein gesprochen
hat; denn sie holte für ihre Herrschaft,
Familde Pastor Johannes Schulz, wo sie
12 Jahre tätig war, den als sehr gut be­
kannten Bienenhonig regelmäßig ab. Die­
sesmal auch arn Tage vor der Mordnacht.
Damit der Mörder Fritz Bergmann aus
Breslau des Nachts den Hausflur des Stan­
deshofes betreten konnte, hatte ihm seine
Schwester Frau Martha Klein den Haus­
schlüssel vom oberen Flurfenster arn Bind­
faden heruntergelassen. Sie selbst hatte
nach eigener Angabe den Kopf in die Kis­
sen gesteckt, um nicht die tödlichen Schlä­
ge zu hören. Durch das Gepolter vom
Mörder im finsteren Hausflur und im obe­
ren Stock, wo Gustav Klein noch wach
war, ist dieser mit der Petroleumlampe in
der Hand (elektrisches Licht gab es noch
nicht), herausgetreten rund hat an der
oberen Treppenstufe vom Mörder die töt­
Iichen Schläge, meines Wissens nach nicht
mit einem Beil, sondern mdt einem Ofen­
rost erhalten. Der Getötete muß kopfüber
die Treppe heruntergestürzt sein und lag,
die zerschlagene Petroleumlampe in der
Hand und mit dem Kopf nach unten, auf
dem Treppenpodest.
Die damals schon alte Frau Däsler, die
in den Kleinhäusern an der Straße nach
Hohenwiese wohnte, ging schon jahrelang
um 5 Uhr in den Staudenhof, um die Kühe
zu melken. Im hinteren Hausflur fand sie
eine Blutlache nind teilte dies Frau Klein,
die in der Küche war, mit. Diese sagte ihr,
sie soll die Blutlache mit einem alten Sack
zudecken; denn sie hat eben ein Huhn ge­
schlachtet.
Gegen 7 Uhr kam Frau Felsmann aus der
Neuhofer Straße um wie eh und je Herrn
Gustav Klein sein Zimmer aufzuräumen.
Sie 'entdeckte den Ermordeten lauf dem
Treppenpodest und schlug Lärm. Die Po­
lizei und Staatsanwaltschaft wurde ver­
ständigt und das Haus Igesperrt.
Der Mörder ist nach der Tat zu Fuß über
Quirl, Buchwald, Fischbach zum Bahnhof
Jannowitz gelaufen, um mit dem ersten
Zug nach Breslau zurückzufahren. In Quirl
hatte er das Mordwerkzeug in einen Gar­
ten geworfen, wo es nach seinem Ge­
ständnis auch gefunden wurde.
Die damals schon sehr findige Polizei
hatte I1asch den Täter ermittelt, und man
brachte .ihn mit der Eisenbahn nach
Schmiedeberg.
Zu dieser Zeit wurde der Bahnhofsvor­
platz mit neuen Granltkleinpflasterstei­
nen versehen. Diese waren die richtigen
Wurfgeschosse um den gefesselten Mör­
der zu lynchen. Dies wurde sofort von der
Polizei untersagt, aber ein Stein traf den
im Dienst befindlichen Weichensteller Aust
am Kopfe.
Eine riesige Menschenmenge begleitete
die offene Halbscheese. In der Mitte der
Mörder, rechts Polizeikommissar Hein­
rich und Iinks Polizeibeamter OUo Gutt­
rnann. Diese hatten während der Fahrt
zum Staudenhof genügend zu tun, um die
mehr als aufgeregten Menschen zu be­
schwichtigen.
Am Donnerstag, dem 11. April 1907 hat
der Mörder durch Geständnis den Mord
zugegeben, zumal er einwandfrei von dem
.diensthabenden Beamten des Bahnhofs
Jannowitz erkannt und überführt worden
ist.
Am Montag, dem 27. Oktober 1907 wur­
de wegen Mordes Fritz Bergmann und sein
Schwager Max Klein wegen Anstiftung
zum Mord vom Schwurgerächt Hirschberg
(Schlesien) zum Tode verurteilt. Martha
Klein geborene Bergmann erhielt wegen
Beihilfe 4 Jahre Zuchthaus.
Am Sonnabend, dem 9. Mai 1908 wurden
Bergmann und Klein begnadigt und die
Todesstr-afe in lebenslänglich Zuchthaus
umgewandelt. Also brauchte Scharfrichter
Schwietz aus Breslau nicht in Tätigkeit
zu treten.
Bergmann ist nach einigen Jahren an
Schwindsucht im Zuchthaus verstorben.
Die drei Extrablätter, Geständnis, To­
desstrafe und Begnadigung wurden mir
mit 30 anderen wertvollen Bildern und
Dokumenten von einer treuen Heimat­
freundin aus der SBZ über West­
berlin in freundlicher Weise übersandt und
befinden sich seit Pfingsten 1962 in der
Heimatstube unserer Patenstadt Alfeld
(Leine), wo sie von Jedermann eingesehen
werden können.
Wenn ich mich zu vorstehendem Bericht
im einzelnen noch sehr gut entsinnen kann,
so mag es auch daran liegen, daß diese
große Aufregung einige Tage nach dem
Palmsonntag 1907, dem Tage meiner hei­
ligen Konfirmation, geschehen ist. Ich wür­
de mich sehr freuen, wenn von den da­
mals 98 Konfirmanden sdch der eine oder
andere meLden 'würde, zumal es der Tag
der diamantenen Konfirmation ist. Ob
unser sehr verehrter Herr Pastor Stäsche
noch am Leben ist?
Jedes Postamt
nimmt Neubestellungen
entgegen
Büchertisch
Zum Buch und zu den Zeichnungen
GüNTHER GRUNDMANNS
"Zum Vergnügen gezeichnet". Unter die­
ser Kennzeichnung sind aus der Fülle von
mehr als tausend Bleistiftzeichnungen 120
Architekturmotive aus siebzehn europäi­
schen Ländern von der Hand des aus
Schlesien stammenden Kunsthistorikers,
Museumsdirektors und Denkmalpflegers.
Prof. Dr. Günther Grundmann, ausgewählt
und zu einem entsprechenden Band zu­
sammengestellt worden. Von Bauernhäu­
sern und kleinen Städten bis zu Kirchen
und Domen, Schlössern, Burgen und Rui­
nen, von deutschen Motiven bis zu denen
des Mittelmeeres, vom Norden und Osten
bis zum Orient ist eine reiche zeichnerische
Ernte eingebracht. Die dem zarten Blei­
stiftcharakter der Ortginale entsprechende
Wiedergabe auf bestem holzfreiem Papier
machen das gut ausgestattete Buch zu ei­
ner wertvollen kleinen Kostbarkeit. Das
einfühlsame Vorwort von Dr. Wolf Stubbe
wird dem besonderen Charakter der Zeich­
nungen und ihrer Entstehung innerhalb
des kunstwissenschaftlichen und denkmal­
pflegerischen Lebenswerkes Günther
Grundmanns in Iiebenswürdiger Diktion
gerecht.
Als Architekturzeichner wurde Schlesiens
Provinzialkonservator der Öffentlichkeit
im Rahmen einer Ausstellung "Zehn Jahre
Denkmalpflege in Schlesien" im Schlesi­
schen Museum der bildenden Künste in
BresLau 1942 vorgestellt, wobei die meisten
schlesischen Architekturmotive von den
Städtischen Kunstsammlungen Breslau an­
gekauft wurden. 1948 hob die Kritik bei
einer Ausstellung in Coburg, als Günther
Grundmann die Kunstsammlungen auf der
Veste Coburg leitete, Blätter wie Breslaus
fi l ig rarriges Rathaus und das der Univer­
sität als besonders glückliche Aussagen des
zeichnerischen Anliegens Grundmanns her­
vor. 1962 schrieb Hans Theodor Flemming
zu einer Ausstellung der Architekturzeich­
nungen des langjährigen Denkmalpflegers
in Hamburg die zutreffend kritische Wür­
digung:
"Auf zahlreichen Reisen in Deutschland,
nach Skandinavien, dem Baltikum und
nach Ft-ank reich, Italien, Griechenland und
der Türkei hat Grundmann seit langem
seine Bindrücke von den Bauwerken und
Landschaften historischer Stätten mit dem
Bleistift festgehalten. Seine Zeichnungen
bewegen sich stilistisch zwischen Romantik
und Realismus. Stets verbinden sie dabei
die Akkuratesse des genau beobachtenden
Kunsthistorikers mit einem ausgesprochen
malerischen Empfinden für Stimmung und
Atmosphäre.
Die Mehrzahl der Zeichnungen ist jeweils
in sehr kurzer Zeit entstanden, doch macht
keine von ihnen einen skizzenhaften Ein­
druck. Obwohl nur als Gelegenheitsarbei­
ten gedacht, verraten die meisten Dar­
stellungen ein erstaunliches zeichnerisches
Können, das zuweilen fast altmeisterlich
anmutet.
Auch zeigt sich von den frühen Aussich­
ten bis zu den jüngsten Panoramen von
Korfu, Delphi und Istanbul eine beachtliche
Entwicklung, die zu einer freien, lockeren
Handhabung des Zeichenstiftes führt, dem
Grundmann im Medium des Bleis eine äu­
ßerste Modulattonsfähigkeit abgewinnt."
Sicher waren Grundmanns Blätter häufig
ein nur unter Beschwernissen einbringba­
rer Zuwachs an Reisegepäck. Aber wenn
anderes Mitgebrachtes mit der Zeit sein
Leben verliert, wenn Reiseandenken ver­
welken und ihr Sinn im Laufe der Jahre
zunehmend verblaßt, wenn Erinnerungs­
photos über kurz oder lang umständlicher
Erklärungen bedürfen, wenn vieles sich
ganz gegen alle anränglicnen Erwartungen
in Gerümpel und Ballast verwandelt:
Was Grundmann heimbrachte, bleibt be­
stehen ,aIs ein farbiges, nicht vergilbendes
Gegenbild seines äußeren und inneren Le­
bens."
J..